13. Horror trip

„Wo fahren wir hin, Niall?"

„Sei nicht immer so neugierig und vertrau mir einfach mal. Du wirst es lieben."

„Irgendwie habe ich Angst vor diesem Ort." Ich saß neben Niall in seinem SUV und wunderte mich alle fünf Minuten erneut, dass in London Linksverkehr herrschte. Gruselig war das! Fast so gruselig wie die Tatsache, dass ich diesen Umstand alle fünf Minuten wieder vergaß und mich wunderte, dass uns niemand entgegen kam und wir nicht als Geisterfahrer gestoppt wurden.

„Du musst keine Angst haben, es ist ganz ungefährlich!" Irgendwie konnte ich Niall bei diesem Funkeln in seinen Augen nicht wirklich glauben, aber ich war wirklich neugierig und wollte auch nicht total ängstlich rüber kommen.

„Warum kannst du es mir nicht einfach vorher sagen?"

„Dann wäre es keine Überraschung mehr und du würdest dich nicht mehr so freuen." Ja, Niall Horan hatte offiziell beschlossen, seiner „kleinen Schwester" (so hatte er mich heute begrüßt) eine Freude zu machen und sich bei ihr zu bedanken, mit einem Ausflug in London. Woah, ich freute mich wirklich schon riesig. Ironie lässt grüßen.

„Ich freue mich nicht", ließ ich verlauten. „Okay, vielleicht doch ein ganz kleines bisschen. Aber das liegt an meiner Neugierde."

„Wusste ich's doch." Er grinste. Ich war mir ziemlich sicher, dass einige hundert, nein tausend, Directioner in Ohnmacht gefallen wären, hätten sie dieses süße Grinsen gesehen.

„Ja, du hast mich durchschaut. Wann sind wir da?", hängte ich wie ein kleines Kind an.

„Wie alt bist du? Ich dachte immer, Vierzehnjährige sind schon etwas reifer. Habe ich mich wohl geirrt."

„Du bist neunzehn, da ist es klar, dass du mich als unreif ansiehst." Ein wenig beleidigt war ich aber schon.

Niall stoppte den Wagen, und ich sah neugierig aus dem Fenster. Grau. Ich sah Grau. Irgendwie war hier ganz schön viel Nebel und Regen. „Schau mal raus, es ist total schlechtes Wetter. Können wir, was auch immer du vorhast, nicht bei besserem Wetter machen?"

„Ach was, das klärt gleich wieder auf, du wirst schon sehen. Jetzt gerade ist es jedenfalls total praktisch." Er stieß die Autotür auf, sprang aus dem Wagen, ging herum und reichte mir seine Hand, um mir beim Aussteigen zu helfen, damit ich nicht unfreiwillig Bekanntschaft mit dem Boden machte. War mir beim Einsteigen vorhin schon fast passiert. Eigentlich war ich nicht tollpatschig, aber mit diesem Auto hatte ich so meine Probleme. Immerhin wollte ich diesmal nicht bei der Fahrertür einsteigen, wie beim letzten Mal.

Niall führte mich durch den Nebel und schien einen genauen Plan davon zu haben, wo er hin wollte. Ganz im Gegensatz zu mir, ich ging nur hinter ihm her und versuchte, ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Mein Orientierungssinn war ja schon schlecht wenn ich alles genau sehen konnte und mich auskannte!

Tatsächlich konnten wir aber bereits nach wenigen Minuten wieder mehr sehen, und das, was ich sah, raubte mir den Atem. Wirklich nicht im positiven Sinne. Vor uns ragte das London Eye auf und ich bekam ein flaues Gefühl im Magen. Oh Mist.

Es war kaum etwas los, schließlich war die Sicht nicht unbedingt berauschend, und niemand der Anwesenden beachtete uns wirklich.

„Und?" Mit einem strahlenden Lächeln drehte Niall sich zu mir um.

„Ehm... cool?" Oh Gott, wir würden sterben. Wenn nun ausgerechnet die Gondel, in der wir uns befanden, herunterfiel? Ein Horrorszenario nach dem anderen spielte sich in meinem Kopf ab.

„Ach komm schon, das wird super." Niall legte einen Arm um mich und zog mich somit zu der Kasse mit. Bitte Gott, rette mich! Ich stehe neben einem Star, holt mich hier raus!

„Ja. Super. Genau." Irgendwie konnte ich ihm nicht glauben.

Da nicht viel los war, hatte Niall keine Probleme damit, die zwei Tickets zu kaufen und sicherzustellen, dass in unserer Gondel keine andere Person mitfuhr. Es waren sowieso nicht alle Gondeln besetzt.

Als wir das gläserne Gebilde betraten, begannen meine Beine zu zittern. Oh nein. Das würde ganz sicher nicht gut gehen.

„Eh, Niall?"

„Ja?" Die Gondeltüren schlossen sich und meine Beine hielten mich nicht mehr, sodass ich mich an den Schultern des Iren festhielt um nicht umzufallen. Langsam atmete ich ein und aus, konnte mich dadurch aber nicht beruhigen.

