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 Triggerwarnung: Hinweise auf körperlichen Missbrauch

Ein schmerzhaftes Hämmern durchzuckt meinen Schädel als helles Licht auf meine Netzhaut trifft. Zögernd öffne ich die Augen. Mit wild klopfendem Herzen richte ich mich auf und unterdrücke einen Aufschrei, als ich den Mann sehe, der da neben mir in dem fremden Bett liegt. Jason. Unvermittelt blitzen Fetzen des gestrigen Abends vor meinem inneren Auge auf. 

Ich war auf dem Dating Abend, ein Mann namens George hat mir eine Vogelspinne unter die Nase gehalten. Dann kam Jason und hat mich aus der Situation gerettet. Er hat mir etwas zu Essen spendiert und ein paar Drinks. Ein eisiger Schmerz rast durch meinen Körper und setzt sich in meiner Brust fest, als mir klar wird, was ich danach getan habe. Ich bin zur Toilette gegangen und habe Luca angerufen. Völlig betrunken habe ich ihm meine Meinung gegeigt. Danach bin ich zurück zu Jason. Aber was ist dann passiert? 

Panik schnürt mir die Kehle zu und jagt heisskalte Schauer meinen Rücken herunter.  So sehr ich es auch versuche, aber ab dem Moment nachdem ich zurück zu Jason gegangen bin, ist meine Erinnerung nichts als ein einziges schwarzes Loch. Und zwar eines, in dem ich am liebsten für immer verschwinden würde, wenn ich daran denke, was ich möglicherweise letzte Nacht mit diesem Jason gemacht habe. Vielleicht ist es sogar ganz gut, dass ich mich an Nichts mehr davon erinnern kann.

„Bitte nicht," bringe ich hervor. "Bitte, bitte nicht." Ich greife nach der Bettdecke, die zusammengeknüllt am Fussende liegt und ziehe sie mir bis ans Kinn, während meine Augen das spärlich möblierte Zimmer nach meinen Anziehsachen und meiner Tasche absuchen. Was auch immer sich hier letzte Nacht abgespielt hat, ich muß hier weg und zwar schnell.

In der Ecke neben einer Kommode kann ich ein Bündel Kleidung ausmachen. Mit einem Seitenblick auf Jason, der leise schnarchend auf dem Rücken liegt, wickle ich die Bettdecke um meinen Körper, rutsche zur Bettkante und stehe auf. Ich presse die Kiefer aufeinander, als das Pochen in meinem Schädel beinahe unerträgliche Ausmaße erreicht. Auf Zehenspitzen schleiche ich zu dem Kleiderhaufen und lasse die Decke zu Boden fallen. Taumelnd schlüpfe ich in meine Unterwäsche und stütze mich an der schwarzen Kommode ab. Sobald ich meine Unterwäsche, sowie das Langarmshirt und den Rock angezogen habe, fühle ich mich eine winzige Spur sicherer.

Doch wo ist meine Handtasche? Scham überkommt mich beim Gedanken daran, dass ich mich offenbar Jason hingegeben habe, obwohl ich doch eigentlich nur nach Hause wollte um meinen Rausch auszuschlafen und den Artkiel zu schreiben. Wie konnte ich nur mit diesem fremden Mann ins Bett gehen, den ich nichtmal sonderlich mag?

So habe ich mir mein erstes Mal definitiv nicht vorgestellt. Aber vielleicht war ja alles ganz harmlos und es ist gar nichts passiert, blitzt eine leise Hoffnung in mir auf.

„Hey...wo willst du denn hin, du kleines Sexmonster?" macht Jasons verschlafene Stimme diese Hoffnung schlagartig zunichte. 

„Ich möchte gehen" krächze ich und schlucke die Tränen herunter, die seine Worte in meiner Kehle aufsteigen lassen.

Tausend Ängste stürzen zeitgleich auf mich ein und jagen weitere kalte Schauder meinen Rücken hinunter. Hoffentlich hat Jason ein Kondom benutzt. Aber ich bringe es nicht fertig ihn danach zu fragen.

Sobald ich zuhause bin, muss ich duschen, oder besser noch baden. Es muss doch möglich sein, dieses dreckige Gefühl irgendwie abzuwaschen, oder?

„Wie schade."

Zögernd drehe ich mich zu ihm um. Gähnend reckt er die Arme in die Höhe. „Ich dachte wir frühstücken wenigstens noch schön zusammen."

Ich schlucke ein paarmal, bevor ich den Mut finde die folgende Frage auszusprechen.

"Haben wir..."ich befeuchte meine trockenen Lippen mit der Zunge. „Also , ich meine ..haben wir...?"

„Du meinst ob wir es getrieben haben?" Grinsend fährt sich Jason mit einer Hand durch das zerzauste Haar.

Seine Augen funkeln amüsiert, während er mich mit schräg gelegtem Kopf mustert.

Verzweifelt schlinge ich die Arme um meinen zitternden Oberkörper. 

„Ohja das haben wir. Du warst kaum zu bremsen," grinst er. „Also eins muß man dir lassen, du kennst dich echt aus. Bist wohl doch nicht so unerfahren wie du vorgibst was? von wegen Mauerblümchen." Fügt er mit einer höhnischen Mischung aus Bewunderung und Abscheu hinzu.

„Ähm..."ich räuspere mich verzweifelt. „Was ..also...,"die letzen Worte sind nur noch ein Krächzen.  

Jason verzieht das Gesicht.

„Soll das heißen, du erinnerst dich nicht mehr an unser Liebesspiel?"haucht er in gespielter Enttäuschung, wobei er sich theatralisch an die behaarte Brust fasst. „Du brichst mir das Herz."

Angst und Ekel mischen sich mit Wut als mir klar wird, dass er sich über meine hilflose Verwirrung lustig macht.

„Arschloch!" presse ich hervor und tappse aus dem spärlich möblierten Zimmer. Irgendwo muß doch der Flur und somit der Ausgang sein. „Gib mir meine Handtasche!" fordere ich, während meine Finger die Wand nach einem Lichtschalter abtasten. Mann ist das dunkel hier. In dem Raum vorhin war es doch schon taghell.

Ich kneife die Augen zusammen, als der Korridor in dem ich mich befinde in grelles Licht getaucht wird.

Wenigstens finde ich auf dem ausgetreten Parkettboden meine Handtasche. Sofort durchwühle ich sie nach meinem Handy. Doch das Display bleibt schwarz. Offenbar hat der Akku den Geist aufgegeben.

„Wirklich schade, dass du mich bereits verlassen willst,"Jason geht an mir vorbei und öffnet mir die Tür. 

„Schätze auf einen Abschiedskuss darf ich nicht hoffen?" Anzüglich lässt er die Augenbrauen tanzen.

Ohne ein weiteres Wort dränge ich mich an ihm vorbei und stürze tränenblind in das trostlose Treppenhaus.

885 Wörter

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