Kapitel 41 - Serena - ✔️
„Was?!" Jona springt auf und fährt sich durch die Haare. Vor einer halben Stunde sind wir in diese Halle hier gegangen, und alles was ich mitbekommen habe ist, dass Jack Lucía entführt hat. Jetzt gerade telefoniert Jona mit jemandem, und die Nachrichten scheinen ihn zu erstaunen. „Und es sind wirklich alle?", fragt er ungläubig. Ich ziehe die Augenbrauen zusammen und will endlich wissen, worum es geht, doch Jona denkt nicht daran, den Anruf auf Lautsprecher zu stellen. Wir sitzen in einem hell erleuchteten Raum mit einer Küche und einem Klappbett, und neben dem Herd führt eine Türe in ein kleines Badezimmer. Es scheint, als würden die Jungs auch mal hier übernachten.
„Wir kommen", sagt Jona dann plötzlich, und ich stehe auch auf. Er schließt den Raum ohne ein Wort auf und führt mich quer durch die Halle, bis wir beim Ausgang ankommen. „Du wirst die Jungs jetzt leider sehen müssen", murmelt Jona, und mir rutscht kurz das Herz in die Hose. „Keanen auch?", frage ich leise, und Jona nickt. „Wir haben alle Mädchen gefunden, die Jack hat verschwinden lassen. Und Lucía hat nach dir gefragt."
Ich nicke nur und steige dann in unser Auto, in dem wir uns befanden, als Jona die Nachricht bekam, dass wir uns verstecken sollen. „Dann komm ich mit", sage ich entschlossen, denn wenn Lucía nach mir gefragt hat, wird sie mich wohl brauchen. Was ich nach so einem Erlebnis auch verstehe. „Aber nur für Lucía und die anderen Jungs. Also versuch nicht mal, mich mit Keanen in ein Gespräch zu verwickeln."
Jona nickt nur und fährt langsam wieder auf einer Straße, die uns direkt ins Stadtleben hereinführt.
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„Was zur Hölle machen wir hier?" Ich stehe vor der Bar und verstehe gerade gar nichts mehr. „Die Mädchen wurden hier gefunden", sagt Jona, und ich sehe ihn verständnislos an. „Aber wieso haben wir sie dann nie gehört oder gefunden?", frage ich, und Jona sieht mich unwissend an. „Keine Ahnung, Seri. Vielleicht bringt er sie nur am Tag hin oder sowas." Ich schaue wieder auf die Bar mit der kaputten Glastür, und Emilio kommt auf uns zu.
„Jona, Serena. Danke dass ihr gekommen seid. Lucía ist im Auto." Er nimmt mich kurz in den Arm, und ich folge ihm. Irgendwas sagt mir, dass Keanen mich anstarrt, doch ich drehe mich mit viel Selbstbeherrschung nicht zu ihm um. Ich kann ihm noch nicht gegenübertreten.
„Lucía!" Sobald Emilio die Türe geöffnet hat, springe ich ins Auto auf die Rückbank und umarme das Mädchen, welches sich dort zusammengekugelt hat. „Serena?", fragt sie leise, und ich nicke. „Ich bin's", murmle ich, und Lucía schling ihre Arme um mich. „Ich hätte nicht gedacht, dass du kommst", flüstert sie, und ich lächle. „Natürlich komme ich, wenn es jemandem von meinen Freunden nicht gut geht." Ich drücke Lucía etwas von mir weg und sehe sie mir an. „Geht es dir soweit gut? Hast du irgendwo Schmerzen?"
Lucía schüttelt den Kopf, doch ihre blaugrün verfärbten Handgelenke sind mir keineswegs entgangen. Doch ich sage nichts, sondern schließe das Mädchen vor mir wieder in die Arme. „Ich hatte solche Angst", schluchzt Lucía plötzlich, und ich fahre ihr beruhigend über die Haare. „Es ist alles gut, es ist vorbei. Dir ist nichts passiert, und die Männer können dir nichts mehr tun." Lucía nickt, weint aber noch eine Weile. Irgendwann setzt Emilio sich ans Steuer, und neben ihm nimmt zu meinem Ärger Keanen Platz.
„Wir fahren los, okay?", sagt Emilio, und wir nicken. Ich helfe Lucía kurz dabei, sich anzuschnallen, da sie ihre Hände nicht richtig spürt, und schnalle mich dann selbst an. Lucía legt sich ziemlich umständlich hin, und ihr Kopf ruht auf meinen Beinen. „Fahrt bitte kurz ins Krankenhaus", bitte ich, und Emilio sieht mich verwirrt an. „Wieso denn?", fragt er, und ich werfe einen kurzen Blick auf Lucía. „Sie spürt ihre Hände nicht mehr wirklich", murmle ich dann, und Emilio nickt angespannt.
