28. Thank you very much
„Überraschung!" Ich öffnete meine Augen so vorsichtig wie möglich und alles was ich sah waren Kerzen, ganz viele Menschen und ein an der Decke des Raumes aufgehängtes Transparent mit der Aufschrift „Goodbye, Lena!"
Ach du scheiße, ich hatte alles komplett missverstanden!
All das, und vor allem meine vorherige Entführungstheorie, berührten mich jetzt so sehr, dass ich die Tränen nicht zurückhalten konnte.
„Ihr seid so lieb", brachte ich unter Schluchzern hervor. Sofort sammelte sich eine Menschentraube um mich und alle versuchten, mich zu trösten.
„Was hast du denn?"
„Ist alles in Ordnung?"
„Brauchst du ein Taschentuch?"
Ich versuchte, mir die Tränen aus dem Gesicht zu wischen und brachte ein Lächeln zustande.
„Es ist alles okay, ich freue mich nur so!" Meine Entführungstheorie wollte ich jetzt wirklich nicht zum Besten geben, das war echt peinlich.
Die anderen nickten.
„Wir haben uns wirklich Mühe gegeben", grinste Feli, und Lilly umarmte mich.
„Wir werden dich total vermissen", gab sie zu. „Vielleicht magst du uns ja mal besuchen kommen wenn du Zeit hast und deine Eltern es erlauben!"
„Das werde ich bestimmt machen!", versprach ich.
Es musste ein riesen Aufwand gewesen sein, diese Party zu organisieren und alle Leute einzuladen. Es waren wirklich viele hier, einige Menschen von Sony, natürlich die Mädels aus der WG und ich wollte meinen Augen nicht trauen, als Niall auf mich zukam.
„Ich konnte doch meine kleine Schwester nicht gehen lassen ohne mich richtig von ihr verabschiedet zu haben!", lachte er mich an.
„Das alles ist so lieb von euch", antwortete ich. „Dabei ist es unter der Woche und ihr müsst morgen arbeiten."
„Ach Quatsch, ich jedenfalls habe morgen keine Termine. Deshalb habe ich übrigens auch beschlossen, dich zum Flughafen zu begleiten. Keine Widerrede!"
Wie schon öfter während der letzten sechs Wochen hatte ich das Gefühl, hier Menschen kennengelernt zu haben, die ich noch öfter in meinem Leben treffen würde.
„Ehrlich? Das ist ja cool", freute ich mich. Eigentlich hatte ich mich schon darauf eingestellt, alleine fahren zu müssen, da alle anderen schließlich arbeiten mussten.
„Na klar, du bist mir wirklich ans Herz gewachsen, Kleine." Er umarmte mich, und ich hatte das Gefühl, dass sich unsere freundschaftliche Beziehung auf einem Level befand, obwohl ich ganze fünf Jahre jünger war. Das Alter war eben doch nur eine Zahl.
Ein Angestellter bei Sony Music, mit dem ich auch Einiges zu tun gehabt hatte, hatte sich bereiterklärt bei der Party ein bisschen Musik aufzulegen, sodass die ersten schon bald begannen zu tanzen.
Niall grinste mich an: „Wollen wir auch tanzen?"
Ich schüttelte entschieden den Kopf. „Falls du es noch nicht bemerkt haben solltest, ich trage zwei linke Füße an meinen Beinen." Sein darauf folgender Gesichtsausdruck gefiel mir gar nicht.
„Ach was, das stört mich überhaupt nicht!"
Ehe ich mich versah, hatte er mich bereits hochgehoben und auf seinen Füßen abgestellt. „Du bist echt kleiner und leichter als ich dachte", stellte er fest.
„Na danke auch." Ich verzog mein Gesicht zu einem Schmollmund.
„Das haben jüngere Schwestern nun mal so an sich", zuckte er mit den Schultern und begann, sich langsam fortzubewegen.
Obwohl ich keine Ahnung vom Standardtanzen hatte, ich merkte auf jeden Fall, dass Niall es nicht besonders gut drauf hatte.
