Kapitel 34

Am nächsten Morgen werde ich vom Geräusch der Kaffeemaschine wach. Müde rolle ich mich zur Seite und kuschle mich noch einmal in die Kissen.
  Collin ist schon geduscht und angezogen. Jetzt werkelt er in der Küche herum.
Für einen Moment bleibe ich liegen und sehe ihm einfach zu wie er sich Kaffee in eine Thermoskanne gießt. Als er bemerkt, dass ich wach bin grinst er mich vielsagend an.

  „Guten Morgen Kimberly. Ich habe heute etwas mit dir vor. Ein kleiner Ausflug. Eine Überraschung."

Ich schaue ihn verwirrt an, während er mir eine Tasse bringt.

  "Wohin wollen wir?", frage ich.

Aber statt einer Antwort zwinkert er mir nur zu.

  „Eine Überraschung. Also werde ich es dir jetzt wohl kaum verraten.“

Dann setzt er sich zu mir auf die Decke.
  Innerlich platze ich vor Neugier, möchte allerdings nicht zu naseweis erscheinen. Also gönne ich mir erstmal einen großen Schluck Kaffee, mit Zucker ohne Milch, genau wie ich ihn mag.
Doch lange kann ich mich nicht zurückhalten.

  „Wann soll es denn losgehen?“

  „Wir machen uns in Ruhe fertig, der Fahrer steht auf Abruf bereit“, antwortet er lachend.

Diese Aussage wirft nur noch mehr Fragen auf, die mich hippelig werden lassen.

  „Soll ich denn etwas Bestimmtes anziehen oder so?“

  „Nein, eine warme Jacke vielleicht.“

Ein kleines Lächeln huscht über mein Gesicht und ich bin kribbelig gespannt was Collin vor hat.
  In Rekordzeit bin ich geduscht und angezogen. Schnell habe ich noch etwas Make up und Wimperntusche aufgetragen.

  „Du hast es wohl eilig."

Ich spüre wie ich rot werde.

  „Ein Bisschen. Verrätst du mir jetzt wo es hingeht?"

Er lacht.

  „Du bist zu neugierig. Lass uns abhauen, dann siehst du es."

Schnell werfe ich mir meinen Mantel über und wickle mir den Wollschal um den Hals. Dann bin ich bereit.

Am Bürgersteig wartet bereits unser Wagen, der sich durch den dichten Verkehr bis auf die leeren Landstraßen außerhalb Seattles kämpft.
  Selbst jetzt möchte Collin nicht verraten, wohin und dieser Tagesausflug führt.
  Die herauskommende Sonne lässt die nebelfeuchten Bäume und fast kahlen Felder glitzern. Die Landschaft ist unglaublich schön.
  Schließlich erreichen wir ein Tor, auf dessen Mauern in geschwungener Schrift, Chateau Frank Winery, prangert. Mein Herz macht einen freudigen Sprung. Durch die getönten Scheiben bestaune ich das faszinierende Weingut. Das Chateau ist nicht allzu groß aber im europäischen Stil gebaut. Typisch für diesen Jugendstil sind die geschwungenen und fließenden Linien, ebenso wie die kunstvollen Ornamente deutlich zu erkennen. Es ist traumhaft.

  „Wir werden hier Essen und bekommen eine kleine Führung mit anschließender Weinprobe“, erklärt Collin, „Und… Gabriel Thoma stellt in deren Räumlichkeiten aus.“

  „Nein“, mir fehlen die Worte, „Ich kann es kaum glauben! Womit habe ich das denn nur verdient?“

Sanft streicht Collin über meine Hand.