„Ich habe ... ganz extreme ... Höhenangst", brachte ich stotternd und ziemlich leise heraus. „Also keine ... Höhenangst, eher ... Angst, irgendwo .... herunterzufallen."

„Lena! Warum hast du nicht früher etwas gesagt!" Er blickte mich bestürzt an.

„Sorry, hab ... mich nicht ... getraut." Das mit der Atemtechnik funktionierte so gar nicht. Ich hatte das Gefühl, keine Luft zu bekommen und wurde langsam panisch.

„Okay. Du darfst nicht runter schauen, ja?" Genau, und ich soll einfach den Fakt vergessen, dass ich bald ... okay, ich wollte gar nicht wissen, wie hoch das Teil war. Viel zu hoch. Ab zwei Metern wurde es bei mir kritisch. Und wir waren jetzt schon auf mindestens 4 Metern. „Magst du dich vielleicht hinsetzen?" In der Mitte der Gondel gab es eine Sitzgelegenheit, zu der er mich führte und ich ließ mich darauf fallen. Verdammt, jetzt würde die Gondel gleich herunterfallen. War dieses Wackeln normal?

„Ich will hier weg." Ich gab einen Sch**ß darauf, dass ich mich anhörte wie ein Kleinkind, ich hatte einfach nur Todesangst im Moment. Normalerweise heulte ich nicht, aber ich merkte schon jetzt, wie die Tränen mir in die Augen stiegen. Immerhin konnte ich wieder einigermaßen atmen.

„Bitte nicht weinen!" Er schloss mich in seine Arme und ich fühlte mich sofort ein bisschen sicherer (immerhin würde ich jetzt nicht alleine sterben), aber die Angst blieb. Wäre ja auch zu einfach. „Es tut mir wirklich leid! Sag mal kennst du das Video, wo wir Harry auf der Bühne die Hose runter ziehen?" Völlig aus dem Zusammenhang gegriffen, versuchte Niall nun, mich irgendwie abzulenken.

„Habe davon ... gehört. Aber nicht ... gesehen", antwortete ich, nun etwas ruhiger, aber immer noch voller Angst.

„Ich würde jetzt ja sagen, dass du raussehen sollst, die Aussicht ist super, aber das lassen wir besser, hm?" Ich lächelte leicht.

„Wäre besser. Obwohl ich es wirklich gern sehen würde. Hältst du mich fest?" Verblüfft sah Niall mich an. Ich atmete einmal ganz tief durch. Das würde ich jetzt schaffen.

„Wie jetzt?" Der Ire schien ziemlich verwirrt.

„Ich habe gefragt, ob du mich fest hältst, wenn ich aufstehe, damit ich nicht umkippe?"

„Bist du dir sicher...?"

„Klar, wann ist man denn sonst mal im London Eye?" Ich grinste leicht. Das war meine Art, damit umzugehen. Panik schieben, und diese dann vorsichtig bekämpfen. Mein Ziel war es, irgendwann auf dem Eiffelturm stehen zu können, sollte ich jemals nach Paris kommen. Die Metallbaute schwankte nämlich wirklich, das bildete man sich nicht nur ein, und da ich das dummerweise wusste, würde ich mich nicht hinauf trauen, was ich aber irgendwie doch wollte.

Ich umklammerte Nialls Oberkörper, während ich vorsichtig aufstand.

„Okay, ich glaube es geht", verkündete ich vorsichtig. Ich warf einen Blick durch das Glas. Dafür, dass vorhin noch alles neblig gewesen war, konnte man nun wirklich viel sehen. Ich bemühte mich zunächst, nicht nach unten zu schauen, sondern nur in die Ferne, was sehr gut klappte. London sah fantastisch aus. Es wurde langsam dunkel, was dem Ganzen eine wunderschöne Atmosphäre verlieh. Dann wanderte mein Blick immer näher, bis ich einzelne berühmte Sehenswürdigkeiten Londons erkennen konnte. Schließlich schweifte mein Blick aber doch zu nah. Ich sah kurz einen Teil vom Gerüst des London Eye, dann wie tief es hinunter ging, mir wurde schwindelig und schwarz vor den Augen.

Sekunden danach schloss ich meine Augen, und der Schwindel ebbte ab. Vor allem dank Niall, an den ich mich klammerte wie ein Affe. Irgendwie tat es mir leid und war ganz schön peinlich, aber darüber konnte ich momentan nicht nachdenken. Die Hauptsache war, dass wir hier lebend rauskamen.

„Ist alles ok?" Er sah total besorgt aus.

„Ja, geht wieder. Mir war nur gerade sehr schwindelig. Wir sind so hoch. Viel zu hoch."

„Ja, das London Eye ist genau..."

„Ich will gar nicht wissen, wie hoch es ist!" Ich hätte mir ja die Ohren zugehalten, aber das ging nicht, weil ich meine Hände zum Festhalten brauchte, also musste ich Niall unterbrechen.

„Okay, dann eben nicht. Hast du diese Höhenangst schon immer?"

