08. Heart
Ich fühlte mich komplett gerädert, als ich am nächsten Morgen erwachte. Bestimmt sah ich auch total verheult aus, sodass ich erst einmal unter die Dusche sprang.
Dort begann ich bei dem Gedanken an den gestrigen Abend erneut zu weinen. Da ich mich aber auf keinen Fall vor Niall bloßstellen wollte, wischte ich mir die Tränen entschlossen aus dem Gesicht. Ich musste den heutigen Tag und das Aufräumen hier überstehen, dann konnte ich endlich weg und musste ihm nicht wieder in die Augen sehen. Was hatte ich auch eigentlich erwartet? Ich hatte mal wieder viel zu viel in einen einzigen blöden Kuss hineininterpretiert. Menschen lernten eben doch nicht aus ihren Fehlern.
Ich konnte jetzt nur noch hoffen, dass seine Tusse nicht mehr da wäre. Alles andere wäre wahrscheinlich ein bisschen viel. Ich schaute auf die Uhr als ich aus der Dusche stieg und stellte fest, dass es neun Uhr am Morgen war, Niall also höchstwahrscheinlich noch schlief.
Das hielt mich aber nicht davon ab, einen ersten Rundgang durch das Haus zu starten, nachdem ich mich angezogen hatte. Tatsächlich war die Party nicht zu sehr ausgeartet, es standen nur eben überall Flaschen herum und der Boden würde gewischt werden müssen. Da ich mir gut vorstellen konnte, dass Niall darauf keine Lust haben würde, suchte ich bereits nach einem Wischer und wurde in der Küche fündig. Zu essen nahm ich mir einen Rest vom Fingerfood und begann, das Parkett im Wohnzimmer zu wischen. Um mich dabei ein bisschen abzulenken, summte ich eine Melodie vor mich hin, sodass ich total erschrak, als hinter mir eine kratzige Stimme erklang.
„Morgen", murmelte derjenige und ich drehte mich überrascht zum Sofa um, auf dem tatsächlich zwei Jungs halb übereinander lagen, von denen nun einer wach geworden zu sein schien.
„Lasst euch von mir nicht stören", antwortete ich nun und wurde ein wenig rot, weil sie mich summen gehört hatten und ich sie nicht eher bemerkt hatte.
„Machen wir nicht", murmelte er und schloss seine Augen wieder. Ich setzte meine Tätigkeit fort und schaffte sogar noch die Küche bis sich wieder etwas im Haus regte.
Eine dritte mir unbekannte Person betrat die Küche.
„Hi, du kannst Niall sicher sagen, dass ich gegangen bin? Muss weg", erklärte derjenige mir und fasste sich an den Kopf. „Ach, und krieg ich vielleicht eine Aspirin mit auf den Weg?"
Seufzend löste ich ihm eine Aspirin in Wasser auf, nachdem ich diese in einem der Küchenschränke gefunden hatte. Der mir Unbekannte bedankte sich und schlich dann zur Haustür. Da hatte es wohl jemand ein wenig übertrieben.
Alle anderen schliefen jedoch immer noch, sodass ich mich nun auch daran machte, alle leeren Flaschen einzusammeln und in Müllsäcke zu stopfen, welche wir vorher bereitgelegt hatten. Langsam kam ich mir ein bisschen komisch vor, fast wie Nialls Putzfrau, aber irgendwer musste es schließlich machen. Und mit Niall zusammen wollte ich es eigentlich nicht tun.
Auch im Vorgarten standen noch Flaschen und übriggebliebene Feuerwerkskörper herum, die ich einsammelte.
Um elf Uhr hatte ich alles aufgeräumt was ich gefunden hatte und langweilte mich, sodass ich mich wieder ins Gästezimmer auf mein Bett setzte. Zwar waren inzwischen die Typen vom Sofa verschwunden, jedoch hatte ich trotzdem ein komisches Gefühl, mich bei Niall einfach so vor den Fernseher zu setzen.
