Kapitel 37
Der Abend scheint ein absoluter Erfolg zu werden. Zwar ist es mir noch nicht gelungen, ein Bild zu verkaufen, allerdings habe ich ein paar vielversprechende Termine vereinbart.
Aufmerksam beobachte ich die Gäste, lasse meinen Blick durch die Menge wandern. Da streifen meine Augen Collin, der angeregt in ein Gespräch mit zwei älteren Herrn verwickelt ist. Doch als würde er meinen Blick tatsächlich quer durch den überfüllten Raum auf sich ruhen spüren, hebt er seinen Kopf und unsere Augen treffen sich.
Es ist ein kurzer Moment, in dem für mich die Zeit still steht. Etwas geradezu magisches liegt in der Luft.
Kurz verabschiedet sich Collin von seinen Gesprächspartnern mit einen geschäftlichen Handschlag, dann bahnt er sich den Weg durch die Menge zu mir durch. Unentwegt hält er meinen Blick, was meinen Herzschlag sofort beschleunigt. Doch kurz bevor er bei mir ankommt, wird er aufgehalten. Erst jetzt bemerke ich, dass ich die ganze Zeit die Luft angehalten hatte.
Zayn stoppt ihn, was Collin, seinem Gesichtsausdruck zufolge, gerade alles andere als gelegen kommt. Beide Männer stehen sich mit finsterer Mine gegenüber. Ihre Unterredung scheint ganz offensichtlich nichts Erfreuliches zu beinhalten. Da zieht Zayn ein Bündel Geld aus der Hosentasche und hält sie Collin demonstrativ vor die Brust.
Verwundert frage ich mich, wofür er ihm denn so viel Geld gibt.
Als Collin das Bündel ablehnt, scheint das Streitgespräch beinahe zu eskalieren. Zwar habe ich keine Vorstellung davon, um was es gehen könnte, kann allerdings sofort erkennen, dass die Fronten völlig verhärtet sind. Beide sind so sehr in Rage, dass ich sogar befürchte, sie können vor allen Leuten hier in der Galerie aufeinander losgehen.
Kurzerhand fasse ich den Entschluss, irgendwie dazwischen zu gehen, um den Streit zu unterbrechen.
Ohne auch nur eine Sekunde länger darüber nachzugeben, schiebe ich mich an den Besuchern vorbei.
„Ein gelungener Abend, nicht wahr?“, platze ich in das Gespräch.
Statt einer Antwort ernte ich lediglich einen abwertenden Blick von Zayn. Collin hingegen bleibt voll und ganz auf sein Gegenüber fixiert.
Trotz seiner harten Züge, schimmert eine seltsame, innerliche Verkrampfheit durch. So eine merkwürdige Unsicherheit habe ich bei dem sonst so souveränen Manager noch nie gesehen.
Zayns Blick wandert von mir zu Collin und wieder zurück, bevor über seine zusammengepressten Lippen zu einem selbstgefälligen Lächeln huscht.
„Ich wollte eigentlich gerade meine Schulden bei Collin begleichen. Aber…“, wieder wendet er sich mir zu,“ Vielleicht hast du es mehr verdient. Die ganze Sache wäre für ihn schließlich nicht so einfach gelaufen, wenn du nicht so gefügig gewesen wärst.“
„Was!“, keuche ich.
„Das Künstlerleben ist langweilig“, setzt Zayn an, wird allerdings von Collin unterbrochen.
„Zayn, ich warne dich. Sei still, du verfluchtes Arschloch. Lass sie in Ruhe.“
„Ja, der Businessleben ist fade, aber ich finde, du treibst es zu weit, Collin“, säuselt Zayn provokant.
Verständnislos schaue ich in Collins Gesicht. Sein Kiefer ist angespannt, sine Hände aus Wut zu Fäusten geballt, seine Augen weiter drohend auf Zayn gerichtet.
„Was treibst du zu weit?“, frage ich leise.
Mein Mund wird plötzlich schrecklich trocken. Ich bin mir sicher, dass ich nicht auf das, was ich gleich hören werde, gefasst bin. Als ich aber wieder keine Antwort bekommen, zerre ich fordernd an Collins Arm.
„Was ist hier los?“, zische ich erneut.
Dieses mal um einiges energischer. Ich will sofort wissen, was dieses ganze Theater soll.
„Kimberly, geh einfach. Wir sehen uns später“, herrscht mich Collin unsanft an, doch ich ignoriere ihn.
Mit einem Schlag ist Collins sonnengeküsstes Gesicht fahl und blass. Ich sehe ihm an, dass er Zayn, wenn wir nicht gerade inmitten einer überfüllten Vernissage ständen, genau in dieser Sekunde umbringen würde.
Was zum Teufel passiert hier gerade?
Meine Gedanken überschlagen sich, meine Knie zittern.
Nach Antworten suchend schiele ich zu Zayn, dessen Blick jedoch triumphierend auf Collin gerichtet ist.
„Willst du es ihr selbst erzählen?“, lacht er höhnisch, während er spielerisch mit dem Bündel in seiner Hand umher winkt, „500 Dollar. Das war es doch wert, oder?“
Tiefe Bestürzung umnebelt meine ohnehin schon wirren Gedanken. Ich kann nicht begreifen, was ich höre.
