Kapitel 5 - Von Zaubertränken und Blickkontakt

Am liebsten würde Peter all das vergessen. Er wollte nie, nie wieder an diesen Vorfall denken, den Kuss mit Schniefelus, seinem ärgsten Feind, der - als wäre alles nicht schon schlimm genug - auch noch ein Junge war. Ein Junge. Das war doch nicht normal. Peter war schließlich keine Schwuchtel, ganz bestimmt nicht.

Außerdem war der Kuss merkwürdig gewesen. Bisher hatte Peter zwei Mädchen geküsst, und beide Male hatte er sich ganz und gar nicht wohl dabei gefühlt, mit Snape war es da nicht anders gewesen. Peter fand einfach kein Gefallen am Küssen, nicht einmal in seiner Vorstellung, und noch weniger an allem, was darüber hinausging. Und das lag nicht daran, dass er einfach noch nicht die richtige Person getroffen hatte, denn bis vor einigen Wochen war er hoffnungslos in Emmeline Vance verliebt gewesen, doch auch sie zu küssen hatte sich falsch angefühlt, obwohl er es wirklich genossen hatte, ihre Hand zu halten. Leider schien es Emmeline nicht so gegangen zu sein, denn sie hatte kurz vor Beginn der Sommerferien mit Peter Schluss gemacht.

Während James also gerade davon erzählte, wie gern er doch Evans flachlegen wollte, und Sirius und sogar Remus davon schwärmten, wie toll sich Sex anfühlte, saß Peter stumm daneben und fragte sich, was die drei nur an alledem fanden.

Doch mitten in seinem tiefgründigen Gedankengang wurde er plötzlich von Remus' ärgerlich klingender Stimme unterbrochen.

"Pfoten weg von meiner Erdnuss! Du hattest schon genug davon, die letzte gehört mir, du verabscheuungswürdiger Essensdieb!"

Unter lautstarkem Protest des Werwolfs ließ Sirius die Nuss über seinem geöffneten Mund schwanken.

"Ach, was dein ist ist auch mein, Remus.", grinste der Black und wich einer wütenden Attacke Moonys aus.

"Remus' Erdnuss?", kicherte James. "Das wäre dann wohl eher eine Renuss, was?"

Kurz lachte Peter auf, während sich James und Sirius am Boden kugelten vor Lachen und Remus die Gelegenheit nutzte, um dem Dieb seine heißgeliebte letzte Erdnuss abzunehmen und sie sich zufrieden lächelnd in den Mund zu stecken.

Als Sirius sich zwei Minuten später wieder eingekriegt und bemerkt hatte, dass die Erdnuss in seiner Hand verschwunden war, schlug er vor, einen kleinen Ausflug in die Küche zu machen. Schon in ihrem zweiten Jahr in Hogwarts hatten die Rumtreiber den riesigen Raum voller Hauselfen durch Zufall gefunden, als sie mithilfe von James' Tarnumhang einen ihrer nächtlichen Ausflüge unternommen hatten. Dabei war Peter gestolpert und gegen das Gemälde einer Obstschale, das an der Wand des Ganges hing, geprallt, die darauf abgebildete Birne hatte gelacht und ein Geheimgang sich aufgetan. Seitdem besuchten die vier Freunde die Küche regelmäßig, um sich hin und wieder einen kleinen Snack zu gönnen. Das war insbesondere um den Vollmond herum sehr praktisch, wenn Remus rund um die Uhr ein unerklärliches Verlangen nach Schokolade verspürte.

Nur wenige Minuten später standen die Jungen auch schon im Land der Speisen und Getränke, der Desserts und Vorspeisen, der Zwischenmahlzeiten und Hauptgerichte. Die Elfen, die bis eben noch eifrig im Raum umhergewuselt waren, hielten augenblicklich inne, als sie die Rumtreiber entdeckten.

"Hallo, Mr Black und seine Freunde!", piepste ein in einen rosafarbenen Putzlumpen gekleideter Hauself und machte sich dann schleunigst wieder an die Arbeit.

Waren zwar alle Rumtreiber recht oft hier unten, so war es Sirius doch zweifelsohne am öftesten. Er war es meistens, der Moony jeden Wunsch von den Lippen ablas, wenn es ihm vor oder nach Vollmond besonders schlecht ging, und er war es, der ihm eigenhändig den besten Schokoladenkuchen, den er auftreiben konnte, brachte, wenn Remus Lust darauf bekam. Ein eigenartiges Phänomen, doch Sirius hatte sich schon immer um Remus gesorgt, und so machte sich keiner mehr Gedanken darüber.

"Warum gibt es eigentlich manchmal Löcher in diesen Dingern?", fragte James und zog einen Kochlöffel mit Loch aus einem riesigen Kochtopf, der auf einem der unzähligen Herde stand.

"Keine Ahnung.", sagte Remus desinteressiert und machte sich auf die Suche nach irgendetwas Schokoladigem.

"Löcher in Kochlöffeln...", überlegte Sirius laut. "Sind das dann... Lochlöffel?"

Während James, Sirius und Peter anfingen, wie kleine Schulmädchen zu kichern, verdrehte Remus nur die Augen, obwohl auch er ein Grinsen über den zweiten schlechten Wortwitz in nur einer halben Stunde nicht unterdrücken konnte.