Dieser hatte immer noch keinen Mucks von sich gegeben. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, was er am gestrigen Abend noch alles getan hatte. Vor allem nicht was er mit diesem Mädel getan hatte. Bei dem Gedanken daran musste ich meine Gesichtsmuskeln anspannen, um nicht schon wieder die Tränen fließen zu lassen. Herrje, was das anging war ich wirklich nah am Wasser gebaut.
Es war schließlich halb zwölf als Niall an meiner Tür klopfte und ich von meinem Handy aufblickte.
„Ja?"
„Guten Morgen", kam es müde durch die Türöffnung. Er konnte nicht einmal seine Augen richtig offen halten. „Ich habe es gestern ein bisschen übertrieben, tut mir leid, dass ich nicht mehr auf dich aufgepasst habe", entschuldigte er sich, aber ich zuckte nur mit den Schultern. Das war es schließlich nicht, was mich an seinem Verhalten gestört hatte. „Ich habe auch gar nicht mitbekommen, wann du schlafen gegangen bist." Kein Wunder, dass er das nicht mitbekommen hatte. Schließlich war er genau in dem Moment ziemlich, nun, beschäftigt gewesen.
„Mach dir keine Sorgen", antwortete ich.
„Okay. Willst du frühstücken?", fragte er dann.
Mit wem? Etwa mit meiner neuen besten Freundin, der aktuellen Tussi?
„Nö, danke, ich habe schon was gegessen", antwortete ich sicherheitshalber.
„Wenn es dir nichts ausmacht kannst du ja vielleicht trotzdem mit runterkommen, dann muss ich nicht alleine essen", schlug er vor.
Das war dann wohl der Beweis, dass sie ihm nicht einmal gut genug gewesen war, um über Nacht zu bleiben. Gut, als Superstar konnte er sich das natürlich leisten, in dieser Hinsicht wählerisch zu sein. Aber ich würde ihn sicher nicht darauf ansprechen.
„Wow, Lena, warst du das?", entwischte ein erstaunter Laut seinem Mund, als er das Wohnzimmer sah.
„Ja, bin seit neun Uhr wach", antwortete ich schulterzuckend als sei es mir egal.
„Das hättest du doch nicht machen müssen, ich hätte dir geholfen! Außerdem habe ich eine Putzfrau für so etwas. Das ist echt lieb von dir." Er wollte mich spontan umarmen, aber ich entwischte der Umarmung, woraufhin ich einen verwirrten Blick zugeworfen bekam.
Allerdings fragte er nicht nach, sondern wandte sich lediglich zur Küche.
Wir aßen stumm, beziehungsweise aß er und ich saß stumm daneben, weil mir nach Small Talk nicht der Sinn stand.
Ihm schien es jetzt schon viel besser zu gehen als zuvor, offensichtlich überstand er die Nachwirkungen des Alkohols meist ohne weitere Probleme.
„Geht's dir gut?", fragte er schließlich, als er aufgegessen hatte und seinen Teller in die Spülmaschine stellte.
„Ich habe nicht getrunken", antwortete ich und umging damit die Antwort, die er eigentlich hatte von mir hören wollen, das wusste ich.
„Das meinte ich nicht. Du benimmst dich gerade so komisch. Hat dir die Party gestern nicht gefallen? Du kannst ruhig ehrlich mit mir sein."
„Ich mochte die Party gestern. Ich habe mich gut mit Aoife, Dylans Freundin, verstanden", umging ich erneut die Antwort, die er hören wollte.
„Aber?", hakte er erneut nach. „Lena, ich bin nicht blöd, ich merke doch, dass irgendetwas los ist." Naja, er schien ja blöd genug zu sein, nicht zu merken, was mit mir los war, aber das sagte ich nicht. „Hat dich irgendwer blöd angemacht oder so?"
