Kapitel 15 - Serena - ✔️

„Was wollte er?"

Keanen ist gerade aus dem Büro von unserem Chef rausgekommen, und seine Miene ist eiskalt. „Nichts wichtiges, nur eine Unterschrift", sagt er, doch irgendwas sagt mir, dass er lügt. Ich starre Keanen eine Zeit lang nur an, während er in Richtung der Garderobe davonläuft, doch dann drehe ich mich wieder um und begrüsse einen Gast mit einem breiten Lächeln.

Ich merke mir an welchen Tisch er sich setzt und haste dann sofort mit einer mit Nüssen gefüllten Snackschüssel hinterher. „Was kann ich Ihnen bringen?" Der Mann schaut mich lange nur an, und ich fühle mich mittlerweile etwas unwohl.

„Einen Tequila bitte."

Seine Stimme ist rau und tief, fast so wie Keanens, doch ich mag Keas Stimme weitaus mehr.

Ich nicke freundlich und will gerade wieder weggehen, als mich der Mann am Handgelenk aufhält. Reflexartig schaue ich mich nach anderen Gästen und Keanen um, doch ich bin alleine hier.

„Ist noch was?", frage ich deshalb und versuche mir meine Angst nicht anmerken zu lassen.

„Du siehst hübsch aus", raunt der Mann, und beugt sich etwas zu mir nach vorne. Instinktiv weiche ich etwas zurück, doch der Mann legt mir eine Hand an die Wange. „Du musst doch keine Angst haben vor mir", wispert er, und ich sehe die Lust deutlich in seinen Augen. Sofort kommt mir wieder Smith in den Sinn, und ich verliere die Kontrolle über meinen Körper. Unkontrolliert zittere ich, und der Mann grinst.

„Gibt es ein Problem?"

Noch nie war ich so froh darüber, seine Stimme zu hören.

Keanen erscheint neben mir und schaut den Mann kühl an, welcher sofort seine Hände von mir nimmt.

„Sie haben Hausverbot."

Diese Worte spricht Keanen einfach so aus, als würde er es jeden Tag tun. Der Mann erhebt sich und beugt sich nochmal zu meinem Ohr vor. „Wir sind noch nicht fertig, Serena Marino."

Er verschwindet, und mein Zittern lässt nach.

„Geht's dir gut?" Keanen mustert mich besorgt, und ich nicke langsam. „Ja, ich... mir geht's gut. Danke." Meine Stimme ist etwas dünner als normal, aber ich kann mich zusammenreissen.

Mir geht es gut.

Keanen nickt, dann geht er wieder hinter die Bar. „Ich serviere heute, du arbeitest hinter der Bar." Ich will wiedersprechen, doch Keanen hebt die Hand. „Das waren heute genug zweideutige Erlebnisse für ich", erklärt er mit einem schiefen Grinsen, und ich schmunzle.

„Okay, dann machen wir das so. Aber du meldest dich, sobald du Hilfe benötigst, okay?" Keanen nickt, und ich stelle mich neben ihn hinter die Bar. Kurz darauf trudeln die ersten Gäste ein, und Keanen geht los um sie zu bedienen.

Ich halte ihn schnell am Ärmel zurück, und als er sich fragend umdreht, drücke ich ihm eine Snackschüssel in die Hand. „Nicht vergessen", wispere ich, und er lächelt.

Dann geht er, und ich fange an, alles bereitzustellen um die Getränke zu mixen.

--

„Das kann ja wohl nicht wahr sein!"

Es ist kurz vor eins und wir schliessen bald, doch der Kunde vor mir will das nicht so ganz verstehen.

„Es tut mir leid, aber ich bin nicht mehr dazu befugt, Ihnen Alkohol zu verkaufen." Der Junge vor mir schaut mich lange an, dann steht er auf. Ich denke schon, dass er gehen will, doch als er sich über die Bar bückt bin ich davon überzeugt, dass er anderes vorhat.