„Du kannst doch selber überhaupt nicht tanzen", wies ich ihn darauf hin.
„Ertappt." Er grinste, führte aber weiterhin die Schrittfolge durch, von der er dachte, dass sie zu diesem Song passen könnte.
„Du bist echt ein niedlicher großer Bruder", gab ich ihm dann die Retourkutsche.
„Lena, beeil dich!" Sandy kam zum wiederholten Male in mein Zimmer gestürmt.
Ohne meine Klamotten, die hier in den vergangenen sechs Wochen herumlagen, sah es komplett leer und vor allem anders aus. Ich stopfte eine unter dem Bett wiedergefundene Socke in die Außentasche meines Koffers und sah dann auf.
„Ich bin sozusagen fertig", verteidigte ich mich.
„Mal abgesehen davon, dass du noch frühstücken musst und im Musikzimmer ziemlich viele Noten von dir herumfliegen", ergänzte Fee, die gerade an der Tür vorbeilief.
„Ähm ja." Ich musste zugeben, dass sie damit Recht hatte.
Mit einem letzten Blick in das Zimmer nahm ich meinen Koffer, schulterte meine Tasche und schloss die Tür hinter mir, als ich auf den Flur trat.
Auf meinem Weg ins Musikzimmer hörte ich, dass es an der Tür klingelte, verließ mich aber darauf, dass eine von den Mädels öffnen würde, während ich noch die Noten einsammelte.
Mit einem Haufen einzelner Notenblätter ging ich wieder zurück in den Flur, wo Niall mich umarmte.
„Das sieht ganz eindeutig nach einem Auszug aus", grinste er, und half sofort, die Noten in meinem Koffer zu verstauen.
„Leider schon", bedauerte ich. „Hast du schon gefrühstückt?"
„Allerdings, aber ich habe kein Problem damit, noch einmal etwas zu essen."
„Super, Lilly hat den Tisch nämlich bestimmt schon für dich mitgedeckt."
Gemeinsam betraten wir die Küche, wo bereits letzte Vorbereitungen für das gemeinsame Frühstück getroffen wurden.
Wir alle waren extra früh aufgestanden, um noch einmal gemeinsam essen zu können. Deshalb war ich nun nicht die Einzige, die ein Gähnen nicht unterdrücken konnte, Lilly tat es mir gleich.
„Hast du schon Pläne für die ersten paar Stunden nach deiner Rückkehr?", wollte Fee wissen und schenkte allen Kakao ein.
Über diese Frage musste ich länger nachdenken als ich gedacht hätte. Die sechs Wochen in London kamen mir vor wie in einer völlig anderen Welt und ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie es zuhause und in der Schule sein würde.
„Wahrscheinlich werde ich erst einmal Schulsachen einkaufen gehen, weil es morgen ja schon wieder losgeht. Und ansonsten muss ich definitiv Einiges an Schlaf nachholen." Ich musste schon wieder gähnen.
„Das klingt ja sehr begeistert." Sandy zog die Augenbrauen hoch. „Die ersten Stunden zurück im Heimatland und du denkst nur ans Schlafen." Ich wusste natürlich, dass das nicht böse gemeint war, aber der Hauch von einem Vorwurf schwang trotzdem darin mit. Natürlich hatte ich meine Eltern und meinen jüngeren Bruder vermisst, aber die Londoner waren für mich zu einer Art Ersatzfamilie herangewachsen, die ich ebenfalls vermissen würde.
„Ich bin nun mal müde, egal in welchem Land", verteidigte ich mich und trank einen Schluck Kakao.
„Das ist die richtige Einstellung", lachte Lilly.
Gerade als ich in mein Marmeladentoast biss, fiel mir noch etwas ein, was ich definitiv als eine der ersten Sachen in Deutschland tun würde.
„Aber das erste, was ich am Flughafen in Hannover machen werde, ist mir ein ordentliches Vollkornbrot zu kaufen! Von dem Weißbrot hier kann doch keiner lange überleben."