„Verpiss dich jetzt, Zayn“, knurrt Collin aggressiv.
Er ist zwar bemüht, leise zu sprechen, allerdings haben wir bereits die Aufmerksamkeit einiger Umstehender auf uns gezogen.
„Eine kleine Wetter, peppt den Alltag einfach auf. Dieses Mal hat Collin gewonnen.“
Zayns Worte treffen mich wie ein Schlag mitten ins Gesicht.
Meine Augen brennen, und ich versuche, die Gefühle zu unterdrücken, die in mir toben.
Hektisch sehe ich mich um. Ich muss hier weg, egal wohin. Ich kann es keine Sekunde länger in Collins Nähe ertragen. Unaufhörlich tropfen heiße Tränen von meinem Kinn, egal wie sehr ich darum kämpfe, sie zu unterdrücken. Und genau das darf jetzt einfach nicht passieren. Nicht jetzt. Nicht hier.
Ohne mich umzudrehen renne ich durch die Menge zu den Toilette. Niemand darf mitbekommen, was los ist. Das hier ist meine Arbeit.
Schnell schlage ich die Tür hinter mir zu und lehne mich mit dem Rücken gegen die kühle Wand der Kabine.
Mein Herz rast und mein Blut rauscht so laut in meinen Ohren, dass ich befürchte, es könnte zwischen den Fliesen wiederhallen. Plötzlich alles alles so unwirklich, wie in einem schlechten Teenagerdrama. Doch dieser Schmerz ist echt.
Es war falsch zu glauben, seine Taten wären ehrlich gemeint. Ich hätte es besser wissen müssen, schließlich war mir klar, wer Collin wirklich ist. Und trotzdem habe ich zugelassen, dass er meiner Seele, meinem Herzen, so nahekommen kann, um mich so zu verletzen.
Wie ein kleines Mädchen war ich von seiner Nettigkeiten und der Art wie er mit mir umgegangen ist, so geblendet, dass ich in ihm unbedingt den Prinzen sehen wollte, statt das gefühllose Monster, dass nun mal in ihm steckt.
Während ich verzweifelt nach Fassung ringe, wird das Schockgefühl aber von einer noch viel schlimmeren Mischung aus Wut und Schmerz verdrängt. Ich weiß nicht wie ich das hier nur durchstehen soll.
So habe ich noch nie zuvor gefühlt.
Die Enttäuschung, diese Erniedrigung, brennt schmerzhafter, als jeder Bluterguss, jede blutige Nase oder aufgeschürfte Wange.
Collin hat mir die ganze Zeit über etwas vorgemacht.
Er war einfach so bereit, mein Leben weiter zu zerstören, obwohl er wusste, wie sehr meine Seele bereits leiden musste, und das für lächerliche 500 Dollar.
Weil ich mir nicht sicher bin, ob ich alleine bin, drücke ich mir selbst den Ärmel meinen Kleids auf die Lippen, um mein Schluchzen zu dämpfen.
Ich muss mich beruhigen.
„Kimberly?“
Mit einem Mal zieht sich mein Magen zusammen.
Das darf doch einfach nicht wahr sein. Was um alles in der Welt hat dieser Mistkerl auf der Damentoilette zu suchen?
Da ich in der Galerie nicht noch mehr Aufsehen erregen will, wische ich mir hastig übers Gesicht, ziehe mein Kleid zurecht und öffne die Tür.
Und schon steht er vor mir.
„Kimberly! Bitte hör mir zu! Es ist…“, fleht Collin, doch ich lasse ihn gar nicht erst weitersprechen.
Ich habe genug von seinen Lügen.
„Wir haben uns nicht mehr zu sagen. Und jetzt muss ich arbeiten, Wenn du mich also entschuldigen würdest. Nicht jeder hier verdient sein Geld mit unmoralisch Wetten.“
Ich klinge viel selbstbewusster als ich bin.
Innerlich zerbricht mein Herz in tausend Teilen, während ich mit straffen Schultern an Collin vorbei gehe.
Niemand könnte ahnen, dass meine Gefühle unter jedem meiner Schritten zertrampelt werden.
Im Ausstellungsraum läuft die Veranstaltung weiter. Niemand erahnt das Drama, das sich hier hinter den Kulissen abspielt. Wahrscheinlich wäre es auch schlichtweg egal.
Die Gäste stehen entspannt mit ihren Gläsern vor den wundervollen Kunstwerken. In Gruppen bespricht man kostspielige Anschaffungen und lukrative Investitionen, die man vielleicht heute Nacht noch tätigen wird.
Dieser Abend hätte einer der ersten, großen Meilensteine meiner Karriere sein können. Doch statt ihn zu genießen, stehe ich hier und kämpfe mit den Tränen.
Das gedämmt Licht verbirgt zwar meine glasigen Augen, trotzdem fühle ich mich unsicher und völlig verloren. Ich bin zu sehr gekränkt und wütend, vor allem auf mich selbst, weil ich es wieder einmal zugelassen habe, dass ein Mann mich so tief verletzt.
Nach allem, was zwischen Jadon und mir vorgefallen ist, hatte ich mich nur zu gerne in diese schöne Illusion gestürzt. Viel zu schnell habe ich mich einem Mann hingegeben, der sich noch nicht einmal an unsere gemeinsame Vergangenheit erinnert.
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