❥Die Entscheidung
Pünktlich um 22 Uhr, klopfte es an meinem Fenster. Ich hatte mich schon den ganzen Tag auf Elijah gefreut. Ich hatte gehofft, dass er mir helfen konnte, meine Trauer zuzulassen.
Elijah stieg durch das Fenster und blieb mitten im Raum stehen.
„Schön das du da bist", sagte ich lächelnd und wollte ihm einen Kuss geben.
Er drehte seinen Kopf allerdings beiseite und machte einen Schritt zurück.
„Was ist denn los?", fragte ich verwirrt.
„Wir sollten reden."
„Okay, über was?"
„Dieses reinschleichen und rausschleichen... dieses Geheimnis... ich kann das nicht."
„Ich dachte... wir hätten das geklärt?"
Er schaute mich fassungslos an. „Du hast das für dich beschlossen. Ich hatte keine andere Wahl."
„Ich... was soll das jetzt heißen?"
„Ich möchte nicht das Geheimnis von jemanden sein."
„Okay", sagte ich leise. „Aber... ich brauch dich."
„Es tut mir leid Blaine."
Elijah wollte gerade wieder gehen, einfach so.
„Warte", sagte ich und packte ihn am Arm.
„Es gibt nichts zu reden, ich kann das so nicht."
„Aber... wenn ich das öffentlich machen würde. Dann... das geht nicht. Meine Familie."
Er blitzte mich böse an. „Deine Familie... aber was ist mit mir? Sind die meine Gefühle egal?"
„Natürlich nicht. Aber ich muss aufpassen, was ich öffentlich preis gebe und ich kann..."
„Nicht mit einem Jungen gesehen werden", beendete Elijah meinen Satz.
„Was soll ich denn machen?"
Er schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung, aber es ist schon ganz schön egoistisch zu denken, dass ich das mein Leben lang mit mache."
Ich ließ seinen Arm los. Ich wusste, dass es keinen Sinn hatte. Ich wusste auch, dass ich zu viel von ihm verlangt hatte.
Ohne noch etwas zu sagen, stieg er wieder aus dem Fenster und verschwand in der Dunkelheit.
Wie in Trance, setzte ich mich auf mein Bett. Ich hatte Elijah verloren.
Es fühlte sich an, als würde jemand ein Loch in meine Brust reißen. Es schmerzte, es schmerzte unerträglich. Noch nie hatte ich mich so miserabel gefühlt.
Die Luft zum atmen wurde immer weniger. Sie kam kaum noch in meine Lungen. Ich hatte das Gefühl, mein Körper wurde nicht mehr mit Sauerstoff versorgt.
Mein Herz... es schlug viel zu schnell. Es würde jeden Momentan aussetzen.
Und diese... diese Übelkeit.
Alles drehte sich. Alles um mich herum drehte sich.
Der Boden unter meinen Füßen, er war... komplett verschwunden.
Die Dunkelheit zog mich an, riss mich in ein tiefes Loch und ertränkte mich.
Die nächsten Wochen, waren geprägt von dieser Dunkelheit. Sie verschlang mich regelrecht. Ich war so sehr in ihr gefangen, dass ich kein Licht mehr sah.
Alles was ich tat, geschah automatisch. Ich stand automatisch auf, duschte automatisch, aß automatisch, ging automatisch zum Sport und in die Schule.
Ich mied Gespräche mit anderen Leuten. Ich ignorierte meine Freunde, sprach mit niemanden.
Meine Pflichten als angehender König, erfüllte ich mit einem Pokerface. Für die Außenwelt musste ich funktionieren. Ich musste so tun, als sei alles in Ordnung.
Und wenn ich alleine war, dann fraß es mich auf.
Ich konnte nicht sagen, wann ich zuletzt mehr als drei Stunden am Stück geschlafen hatte. Immer wieder fehlte mir die Luft zum atmen.
Heute war der letzte Schultag, vor den Weihnachtsferien. Die Eltern aller Schüler würden heut kommen, um ihre Kinder abzuholen.
Vorher fand noch ein kleines Programm statt. Natürlich musste ich auch meinen Teil dazu beitragen.
Doch das war kein Problem für mich. Mein Pokerface war perfekt.
Auch an diesem Tag, lief alles wie automatisch.
Niemand bemerkte, dass ich in einer anderen Welt war und das ich Nacht für Nacht weinte.
Niemand sah, wie ich mich wirklich fühlte. Niemand interessierte sich für die inneren Dinge, des angehenden Königs.
Nach dem Programm begab ich mich auf mein Zimmer, ich musste noch ein paar Dinge zusammenpacken. Denn die nächsten drei Wochen hatten wir Ferien. Die würde ich in London verbringen.
