Kapitel 14 - Keanen - ✔️

Ich halte Lio auf, als er Serena nachlaufen möchte, und schüttle den Kopf. „Nicht, sie braucht jetzt Zeit."

Ich schaue dem Mädchen hinterher, in dem ich ehrlich etwas gesehen habe, dass mich gefesselt hat.

„Sie wird sich wieder beruhigen." Elia stellt sich neben mich, und ich seufze.

„Leute, ich fahre nach Hause." Jonas Stimme ist dünn und rau, und ich sehe ihm an, wie verletzt er gerade ist. „Mach das. Und ruf an, okay?" Jona schaut mich an, dann nickt er, steigt ohne weitere Worte in den Wagen von Serena und fährt davon.

„Das ist verdammt scheisse." Luca tritt gegen einen Stein, der weit wegfliegt, und fährt sich durch die Haare.

„Ich hab's vermasselt", murmelt Lionel neben mir, und mein Blick huscht zu ihm. Er hat gerötete Augen und sein Gesicht spiegelt seine Laune perfekt wieder, doch er weint nicht mehr.

Sein Blick ist eiskalt, während er Serena, die nur noch vage zu erkennen ist, nachschaut.

„Nein, hast du nicht. Sie ist deine beste Freundin, ihr braucht euch. Du bist an sich jetzt kein anderer Mensch, Seri weiss bloss ein bisschen über dein Geheimnis Bescheid." Lio nickt langsam, dann wendet er sich ab. „Ich gehe auch nach Hause. Ruft mich an, wenn etwas ist."

Ich nicke und wende mich meinem Bruder, Luca und Emilio zu. „Und was machen wir jetzt?" Luca sieht mich fragend an, und ich grinse schief. „Wir erstatten Dad Bericht, sorgen dafür, dass diese Leute hier wegkommen, und dann machen wir weiter wie normal."

Luca sieht mich skeptisch an, dann nickt er aber. Ich weiss, dass die Frage eher auf Serena bezogen war, doch ich will nicht noch länger darüber sprechen. Serena wird für sich entscheiden, was sie will, und ich werde es akzeptieren. Wenn sie also trotzdem weiter was mit mir und den anderen zu tun haben will, werde ich für sie da sein. Wenn sie das nicht will, werde ich es nachvollziehen und verstehen können.

So ist es nun mal als Sohn des mächtigsten Mannes in Seattle – sobald die Leute deine dunkle Seite sehen, wird alles aufs Spiel gesetzt.

Ich habe mich im Lauf der Jahre daran gewöhnt, den anderen geht's nicht anders.

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„Keine Wiederrede! Du wirst ein Auge auf Serena haben. Die Männer haben sie gesehen, das könnte hässlich enden für sie, wenn sie alleine ist." Ich seufze und nicke dann ergeben. Dad und Mom lächeln siegessicher, weshalb ich nur die Augen verdrehe.

„Hast du eigentlich noch was von ihr gehört?" Dad schaut mich prüfend an, und ich schüttle den Kopf. „Nein, sie geht mir seit vorletzter Woche aus dem Weg. Auf der Arbeit reden wir kaum."

Dad nickt, und Mom seufzt. „Was ist mit dir, Jona?"

Jona, der sich bisher im Hintergrund gehalten hat, stösst sich jetzt von der Wand ab und stellt sich neben mich. „Sie verhält sich komisch, und spricht nur mit mir wenn es absolut notwendig ist. Bei Lio das Gleiche. Sie ist völlig anders als vor dem Vorfall von vor zwei Wochen. So lustlos, demotiviert, traurig... sie ist momentan eher ein Schatten ihrer selbst. Ich mache mir Sorgen."

Ich würde gerne zu Serena fahren, wenn ich mir so anhöre, was Jona erzählt. Sogar Bale hat mich letzte Woche gefragt, was mit Serena los ist, und das, obwohl er bei Frauen das Einfühlungsvermögen eines Steins hat.

Sogar bei Alessia hat es lange gedauert, bis er ihre Emotionen entschlüsseln konnte, dabei sieht man ihr alles sofort an.

„Vielleicht kann ich ja mal mit ihr reden?" Wir fahren alle herum und entdecken Emilio und Lucía im Türrahmen. „Was macht ihr denn hier?" Elia geht auf Emilio zu und umarmt ihn kurz, dann schliesst er Lucía in die Arme.

„Dein Dad hat uns auch dazu gerufen. Aber eben – wie wäre es, wenn ich mit Serena rede?"

Lucía ist seit einigen Tagen wieder aus dem Krankenhaus, und wir haben uns dazu entschieden, ihr alles zu sagen. Sie hat Bekanntschaft mit Jack gemacht, wurde lange bei ihm und seinen Arbeitern festgehalten – sie wusste sowieso schon fast alles.

Ausserdem gehört sie deswegen noch lange nicht zu uns, sie ist einfach eine Freundin.