  „Ich möchte, dass es dir gut geht.“

Es ist wie in einem Märchen.
Das Essen ist tadellos.
Etwas abseits der anderen Gäste haben wir das Kaminzimmer für uns, wo uns bei knisterndem Feuer Geflügel und Weißwein serviert wird.
  Auch die Führung durch die Felder des Gutes ist dank der recht warmen Sonnenstrahlen romantischer als erwartet, und obwohl ich kein Weintrinker bin, macht auch die Probe gemeinsam mit Collin richtig viel Spaß.
  Immer wenn wir zusammen sind, habe ich das Gefühl einfach nur ich sein zu können. Ich muss mich nicht verstecken oder verstellen. Es gibt keine Erwartung oder ähnliches, die mich einschränken. Ich fühle mich in seiner Gegenwart sicher, weil er mir unentwegt dieses gute Gefühl gibt. Und er schafft es, mich durch alle diesen tollen Dinge, die er tut, von den schrecklichen Dingen in meinem Leben abzulenken.
  Ausgerechnet Collin, der mir mit seinen fiesen Sprüchen und gemeinen Kommentaren damals das Leben schwer gemacht hat, ist jetzt so darum bemüht, mir mein Leben etwas zu versüßen.
  Ich möchte ihn gerne auf unsere High School Zeit ansprechen, finde es dann aber auf diesem so zauberhaften Chateau unpassend. Dafür ist später auch noch Zeit.

Nun Rückt die Ausstellung in greifbare Nähe, auf die ich mich ganz besonders freue, gerade weil ich mit Metallskulpturen bislang wenig Berührung hatte. Ich liebe es, neue Werke zu sehen und Künstler zu entdecken.

  „Wir können langsam rüber“, verkündet Collin, „Die Vernissage hat bereits begonnen.“

  „Ist denn Gabriel Thoma selbst auch hier?“

Collin lacht verschmitzt, während er mir die Tür nach draußen offen hält.

  „Oh das ist so aufregend.“

Um ein Haar hätte ich vor Begeisterung in die Hände geklatscht, konnte mich dann aber doch noch rechtzeitig beherrschen.

Da die Sonne allmählich hinter den Weinbergen verschwindet, ist es recht kalt geworden. Daher beeilen wir uns, von der Winzerstube zum Ausstellungsraum im Chateau zu gelangen. Der Boden ist so holprig und uneben, dass mir Collin den Arm zum unterhaken anbietet, was ich dankbar annehme.

  „Hey, Collin!“

Hinter uns ruft jemand.
  Verwundert folgen meine Augen Collins Blick.

  „Du bist spät dran. Schaust du eigentlich nie auf den Handy? Oh, Kim! Schön dich zu sehe.“

  Hinter uns biegen Jan und Zayne in Begleitung einer jungen Frau um die Ecke.

  „Ich dachte ihr Loser seid schon drin und macht zur Abwechslung mal was für euer Geld“, begrüßt sie Collin lachend.

Ich wusste gar nicht, dass wir hier auch auf die Künstler- Clique treffen werden. Irgendwie empfinde ich das Aufeinandertreffen mit Zayne als unangenehm. Deshalb wende ich mich schnell der jungen Frau an Jan Millers Seite zu.

  „Hallo, ich bin Kimberly Austen.“

Freundlich reiche ich ihr die Hand. Ihre Finger sind überraschend feingliedrig, fast schon mager, und eiskalt.

  „Freut mich, dich kennen zu lernen. Ich bin Valeria, die Verlobte von Jan.“

Die beiden sind schon allein optisch ein Traumpaar. Beide groß und schlank, von Kopf bis Fuß in schwarz gekleidet und auffallend helles Haar. Zudem scheint Valeria, die mit einem stark russischen Akzent spricht, ein genau warmherzige Person zu sein, wie ihr Zukünftiger.
  Die Begrüßung mit Zayne hingegen bleibt distanziert.
Auch während wir durch die Ausstellung schlendern, herrscht zwischen uns eisiges Schweigen.

  „Mister Owen“, ruft ein ältere Herr im Anzug.

Er steht in einer Gruppe Herrschaften, darunter auch der Künstler des Abends, Gabriel Thoma.

  „Entschuldige mich“, murmelt Collin, bevor ich beobachten kann, wie aus Collin von einer Minute auf die andere Mister Owen, der Geschäftsmann und Manager, wird. 

Also sehe ich mir die mächtigen Kunstwerke aus Metall Und Stahl alleine an, spaziere zwischen den Werken umher und lese die ein oder andere Erläuterung, bis plötzlich Zayn neben mir steht.

  „Na, da hast du wohl einen lukrativeren Stecher gefunden“, flüstert er leise, irgendwie bedrohlich, „Hoffe, es lohnt sich für dich, die Beine breit zu machen. Vielleicht gibt er dir ja was von den Scheinchen ab. Aber mach dir keine Hoffnungen.“

So eine schöne Überraschung von Collin. Doch wer versucht diese gerade zu zerstören?

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