„Ja", antwortete ich jetzt. Ich fühlte mich nämlich wirklich blöd angemacht. Von ihm!
„Und wer? Willst du mir davon erzählen?", fragte Niall nach, erleichtert, dass er das Problem gefunden zu haben schien.
„Oh, ich kann dir gern davon erzählen", gab ich ein wenig bissig zurück. „Du bist so ein verdammter Idiot und ein Arschloch, Niall Horan!" Er wollte gerade mit verwirrtem Gesichtsausdruck etwas antworten, jedoch kam er nicht dazu, da ich jetzt beschloss, alle meine Gefühle des gestrigen Abends herauszulassen. Das ging echt nicht an. „Wie kannst du es überhaupt wagen, noch so unschuldig nachzufragen? Erst küsst du mich und dann sehe ich wie du mit dieser Tusse auf dem Dach rum machst, hast du überhaupt eine Ahnung, wie ich mich fühle? Ich habe kein Problem damit, wenn du dich mit irgendwelchen Frauen vergnügst, das weißt du auch, aber ich habe durchaus ein Problem, wenn du dabei mit meinen verdammten Gefühlen spielst. Deine Aktion gestern hat mich total verwirrt, aber ich hätte dich niemals für jemanden gehalten, der so mit Frauen umgeht. Du bist ein Arsch, Niall Horan."
Das saß. Mit offenem Mund starrte er mich an und sagte gar nichts mehr.
Herzlichen Glückwunsch, offensichtlich konnte er sich nicht einmal mehr an irgendetwas erinnern.
Wie hatte ich ihn jemals für einen Gentleman halten können? Hatte er sich so verändert oder hatte ich einfach nicht gesehen, wie er wirklich drauf war?
„Ich kann das nicht entschuldigen", sagte er plötzlich. „Es tut mir so leid. Ich wollte dich wirklich nicht verwirren und schon gar nicht verletzen. Ich weiß, dass das eine scheiß Ausrede ist, aber ich war einfach besoffen. Ich hätte das nicht tun sollen, mir hätte bewusst sein sollen, dass ich so nicht mit dir umgehen kann. Es tut mir wirklich leid, Lena." Ich studierte sein Gesicht. Nirgendwo konnte ich den gewohnten Schalk erkennen, er sah einfach nur bedrückt aus, und so, als tue es ihm wirklich leid.
Ich war einfach nur traurig, aber vor allem wusste ich nicht, was ich jetzt tun sollte. Das schien man mir anzusehen, denn Niall sagte nun: „Ich weiß, dass du darüber jetzt erstmal nachdenken musst. Das war nicht meine Absicht, wirklich nicht."
Ich merkte zum dritten Mal seit ich aufgestanden war, dass mir die Tränen in die Augen stiegen.
„Ich geh hoch", brachte ich hervor, stand auf und ging schnellen Schrittes die Treppe hoch. Niall sollte mich nicht auch noch heulen sehen, wo ich jetzt praktisch schon meine Gefühle auf einem Silbertablett serviert hatte.
Um mich von meinen Tränen abzulenken begann ich, meinen Koffer zu packen und hörte in der Zeit wie Niall duschte.
Ich wusste wirklich nicht, was ich jetzt tun sollte. Ich mochte Niall gern, aber ich wollte mich nicht mehr von einem Jungen herumschubsen lassen. Sagte er nun also die Wahrheit, wenn er sagte, dass es ihm von Herzen leidtat? Es klang auf jeden Fall so, außerdem hatte er mich vorher nie angelogen.
Andererseits fühlte ich mich immer noch verletzt. Und er hatte nicht wirklich erklärt, was dieser Kuss bedeutet hatte. Das verwirrte mich noch zusätzlich.
Mein Kopf brummte vor lauter Gedanken.
