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C̲̅h̲̅a̲̅n̲̅g̲̅b̲̅i̲̅n̲̅ P̲̅o̲̅v̲̅:

Während stechende Tränen qualvoll in meinen angeschwollenen, rötlichen Augen brennen, mir beinahe meine komplette Sicht kompromisslos rauben, vertraue ich ausschließlich auf die sensible Intuition, sprinte in steigender Geschwindigkeit die windige Allee vor der blockartigen, grauen Schule entlang, weg von dem dreisten Ort, wo das impertinente Geschehen seinen Lauf nahm, auf den fröstligen Weg zu Felix nach Hause, der einzigen und wichtigsten Priorität, welche aktuell meine erdrückenden Gedanken alleinig einnimmt. „E-Es tut mir leid", flüstere ich gebrochen, wische schluchzend die salzige, stark emotionale Flüssigkeit bebend mit dem kalten Handballen von meinen nassen Wangen, versuche mein heftig pochendes Herz verzweifelt zu ignorieren, jedoch nehmen die inneren Schmerzen zu, je näher ich seiner gemütlichen Wohnung bin. Ein krampfhaftes, unregelmäßiges Ziehen in der Brust, nahe des gefühlvollen Herzens, terrorisiert meinen geschwächten Körper weiterhin unnachgiebig, gibt mir kaum eine freie Minute, damit ich tief durchatmen kann, weshalb mein unreguliertes Atmen demnach schneller ist, als es im Normalfall sein sollte.

Obwohl die anderen sechs rein gar nichts über die Rückkehr des ehemaligen, besten Freundes meiner wichtigsten Person wissen sollten, da Jeongin, Seungmin, Jisung und Hyunjin auf eine andere Schule, während Chan mit Minho logischerweise in eine andere Klasse gehen, kann man trotzdem nie seine Hand kopflos für so etwas ins hitzige Feuer legen, da sich dramatische, lügenhafte oder für manche, die nichts Besseres zu unternehmen haben, interessante Nachrichten, wie ein angezündetes Lauffeuer, welches mit einer ununterbrochenen, perfekten Sauerstoffzufuhr und starkem, weittragenden Wind jedes Holz auf seinem Weg in Flammen verbrennen lässt, keinen Funken an Hoffnung auf einen zukunftsreichen, nahrhaften Boden aufweist, ist.

Das normalerweise anstrengende Rennen empfinde ich keineswegs als mühsam, ganz im Gegenteil, es scheint meinen Körper in einer gewissen Weise ein Stückchen zu beruhigen, da ich mich nicht völlig auf die seelischen Qualen fokussieren kann, dies ebenfalls unter keinen Umständen möchte. Andernfalls wäre ich zu dieser Zeit gezwungenermaßen in dem großen, einsamen Haus und leide stärker an einem mentalen Zusammenbruch, als ich es ohnehin heute bereits getan habe, denn es würde sich nicht auf den widerwärtigen, verräterischen Vorfall von heute Morgen beschränken, sondern gleichzeitig die halbwegs reparierten, selbst gepflasterten, abstrakten Wunden aus meiner unvergesslichen Vergangenheit zum Aufklaffen zwingen, sie reuelos bluten lassen, bis meine nicht diagnostizierten Schlafprobleme erneut folternd an mir nagen, mir jedes schlimme Detail schwungvoll an den Kopf schlagen, die positiven Erinnerungen zwischenzeitlich, hinterlistig weiter weg drängen, ich folglich keinen sicheren Halt übrig hätte, die qualvolle Verzweiflung, welche mich jedes Mal aufs Neue fest umhüllt, deutlicher spüren. Es macht mich so unglaublich fertig...

Alleinig wegen der unerträglichen Einsamkeit, die jenes luxuriöses Anwesen zu präsent ausstrahlt, welches eigentlich mein „zu Hause" sein sollte, fügt meinem Herz unnötig mehr Verletzungen hinzu. Ist es das, was ich verdiene, dafür, dass ich immer so furchtbar mühsam und belastend bin? Vielleicht, wer weiß das bitte?