„Denkst du, sie würde auf dich hören?" Jona schaut Lucía zweifelnd an, doch sie grinst nur frech. „Man kann es ja wenigstens versuchen", antwortet sie dann, und ehrlich gesagt muss ich ihr dabei Recht geben. Ich glaube, Serena würde noch am ehesten auf Lucía hören, immerhin ist sie die einzige, die sie nicht mehr oder weniger angelogen hat. Sie wusste zu dem Zeitpunkt selber nur, dass Jack sehr gefährlich ist, und dass ich der Sohn eines Mafiabosses bin.

„Okay, dann... wieso nicht?" Ich schaue Dad an, und er nickt. „Macht nur. Aber wie gesagt: Lucía und Serena bekommen beide jemanden, der auf sie aufpasst. Nur für die nächsten Tage, bis Jack endlich vom Tisch ist."

Ich nicke und Lucía verzieht ihr Gesicht. Ich weiss, dass es ihr nicht passt, jemanden zu haben, der auf sie aufpasst. Immerhin hat sie das vor zwei Wochen die ganze Zeit gehabt, und nicht wirklich schöne Erinnerungen davon bekommen. Aber falls Jacks Leute sie finden und sie ohne Aufsicht ist, wird sie noch viel unschönere Erinnerungen sammeln, da bin ich mir sicher.

„Kea, du gehst zu Serena und setzt sie darüber in Kenntnis. Emilio, du passt auf Lucía auf." Ich schrecke hoch und schaue Mom finster an, doch ich kann mich nicht gegen ihren Befehl wehren. Sie ist neben meinem Vater unser Boss, und ihre Befehle gelten, ausser Dad macht sie zunichte.

Was er jetzt natürlich nicht tut.

„Gut, wir müssen eh zur Arbeit", murre ich also nur, und verlasse den Raum.

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„Ich brauche keinen Babysitter."

Verzweifelt lehne ich meine Stirn am Türpfosten an und schaue auf Serena runter, die mit verschränkten Armen und störrisch gehobenem Kinn vor mir steht.

„Serena, bitte. Ich habe den Auftrag erhalten und kann ihn nicht unerfüllt lassen, Dad würde mir den Kopf abreissen."

Serena schnaubt und reckt ihr Kinn noch etwas höher in die Luft, was mir ein kleines Schmunzeln entlockt. Sie sieht eigentlich ganz niedlich aus, wenn sie sich aufregt und sich selbst beweisen will.

„Und wenn ich nicht will?"

Ich lächle sie entschuldigend an.

„Das ist in dieser Situation eigentlich nicht von Belang", erkläre ich dann, und Serena verdreht die Augen. „Dann habe ich dich jetzt also den ganzen Tag an der Backe?", fragt sie weiter, und verzieht ihr Gesicht, als wäre ich ein widerliches Insekt.

„Sieht so aus."

Seufzend öffnet Seri die Wohnungstüre noch etwas weiter und deutet mir, reinzukommen. „Und wie lange wird das jetzt so sein?", fragt sie, und ich zucke mit den Schultern. „Keine Ahnung, bis mein Dad den Auftrag zurückzieht. Und jetzt los, wir müssen gleich zur Arbeit."

Serena schaut mich lange an und seufzt dann.

„Ich wollte eigentlich nicht gehen", murmelt sie, und ich grinse sie an. „Tja, blau machen geht mit mir ab jetzt nicht mehr. In zehn Minuten fahren wir, das kriegst du hin." Mit weit aufgerissenen Augen verschwindet Serena sofort im Flur, und ich lasse mich auf dem Sofa nieder. Ich hätte nicht gedacht, dass sie so schnell nachgibt.

Vielleicht findet sie mich ja doch nicht ganz so scheisse, wie ich gedacht habe.

Ich inspiziere die Wand mir gegenüber, an der Unmengen von Polaroid-Fotos hängen. Auf jedem blicken mir entweder Jona, Bale, Alessia oder Serena grinsend entgegen. Auf einem Foto sieht man, wie Jona mit seiner Schwester auf dem Rücken einen Fluss überquert, in dem er von Stein zu Stein geht. Serenas Blick nach zu urteilen scheint sie die Idee ganz und gar nicht toll zu finden, denn sie hat die Augen weit aufgerissen und so gut wie keine Farbe im Gesicht.

Schmunzelnd wandern meine Augen zum nächsten Bild, auf dem sich Bale und Alessia vor dem Sonnenuntergang küssen. Auf einem weiteren Bild steckt Jona seinen Kopf in einen Kuchen, und ich gehe davon aus, dass die Zwillinge Geburtstag hatten, denn neben ihm sitzt eine breit grinsende Serena mit einem Partyhütchen auf dem Kopf.

Süß.

Ich will meinen Blick gerade weiter durch den Raum gleiten lassen, als ich an einem Foto hängen bleibe. Stutzig stehe ich auf und nähere mich dem Bild, um es genau zu inspizieren.

Ich hebe erstaunt die Augenbrauen, als ich mich selbst mit Elia, Luca und Serena auf dem Bild entdecke. Im Hintergrund stehen Shane, Liam und Bale, und ich stelle fest, dass das Bild auf der Party entstanden ist.