Eine Weile sagt keiner was, und ich fahre Lucía vorsichtig durch die Haare, während ab und zu eine einzelne Träne ihr Auge verlässt. „Was passiert eigentlich mit den Mädchen?", frage ich dann doch, und Emilio sieht mich kurz im Rückspiegel an. „Wir bringen sie vorerst zu uns in die Halle, wo wir uns um sie kümmern, ihnen Kleider geben und sie psychologisch etwas betreuen. Dann werden sie nach Hause gebracht", antwortet Keanen.
Ich nicke und schaue aus dem Fenster. Ich frage mich, wie es wohl für die Mädchen war. Immerhin sind da auch meine Arbeitskolleginnen dabei, und mir steigen kurz die Tränen in die Augen, als ich daran denke, was für eine Höllenangst wie wohl ausstehen mussten.
„Ich helfe mit", sage ich deshalb, und Kea fährt erstaunt zu mir um. „Du?", fragt er dann, und ich nicke. „Ich."
Keanen mustert mich eine Weile und nickt dann. „Bist du dir wirklich sicher?", fragt er leise, und ich spüre, dass er sich aus irgendeinem Grund Sorgen macht. „Ja, bin ich. Die Halle ist doch sicher, sonst würdet ihr die Mädchen nicht hinbringen, oder?" Keanen nickt und dreht sich wieder nach vorne.
Gespräch beendet, würde ich sagen?
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„Wie lange geht das schon?" Die Krankenschwester hält mir die Haare zurück, und ich übergebe mich mal wieder. „Seit etwas mehr als einer Woche", murmle ich erschöpft, und lasse mich gegen die Wand neben mir fallen. „Jeden Morgen, seit gestern auch mitten im Tag plötzlich", sage ich noch, und die Krankenschwester sieht mich nachdenklich an.
„Haben Sie in den letzten Wochen ungeschützten Geschlechtsverkehr gehabt?"
Was?
„Äh, nein, eigentlich nicht", nuschle ich, verwirrt über diese Frage. Sie denkt doch nicht etwa, dass ich schwanger bin, oder? Akribisch denke ich an die letzten Male, wo Kea und ich Sex hatten, doch das ist gar nicht mal so wenig. Soweit ich mich erinnern kann, haben wir jedoch immer verhütet.
„Und wann sollten Sie ihre Periode bekommen?" Die Schwester kniet jetzt neben mir und reicht mir ein Glas Wasser. Ich nehme ein paar gierige Schlucke, um den Geschmack in meinem Mund loszuwerden. „Ich muss kurz nachsehen", sage ich, und stelle das Glas ab. Dann öffne ich meinen Kalender und stelle fest, dass ich seit drei Tagen überfällig bin.
„Sie sind überfällig, nicht wahr?"
Ich nicke, und die junge Frau richtet sich auf. „Ich werde Ihnen kurz einen Schwangerschaftstest holen. Bleiben Sie bitte hier, ich bin gleich wieder zurück." Ich nicke nur benommen. Ich darf jetzt nicht schwanger sein, auf keinen Fall. Ich bin seit mehr als einer Woche wieder Single, und ich glaube nicht, dass Keanen jetzt Vater werden möchte. Er hat selbst gesagt, dass er noch warten will, und vielleicht ja gar keine Kinder will.
Was mache ich bloss, wenn ich jetzt schwanger bin? Ich kann das Kind unmöglich alleine großziehen, ich arbeite ja momentan nicht mal, und zu meinen Eltern will ich auf keinen Fall gehen. Ich lehne mich an die kalte Fliesenwand und schließe die Augen, um meinen brummenden Kopf etwas zu beruhigen. Ich bin nicht schwanger, Punkt.
„Da bin ich wieder." Die Krankenschwester steht wieder vor mir und hält mir eine Verpackung entgegen. „Ich habe zwei verschiedene dabei, nur für die Sicherheit." Ich nicke und nehme dann den ersten Test entgegen. „Dann mach ich den mal", murmle ich missmutig, und verschwinde in einer Kabine. Schnell lese ich die Anleitung durch und führe dann alles so aus, wie es dort steht. Ich hoffe einfach, dass ich es richtig gemacht habe.
„Jetzt muss ich zwei Minuten warten", lese ich laut vor, und die Krankenschwester nickt. Ich bin wieder aus der Kabine raus und schaue auf den Test, den ich in sicherer Entfernung von mir auf das Waschbecken gelegt habe. „Was passiert, wenn ich schwanger bin?", frage ich die Schwester ängstlich, und sie zuckt mit den Schultern. „Dann werden sie sich bei Ihrem Frauenarzt melden müssen, und dort wird dann weitergeschaut", sagt sie, und ich nicke.
Tief durchatmen, Serena.
Der Alarm meines Handys erklingt, was heißt, dass die Wartezeit um ist.