Obwohl ich momentan die wichtigste Person in meinem Leben mit geringer Chance auf eine erneute Vereinigung verliere, fresse ich alles in mich hinein, um bloß keinen der anderen sechs in irgendeiner Weise zu verletzen, zur Last zu fallen oder zu nerven. Lieber unterdrücke ich meine Gefühle, bis es unter keinen Umständen mehr auszuhalten ist, als zuzugeben, es könne mir in irgendeiner Form schlecht gehen. Wieso muss diese Situation ausgerechnet heute passieren? Das kaltherzige Gespräch mit meinen abgeneigten Eltern steckt immer noch drückend in meinem, von vielen Gedanken umkreisten, Kopf. Sie sind wirklich die Letzten, welche ich mit so einem massiven Problem ansprechen würde. Sogar mein freundlicher Mathelehrer, dem mein geistiger Zustand sowas von egal sein müsse, kümmert sich liebevoller, vertrauenswürdiger als meine egoistischen Erzeuger. Entweder sie sind nicht da oder die Gespräche drehen sich um das Thema Beruf oder meistens um meine erkämpften, schulischen Erfolge. Natürlich wissen sie nichts davon, dass ihr Sohn schwul ist. Warum sollte sie dies auch kümmern? Am Ende der Unterstufe versuchten sie es des Öfteren, regelmäßig die Tischgespräche in die Richtung heterosexuelle Beziehungen zu lenken, jedoch war ich damals bereits eher abgeneigt von der Überlegung mit einer Frau den Rest meines Lebens zu verbringen, weswegen ich diese Ideen schnell unter den Tisch kehrte, damit sie nicht den geringsten Verdacht schöpften.

Im Endeffekt und nach langem Nachdenken schloss sich das komplizierte Puzzle in meinem Kopf, sobald die vorletzten Sommerferien zu Ende waren. Ungefähr ein Jahr behielt ich es komplett für mich, bis die drei und ich ein amüsantes Treffen in einem Park vereinbarten, da die Abwesenheit des Drama Lamas uns überhaupt nicht passte. Gesagt, getan, es kam sowieso dazu, dass sich jeder geoutet hatte, sie alle ihre aktuellen Partner in die Gruppe einschlossen, aus der sie, nebenbei erwähnt, auch so schnell nie wieder herauskommen. Es ist herzerwärmend zu sehen, wie perfekt die niedlichen Pärchen miteinander harmonieren, sich untereinander verstehen.

Plötzlich landen meine aktiven Gedanken wiederholt bei Felix, weswegen sich sofort eine kalte Gänsehaut überall auf meiner kühlen Haut ausbreitet, mein Körper leicht zu zittern beginnt, ich mich zunehmend unwohler fühle. Dabei habe ich mir heute extra einen schwarzen, wärmenden Mantel angezogen, jedoch bezweifle ich so langsam kritisch, dass die innere Unruhe tatsächlich von dem frischen Wetter kommt.

Ich will bei dir sein. Ich will deine angenehme Wärme, deine einzigartigen Umarmungen spüren. Warum muss die Schuld, Verantwortung immer auf mich abgewälzt werden, wenn mich keines der eben genannten Emotionen betrifft? Es schmerzt unfassbar sehr. Zuerst macht mein Freund unter Tränen Schluss und ich weiß nicht einmal, warum! Es ist zum Verzweifeln!

Aufmerksam wende ich meinen Blick vorsichtig in alle Himmelsrichtungen, versichere mich somit, dass sich hier keine Menschenseele aufhält. Würde mich jemand so sehen, wäre das alles andere als angenehm, denn die geröteten Augen, das verheulte Gesicht, das sind zu private Themen und da brauche ich niemanden, der mir mit sonst einer Anlaufstelle kommt. Ich finde die Ideen von Telefonseelsorgen, Schulpsychologen oder ähnliches keineswegs schlecht, ich weiß nur selbst, dass prokrastinieren keine gute Lösung ist, Lix prioritär für mich ist und ich unbedingt die Sache klären muss, egal, wie dreckig es mir geht. Verliere ich ihn, wird es nicht einfacher, sondern um ein Vielfaches schlimmer, deshalb gebe ich mein Bestes, dieses deprimierende Ende nicht in die Realität zu verwirklichen.

Mit nervös zitternden Händen betrete ich einige Zeit später zögernd das Gebäude, marschiere nachdenklich die Treppen hinauf bis vor die Wohnungstür meines Expartners, während das gleichmäßige Auftreten meiner Schuhsohlen das einzige, leise Geräusch ist, welches durch das saubere Treppenhaus hallt. Die meisten Bewohner werden höchstwahrscheinlich in die Schule, Uni oder auf die Arbeit müssen, da wir einen Wochentag haben. Eigentlich sollte ich dieser Tätigkeit ebenso nachgehen, jedoch ist das große Missverständnis zwischen Felix und mir gerade mehr von Bedeutung.

Vor ein paar Minuten schwor ich mir selbst zielsicher, keine weitere Zeit zu verschwenden und nun stehe ich Herzrasen habend vor der weißen Wohnungstüre, trete von einem Bein aufgeregt aufs andere, versuche meinen inneren, wütenden Wirbelsturm halbwegs in den Griff zu bekommen. Wieso ist das so kompliziert? In meiner kreativen Imagination war es einfacher.