„Ich glaube das sehen wir anders", stellte Niall fest. „Aber wenn du das nächste Mal nach London kommst, kannst du uns ja einfach mal deutsches Brot mitbringen, dann merken wir vielleicht, was wir verpassen."
„Das ist eine gute Idee", stimmte Fee zu.
Das anschließende Abräumen des Tisches überließen die Mädels Niall und mir, da sie jetzt auch langsam zur Arbeit mussten.
Lilly war die Erste, die mich zum Abschied kräftig drückte. „Ich hoffe sehr, dass du eine schöne Zeit bei uns hattest und dich bald mal wieder blicken lässt", gab sie mir mit auf den Weg und küsste mich auf die Wange, was ich erwiderte.
Dann war Fee an der Reihe, die mir bei unserer Umarmung einen kleinen Gegenstand in die Hand drückte. „Danke", murmelte ich und ließ ihn in meiner Hosentasche verschwinden. Was genau es war, würde ich mir anschauen, wenn meine Mitbewohnerinnen die Wohnung verlassen hatten.
Sandy umarmte mich als Letzte, und obwohl ich sie oft nicht gut einschätzen konnte, in diesem Fall wusste ich genau, wovon sie sprach: „Lass dich bloß von niemandem beeinflussen."
Alle drei hatte ich unglaublich lieb gewonnen, sodass ich ihnen hinterherwinkte, bis sie im Treppenhaus nicht mehr zu hören waren.
„Na, du kommst doch bestimmt wieder, das ist jetzt aber kein Grund zu weinen, Prinzessin." Niall wischte mir eine Träne aus dem Gesicht, von der ich gar nicht bemerkt hatte, dass sie aus meinem Auge gekommen war.
„Ich gebe mir Mühe", nickte ich.
Gemeinsam räumten wir den Tisch ab und schauten noch einmal überall in der Wohnung, ob ich wirklich alles mitgenommen hatte.
Dann legte ich schweren Herzens meinen Hausschlüssel auf das Schlüsselbrett, schulterte meine Tasche und sah zu, wie Niall meinen schweren Koffer mit Leichtigkeit aus der Wohnung zog.
Mit einem letzten Blick zurück ließ ich die Haustür ins Schloss fallen.
Nialls Wagen stand bereits vor der Wohnung, und er hievte meinen Koffer auf die Rückbank, wo auch meine Tasche landete.
Ich registrierte gar nicht mehr richtig, dass ich tatsächlich auf der richtigen Seite einstieg, es war inzwischen so normal für mich geworden.
In Deutschland allerdings würde ich mich wieder auf den Rechtsverkehr umstellen müssen.
In der Tiefgarage des Flughafens angekommen, war es nun auch Zeit, sich von Niall zu verabschieden. Er konnte nicht mit in den öffentlichen Bereich, da die Gefahr zu groß war, von Fans erkannt zu werden, und er keinen Bodyguard dabei hatte.
Er stieg mit mir zusammen aus und reichte mir den Koffer und die Tasche.
„Vielen Dank", murmelte ich, als mir erneut die Tränen kamen und ich ihm um den Hals fiel. Ich spürte genau, dass er wusste, dass ich mich für die ganze Zeit und nicht nur diesen Morgen bei ihm bedankte.
Er hatte mir das Erlebnis London noch um Einiges schöner gemacht, und dafür war ich unendlich dankbar. Außerdem war er wirklich zu einem großen Ersatz-Bruder geworden.
„Gen geschehen", gab er zurück. „Du bist hier immer wieder willkommen."
Dann sagte er nichts mehr und streichelte mir nur noch über den Rücken. Ich hätte auch gar nichts erwidern können, so sehr musste ich weinen.
Die vergangenen sechs Wochen würde ich in meinem ganzen Leben nicht mehr vergessen, das wusste ich jetzt schon.
Als ich Schritte hörte, ließ ich Niall los und wischte mir einmal über die Augen, obwohl man bestimmt aus zehn Meter Entfernung erkennen konnte, dass ich geweint hatte.