„Seit ich denken kann", bestätigte ich. „Ans Fliegen habe ich mich inzwischen gewöhnt, am Anfang war es der Horror. Ich habe einfach Angst, irgendwo herunterzufallen. Das gilt auch für das Sinken von Schiffen."

„Du Arme!", bemitleidete er mich. „Warst du mal in Paris?"

„Du meinst wegen des Eiffelturms?"

„Genau."

„Bisher nicht. Aber es ist mein Ziel, mich da mal hinauf zu trauen. Die Frage ist dann, ob ich auch wieder herunterkomme."

„Ach was, runter geht es immer!" Er zwinkerte.

„Mensch, Niall!" Ich musste lachen, obwohl das ja genau der Grund war, weshalb ich Höhenangst hatte.

Wir kamen schneller wieder aus der Gondel raus, als ich gedacht hatte. Als ich wieder festen Boden unter den Füßen spürte, war ich kurz davor, den Boden abzuknutschen. Niall hielt mich zum Glück davon ab. Er hob eine Augenbraue.

„Denk nicht mal daran!" Woher hatte er das jetzt schon wieder gewusst? Dieser Typ war so unglaublich!

„Du siehst immer noch ein bisschen blass aus", bemerkte er, als wir im Auto saßen. „Hätte ich gewusst, dass du Höhenangst hast, hätte ich das nicht mit dir gemacht, tut mir ehrlich leid!"

„Ist doch okay, du konntest es ja nicht ahnen", lächelte ich leicht.

„Es tut mir trotzdem leid. Geht es dir wirklich gut?"

„Ja, wirklich, großer Bruder. Du musst dir überhaupt keine Sorgen machen."

„Mache ich aber. Stell dir mal vor du wärst bewusstlos geworden oder so!"

„Bin ich aber nicht, es ist nichts passiert."

„Zum Glück. Möchtest du noch etwas Essen oder gleich nach Hause?"

„Wenn das okay für dich wäre, würde ich gern noch etwas Essen, dann muss ich mir nichts selber machen. Die Mädels sind irgendwie alle ausgeflogen heute Abend."

„Kein Problem. Irgendwelche Wünsche? Nando's, irgendein Restaurant, oder selber kochen?"

„Du kannst kochen?" Ich war so überrascht, dass ich seine Frage nicht beantwortete.

„Ich lebe bereits seit einiger Zeit alleine, natürlich kann ich kochen, ich mache das sogar sehr gerne", lachte er leise. „Was hast du denn gedacht?"

„Keine Ahnung." Das war jetzt irgendwie peinlich gewesen. Und ich wusste tatsächlich nicht, weshalb mich diese Tatsache so überrascht hatte.

„Kannst du denn nicht kochen?", wollte er wissen.

„Was verstehst du denn unter Kochen können?", gab ich zurück.

„Wie sieht es mit Nudeln aus?"

„Das bekomme ich hin, jedenfalls wenn die Küche überschwemmt sein darf und ich keine Soße machen muss", antwortete ich wahrheitsgemäß.

„Pancakes?"

„Nur wenn der Teig bereits fertig ist, mitunter werden sie leicht schwarz oder landen im Endeffekt auf dem Boden."

„Musst du bei dir zuhause oft kochen?"

„Ich darf nicht mehr allein die Küche betreten, wenn ich die Absicht habe etwas zu kochen", gab ich kichernd zu. „Nachdem wir sie vollkommen neu renovieren mussten, weil ich sie beinahe abgefackelt habe bei einem Versuch zu kochen."

„Oh Gott." Niall lachte. „So schlimm ist das? Ich habe eben überlegt, dir vielleicht das Kochen beizubringen, aber unter diesen Umständen habe ich ein wenig Angst um meine Küche."

„Meine Mutter ist an diesem Versuch auch schon gescheitert", gab ich zu. „Es ist ja auch nicht so, dass ich es nicht lernen möchte, aber ich bin noch nicht dazu gekommen einen Kochkurs zu belegen und private Leute kennen mich meist schon und lassen mich nicht in ihre Küchen."

„Das ist allerdings ein Problem. Weißt du was? Wir probieren das mal aus! Ich bin ja da, um aufzupassen."

„Ja? Das würdest du tun?" Ein Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus. Ich kannte Niall noch nicht lange, aber er war tatsächlich schon wie ein Bruder für mich.

„Bei dem Funkeln in deinen Augen könnte ich mich doch eher für Nando's entscheiden", lachte er. „Ich glaube ich habe soeben das Todesurteil für meine arme Küche unterschrieben."

Ob Nialls Küche tatsächlich von Lena gekillt wird oder es gerade noch überlebt, werdet ihr bald erfahren!

Ich habe dieses Kapitel damals geschrieben bevor ich selber auf dem London Eye war (mein damaliger Freund hat mich überredet, da mitzufahren), aber ich muss sagen: Ich kann ihre Gefühle jetzt komplett nachvollziehen, da ich ebenfalls Höhenangst habe und diese Fahrt genauso wenig witzig fand wie sie. Obwohl die Aussicht klasse war!

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