„Dann nehme ich ihn mir eben selbst." Er greift nach einer Flasche, in der zum Glück nur Himbeersirup ist, und öffnet sie.

„Das ist Sirup, mein Freund. Und ausserdem haben sie gerade gegen unsere Regeln verstossen, weshalb ich Sie bitten möchte, die Bar zu verlassen."

Keanen ist hinter dem Jungen aufgetaucht und hat ihm die Flasche abgenommen. Er hat wie immer einen kühlen Blick, doch auf seinen Lippen liegt ein spöttisches Lächeln.

Der Junge schnaubt und baut sich vor Keanen auf.

Das würde ich nicht tun.

„Und du bist?"

Keanen schaut an sich runter und lacht. „Ein Mitarbeiter hier. Falls du lesen kannst findest du anhand meines Kärtchens vielleicht sogar raus, wie mein Name lautet."

Ich grinse in mich hinein und beobachte das Schauspiel weiter, während ich die Flasche wieder schliesse, die Keanen dem Jungen gerade abgenommen hat.

„Du bist ja ein ganz lustiger. Aber ich glaube nicht, dass du weißt, wer ich bin." Keanen hebt erwartungsvoll die Augenbrauen. „Bitte überrasch mich, sowas wie „Ich bin der Sohn eines Polizisten" beeindruckt mich nicht. Benjamin Blümchen kannst du dir auch sparen."

Der Junge schaut Kea kurz verwirrt an, dann krempelt er seinen Ärmel hoch. „Ich gehöre zu Jack Allen", wispert er, und Keanen betrachtet das Tattoo auf dem Arm des Jungen.

„Okay", sagt er dann nur gleichgültig, und der Junge reisst die Augen auf.

„Du solltest Angst haben", sagt er dann, und Keanen lacht auf. „Angst? Ich? Wohl eher du. Schon mal was von Lorenzo Salvatore gehört?"

Der Junge nickt, und Keanen lächelt.

„Ich wäre sein Sohn. Und jetzt zieh Leine."

Der Junge schaut Kea aus grossen Augen an, dann nickt er langsam. „Und wer ist sie?" Er zeigt auf mich, und ich schrecke auf.

„Ich bin Serena Marino. Und ich kenne weder einen Lorenzo Salvatore, noch einen Jack Allen, und bin ein ganz normales Mädchen." Der Junge schaut mich prüfend an, dann schaut er wieder zu Kea.

„Merk dir den Namen Matteo", sagt er zu ihm, und Keanen zieht seufzend einen Block hervor. Mit offenem Mund betrachte ich, wie er etwas darauf schreibt, und den Block dann Matteo unter die Nase hält. „So geschrieben oder nur mit einem T?"

Er schaut Matteo fragend an, welcher die Hände zu Fäusten ballt.

Ich presse die Lippen zusammen und versuche nicht loszulachen, was sich als schwierig herausstellt, als ich in Matteos unbezahlbare Miene schaue.

„Das ist richtig so", zischt er, und verschwindet mit einem letzten Blick zu mir aus der Bar. „Was ein Vogel", seufzt Keanen kopfschüttelnd, geht zur Türe und schliesst sie von innen. „Du hast's ihm ziemlich gezeigt", lache ich grinsend, und Keanen grinst ebenfalls.

Meine Miene wird jedoch schnell wieder ernst, denn ich habe einige Fragen.

„Wer ist Jack Allen?"

Keanen schaut mich lange an, dann wendet er den Blick ab.

„Ein gefährlicher Mann", sagt er dann nur, doch damit gebe ich mich zufrieden. „Und dein Vater scheint ebenfalls nicht unbekannt zu sein?" Keanen schüttelt den Kopf und schaut mich aus dem Augenwinkel heraus an.

„Wieso kennt ein Anhänger von Jack Allen deinen Vater? Und woher kennt ihr einen gefährlichen Mann?" Keanen seufzt wieder mal und stützt sich mit dem Ellbogen auf der Bar ab. „Weil mein Vater ebenfalls ein gefährlicher Mann ist."