Ich stopfte ein paar wichtige Dinge in meine zwei Koffer und stellte sie an den Rand.
Gerade als ich die Tür öffnen wollte, klopfte es.
„Ja, hallo?"
„Kann ich reinkommen?"
Es war Elijah.
Ich schluckte und öffnete die Tür. „Komm rein."
„Ich habe nachgedacht. Bleib die Ferien doch hier, dann haben wir Zeit zu reden und uns Gedanken über alles zu machen. Vielleicht gibt es ja doch eine Lösung."
Ein klitzekleiner Funken Hoffnung durchflutete mich. Ich klammerte mich so gut ich konnte, an ihm fest.
„Ich... also über Weihnachten bin ich mit meiner Familie. Aber... die erste Woche kann ich hier bleiben."
Elijah nickte. „Gut, dann so."
„Ich... wow... ich...", stammelte ich. Ich wollte ihn umarmen, aber er wich aus.
„Okay... also... bis dann", sagte er und ging wieder.
Ich musste zu meinem Vater.
Völlig durcheinander stürzte ich aus dem Zimmer und lief die langen Gänge entlang. Er würde mit Sicherheit im Büro der Direktorin sein.
Ich klopfte an die Tür und trat ohne abzuwarten rein.
„Blaine, was ist los?", fragte mein Vater.
„Ich würde gern hier bleiben. Also nur diese Woche, dann komm ich nach, nach London."
Er schaute mich fragend an. „Hat es etwas mit diesem Elijah zu tun?"
„Was! Nein! Wie kommst du darauf?"
Er zuckte mit den Schultern. „So oder so geht es nicht, es gibt viel zu tun."
„Nur eine Woche."
Er schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid, du hast jeden Tag Termine vor Weihnachten."
„Verstehe", sagte ich leise und verließ das Büro wieder.
Fuck, fuck, fuck. Wie sollte ich das Elijah erklären? Würde er es verstehen?
Ich ging zurück auf mein Zimmer und nahm mein Smartphone. Ich musste es ihm erklären. Also wählte ich seine Nummer. Er würde es verstehen. Hoffentlich.
„Hallo?"
„Hey Elijah. Also... das geht leider doch nicht. Jetzt vor Weihnachten ist mein Terminkalender richtig voll. Ich habe jeden Tag etwas anderes zu tun. Können wir das nachholen?"
Er war still, sagte eine zeitlang nichts.
„Nein, tut mir leid. Ich muss jetzt auch mal an mich denken. Ich warte vor der Schule auf dich."
Mehr sagte er nicht und legte auf.
Ich konnte es ihm nicht verübeln.
Mit zittrigen Beinen, schloss ich mein Zimmer hinter mir ab und machte mich auf den Weg nach draußen.
Das Wetter war heute besonders kalt und regnerisch. Der Himmel war grau und der Wind peitschte mir regelrecht ins Gesicht. Das passte zur Stimmung.
Ich lief die glatten Steinstufen nach unten und blieb vor dem Internat stehen.
Elijah stand links, beim großen Brunnen. Er hatte seine Hände in den Taschen vergraben und schaute mich an.
„Blaine, kommst du bitte?", hörte ich meinen Vater rufen.
Mein Vater, die Direktorin und meine Bodyguards standen rechts, bei dem Auto. Meine Koffer wurden soeben verstaut.
Ich wusste, dass ich mich jetzt entscheiden musste.
Würde ich nach links gehen, zu Elijah oder nach rechts, zu meinem Vater?
Auch wenn ich es nicht aussprach wusste ich, Elijah sah das hier auch. Er wusste ebenfalls, dass ich mich entscheiden musste.
Sein Gesichtsausdruck sprach Bände.
Ich atmete tief durch und sammelte all meine letzte Kraft, die mir noch übrig war.
Ich lief los. Nach links, zu Elijah.
Sein Gesichtsausdruck lockerte sich. Ich sah, dass er nicht ganz wusste, ob das hier real war.
Genau vor ihm blieb ich stehen und schaute ihn an.
Diese Augen, ich hatte mich schon bei unserem ersten Aufeinandertreffen in ihnen verloren.
Alles in mir schrie danach, ihm nahe zu sein.
Ich biss meine Zähne fest zusammen und schaute ihn an. Er war so wunderschön.
„Ich liebe dich, Elijah."
Er sagte nichts, starrte nicht nur verwirrt an.
„Das hier ist ein Abschied", stellte er fest.
Ich wich seinem Blick aus und ging einen Schritt zurück.
„Ich liebe dich wirklich", flüsterte ich und drehte mich um. In schnellen Schritten lief ich zu dem Auto meines Vaters.
Ich hatte mich entschieden.
Ohne zurückzuschauen, stieg ich ein und schloss die Tür.
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