Ich will Harry
Hello,
wollte nur kurz einwerfen, dass die nächsten zwei Kapitel die persönlichsten werden. Es gibt Stellen an denen es genau meine Gedanken aufgeschrieben habe, hoffe andere können sich darin vielleicht wiedersehen xx
All the Love ~ L xx
《♡》
Es fühlt sich an wie ein Traum.
Surreal.
Niall sitzt hinterm Steuer und fährt mich mit Molly zur Praxis. Robin hat sich geweigert, mich allein wieder gehen zu lassen, weshalb er darauf bestanden hat, dass mich zumindest ein Freund nach Hause bringen soll. Er traut mir nicht zu, in diesem Stadium Auto zu fahren. Ich mir auch nicht.
Gestern war mein letzter Abend mit ihr. Wir haben Clifford angeschaut, unsere Lieblingskinderserie von früher. Ich hab etwas gekocht und ihr Lieblingsessen besorgt, auch wenn sie fast nichts davon gegessen hat. Als wir ins Bett gegangen sind, habe ich sie in den Arm genommen. Sie ist schnell eingeschlafen. Ich lag die ganze Nacht wach. Habe sie atmen gehört. Ihren Herzschlag gespürt und ihr Fell zwischen meinen Fingern gefühlt. Alles wie immer, nur mit dem penetranten Hintergedanken im Kopf, dass ich das bald nicht mehr haben werde.
Bald ist meine Wohnung leer, wenn ich nach Hause komme.
Bald.
Bald klang bis jetzt immer noch so weit weg, doch als Niall plötzlich den Motor abstellt, zerplatzt meine kleine Blase und ich werde erdrückt von der urplötzlich Last des Bevorstehenden.
Mein Griff wird fester um mein Handy. Ich bewege mich nicht. Atme flach und starre gerade aus. Vielleicht lässt sich der Moment rauszögern, wenn ich mich nicht bewege, schreitet die Zeit vielleicht auch nicht voran. Vielleicht bleibt alles stehen. Genau so wie es jetzt ist.
Doch das passiert nicht. Natürlich nicht. Die Zeit bleibt nicht auf wundersamer Weise stehen und Molly wird auch nicht mehr gesund.
"Louis, wir sollten..."
Niall lässt seinen Satz in der Luft hängen. Unvollendet. So als würde die Unvollständigkeit des Satzes irgendetwas an der Sache verändern. Irgendetwas daran ändern, dass Molly gleich eingeschläfert wird.
"Ich hol Molly."
Ich schnalle mich ab, steige aus und lasse die Beifahrertüre des Wagens zufallen. Ich öffne den Kofferraum, hole Molly aus ihrem Käfig und mache alles wieder zu. Mit ihr im Arm laufe ich über die Straße und in die Praxis. Anne begrüßt mich, mit einem traurigen Lächeln. Mitleid steht ihr groß und fett ins Gesicht geschrieben und ist so penetrant, dass ich es einfach nicht ignorieren kann. Ich folge ihr in ein Zimmer. Es ist das Selbe von letztem Mal. Doch anstatt sie, wie letztes Mal, auf die Liege zu legen, stelle ich mich mit ihr ihm Arm in eine Ecke des Raumes. Erst da fällt mir Niall auf, der mich bis in das Zimmer begleitet hat.
Seit ich Molly aus dem Auto geholt habe, ist mein Gehirn auf Autopilot. Ich habe aufgehört, über mein Handeln nachzudenken und habe es einfach gemacht.
Doch jetzt, wenn ich in dem Raum bin, in dem es passieren soll, schaffe ich es nicht länger, meine Gefühle zu unterdrücken. Ich habe Angst, Angst um Molly. Dieses Gefühl der Flucht durchströmt jede Faser meines Körpers und es ist verdammt schwer für mich, hier zu bleiben. Ich will gehen. Molly beschützen. Sie nach Hause bringen, aber das geht nicht. Sie wird nie wieder nach Hause kommen. Nie mehr.
Ich fange an zu zittern, presse Molly enger an mich und mache noch einen Schritt zurück. Mein Rücken ist an der Wand, und doch bin ich noch nicht weit genug entfernt von dem Tisch.
Von dem Tisch, dessen alleinige Anwesenheit mich zutiefst beunruhigt.
Ich presse mein Gesicht in ihr Fell, als ich meine Tränen bemerke. Das ist mein letzter Moment mit ihr. Er ist gekommen. Ich bin nicht bereit dafür. Bin nicht bereit. Molly soll bleiben. Einfach bei mir. Muss doch nach Hause mit ihr. Sie kann doch nicht einfach gehen.
"Louis."
Ich sehe nicht auf, drücke mein Gesicht weiter in ihr Fell und murmele mein Matra wie ein Besessener vor mich hin.
Darf nicht gehen.
"Louis" ,sagt die Stimme nun fester und als ich eine Hand an meiner Schulter spüre, will ich zurückschrecken, doch da das nicht geht, drehe ich mich leicht zur Seite, damit Molly sicher vor der Person ist. Ihr passiert nichts. Sie ist hier bei mir. In meinen Armen. Alles wird gut.
