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F̲̅e̲̅l̲̅i̲̅x̲̅ P̲̅o̲̅v̲̅:
Tränenüberströmt wasche ich immer wieder trübsinnig mein Gesicht unter dem laufenden Wasser, sobald ich jedoch an den heutigen schmerzvollen Morgen denke, treten mir sofort stechende Tränen in die Augen. Niemals hätte ich das von Changbin erwartet. Zuerst lässt er mich wie das wertvollste der Welt fühlen und im nächsten Moment erzählt der Ältere der ganzen Schule, dass ich bisexuell bin, wofür ich absolut nichts kann, schließlich sucht sich das niemand aus. Wäre es eine selbstbestimmende Entscheidung, dann hätte ich mir eindeutig ausgesucht, hetero zu sein. Der Verrat macht mich abgrundtief fertig.
Bereits seit einer Stunde verschanze ich mich angstverzerrt in der Jungs Toilette, damit ich keiner Menschenseele, vor allem nicht meinem nun Ex-Freund, unerwarteterweise über den Weg stolpere. Noch einer dieser übergriffigen, respektlosen, empathielosen Sprüche und ich wechsle erneut die Schule, dann müsste ich meiner Mutter jedoch sicherlich sagen, was damals passiert ist und von dem verletzenden Vorfall heute. Richtig, ich konnte noch nicht von der ganzen Sache erzählen, obwohl sie eine so liebenswerte Person ist.
Der Stoff meines wärmenden Pullovers ist längst triefendnass, aber es spendet zur selben Zeit einen gewissen Komfort, denn immerhin fängt wenigstens etwas die brennende, salzige Flüssigkeit, welche seit einer Stunde unaufhörlich meinen Körper zum Austrocknen bringt, ohne unangenehm zu urteilen, auf. Jede Faser meines Körpers schmerzt qualvoll, trotzdem scheint es alles sanfter, als die klaffende Wunde inmitten meines empfindlichen Herzes, jene konstant blutet, keinesfalls daran denkt, irgendwann aufzuhören.
Ich sollte eigentlich diesen kühlen Fliesenraum verlassen, doch fehlt mir jegliche Kraft, diesen Schritt erfolgreich in die Realität umzusetzen. Abgemeldet bin ich theoretisch, trotzdem ist eine essenzielle Regel an dieser höllischen Schule, dass ich zuerst meine Erziehungsberechtige verständigen muss, damit ich nach Hause darf und wie ich meine verschissene Klasse kenne, plauderten sie schamlos beim Lehrer aus, ich würde schwänzen, was nicht einmal annähernd der Realität entspricht, aber was will man bei solch verblödeten Leuten nur machen?
Die Tränensäcke kann man zwar deutlich erkennen, dennoch ist es mir schlichtweg egal. Sollen sie über mich lästern, schlimmer wird es sowieso nicht mehr. Tief atme ich mit geschlossenen Augen durch, versuche mich vergebens zu beruhigen, um keineswegs vor der netten Sekretärin in Tränen auszubrechen. Alles muss sie definitiv nicht wissen, dafür sind solche Personen stets zu neugierig.
Sobald ich erledigt und von meinen Haaren versteckt die Toilette verlasse, sehe ich den Dunkelbraunhaarigen laut seufzend die Treppen hinausstampfen, weswegen sich mein Herz automatisch kräftig zusammenzieht, der Stich präsenter als zuvor in das Blut pumpende Organ eindringt. „Fick dich verdammt nochmal!", sind meine ersten verzweifelten Worte an den Älteren, welcher träge den Korridor entlang schlendert, sein Lächeln im selben Moment aus seinem Gesicht weicht, nachdem er meine glasigen Augen erschrocken bemerkt. Man merkt ihm deutlich an, dass die Müdigkeit seinen Körper erdrückend einnimmt. Sein Sinnesorgan weitet sich auf Anhieb, sein Gesichtsausdruck wirkt ahnungslos, was die Provokation stärker durch mein, vor Wut und Hoffnungslosigkeit, kochendes Blut rasen lässt.
Dem glitzernden Augenwasser nahe und einem gebrochenen Herzen stürme ich gekränkt an der Person vorbei, welche ich so unfassbar sehr liebe und sie mich trotzdem in diesen verdammten Zustand bringt, werde jedoch bestimmend am Handgelenk festgehalten. „Lix, was ist los?", fragt der Kleinere zu Tode besorgt, weshalb ein bitteres Lachen aus meinen aufgebissenen Lippen ertönt. Es wechselt ständig zwischen lauten Schluchzen und überspielten, wütenden Lachen. Meine Gefühle geraten komplett aus dem Ruder, deshalb reagiert mein Kopf nun mal verwirrend. Unruhig starrt mich der Jugendliche an, während seine Sorge keineswegs zu übersehen ist. Verständlich, denn momentan benehme ich mich wie ein durchgedrehter Psychopath, welcher einen totalen Auszucker seiner Emotionen hat.
„Du hast gesagt, du würdest mich nie verletzen! Deine Taten sprechen aber das Gegenteil!", brülle ich ihn fassungslos an, während ich die Tränen nicht mehr zurückhalten kann. Er hat mir versprochen, mein Vertrauen niemals zu missbrauchen und was hat dieser Täter gemacht?
