Kapitel 49
„Und weil ich mich nicht von dir verhalten konnte, bist du hier jetzt auch nicht mehr sicher. Deshalb muss ich dich wegbringen. Es ist meine Schuld. Es tut mir leid.“
Die Ernsthaftigkeit in Collins Worten lässt meinen Magen krampfen.
„Was soll mir denn passieren?“, frage ich ängstlich.
„Ich erzähle es dir unterwegs. Wir sollten uns beeile.“
Zögerlich stehe ich auf.
„Was ist mit meinem Vater?“
„Schreibe ihm einen Zettel, dass du heute schon früh zurück gefahren bist, weil sie dich in der Galerie brauchen. Ihm wird nichts passieren. Und jetzt zieh dir schnell etwas an und komm mit mir.“
„Aber…“, will ich protestieren, als Collin bereits meine Jeans und meinen Pulli von der Kommode holt.
„Vertrau mir, bitte. Es ist wirklich wichtig, dass du dich beeilst.“
Also schlüpfe ich schnell in meine Klamotten und werfe mein restliches Hab und Gut in meine Handtasche.
Den einschüchternden Gedanken, dass alles, was ich gerade besitze in meine Handtasche passt, schiebe ich besser zur Seite. Kurz suche ich Blatt Papier und einen Kugelschreiber, um meinem Vater eine kleine Notiz zu hinterlassen, in der ich ihm nicht nur mitteilen, dass ich bei der Arbeit gebraut werde, sondern ihm auch versichere, ihm anzurufen. Den kleinen Text unterschreibe ich mit einem Herzchen und lege sie ihm beim Runtergehen auf den Küchentisch.
Ein letztes Mal bleibe ich im Türrahmen stehen, atme einmal tief ein und lasse den Blick durch den Raum gleiten. Irgend etwas sagt mir, dass ich für eine längere Zeit nicht mehr zurückkehren werde. Und das macht mir gerade große Sorgen. Da nimmt Collin meine Hand und zieht mich sanft ein Stück weiter.
„Keine Angst, du wird ihn wiedersehen. Ich verspreche dir, dass alles gut wird“, sagt er leise, „Komm, ich habe den Wagen da Forner geparkt.“
Plötzlich geht alles ganz schnell. Plötzlich sitze ich in Collins Auto, ohne zu wissen, wohin er mich bringen wird.
Eine ganze Weile sitzen wir nebeneinander ohne ein einziges Wort zu sprechen. Collin schaut konzentrieren auf die schlecht beleuchtete Straße, während ich aus dem Fenster der Beifahrerseite starre. Zu viele Dinge schwirren in meinem Kopf umher. Ich stehe unter Schock und gleichzeitig so sehr unter Strom, dass meine Kopfhaut bitzelt. Zu viele Fragen lassen meine Gedanken völlig wirr durcheinander wirbeln. Zu viel Ungewissheit um es in Worte zu fassen. Unter das Gefühlschaos, dass Collin in mir auslöst, nicht sich nicht nur Freude und Erleichterung, sondern auch zunehmend Wut.
„Ich verstehe das nicht. Es klingt so... so verrückt. Ich kenne dich. Du kannst kein... kein....Du bist... , ich kann es einfach nicht in Worte fassen, „Ich meine, du bist tagsüber draußen, isst und trinkst ganz normal und deine Haut ist nicht gerade bleich oder sonderlich kalt."
Als ich die Gedanken endlich ausgesprochen habe, scheinen sie im Wagen widerzuhallen, was mir vor Augen hält, wie lächerlich alles eigentlich klingt.
Meine Stimme ist brüchig und schwach. Fast hätte sie angefangen laut zu wimmern.
Da schiebt Collin seinen Finger unter mein bebendes Kinn, um vorsichtig meinen Kopf anzuheben.
„Hast du Angst vor mir?", fragt er eindringlich.
Sein Blick fixiert mein Augen, so als forsche er darin nach einer Antwort.
„Nein“, presse ich hastig hervor, damit er schnell wieder auf die Straße sieht. „Aber ich verstehe das alles nicht. Bitte erklär es mir.“
Collin hält für einen Moment inne.
Er wirkt ernst und nachdenklich, als würde die kommenden Worte genau überdenken.
"Wenn ich dir deine Fragen beantworte, ändert sich alles für dich. Dann wird es kein zurück mehr geben."
In seinen Worten liegt so viel Schwere, dass ich unwillkürlich erschauderte.
Wie bedeutungsschwer, konnte diese Wahrheit sein, dass es vielleicht besser wäre, sie nie zu erfahren?
