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F̲̅e̲̅l̲̅i̲̅x̲̅ P̲̅o̲̅v̲̅:
Auf dem elendig langen Weg zu Changbins Haus holt mich plötzlich die unaufhaltsame Müdigkeit ein, weswegen ich immer wieder entkräftet mit dem Kopf abknicke, verwirrt blinzle, sobald meine Muskeln aus Reflex zusammenzucken. „Ich freue mich sehr darauf, Weihnachten mit euch verbringen zu dürfen", reißt mich der Ältere unerwartet aus dem Halbschlaf, weshalb ich ihn für einige Sekunden zerstreut ansehe, mehrmals die Augen fest zusammenkneife, um wenigstens kurzfristig aufnahmefähig zu sein.
„Gleichfalls, die gute Pute hat es sogar vorgeschlagen, weil sie dich kennenlernen möchte", murmle ich erschöpft, lehne meinen Kopf ausgelaugt in den Nacken zurück, versuche keinesfalls schmerzvoll auf den Boden zu fallen, weil wir erneut in einem Bus stehen, leider kein Sitzplatz frei zu sein scheint. „Die gute Pute?", stellt mein Gegenüber die reimende Bezeichnung in Frage, weshalb ich schläfrig und mit beinahe geschlossenen Augen schwach lächelnd zu ihm sehe, ein zustimmendes Brummen erklingen lasse. Draußen ist es bereits dunkel. Kein Wunder, wenn man einen Blick auf dem beleuchteten Display, welcher die Stationen und die Zeit 21 Uhr anzeigt, wirft.
„Wann musst du eigentlich wieder bei dir zu Hause sein?", stelle ich unüberlegt eine empfindliche Frage, spüre, dass sich der Angesprochene augenblicklich verkrampft, weshalb das beklemmende Gefühl von Schuld pochend auf meinen Magen schlägt. „Es tut mir leid...", bringe ich schuldbewusst über meine Lippen, bevor Changbin meine Hand behutsam in seine nimmt, sie leicht drückt, als Zeichen, er sei nicht böse auf mich, während ein tiefer Atemzug erklingt. „Ich habe keine Pläne, also kann ich so lange bleiben, wie du mich bei dir haben willst", erklärt der Ältere zwiegespalten lächelnd, wobei seine Augen einerseits Traurigkeit, andererseits Zufriedenheit ausstrahlen.
„Naw, ist da etwa jemand kraftlos?", kichert der Kleinere bezaubernd einige Minuten später, ehe mein Puls, welcher sich ohnehin in der Anwesenheit des Dunkelbraunhaarigen nie zügelt, pausenlos schneller rast, als wäre ich eine ewig lange Distanz, ohne jegliche Anzeichen einer Pause, gesprintet. Still antworte ich mit einem kleinen Nicken, ehe der Teenager leise seine Jacke öffnet. „Wann müssen wir aussteigen?", spreche ich hoffnungsvoll zu Changbin. Meine Sinne sind abgestumpft, die Müdigkeit legt dicke Bleischichten auf meine Augenlieder, während ich versuche, das letzte Fünkchen an Konzentration zu bewahren. „In fünf Stationen. Ruhe dich besser noch etwas aus", streicht mir der Kleinere mitleidig über den rechten Oberarm, weswegen ich zufrieden ausatme, meinen schweren Kopf ausgelaugt gegen seine Brust lehne. „Ich darf doch?", wende ich mich breit grinsend an den Kleineren. „Nur du", erwidert Binnie charmant, ehe sich eine angenehme Wärme auf meinen Wangen ausbreitet, ich in derselben Sekunde mein Gesicht schüchtern in seinem Oberteil verstecke, sich mein gesamter Körper wegen seiner Geste mit Euphorie füllt. Diese Gefühle sind so unfassbar schön, lassen mich alles Negative vergessen. Wie kann man bei seiner Antwort denn nicht in Verlegenheit geraten?
Mit einem fröhlichen Lächeln und entspannter Haltung bewege ich mich keinen Meter, lasse den Älteren beruhigend durch meine Haare streichen. „Was machst du, dass deine Struktur so fluffig ist?", unterbricht mein Schwarm neugierig die gelassene Ruhe zwischen uns, lenkt mich glücklicherweise ein bisschen von der Erschöpfung ab. „Viel Feuchtigkeit, nicht zu häufiges Föhnen, keine hohen Temperaturen", seufze ich vergnügt, als mein Gegenüber das sanfte Verwöhnen meines Haarschopfes nicht unterbricht. „Klingt erfolgreich", legt der Dunkelbraunhaarige seine freie Hand vorsichtig an meine, von der wärmenden Jacke bedeckten, Schulter.
Als wir endlich bei dem Haus des Kleineren ankommen, entweicht mir ein lautes, erleichtertes Atmen. „In zehn Minuten können wir los. Suchst du währenddessen nach einer Route?", dreht sich der Jugendliche gähnend zu mir um, nachdem er das Türschloss fokussiert aufgesperrt hatte. „Klar. Ich warte im Vorraum auf dich", breitet sich ein aufgeregtes Lächeln auf meine Lippen aus. Meine erste Liebe wird bei mir übernachten und sogar Weihnachten an meiner Seite sein, ich kann es kaum fassen!
