06. Morning as student apprentice

„Lena, du musst aufstehen! Multimillionäre warten nicht gerne!", weckte Lillys Stimme mich am nächsten Morgen. Ach ja, erster Arbeitstag. Ich seufzte resigniert und schwang meine Beine über die Bettkannte. Ändern konnte ich es ja doch nicht. Obwohl, vielleicht konnte man den Job bei Ebay versteigern? Damit würde ich garantiert eine Menge verdienen!

Mit diesen Gedanken begab ich mich in die Küche, um erst einmal etwas zu essen. Lilly wartete bereits auf mich. Ich nahm mir einen Joghurt aus dem Kühlschrank und setzte mich dann zu der Sechzehnjährigen an den Küchentisch.

„Morgen kommt Fee aus Australien wieder", verkündete meine Mitbewohnerin. „Sie ist eigentlich richtig nett, aber der Jetlag wird ihr sehr zu schaffen machen, am besten lässt du sie die ersten zwei Tage in Ruhe", riet sie mir.

„Okay", mampfte ich. Ich freute mich bereits, die nächste Bewohnerin der WG kennenzulernen.

„Gut, dann kannst du dich gleich fertigmachen, damit wir zum Headquarter los können." Ich nickte und stand auf, um die inzwischen leere Joghurtpackung wegzuwerfen.

Danach verschwand ich im Bad, wo ich mich am letzten Abend schon eingerichtet hatte, und stieg unter die Dusche. Das kalte Wasser weckte mich vollkommen auf und ich war endlich nicht mehr zu müde für das Praktikum und alles, was mich dort erwartete. Ich zog mir frische Klamotten an und ging dann in mein Zimmer, aus dem ich schnell meine Tasche holte. Im Flur zog ich mir meine Schuhe und Jacke an und rief dann ungeduldig nach Lilly.

„Kommst du? Ich will nicht zu spät kommen!", schrie ich in Richtung ihres Zimmers. Wenn ich in etwas total unbegabt war, dann war es das Warten. Und Sport. Und Orientierung. Eigentlich war ich in ganz schön vielen Dingen unbegabt.

„Ich komme ja schon, bleib locker!", kam es zurück und schon erschien die Pianistin auf dem Gang. „Chill mal, heute wird dir garantiert sowieso nur der Headquarter gezeigt, und weil ich das übernehme, musst du gar nicht so stressen", beruhigte sie mich. Gemütlich langsam zog sie ihre Schuhe an und nahm die Jacke vom Haken. Dann schnappte sie sich einen der gefühlt tausenden dort liegenden Schlüssel vom Schlüsselbrett, der mit einem Klaviermodell als Anhänger bestückt war.

„Achso, ich habe gestern vergessen, dir das mit den Schlüsseln zu erklären!" Die Sechzehnjährige schlug sich gegen die Stirn. „Wie du siehst liegen hier so einige Schlüssel herum. Du kannst dir einfach einen ohne Anhänger nehmen und dann an einem persönlichen Schlüsselanhänger befestigen. Das ist dann dein Schlüssel für die nächsten sechs Wochen. Schließlich musst du die Wohnung nach Belieben verlassen und betreten können! Es wäre total unsinnig, wenn immer jemand da sein müsste, um dir aufzuschließen. Außer uns Bewohnern haben übrigens nur die Putzleute und Simon Schlüssel." Ich nickte auf ihre Erklärung hin und sie reichte mir einen der Schlüssel vom Brett.

„Mach einfach irgendetwas Persönliches dran", riet sie mir und ich überlegte kurz, bis ich eine Idee hatte. Ich kramte in meiner Tasche nach meinem Schlüsselbund, an dem ich insgesamt vier Anhänger hatte. Einen davon löste ich vom restlichen Bund und fädelte ihn in das Loch des Schlüssels ein. Grinsend zeigte ich meiner Mitbewohnerin den Anhänger. Sie lachte.

„Woher hast du den denn?"

„Meine Freundin aus Deutschland ist Fan und hat ihn mir letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt", erklärte ich ihr.