„Soll ich oder wollen Sie?" Ich räuspere mich und trete dann nach vorne. „Ich will", sage ich, und die Frau nickt. Ich greife langsam nach dem Test und verdecke noch das Ergebnis. Ich schließe meine Augen und nehme meine Hand vom Ergebnis, und als ich meine Augen wieder öffne, glaube ich, umzufallen.
Da steht eindeutig ein großes Plus.
„Ich will noch einen machen", sage ich sofort mit zittriger Stimme, und die Krankenschwester reicht mir den zweiten Test, doch auch der fällt positiv aus.
„Fuck!"
Ich fahre mir durch die Haare, während meine Augen sich mit Tränen füllen. „Haben Sie noch Kontakt zum Vater?", fragt die Schwester, und ich schüttle den Kopf. „Naja, Jein. Wir sind seit einer Woche nicht mehr zusammen, aber dank unseren Freunden sehe ich ihn regelmäßig. Aber er würde niemals jetzt schon Kinder wollen, er ist zweiundzwanzig und soll die Firma seines Vaters übernehmen. Er hat mir im Flugzeug gesagt er will zuerst alles geregelt haben, bevor er an Kinder denkt."
Meine Stimme ist gegen Ende immer leiser geworden, und Tränen haben sich den Weg über meine Wangen gebahnt. Ich bin also wirklich schwanger. Und das seit verdammten vier Wochen.
Ich habe noch um die acht Monate Zeit, und das ist nicht viel, wenn man bedenkt, dass ich in der Zeit eine Arbeit haben muss, ein freies Zimmer, genügend Geld für ein Baby, jemanden der mir hilft und dann all das Zubehör. Und wenn der Wurm dann mal da ist kommen so viele Versicherungen und Kosten für Nahrung und so weiter auf mich zu.
„Hey, ganz ruhig. Schauen Sie mich bitte an." Ich habe mich innerlich so in Rage gedacht, dass ich viel zu schnell atme. Das Gesicht der freundlichen Schwester taucht vor mir auf, und ich konzentriere mich auf ihre feine Nase. „Sie dürfen sich jetzt nicht mehr aufregen. Kommen Sie mit mir mit." Die Frau begleitet mich in ein Untersuchungszimmer, wo auch ein Ultraschallgerät steht.
„Sieht man denn jetzt schon was?", frage ich erstaunt, und die Schwester setzt sich vor das Gerät. „Ich denke nicht, dass ich schon viel erkennen kann. Vielleicht die Fruchthöhle, aber es ist einen Versuch wert, nicht?" Ich nicke, und kurz darauf kommt eine weitere Frau rein.
„Guten Tag, ich bin Dr. Allister, Frauenärztin. Wie ich vernommen habe, haben Sie festgestellt, dass Sie in der vierten Woche schwanger sind?" Ich nicke, und die nette Ärztin setzt sich auf den Platz, auf dem eben noch die Schwester saß. „Dann wollen wir doch mal sehen", meint sie optimistisch, und ich schlucke.
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Man hat leider wirklich nicht viel gesehen, und ich sitze jetzt missmutig mit zwei positiven Schwangerschaftstests in der Tasche im Wartezimmer. Lucía sollte bald fertig sein, und Jona hat gesagt, dass er mich abholen kommt. Kurz darauf erscheint er tatsächlich und nimmt mich kurz in den Arm. „Was ist denn los? Du siehst völlig ausgelöst aus. Hast du etwa geweint?"
Jona streicht mir mit der Hand über meine Wange, doch ich schüttle den Kopf. „Ich sag's dir zu Hause", murmle ich, und Jona nickt. Er führt mich aus dem Krankenhaus raus und ich steige in sein Auto. Während der Fahrt sagt keiner wirklich was, und ich starre nur auf die Straße. Meine Gedanken sind bei Keanen und wie er wohl darauf reagieren wird, dass er Vater wird.
Ich bin mir jedenfalls sicher, dass ich das Kind weder zur Adoption freigeben, noch abtreiben werde. Ich habe zwar keine Ahnung wie ich es schaffen soll, ein Kind großzuziehen, doch es wird schon irgendwie klappen. Hoffe ich.
Zu Hause laufen wir wortlos in die Wohnung rein, wo ich mich dann an den Tisch setze. Jona setzt sich neben mich, und ich packe die Tests aus. Als ich ihm sie hinlege, weiten sich Jonas Augen, und ich fange wieder an zu weinen. „Jona, ich bin schwanger. In der vierten Woche, um genau zu sein." Mein Bruder sieht mich eine Weile entgeistert an, und flucht dann leise auf Italienisch.
Dann nimmt er mich fest in den Arm. „Serena, das ist wunderbar. Wir schaffen das zusammen, versprochen. Ich bin für dich... für euch da."
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Wer hat damit gerechnet?
Serena ist also wirklich schwanger.
Wie denkt ihr, dass Keanen reagieren wird?
- xo, zebisthoughts
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