"Fuck! Wir sind schon zwei Minuten zu spät zu Zaubertränke!", rief James eine halbe Stunde und zwei ganze Schokoladentorten später. "Slughorn wird uns umbringen!"

Beinahe zeitgleich sprangen die vier Jungen auf.

"Scheiße, und ich hab nicht mal die Hausaufgaben! Moony...", bettelte Sirius und setzte seinen besten Hundeblick auf.

In ihrem dritten Schuljahr hatten sowohl James, als auch Sirius einen Zauber gelernt, mit dem sie Texte - wie Hausaufgaben - ganz einfach kopieren konnten. Seitdem versuchten sie täglich, an Remus' Hausaufgaben zu kommen. Lehrer wie McGonagall bemerkten die Schwindel der beiden Unruhestifter natürlich sofort, doch Slughorn beispielsweise hatte sich bisher jedes Mal von diesem einfachen Trick reinlegen lassen.

"Nichts da, Sirius! Wenn Slughorn doch mal etwas bemerkt bin ich total am Arsch, mach deine Hausaufgaben doch mal selbst, verdammt!"

Mit Sirius und Moony im Gepäck, die sich heftig zankten, steuerten die Rumtreiber aus der Küche hinaus und auf das Klassenzimmer für Zaubertränke zu. Zehn Minuten zu spät und völlig außer Atem platzten sie in Professor Slughorns Unterricht.

"Potter, Black, Pettigrew und Lupin. Schon wieder." Der Tränkemeister seufzte resigniert. "Sind Sie irgendwann auch einmal pünktlich? Das nächste Mal wenn Sie aus der Reihe tanzen schreiben Sie drei Fuß über die Verwendung von Eisenhut in Zaubertränken!"

Die vier Jungen setzten sich an ihre angestammten Plätze in der letzten Reihe, direkt vor Lily Evans und - zu Peters Missfallen - Snape. Er versuchte, Severus' Blick auszuweichen und seine Augen nach vorn zu richten, wo Slughorn gerade irgendetwas sagte. Es gelang ihm erstaunlich gut.

"Jetzt hätte ich wegen der ganzen Aufregung beinahe vergessen, die Hausaufgaben einzusammeln."

Mit einem Wink seines Zauberstabs ließ der Professor neunzehn Pergamentrollen zu sich fliegen, von denen Slughorn allerdings nur wenig Notiz nahm. Sein Blick ruhte auf dem einzigen Schüler, der keine Hausaufgaben vorzuweisen hatte.

"Äh... Meine Hausaufgaben wurden gefressen...", versuchte Sirius sich herauszureden. "Von einem Wolf... Genau."

Remus sah ihn an als wolle er sagen "Dein Ernst, Sirius?!" und Peter konnte es ihm nicht verübeln. James kicherte leise, und vermutlich hätte Peter es ihm gleich getan, wenn er nicht so besorgt wegen der Snape-Sache gewesen wäre. So aber flackerte sein Blick nervös von Slughorn zu Snape und wieder zurück, während der Professor Sirius eine Strafarbeit aufbrummte, die der Gryffindor nicht ohne zu murren und Remus ein wenig vorwurfsvoll anzugucken auf sich nahm. Daraufhin begann Slughorn, mit seinem Unterricht fortzufahren, doch von Konzentration konnte man zumindest in Peters Fall nicht sprechen. Eine unsichtbare Kraft zwang ihn dazu, Snape immer wieder heimliche Blicke zuzuwerfen - während er abgelenkt seine Zutaten für den heutigen Trank zusammensuchte, halbherzig die Mistkäferpanzer zerquetschte und fälschlicherweise die Fliegeneier in James' Kessel statt seinen eigenen warf, was der Potter zum Glück nicht mitbekam, weil er gerade wieder einmal von Evans angeschnauzt wurde. Peter rührte gerade die tiefschwarze, stinkende Masse in seinem Kessel um, die einen Aufpäppeltrank darstellen sollte, als er wieder einmal 'unauffällig' zu Snape hinübersah. Dieser hatte allem Anschein nach wie immer einen perfekten Trank gebraut und rührte mit präzisen Fingern darin herum. Peter glaubte sich unbeobachtet, als er dabei zusah, wie der Slytherin seine Arbeit verrichtete, doch auf einmal lag der Blick blitzend schwarzer Augen auf ihm - Snape. Mehrere Sekunden lang starrten die beiden Jungen einander an und versuchten, die Gedanken des jeweils anderen zu erahnen. Die Augen Severus' verengten sich zu Schlitzen, doch Peter konnte nur auf ihr unergründliches Schwarz achten, das ihn beinahe zu verschlucken schien. Snape hatte schöne Augen, keine Frage. Noch während er diesen Gedanken dachte wurde Peter rot und drehte sich wieder zu seinem eigenen Trank, der gerade am Überkochen war.

Als er endlich aus Slughorns Klassenzimmer schritt, Sirius, Remus und James dicht hinter ihm, atmete Peter erleichtert auf. Die restlichen Stunden hatte er nicht mit Snape und so konnte er sich endlich wieder auf den Unterricht konzentrieren. Diese Schulstunde war der Horror gewesen.

Als Peter an diesem Abend erschöpft und verwirrt im Bett lag, konnte er an nichts anderes denken als Zaubertränke und Blickkontakt - und Severus Snape.

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