Kapitel 10
Als Viktor und ich den Laden betreten, sieht Adam sofort vom Tresen auf. Als er seine Gäste erkennt, wird sein Blick von freundlich zu misstrauisch.
„Mila? Bruderherz? Was tut ihr hier?", fragt er uns.
Ich trete einen Schritt näher zu Adam hin. Dessen Augen begleiten meine Schritte aufmerksam.
„Ich brauche noch einmal deine Hilfe. Ich kann auch zahlen, wenn du willst."
„Wobei?", sein Misstrauen mir gegenüber scheint sich zu verstärken.
„Ich hatte einen Autounfall, vor vier Tagen. Dies ist auf der Verlassen Strasse geschehen und nun ja... Ich hatte gehofft, dass du mir deine Aufnahmen davon zeigen kannst", antworte ich ihm.
Adam sieht mich eine ganze Weile lang emotionslos an. Ich versuche derweilen, seine Emotionen zu lesen, Adam versteckt sie aber so gut, dass ich sie nicht deuten kann.
„Du willst also dafür zahlen?", fragt er dann. Ich nicke voller Hoffnung.
„Denkest du ich bin käuflich?" Diese Frage überrascht mich. Sofort schüttle ich den Kopf.
„Was erwartest du, auf den Aufnahmen zu sehen?"
„Ich... ich wurde angeschossen und habe deshalb die Kontrolle über das Auto verloren. Wenn ich mich richtig entsinne ist die Person ausgestiegen, um sich über meine Lage zu versichern!?"
Adam nickt. „Ich verstehe, du willst herausfinden, wer dir dies angetan hat. Aber ich bin nicht einfach käuflich. Somit will ich dein Geld nicht", sagt Adam mit entschlossener Stimme und dreht sich um.
Wäre ja auch zu einfach gewesen!, denke ich, bereit, mich ebenfalls umzudrehen.
„Adam!", haltet Viktor seinen Bruder auf. „Zeig ihr die Aufnahmen. Für ihn."
Ich schaue überrascht zu Viktor. Von wem spricht er?
Adam dreht sich langsam wieder zu uns um. „Na gut", gibt er nach und sieht mir erneut in die Augen. Sein Blick wirkt ermüdet. „Komm!"
Ich folge Adam und Viktor in den Raum, der mir von meinem letzten Besuch schon bekannt ist.
Ebenfalls nehme ich mir fest vor Viktor, über „Ihn" zu fragen.
Adam setzt sich an einen PC und tippt schnell irgendetwas auf der Tastatur ein. Ich habe noch nie gesehen wie jemand so schnell und präzise an einer Tastatur schreiben kann.
„Du sagtest vor vier Tagen, richtig?", fragt er mich und öffnet irgendwelche Dateien.
„Ja", antworte ich.
„Um welche Uhrzeit?", fragt Adam weiter, ohne seine Augen vom Bildschirm zunehmen.
Ich überlege eine Weile. „Es muss zwischen 16:30 Uhr und 17:00 Uhr gewesen sein."
Adam nickt. Der Bildschirm flackert, als ein Bild der Strasse auftaucht. Eine Weile ist nichts zusehen, als ich plötzlich mit meinem Auto auftauche. Einige Sekunden später, erkennt man auch den Fiat wieder, welcher mich verfolgt hat.
Viktor sieht so gespannt wie ich, auf den Bildschirm.
Eine Hand taucht aus dem zweiten Auto auf. Die Pistole ist schwer zu erkennen.
Adam runzelt die Stirn und zoomt näher an das Auto. Die Person im Inneren ist aber überhaupt nicht erkennbar.
Es fühlt sich seltsam an, mit eigenen Augen zusehen zu können, wie mein Auto beginnt zu schwanken und in einen Baum hinein kracht.
„Du hattest Glück", meint Adam und starrt weiterhin auf den Bildschirm. Ich atme erleichtert aus. Adam hat recht.
Die Türe meines Autos öffnet sich leicht und mein Arm hängt schlaf heraus. Mir wird schlecht, wenn ich daran zurückdenke.
Der schwarze Fiat hält und ich erstarre, als ich die Person, welche daraus aussteigt undeutlich zu erkennen ist.
Ein kalter Schauer läuft über meinen Rücken.
Adam stoppt das Video und zoomt auf den Kopf der Person. Leider ist das Bild zu verpixelt um die Frau sicher definieren zu können. Aber ich erkenne sie schon nur so. Aurelia.
„Kennst du sie?", fragt Adam, welcher versucht das Bild Schäfer zustellen.
„Aurelia", flüstere ich ihren Namen. Ich höre, wie Viktor neben mir laut Luft in seine Lungen einsaugt.
„Das kann nicht sein", sagt er. „Aurelia ist im Gefängnis."
„Vielleicht ist sie ausgebrochen?", vermute ich.
„Vielleicht..."
——
Der weiterführende Plan sieht wie folgt aus: Nach einem Anruf mit der Polizei wird Viktor und mir berichtet, dass Aurelia nicht ausgebrochen ist. An der ganzen Sache scheint etwas faul zu sein und ich beschliesse, dass ich mit Aurelia sprechen will. Somit führt unser weiterer Weg ins Gefängnis.
Ich bedanke und verabschiede mich von Adam und fahre mit Viktor weiter zu dem lokalen Gefängnis.
Im Auto fallen mir Viktors Worte wieder in den Sinn.
„Wen hast du mit „ihn" gemeint?", frage ich.
Viktor verstärkt seinen Griff um das Steuerrad und beginnt schief zu lächeln. „Du hast mich mehrmals gefragt, weshalb ich euch helfen will, oder?"
Ich nicke, verunsichert über die Frage.
„Lass mich dir eine kleine Geschichte erzählen", sein Blick gleitet zu mir.
Als er seinen Blick wieder auf die Strasse wendet, ist sein Lächeln verschwunden und seine tiefe Stimme scheint noch einige Oktaven in den Keller zugehen.
„Die Appalido Familie besitzt drei Brüder. Drei Brüder mit eigenen Interessen. Der Jüngste weiss nicht, was er mit seinem Leben und seiner Zukunft genau anfangen soll. Er fühlt sich gefangen in der Ungewissheit", beginnt Viktor zu erzählen.
„Er besuchte eine normale Schule. Mit normalen Mitschülerinnen und Mitschülern. Er mochte es dort, doch diese Schule schien ihm für seine Zukunft nicht vergönnt zu sein."
Aufmerksam höre ich ihm zu. Meine Gedanke gehen zurück in die Vergangenheit und ich erinnere mich daran, dass Viktor irgendwann nicht mehr in die Schule gekommen ist. Spricht er nun von sich selbst?
„Der mittlere fühlte sich schnell zu der Technik hingezogen. Er liebte Kameras und Technik."
Adam, schiesst es mir durch den Kopf.
„Und dem Ältesten war alles egal. Er baute viel Mist, so dass er schon mit jungem Alter den Knast besuchte."
Viktor atmet aus. „Der Jüngste bin ich. Adam ist mit seinen 26 Jahren der Zweitälteste und Clauder ist der Älteste."
Als der Name des ältesten Bruders fällt, versteinere ich.
Hat Viktor gerade Clauder gesagt? Ich erinnere mich gut an diesen Namen, auch die Königin hatte ihn vor einiger Zeit verwendet. Clauder ist der, der die Drohbriefe gegen Alexander geschrieben hat.
——
971 Wörter
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