„Arg, es verdreht mir komplett den Kopf", lehne ich traurig seufzend meinen Kopf angespannt gegen die raue Wand, wobei kleine Blitze stechend durch diesen flitzen, pochende Schmerzen auslösen. Ein tiefes Ausatmen erfüllt den Flur, ehe ich unruhig auf der Fußmatte stehe, meine linke Hand an meine schnell senkend und hebende Brust halte, Angst habe, mein Herz könnte jeden Moment wie ein Stern explodieren, so kräftig schlägt es.

„Felix?", bringe ich schlussendlich sorglich über meine zitternden Lippen, klopfe geräuschvoll gegen die Tür, während sich jede Faser in mir zusammenkrampft. Bin ich grundsätzlich dazu bereit, eine Abfuhr von ihm zu kassieren? Nein, definitiv nicht, aber jetzt ist es auch zu spät, ausführlich darüber zu philosophieren. „Fuck, warum stehe ich hier überhaupt? Er will mich offensichtlich nie wieder sehen", senke ich schuldbewusst meinem schweren Kopf, ziehe nervös an den dunkelbraunen Haaren in meinem Nacken, um mich ein wenig abzulenken, bis ich Schritte in der Wohnung wahrnehme.

„Verschwinde", spricht der Jüngere plötzlich kaltherzig, weswegen sich alles in mir quälend verkrampft. Seine Stimme klingt so abweisend, dass es weh tut, hier zu bleiben, aber aufgeben will ich nicht. Ich kann ihn unmöglich fallen lassen, er ist mir über die Zeit verdammt wichtig geworden. „Du hast mich verraten", wechselt sein Ton nun zu einem scherzverzerrten, jedoch gibt er sein Bestes, die Qualen zu verstecken. „Was habe ich falsch gemacht? Bitte lass uns reden...", streiche ich zart über den Lack der Tür, erwidere seine Kälte einfühlsam, selbst, wenn es mich innerlich zerreißt, diese Worte von meiner ersten Liebe zu hören. Es fühlt sich an wie kraftvolle Messerstiche, die einem langsam, tief den Rücken aufschlitzen, sich an dem Anblick des spritzenden Blutes belustigen, keinen Hauch von Empathie zeigen.

„Was gibt es da noch zu reden? Für mich sah das mehr als eindeutig aus!", erhebt der Größere verzweifelt die Stimme, weshalb sich prickelnde Tränen in meinen Augen ansammelt, drohen, auf den Boden zu tropfen. „Bitte, ich bin unschuldig", antworte ich traurig, senke den Kopf tiefer, während die salzige Flüssigkeit unaufhaltsam meinen Sehsinn verlässt. „Und ich bin der Kaiser von China!", schreit mich der Dunkelbraunhaarige wütend an, bevor ich die lautstarken Fußschritte trampeln hören kann, die Hoffnung mich endgültig allein gegen meine aufgewühlten Emotionen kämpfen lässt, mich reuelos in ein aussichtsloses Schlachtfeld schickt.

Weinend, bebend und zitternd sinkt mein Körper in sich zusammen, ehe ich vor der Tür sitzen bleibe, ich kaum Luft bekomme, so stark muss ich heulen. Gebrochen ziehe ich meine Knie fest an meine brennende Brust, spiele panisch mit meinen Fingern, um mich vergebens zu beruhigen. Ich kann nirgendwo hin, meine wackeligen Beine sind zu schwach, um mich aus dem kühlen Gebäude zu tragen. Ja, es ist tatsächlich kalt und windig hier drinnen, da am Ende des Ganges ein Fenster offen steht. Der Grund dafür ist mir herzlich egal, gerade habe ich andere Sorgen.

Die schlimmen Gedanken kehren wie ein mächtiger Hammer zu mir zurück, scheinen mich nicht atmen lassen zu wollen. Immer hektischer schnappe ich krampfhaft nach Luft, dennoch funktioniert dies keineswegs erfolgreich, es verschlechtert sich stattdessen drastisch. Das anstrengende Ringen nach Luft fühlt sich an, als würde jemand mein Gesicht immer weiter unter Wasser drücken, während ich alles in meiner Macht Stehende probiere, damit ich bloß nicht qualvoll sterbe. Ich bin doch umgeben von sauerstoffhaltiger Luft, warum wird mir trotzdem die Luft so erstickend abgeschnürt?

Intensive Schluchzer schütteln meinen Oberkörper kraftvoll durch, weshalb meine Kraft um einiges sinkt. Es zerrt an meinen ausgereizten Nerven.

Es ist der reinste Horror.

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Hey hey, Comeback nach einem Monat xD
Tut mir leid, dass es so lange dauerte.

Have a nice one!

Bis zum nächsten Mal <3

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