„Lixie, ich verstehe nicht-", beginnt mein Ex-Partner sichtlich entgeistert, jedoch wird er blitzartig von mir unterbrochen. „Natürlich verstehst du es nicht! Wie denn auch? Du hast vertrauenswürdige Freunde, du hattest nie verdammte Komplexe mit deiner Sexualität und noch besser, dich hat nie jemand verraten! Am wenigsten der eigene, feste Freund, dem man normalerweise vertrauen kann! Du kannst keineswegs nachempfinden, was ich gerade für einen chaotischen Sturm an Gefühlen in mir habe! Du bist so ein verficktes Arschloch! Ich will dich nie wieder sehen!", reiße ich mich gewaltvoll von meinem Gegenüber los, bemerke seine verletzten Tränen, jene ich ihm am liebsten selbst wegwischen will, aber in meinem jetzigen Zustand ist das eine verheerende Idee, vor allem, da ich gerade unsere Beziehung beendet habe.
„Felix-", „Lass mich in Ruhe. Ich hasse dich", pressen meine Lippen diese ausdrucksstarken kopflos hervor, bevor ich auch nur eine Sekunde darüber nachdenken kann. Es ist zu spät, ich habe ihn bereits schmerzvoll gebrochen. Oder auch nicht, denn ansonsten hätte er mir die zerreißende Aktion niemals angetan.
Miserabel heulend sprinte ich hastig zum Sekretariat, nehme mir kurz Zeit, um mein heftig pochendes Herz ein wenig zu beruhigen. Ein paar Minuten später klopfe ich mit tief senkendem Kopf an die holzfarbige Türe, ehe ich traurig seufzend eintrete, die Dame mich sorgenvoll mustert. „Guten Morgen, wie kann ich dir helfen?", beginnt sie höfflich lächelnd ein Gespräch, wendet sich aufmerksam vom Computer zu mir. „Ich würde gerne nach Hause gehen. Mir geht es nicht so gut", murmle ich verlegen in Zimmerlautstärke. „Oh nein. Ist irgendetwas vorgefallen?", mustert sie mein Gesicht besorgt, weswegen ich unbewusst auf meiner blutigen Unterlippe knabbere, leicht den Kopf schüttle. „Warte, bist du der Junge, welcher etwas später hierher gewechselt ist?", wechselt die freundliche Frau neugierig das Thema. „Ja, warum?", antworte ich verwundert, lege meinen Kopf ein wenig zur linken Seite.
„Hast du dich gut integriert?", bohrt die Ältere konzentriert nach, bevor ich sofort den Augenkontakt abbreche, lieber zur lebensfrohen Topfpflanze am Rande des Theresen blicke. „Ist in Ordnung", gebe ich abwesend von mir, schließe erfolgreich einen Teil meiner Gefühle ab. „Bevor wir ein Kaffeekränzchen daraus machen, darf ich nach Hause oder nicht?", probiere ich die angespannte Konversation eilig zu Ende zu bringen. „Du musst deiner Erziehungsberechtigten Bescheid geben, dann darfst du", wendet sie sich wieder dem Bildschirm zu, weswegen ich nervös mein Handy aus meiner Hosentasche fische. „Klar", kommentiere ich minimalistisch genervt, rufe im selben Moment aufgeregt meine Mutter an.
„Lix, ist etwas passiert? Warum rufst du mich während meiner Arbeit an?", spricht meine Eomma fürsorglich in das Telefon, wobei ich dies behutsam auf die lackierte Holzplatte auf Lautsprecher vor meine Brust ablege. „Ich habe Kopf- und Bauchschmerzen, deswegen wollte ich fragen, ob ich nach Hause gehen darf. Übrigens bist du auf Lautsprecher im Sekretariat", schildere ich untertrieben meine furchtbare Situation, bete innerlich, ich darf das Gebäude endlich verlassen. Eine Stunde länger würde ich es unter keinen Umständen aushalten. „Ja, wir reden, wenn ich am Abend zu Hause bin. Pass auf dich auf, okay?", erteilt meine Mama die Erlaubnis wissend, weswegen ich heftig schlucken muss. Sie hat also eine Vermutung?
„Passt. Dann gute Besserung!", tippt die Angestellte respektvoll, ehe ich gezwungen lächelnd eine kurze Verbeugung andeute, mich in derselben Sekunde auf den Weg zum Spind mache, ein bisschen Erleichterung verspüre. Immerhin kann ich meine Emotionen somit ins Reine bringen. So schnell es möglich ist, packe ich deprimiert meine Sachen, schnüre meine froschgrünen Converse fester zu, um mehr Halt zu bekommen. Meine Tasche schultere ich schwungvoll, gehe geistesabwesend aus der großen Glastüre hinaus, welche beim Haupteingang ist.
Der kühle Wind des Märzes streift angenehm über mein nasses Gesicht, bringt meine geschwollenen Augen dazu, sich etwas zu entspannen, bis mein Blick plötzlich auf jemanden fällt, mein Körper augenblicklich panisch beginnt, außer Kontrolle zu zittern. Alles in mir zieht sich krampfvoll zusammen, während ich das beklemmende Gefühl, gleich in Ohnmacht zu fallen, keineswegs unterdrücken kann, denn dafür ist es viel zu präsent.
Seine Augen treffen, sobald die Tür laut ins Schloss einrastet, schleunigst auf mich, weshalb seine Mundwinkel sadistisch nach oben gehen, ein angsteinflößendes Grinsen formen, somit der Drang, auf der Stelle flüchten zu wollen, pausenlos an Größe in meinem Inneren wächst.
„So schnell sieht man sich wieder, Felix"
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Heyy! Ich war schneller als gedacht, deswegen bekommt ihr heute noch ein Kapitel!
Have a nice one!
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