Kurze Zeit später spüre ich aus heiterem Himmel eine weiche Hand durch meine Haare wuscheln, weswegen sich meine Mundwinkel kontinuierlich höher anheben. „Bereit?", legt der 17-Jährige stützend seine rechte Hand an meine Taille, wofür ich ihm sehr dankbar bin, ansonsten wäre ich wahrscheinlich vor Erschöpfung umgefallen. „Jup, ich freue mich auf mein Bett", erwidere ich seine Geste verliebt, nur lege ich meinen Arm schwungvoll um seine komfortablen Schultern.
Zwanglos schlendern wir durch die funkelnden Straßen der Stadt Seoul, während ich jedes noch so kleines Detail wahrnehme, mich permanent in diese unglaubliche Aussicht verliere. Changbins Augen funkeln faszinierend, weshalb es sich so anfühlt, als würde ich mich ein zweites Mal in ihn verlieben. Ich würde den Älteren verdammt gerne in einen romantischen Kuss ziehen, jedoch kommen bei diesem Gedanken ebenfalls Unsicherheiten und Zweifel in mir hoch. Probieren geht bekanntlich über studieren, richtig?
Nervös blase ich zittrig die Luft aus meiner Lunge, scheitere an dem Versuch, meine Emotionen in den Griff zu bekommen. Wieso muss ich in seiner Gegenwart diesen unlösbaren Wollknäul an den verschiedensten Empfindungen haben? Es ist sinnlos, jetzt irgendetwas unüberlegtes und irrationales zu fabrizieren. Das hätte nämlich möglicherweise den Effekt, dass unsere friedliche Stimmung sich ganz schnell ändern könnte. Aber vielleicht ist nun der sogenannte „perfekte Moment", um dem Dunkelbraunhaarigen meine Gefühle zu gestehen, die ich verborgen halte. Obwohl, verborgen würde ich es nicht kennzeichnen, denn dafür zeige ich meine Zuneigung viel zu offensichtlich. Außerdem ist mir das niedliche Lächeln auf seinen zarten Lippen eindeutig aufgefallen, sobald ich ihm einen Wangenkuss schenkte.
All dieses hin und her sorgt für mehr Verwirrung in meinem Kopf. Ein wahrhaftiges Ping-Pong Spiel, in welchem ich anscheinend den rumgeschlagenen Ball darstellen soll. Spätestens ab diesem Zeitpunkt verstehe ich diejenigen, welche ständig mit sich selbst ringen, ob sie ihrem Crush endlich ihre Liebe gestehen oder eben nicht, jedoch ist meine Situation etwas verstrickter. Würde Changbin keine romantische Empfindung für mich hegen, verliere ich nicht nur die erste Liebe, sondern ebenfalls den allerbesten Freund, welchen ich jemals kennenlernen durfte. Zwar kommen ab und an die schlechten Erinnerungen von Jongnim hoch, trotzdem bin ich aktuell um einiges selbstbewusster, offener und extrovertierter als ich es zur Zeit des Schulwechsels war.
„Alles gut? Du wirkst in Gedanken", bemerkt Binnie mein ungewöhnliches Verhalten rasch, weshalb sich meine Brust bereits ein wenig leichter anfühlt, ich zu einem erfolgreichen Entschluss komme. „Ich muss dir etwas gestehen", beginne ich kopflos, nachdem wir unser Tempo verlangsamen, da unser Ziel nicht mehr weit weg ist. „Oh nein! Lixie, was hast du angestellt?", schnellt die freie Hand des Angesprochenen dramatisch auf seine Stirn, bringt mich somit belustigt zum Schmunzeln. „Ich habe-", bringe ich aufgeregt über die Lippen, was der Ältere schamlos ausnutzt und mich affig nachahmt. „Machst du dich gerade über mich lustig?", stelle ich seine Aktion gespielt genervt in Frage. „Keinesfalls! Du reißt mir nur bald den Geduldsfaden durch, da ich besorgt bin, dass dir jemand Schmerzen hinzugefügt hat", erklärt sich der Teenager ernst seufzend. „Naja, sagen wir so, die Entscheidung liegt bei dir", kontere ich unruhig, starre meinem vielleicht, hoffentlich, baldigen, festen Freund seriös in sein bildhübsches Gesicht. „Rede nicht um den heißen Brei herum, sondern spuck es endlich aus", verfestigt der Dunkelbraunhaarige seinen Griff ungeduldig, hat dennoch unter keinen Umständen vor, mich in irgendeiner Hinsicht zu verletzen, was ich sehr an ihm schätze. Binnie hat mir bereits mehrmals bewiesen, dass er vertrauenswürdig ist und mich wertschätzt.