Zugegeben, es sieht gut aus, aber wieso hänge ich hier an der Wand, wenn Serena nichts mehr mit mir zu tun haben will?

„Alessia und Bale haben darauf bestanden."

Ich fahre herum und stosse fast mit Serena zusammen, die ebenfalls das Bild betrachtet. „Oh", sage ich nur, und räuspere mich. „Bist du soweit?", frage ich dann, und Serena nickt.

„Gut, dann... lass uns gehen."

Serena nickt erneut, und wir verlassen die Wohnung. Im Auto drehe ich die Musik auf, um die peinliche Stille zwischen uns etwas aufzulockern.

„Lucía möchte gerne mit dir reden", teile ich Serena irgendwann mit, und sie hebt verwundert die Augenbrauen. „Äh, okay, klar. Sag ihr einfach wo ich wohne, ich bin meistens da." Ich nicke, und es kehrt wieder Ruhe ein.

„Wie geht's dir?"

Ich zucke bei der Frage unmerklich zusammen, vor allem, weil ich sie einfach nicht erwartet habe.

„Äh – mir geht's ganz gut, denke ich mal. Und dir?" Etwas unsicher schaue ich zu Serena, die sich in den Sitz sacken lässt.

„Auch gut", lügt sie sofort, und ich schüttle den Kopf. Ich denke daran, was Jona gesagt hat, und es stimmt – das hier ist nicht die Serena, die alle kennen. Es ist nicht das Mädchen, das alle zum Lachen bringt, die immer einen guten Konterspruch parat hat.

Sie ist nicht das Mädchen, dass ich kennengelernt habe.

„Das stimmt nicht", stelle ich deshalb fest, und Serenas Kopf dreht sich schnell zu mir. „Doch, das stimmt", faucht sie, und ich seufze. „Nein, Serena, das stimmt nicht. Und das weißt du. Jeder merkt es, sogar Bale. Du bist nicht du."

Serena schüttelt nur den Kopf und schaut wieder nach vorne. „Halt dich da raus, Keanen."

Ihre Stimme ist kühl, und ich halte es für besser, wenn ich ihrer Anweisung ausnahmsweise mal folge. Es kehrt wieder Stille ein, und sogar die Musik stimmt mich nicht fröhlicher.

„Schläfst du jetzt auch bei uns?" Serenas Frage bringt mich zum Schmunzeln, und ich schüttle den Kopf. „Nein, Jona ist nachts ja da. Aber wenn nicht, schlafe ich bei dir." Serena nickt nur und flucht mit mir, als mir jemand die Vorfahrt nimmt. Ich lächle leicht, und ich glaube auch den Anflug eines Lächelns auf Serenas Lippen zu sehen.

„Heute werden viele Leute kommen", sagt sie dann plötzlich, und ich schaue sie aus dem Augenwinkel fragend an.

„Okay, und wieso?"

Etwas verwundert blickt Serena mich an, dann zieht sie die Augenbrauen zusammen. „Na, heute ist bei uns diese Afterparty. Wusstest du das nicht?" Ich schüttle den Kopf und konzentriere mich wieder voll auf die Strasse.

„Wovon denn?", frage ich, und Serena lächelt. „Rainhards Geburtstag", sagt sie, und ich schrecke fast zusammen. Ich habe in den letzten Tagen viel recherchiert und herausgefunden, dass Rainhard nicht der ist, für den er sich ausgibt.

Seine wahre Identität ist viel schlimmer und gefährlicher, ich verabscheue sie regelrecht.

Ich verabscheue ihn.

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„Keanen, kannst du bitte kurz in mein Büro kommen?"

Rainhard steht mit demselben falschen Lächeln das er immer trägt vor mir und ignoriert Serena, die ihn prüfend mustert. Wir sind gerade angekommen und wollten uns eigentlich umziehen gehen, doch Rainhard ist wie ein Pfeil auf mich zugeschossen.

„Ja, natürlich."

Ich folge meinem Chef, während Serena mir einen verwirrten Blick zuwirft. Ich zucke nur mit den Schultern und drehe mich dann wieder nach vorne, wo Rainhard gerade sein Büro aufschliesst. Sobald wir drinnen stehen fällt die gut gelaunte Miene von Rainhard wie eine Maske runter, und er schaut mich kalt an.

„Ich weiss, wer du bist, Keanen Salvatore." Ich ziehe die Augenbrauen hoch und lehne mich lässig gegen die Wand.

„Das freut mich, immerhin arbeite ich hier. Aber keine Angst, ich weiss auch wer du bist, Jack."

Jack.... DAS DA IST JACK

*Okay, Ausraster beendet*

Kea muss nun also auf Seri aufpassen, gerade jetzt wo sie sich nicht gut verstehen... was denkt ihr, wie wird das ausgehen? Und was haben sich Keas Eltern dabei gedacht?

- xo, zebisthoughts

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