"Könntest du aus der Ecke kommen? Bitte."
Ich sehe Robin lange an. Geduldig erwidert er meinen Blick. Er steht neben dem Behandlungstisch und wartet. Wartet darauf, dass ich bereit bin, doch das bin ich nicht.
Mit meiner Mutter zusammen hätte ich das bestimmt geschafft. Mit ihr wäre ich bereit gewesen, weil sie den Schmerz mit mir geteilt hätte. Sie hätte gewusst, wie es sich anfühlt. Wie es ist, machtlos daneben zu stehen. Keiner in diesem Raum versteht mich. Robin am ehesten noch, weil er sein eigenes Haustier einmal Einschläfern musste, aber da hatte er selbst die Spritze gehalten. Ich brauche Jemanden, der das Alles aus meiner Perspektive erlebt hat.
"Ich will Harry."
"Wie bitte?" ,fragt Robin verwundert, da er vermutlich nicht damit gerechnet hat, dass ich so schnell etwas sage.
"Harry soll Molly Einschläfern."
Anne meinte doch, dass dessen Katze eingeschläfert werden musste und ihm das sehr schwer gefallen ist. Er versteht mich.
"Ich weiß nicht, ob das geht, Louis. Harry-"
"Es geht. Ich gehe und übernehme so lange einfach seine Patienten. Kannst du Louis dann später in mein Büro bringen?" ,fragt Robin seine Frau, die er zuvor noch unterbrochen hat. Anne nickt leicht, weshalb er sich wieder mir zuwendet.
"Kann ich mich von ihr verabschieden?" ,fragt Robin vorsichtig und kommt erst näher, als ich es ihm erlaubt habe. "Machs gut Molly, grüß Jay von mir" ,sagt er leise und streichelt sie liebevoll, bevor er sich mir zuwendet. Seine Lippen sind aufeinander gepresst. Tiefe Trauer spiegelt sich in seinen Augen wider, als er mir sanft gegen den Oberarm klopft und sich mit einem letzten Nicken von mir abwendet.
Als er geht wird es still im Raum, dennoch fühlt es sich so an, als würde mir das Mitleid der Beiden ins Gesicht schreien. Weder Anne noch Niall sagen etwas, doch ich kann ihre Blicke spüren. Ihre Blicke, die sich wie Feuer auf meiner Haut anfühlen, weshalb ich es irgendwann einfach nicht mehr aushalte.
"Niall? Kannst du am Auto warten? Ich möchte nicht, dass du mich gleich so siehst" ,bitte ich ihn, da ich wirklich nicht denke, dass ich mich zusammenreißen kann.
"Natürlich, ich warte außen. Nimm dir die Zeit, die du brauchst. Ich habe heute nichts mehr vor" ,versichert er mir und legt seine Hand auf meine Schulter. Ich sehe ihm nicht in die Augen, als er sich von Molly verabschiedet und schließlich geht.
Es dauert nicht lange, bis die Türe erneut aufgeht und Harry etwas gestresst das Zimmer betritt. Er sieht zuerst zu seiner Mutter, bevor er mich in der Ecke stehen sieht. Das Hektische verschwindet sofort aus seinem Gesicht und macht einem kleinen Lächeln platz, das tatsächlich nicht mit Mitleid durchtränkt ist.
"Hey Louis, Hey Molly."
"Hey."
Unsicher sehe ich zu Anne, bevor mein Blick wieder auf ihm liegt. Ich will, dass sie auch den Raum verlässt.
"Kann Anne den Raum verlassen?" ,frage ich vorsichtig, da ich sie nicht irgendwie beleidigen möchte. Ich mag Anne, sie ist toll, aber ich möchte jetzt wirklich keine Zuschauer haben, sondern wirklich nur die Leute, die hier dabei sein müssen.
Harry tauscht mit seiner Mutter einen Blick aus.
"Du kannst ja vor der Tür warten und ich ruf dich, falls ich doch Hilfe brauche. Ich denke nicht, dass Molly mir großartig Schwierigkeiten bereiten wird" ,argumentiert Anne, weshalb sie sich geschlagen gibt. Auch sie verabschiedet sich von Molly und verlässt den Raum ohne weiteren Kommentar. Harry sieht ihr einen Moment lang hinterher, bevor er seinen Kopf wieder zu mir dreht.
Er lächelt freundlich.
"Wärst du so lieb und würdest mit Molly hier her kommen? Du musst sie nicht auf dem Tisch ablegen, wenn du willst, kannst du sie auch weiterhin halten" ,versichert er mir, weshalb ich tatsächlich langsam aus meiner Ecke komme.
"Wärst du so lieb und würdest mit Molly hier her kommen? Du musst sie nicht auf dem Tisch ablegen, wenn du willst, kannst du sie auch weiterhin halten" ,versichert er mir, weshalb ich tatsächlich langsam aus meiner Ecke komme. Harry wirkt weniger bedrohlich auf mich, bei ihm habe ich das Gefühl, dass er ihr wirklich erst die Spritze gibt, wenn ich bereit dazu bin.
Ich vertraue ihm.
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