Ich wusste einfach nicht mehr, wo ich damit hin sollte, sodass ich für einen Moment meine Augen schloss und versuchte, alle meine Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen. Bis zu einem gewissen Grad klappte das gut, aber Niall wollte einfach nicht verschwinden und blieb hartnäckig.
Seufzend gab ich den Versuch auf. Was sollte ich auch groß machen? Er war mir wichtig, das konnte ich nicht leugnen.
Auch das Kofferpacken konnte mich irgendwann nicht mehr richtig ablenken, denn schließlich war dieser an einem gewissen Zeitpunkt voll und perfekt gepackt.
Ich verließ also mein Zimmer wieder und ging ins Wohnzimmer, wo der Hausbesitzer auf dem Sofa saß. Ohne einen weiteren Kommentar setzte ich mich zu ihm und versuchte den Gedanken aus meinem Kopf zu vertreiben, der mir sagte, dass ich mich gern an ihn kuscheln würde. Das wollte ich nämlich nicht, noch nicht jedenfalls. Nun, vielleicht doch.
„Wann geht dein Flieger?", fragte Niall und suchte meinen Blick.
„In drei Stunden, bis dahin ist also noch ein wenig Zeit." Ich versuchte, seinen Blick zu meiden, was mir aber nicht so recht gelingen wollte.
„Okay. Du musst jetzt nicht noch was mit mir machen, ich kann dich echt verstehen", murmelte der Ire neben mir dann kaum hörbar. Daraufhin drehte ich mich zu ihm hin und ließ mein Herz sprechen. So kitschig das auch klang, es war so.
„Niall, ich mag dich wirklich. Aber ich möchte und muss dir vertrauen können. Bitte verletz mich nicht wieder." Auch ich sprach ganz leise.
„Ich verspreche es", gab er zurück und schloss mich in seine Arme. Hoffentlich hatte ich jetzt die richtige Entscheidung getroffen. Ich wollte mir nicht vorstellen, was passieren konnte, wenn Niall mich doch nur ausnutzte. Aber daran wollte ich jetzt nicht denken, denn mein Herz hatte sich entschieden.
Als ich schließlich im Flugzeug in Richtung Hannover saß, wusste ich zwar immer noch nicht, warum Niall mich geküsst hatte, aber immerhin wusste ich, dass ich ihm jetzt vertrauen würde, was schon einmal ein Fortschritt war.
Leider würde ich ihn trotz der Pause in der nächsten Zeit nicht sehen können, weil bei mir in der Schule wieder Klausuren anstanden und ich mich auf diese vorbereiten musste.
Vielleicht tat mir ein bisschen Abstand aber auch ganz gut, vielleicht brauchte ich den sogar. Eigentlich war ich mir meiner Gefühle schon bewusst, ich musste sie nur ein bisschen sacken lassen. Das, was mir passiert war, konnte zu vielen Problemen und einer Menge Chaos führen, das wurde mir bewusst. Es würde wahrscheinlich mein ganzes Leben verändern.
Wir setzten zum Landeanflug an und ich schaltete mein Handy an, als wir schließlich wieder in Deutschland waren. Die Gangway ins Flughafengebäude, die ich so gut kannte, fühlte sich unter meinen Schritten irgendwie anders an als sonst. Ich fühlte mich selbstsicherer als sonst. Darüber konnte ich nur Vermutungen anstellen. Eins stand jedoch fest.
Ich hatte mich in Niall Horan verliebt.
Was haltet ihr von Lenas Erkenntnis? Einige von euch haben es ja schon geahnt. Wie wird es wohl mit den beiden weitergehen?
Das werdet ihr im nächsten Kapitel erfahren, das am Dienstag, den 7. März, also in drei Wochen veröffentlicht wird. Ich habe momentan so viel zu tun, dass ich leider gar nicht zum Schreiben komme. Es gibt auch wieder einige Klausuren und Aufgaben zu bewältigen und am 7. März muss ich eine wichtige Hausarbeit abgeben.
Liebe Grüße
Catrifa x
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