Ich nicke langsam und versuche zu verstehen, was das bedeutet. „Ich bin hinten", teilt mir Keanen mit, bevor ich noch mehr Fragen stellen kann, und ich nicke nur abwesend. Lorenzo Salvatore ist also ein gefährlicher Mann und hat mit einem gewissen Jack Allen wohl nicht gerade das beste Band.

Das würde immerhin zu der Geschichte passen, die vor zwei Wochen passiert ist, und wieso Lorenzo seine Söhne immer herumkommandiert. Aber wieso machen denn da auch noch Lio und Jona mit? Und überhaupt, was bedeutet es für Keanen, dass sein Vater gefährlich ist? Was bedeutet es für seine ganze Familie? Und inwiefern ist er denn eigentlich gefährlich?

Ich schrubbe auf der Theke rum während mir all diese Fragen durch den Kopf schiessen, und irgendwann wird mir klar, wie wenig ich eigentlich über Keanen und seine Familie weiss.

Ich kenne seinen Bruder, seinen Cousin und seine Mutter.

Aber wahrscheinlich ist das auch besser so, ich würde mich vielleicht unnötig in Gefahr begeben. Ich meine, ich habe eine Schiesserei hautnah miterlebt, nur, weil ich mit ihnen unterwegs war. Ich hatte nichts mit der Sache zu tun. Auf solche Erlebnisse kann ich eigentlich gut verzichten, mir gefiel mein Leben bisher recht gut.

Aber ein kleiner Teil von mir will mehr über die Sache erfahren, mehr über Keanen. Er zieht mich mit seiner Art an wie ein Magnet, ohne dass ich es will.

Ausserdem frage ich mich schon, in was mein bester Freund und mein Zwilling da genau mit drinstecken.

Frustriert lasse ich den Kopf sinken und schliesse die Augen.

Ich erinnere mich wieder daran, wie Lio geweint hat als ich ihm gesagt habe, dass ich Zeit brauche und nichts mit solchen Menschen zu tun haben will. Der Gedanke an diesen Anblick bricht mir jedes Mal mein Herz, und ich frage mich was passiert wäre, wenn ich Keanen und Elia nie kennengelernt hätte.

Smith hätte mich vergewaltigt und ich wäre wohl bis an mein Lebensende traumatisiert. Ich hätte wohl nie rausgefunden, was Jona und Lionel wirklich machen und würde immer noch ahnungslos zu Hause hocken. Ich hätte Elia, Keanen, Emilio, Luca und Lucía wohl nie kennengelernt, und irgendwie stört mich der Gedanke daran gewaltig.

Würde ich wirklich ein Leben ohne all das wollen? Wäre ich wirklich glücklicher gewesen, wenn Keanen nicht in meinem Leben wäre?

Ich schüttle energisch den Kopf. „Nein", flüstere ich dann zu mir selbst, und gleichzeitig vernehme ich ein Räuspern hinter mir. „Ich will dich ja ungern bei deinen Gedanken stören, aber irgendwie machst du mir jetzt doch etwas Angst."

Keanen steht nicht weit von mir entfernt und schaut mich belustigt aus seinen braunen Augen an. Ich weiss nicht wie ich reagieren soll, doch mein Körper handelt, wie schon so oft, von alleine. Ich laufe auf Keanen zu, presse meine Stirn an seine Brust und umarme ihn.

Etwas perplex steht Keanen da und weiss wohl nicht so recht, was das jetzt soll. „Es tut mir leid", flüstere ich, und Keanen legt seine starken Arme um mich. „Ich weiss zwar nicht genau wovon du sprichst, aber ich verzeihe dir mal", murmelt er, und ich lache leise. „Ich habe euch für Monster und Mörder gehalten. Das war nicht richtig, ihr hattet bestimmt eure Gründe."

Keanen sagt nichts, sondern zieht mich noch etwas enger an sich.