„Dir ist klar, dass die Jungs sich auch öfter mal im Headquarter aufhalten, oder?", erkundigte sie sich.

„Klar, aber das wäre doch total witzig, wenn sie sich dann selbst auf einem Schlüsselanhänger erkennen, oder? Außerdem steht da ja nicht „One Direction", sondern „Niall and the potatoes" ", rechtfertigte ich mich.

„Okay, du hast Recht, das wäre wirklich lustig", stimmte sie mir zu. „Aber wir sollten jetzt mal gehen, sonst kommen wir wirklich zu spät", fügte meine Mitbewohnerin noch hinzu und öffnete die Wohnungstür, um mich hinaustreten zu lassen.

„Ab ins wahre Leben, meine Liebe!" Die Pianistin grinste mich an, als wir auf die Straße traten. Weil - laut Lilly eine Seltenheit in London, die man ausnutzen musste - die Sonne vom Himmel strahlte, beschloss sie, dass wir die kurze Strecke auch zu Fuß gehen konnten. Während wir durch die Straßen marschierten, schaute ich mich um und versuchte, mir die Gegend einzuprägen. Mir war klar, dass ich den Weg trotzdem nicht zurück finden würde. Immerhin hatte ich mir die Adresse gemerkt, sodass ich immer jemanden nach dem Weg fragen konnte.

Die Wohnung war wirklich nicht weit vom Headquarter entfernt und wir kamen innerhalb von zehn Minuten vor dem Gebäude an. Gemeinsam betraten wir die Eingangshalle und wurden sofort von Vicky begrüßt, die wie gestern hinter ihrem Tresen stand.

„Hallo Lilly, Lena", nickte sie uns zu und wir grüßten zurück. Die Sekretärin reichte Lilly ein bedrucktes Blatt Papier, welche es entgegen nahm, kurz darauf sah und es dann in ihrer Tasche verstaute.

„Ich werde dir jeden Tag so einen Plan geben, Lena", erklärte Vicky. „Das ist dein Arbeitsplan. Lilly zeigt dir alles, deshalb hat sie ihn heute bekommen, aber ab morgen wirst du deine Aufgaben alleine erledigen." Ich nickte, war aber innerlich unsicher, ob ich das schaffen konnte. Das Gebäude war riesig, und sicherlich würde ich mich nicht nur verlaufen, sondern zusätzlich auch noch mit Anlauf in jedes vorhandene Fettnäpfchen hüpfen. Öffentlich versuchte ich immer, so ruhig wie möglich zu bleiben, aber innerlich brodelte es regelmäßig, aus Angst, etwas falsch zu machen (und diese Angst war nicht unberechtigt). Dieses Gefühl hatte ich meist, bevor ich irgendjemand Wichtigem vorgestellt wurde, oder einen Fehler begehen konnte. Na toll, da freute ich mich ja schon!

Lilly zog mich in den Fahrstuhl und kramte wieder den Plan heraus, nachdem die Türen sich geschlossen hatten. Sie hielt ihn mir hin und ich erkannte eine Tabelle. In einer der Spalten waren Zeiten eingetragen, in der anderen die Aufgaben, die ich zu erledigen hatte. In der ersten halben Stunde hatte ich laut dem Plan Zeit, mich von Lilly herumführen zu lassen. Sie steckte den Plan wieder ein, nachdem ich den Kopf von dem Blatt gehoben hatte, und grinste mich an.

„Wir beginnen ganz oben und arbeiten uns dann nach unten durch", erklärte die Pianistin. Also stiegen wir im Obergeschoss aus und mir schlug sofort die frische Luft entgegen. Wir standen auf einer Dachterrasse, auf der einige Liegen, sowie Tische und Stühle aufgebaut waren. Das Geländer war mit Blumenkübeln verziert, und außer uns befand sich nur eine einzige Person hier oben. Er stand an das Geländer gelehnt und tippte auf seinem Smartphone herum.


Ich hoffe, dass euch die Geschichte bisher gefällt. Was denkt ihr, wer dort am Geländer steht?

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