„Hallo, gut, dass du da bist", begrüßte Niall denjenigen, der hinter mir auf mich zukam.
Als ich mich umdrehte, konnte ich kaum glauben, was ich da sah. Niemand anderes als Flo Guides würde mich auf dem Rückflug nach Deutschland begleiten!
Ich verspürte Erleichterung, da ich schon Angst gehabt hatte, einen wildfremden Flugbegleiter zu bekommen.
Flo schien genauso gut drauf zu sein wie auf dem Hinflug vor sechs Wochen, was mich gleich etwas glücklicher stimmte.
„Dein persönlicher Flugbegleiter meldet sich zu Diensten!" Er salutierte Spaßeshalber und umarmte mich dann zur Begrüßung.
„Hi, mit dir hätte ich gar nicht gerechnet", sagte ich mit einem Grinsen.
„Damit bin ich jetzt wohl abgeschrieben", zwinkerte Niall und tat so, als wolle er ohne ein weiteres Wort in sein Auto steigen.
„Hab dich lieb, Bruderherz!" Ich warf ihm eine Kusshand zu, die er erwiderte.
„Ich weiß! Schreib, wenn du gut angekommen bist", forderte er mich auf.
„Mache ich", versprach ich, und damit stieg er tatsächlich in seinen SUV und startete den Motor.
„Auf nach Hause!", stellte Florian vergnügt fest, schnappte sich meinen Koffer und ging in Richtung Fahrstuhl. Kichernd folgte ich ihm.
Erst beim Sicherheitscheck bemerkte ich, dass ich immer noch den kleinen Gegenstand von Fee in meiner Hosentasche trug. Allerdings war dies auch nicht der richtige Zeitpunkt, sich damit auseinanderzusetzen, sodass ich ihn einfach in meiner Handtasche verschwinden ließ, die ich auf das Förderband legte.
Am Gate angekommen nahm ich mein Handy heraus und nutzte das freie WLAN, um meiner Familie zu schreiben, dass der Flug pünktlich startete.
Sie wollten mich direkt am Flughafen in Hannover abholen und brauchten deshalb diese Information, schließlich mussten sie zeitig losfahren.
Das Boarding ging rasch vonstatten und ich nahm entspannt meinen Sitz neben Flo ein, als das Handgepäck verstaut war.
Mit uns reisten eine Menge Touristen, deren Kinder genauso lange Ferien hatten wie ich, sodass ich mir schnellstmöglich Kopfhörer in die Ohren steckte, um das ganze Getratsche nicht hören zu müssen.
Einige Zeit später fiel mir auf, dass ich immer noch Fees Geschenk nicht angeschaut hatte. Also kramte ich es aus meiner Handtasche und wickelte das Packpapier ab. Zum Vorschein kam ein Schlüsselanhänger mit unseren Initialen, L für Lilly, S für Sandy, F für Fee und L für Lena.
Ich wusste genau, dass dieser Anhänger für meine Rückkehr nach London bestimmt war, was mich sehr glücklich machte.
Irgendwann würde ich nach London zurückkommen, das nahm ich mir fest vor.
Abschiede sind immer traurig, findet ihr nicht auch? Noch ist diese Geschichte allerdings nicht ganz vorbei.
Ich weiß, dass das immer blöd klingt, aber ich möchte es trotzdem noch einmal gesagt haben: Eure Votes und Kommentare geben mir als Hobbyautorin unglaublich viel Motivation und Freude, wenn euch die Geschichte gefällt. Bitte seid euch dessen bewusst, wenn ihr nach diesem Kapitel einfach so wegklickt ohne mich wissen zu lassen, wie ihr es fandet. Ich kann übrigens auch mit Kritik umgehen. Und wenn euch das zu aufwendig ist, macht mich ein einzelner Vote schon glücklich. Einmal pro Kapitel auf ein Sternchen zu klicken wenn es euch gefallen hat, sollte nicht zu schwer sein. Und selbst wenn doch, gibt es immer noch die Möglichkeit, nachträglich zu voten (z.B. wenn man offline liest).
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