Meine Schultern sind verkrampft und mein Herz schlägt immer noch heftig gegen meine Rippen.
Angespannt beobachte ich Collin, der versucht locker zu wirken, allerdings längst nicht so gelöst wie sonst wirkte.
„Erklär es mir, bitte", flehe ich schon fast und fühle mich in diesem Moment hilfloser und schwächer denn je.
Obwohl ich fast flüstere, hallt meine eigene Stimme in meinem Kopf.
Doch ich habe das Gefühl verrückt zu werden, wenn ich jetzt keine Antworten bekomme. Unaufhaltsam mischt sich meine tiefe Entschlossenheit mit Angst und lässt Tränen der Verzweiflung in meine Augen treten.
"Es ist sehr kompliziert", antwortet Collin, ohne sie dabei anzusehen.
Sein Blick geht ins Leere.
„Ich hatte eigentlich ein sorgloses Leben", beginnt er schließlich, „Meine Eltern hatte zwar wenig Zeit aber genug Geld, um das zu konvertieren. Aber das weißt du ja. Auch auf dem College hatte ich nie Probleme. Alles lief irgendwie immer geradezu von selbst. Im zweiten Semester lernte ich dann Abel kennen. Der Kerl kannte sich nicht nur mit Kunst gut aus. Er wusste, wie man feiert und das Leben in vollen Zügen genießt. Gemeinsam haben wir es richtig krachen lassen.
Als aber meine Eltern von unseren Eskapaden Wind bekommen haben, drehten sie mir erstmal den Geldhahn zu. Sie meinten, ich solle lernen mehr Verantwortung für mich und mein Leben zu übernehmen. Abel hatte solche Probleme nicht. Er hatte immer Geld, Frauen und all den Luxus, den ich auch wollte.
Um seinen verschwenderischen Lebensstil zu finanzieren, machte er ein paar illegale Ding. Unter anderem Autorennen. Und irgendwann bin ich eben auch mitgefahren. Ich war schnell, richtig gut, und gewann ein Rennen nach dem andern, bis..."
Als Collin sich von mir abwendet, entgeht mir seine gequälte Miene jedoch nicht. Es fällt ihm sichtlich schwer, darüber zu reden.
„Der Wagen geriet außer Kontrolle, überschlug ich einige Male und zerdrückte mich fast hinterm Steuer. Panik brach aus und die meinten rannten einfach weg.
Dann holte Abel mich aus den Trümmern. Ich war mehr tot als lebendig. Er biss mich und schenkte mir mein neues Leben. Allerdings war das an ein paar Bedingungen gebunden."
Die ganze Zeit über umklammere ich krampfhaft den Saum meiner Jacke. Ein Teil von mir will aufstehen, aus diesem Auto fliehen und nie wieder kommen. Ein anderer Teil allerdings beharrt darauf, alle seine Geheimnisse endlich zu lüften.
Unfähig einen klaren Gedanken zu fassen verharre ich also regungslos auf dem Polster des Beifahrersitzes und höre weiter zu.
„Als sogenannter Neugeborener, unterstehst du deinem Schöpfer und dem Clan. Sie lehren dich, was es bedeutet ein Vampir zu sein, welche Regeln es gibt und wie du mit dieser Art Leben klar kommst. Und als wäre das alles wirklich ein Segen, verlangen sie im Gegenzug, dass du ihnen hilfst, ihre Annehmlichkeiten aufrecht zu erhalten, durch überwiegt illegale Aktionen. Der Kunstraub war eines der vielen Dinge, die wir Taten, um das Geld ranzuschaffen. Und als es nicht nach Plan gelaufen ist, habe ich nicht nur Zayns Zorn auf mich gezogen. Er ist in seinem. Immensen Ego gekränkt und fühlt sich von mir verraten. Jetzt will er Rache."
Er klingt hart und angewidert, während er spricht.
Zögernd berühre ich seine Hand. Sie ist unwesentlich kühler, als meine eigene. Er schaut auf unsere Finger, als hätte er meine Gedanken lesen können.
„Wenn der Körper ausreichend mit", für einen Moment stockt er, „mit ausreichend Blut versorgt ist, können wir unsere Körpertemperatur regulieren. Dann können wir auch Essen und..., naja eben alles, was ein Mensch auch kann."
Der kurze Gedanke, Collin könnte sich wie ein wildes Tier auf einen Menschen stürzen, bringt meinen Magen zum Krampfen.
„Hast du jetzt Angst?", fragt er erneut.
„Nein", antworte ich fest.
Doch um ehrlich zu sein, weiß ich gerade selbst nicht, ob das die Wahrheit oder eine Lüge ist.
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