Ein scharfes, kurzes Einziehen der Luft zögert zwar unnötig Zeit hinaus, lässt mich jedoch meine Gedanken für einen Moment halbwegs sortieren. Die Müdigkeit verflog bereits vor einer guten Viertelstunde, denn ich kratze genug Selbstvertrauen zusammen, um es meinem Gegenüber sagen zu können. Für den Bruchteil einer Sekunde schüttelt sich mein Körper unterbewusst, während mich der durchdringende Blick des 17-Jährigen genaustens beobachtet, sorgenvoll mustert.
„Ich habe mich in dich verliebt", spreche ich in festem, sicherem Ton, blicke schlussendlich gespannt auf den Weg vor uns, da mein Herz verrückt und schmerzvoll gegen meinen Brustkorb hämmert. Zu viele Gedanken kreisen in meinem Kopf herum. War es die richtige Entscheidung? Fest kneife ich meine Augen zusammen, bereite meinen Kopf mental auf eine Abfuhr vor, weshalb ich erschrocken aufzucke, als jemand unerwarteterweise mein Gesicht in seine weichen Hände nimmt, behutsam meine erhitzten Wangen streichelt.
„Ich auch. Wie könnte ich dir überhaupt widerstehen?", stellt sich Changbin verliebt lächelnd vor mich, während kleine, funkelnde Sternchen in seiner paradiesischen Pupille leuchten. „Darf ich?", lehnt sich der Ältere anziehend vor, wobei sein Blick aufmerksam zwischen meinen Augen und Lippen schweift, er jeden einzelnen meiner Sinne in den blanken Wahnsinn treibt, das Blut durch jede Mögliche Region meines Körpers pulsiert, ich es laut in den empfindlichen Ohren spüre. Überall nehme ich ein blitzartiges Kribbeln wahr.
„Nur du. Niemand anderes", grinse ich vorfreudig, ehe der Kleine seinen Kopf leicht zur Seite legt, die Schwerkraft seine hübschen Haare automatisch anzieht. Beschützend, als wäre ich aus Glas gefertigt worden, legt Binnie seine Hände an meine Taille. „Du bist wunderschön", flüstert der Jugendliche lächelnd, ehe ich lieblich in einen gefühlvollen Kuss gezogen werde. Unschuldig und mit purer Liebe verweilen wir in dieser berauschenden Position, während ich spielerisch durch seine Haare fahre, lächelnd einzelne Strähnen um meine Finger wickle. Wir schließen beide unseren Sehsinn, um all das noch intensiver zu fühlen.
Von dem Moment an, als wir uns langsam lösen, unsere Blicke liebevoll aufeinandertreffen, schließt mich der Ältere freudestrahlend in die Arme, welche er nach wie vor an meiner Hüfte ruhen lässt, vergräbt kichernd seinen Schädel in meine Halsbeuge. „Wehe, du schenkst jemand anderes diesen Blick", droht Changbin besitzergreifend, verfestigt den Griff um meinen Torso, was mir augenblicklich ein belustigtes Lachen entlockt. „Keine Sorge. Ich liebe nur dich und gehöre ausschließlich dir", mache ich sofort klar, helfe meinem Gegenüber eindeutig auf die Sprünge. „Dito. Du bist mein Sonnenschein. Ich liebe dich", küsst mich Binnie erneut, weswegen sich im ersten Moment die Kälte auf meiner Schulter breitmacht, mir eine Gänsehaut beschert.
„Komm, gehen wir weiter, sonst erfrierst du mir noch", streckt der Dunkelbraunhaarige fürsorglich seine linke Hand nach mir aus. Fest umfasse ich diese, komme nicht mehr aus dem Lächeln heraus, da es mich so unglaublich glücklich macht, dass meine erste Liebe dieselbe Zuneigung empfindet wie ich.
Ein kurzes Stückchen müssen wir noch gehen, dann ist unser Ziel endlich erreicht und ich kann meiner Mutter meinen besonderen Gast vorstellen. Nach dem knappen Spaziergang ziehe ich den Teenager bestimmend bis vor die Eingangstüre des Wohngebäudes, krame gähnend meinen Schlüssel hervor. Im Augenwinkel kann ich bereits erkennen, wie der Gartenzwerg seinen Mund glücklich öffnet, offensichtlich eine vorhersehbare Frage stellen möchte. „Bevor du die kitschige Frage stellst, ob ich mit dir zusammen sein will, antworte ich dir. Ja, ich würde sehr gerne dein Partner sein, sonst hätte ich niemals den Satz „Ich liebe dich und gehöre ausschließlich dir" gesagt", trete ich selbstsicher ein, warte bis mein, ab jetzt, Freund süß lachend eintritt. „Deines ist mindestens genauso kitschig", kommentiert er frech, bringt mich dazu, spielerisch mit den Augen zu rollen. „Meine Eomma wartet sicher. Lass uns hoch gehen", nicke ich locker in Richtung Treppe, bekomme jedoch einen unerwarteten Wangenkuss von meinem Partner. „Danke", verschränkt dieser seine Finger zärtlich mit meinen.
„Du bist das Beste, was mir jemals passiert ist, Binnie."
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Endlich nach 23 Kapitel haben sie es geschafft!
Ist irgendjemand noch so sehr in Halloween Stimmung wie ich? XD
Have a nice one! <3
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