„Mir tut es leid dass wir dich dort mit reingezogen haben", flüstert er irgendwann, und ich spüre, wie sein Atem leicht meinen Nacken streift. Meine Nackenhärchen stellen sich auf, und ich bin etwas verwirrt darüber, wie mein Körper auf ihn reagiert. „Das... ist schon okay. Ihr konntet ja nichts ahnen." Kea nickt, und ich lächle.

„Wir sollten langsam mal gehen, findest du nicht?"

Ich löse mich von Keanen und schaue auf meine Uhr. „Fuck, Jona reisst mir den Kopf ab", murmle ich, und Keanen lacht. „Geh dich umziehen, ich mach hier den Rest." Ich verschwinde schnell in Richtung Garderobe, öffne die Türe und reisse fast meinen Spind auf.

Seit dem Vorfall von vor zwei Wochen macht sich Jona jedes Mal wenn ich arbeiten bin höllische Sorgen und ist erst bereit zu schlafen, wenn ich zu Hause bin. Wir haben kaum geredet, und er würde mir das nie ins Gesicht sagen, aber ich merke es, wenn zufällig genau dann, wenn ich zu Hause ankomme, der Lichtstreifen unter seiner Türe verschwindet.

Ich reisse mir mein Shirt über den Kopf und werfe es achtlos auf die Bank, während ich in meinem Spind nach meinem richtigen Shirt suche.

„Hübsches Teil."

Ich fahre erschrocken herum und blicke direkt in zwei dunkelbraune Augen.

„Keanen?"

Er steht mit einem schiefen Grinsen an die andere Spind Reihe gelehnt und betrachtet nicht gerade unauffällig meinen BH. „Was zur Hölle tust du hier?", sage ich fassungslos, und ernte dafür ein dumpfes Lachen. „Ich habe noch etwas vergessen und angeklopft, aber du hast nicht geantwortet. Also bin ich eben reingekommen." Ich schaue Keanen noch eine Weile lang verdutzt an, bis mir sein Blick auffällt.

„Wenn du so nett wärst damit aufzuhören, meinen BH anzustarren. Nächstes Mal wartest du bis ich fertig bin."

Keanen lacht wieder, und ich schüttle den Kopf, ehe ich mich wieder meinem Spind zuwende. „Jona hat mich eben angerufen", ertönt seine raue Stimme hinter mir, und wieder stellen sich meine Nackenhaare auf.

Verdammt, was soll das?

„Was wollte er?", frage ich, und Keanen lacht. „Er war drauf und dran einen Suchtrupp aufzustellen. Wir sind schon eine halbe Stunde zu spät."

Ich seufze und lasse die Schultern hängen. „Na wunderbar, das klingt ganz nach ihm."

Ich nehme meine Hände aus dem Spind und stelle fest, dass sich mein Shirt da drin nicht befindet. Ich greife seufzend zu meinem Mitarbeitershirt und will es anziehen, doch sobald der Stoff meine Haut berührt kreische ich auf. Sofort ziehe ich es wieder aus und halte den nassen Lappen in meinen Händen.

„Da hat jemand was ausgeleert", stelle ich nüchtern fest und zeige auf die Stelle, wo ich zuvor mein Shirt hingeworfen habe.

„Na toll, und jetzt soll ich wohl wie eine Prostituierte nach Hause laufen. Ich liebe es." Genervt drehe ich mich zu meiner Tasche und will meine dünne Jacke rausholen, als von hinten plötzlich ein Stoff über meinen Kopf gestülpt wird. „Nimm das und komm mit."

Erstaunt drehe ich mich um und entdecke, wie Kea sich sein Mitarbeitershirt überzieht. Dann stelle ich fest, dass er mir gerade sein eigenes Shirt gegeben hat.

Und ich fühle mich verdammt wohl da drin.

Uuuh... Kea und Serena haben sich also wieder mehr oder weniger vertragen :)

& er ist einfach so reingeplatzt als Seri sich umgezogen hat. Klingt nach Keanen, finde ich xD

Was denkt ihr, dass es mit diesem Matteo auf sich hat?

- xo, zebisthoughts

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