1.
Seufzend ließ ich mich auf der Couch fallen, darauf achtend, dass mir nicht die Pizza vom Teller fiel. Ich hatte extra eine in den Ofen geschoben. Für Hyunjin und mich. Ja, richtig gelesen. Hyunjin und mich. Ich sprach hier von Hwang Hyunjin. Der Hwang Hyunjin, der auf dem ganzen Campus bekannt war. Der, dem alle verfielen. Der Mädchenschwarm. Der Aufreißer. Der Frauenheld. Der Fuckboy. All die Mädchen sprachen von ihm, als wäre er der letzte Typ auf dieser Erde. Während für mich... Für mich war Hyunjin ein Freund. Mein bester Freund, wenn ich genau war. Wir teilten uns eine WG zusammen. Eben für unser Agrarwissenschaftsstudium, wofür uns noch 1 1/2 Jahre blieben. Wir hatten die Halbzeit erreicht. Gemeinsam. Denn wir machten alles gemeinsam. Ich kannte den Casanova auch, seit... Seit wir den Kindergarten besuchten. Also schon mein ganzes Leben. Leider. Jedes andere Mädchen beneidete mich dafür, dabei... Brauchten sie mich nicht zu beneiden. Hyunjin war... Wie sollte ich das nett ausdrücken? Er war mein dummer, bester Freund. Gutaussehend, nett, tollpatschig, aber dumm, ja. Ich liebte ihn, nur musste das mal gesagt werden. Er war ganz einfach... Bescheuert. Und, was ich damit wohl meinte? Das würde sich noch früh genug rausstellen. Um es exakter auszudrücken... Genau... Jetzt! Die Tür zu unserer WG öffnete sich. Auf der Stelle legte ich den Teller ab und hob beide Hände. Mit der einen Hand streckte ich den Daumen hoch und die andere Hand zeigte den Daumen nach unten. Hyunjin trat hinein. Sein Blick landete direkt auf mir. Er schmollte, bevor er in die linke Richtung nickte. Damit war der Daumen nach unten gemeint. Ich atmete aus.
„Was anderes habe ich nicht erwartet."
„Ich hab's mal wieder verkackt.", hörte ich ihn seufzen, worauf er eintrat.
Er schlug die Haustür zu und zog sich seine Jacke aus, bevor er auf mich zukam. Unsanft ließ er sich neben mich sitzend auf die Couch fallen.
„Was hast du dieses Mal gemacht?", verschränkte ich die Arme vor der Brust.
Hyunjin hatte eben ein Date. Durfte ich das eigentlich Date nennen? Er traf sich mit einem Mädchen, dass er gerne im Bett hätte... Diese Ausdrucksweise bevorzugte ich lieber.
„Willst du das wirklich wissen?", blickte er zu mir auf.
„Erzähl's mir.", nickte ich.
Ich war nämlich interessiert. Er war so ein Idiot. Jedes Mal verkackte er es mit den Mädels, obwohl sie ihm alle bereits zu Füßen lagen. Wie das nur möglich war? Tjah. Dafür müsstest du einfach nur Hwang Hyunjin heißen.
„Wehe, du lachst mich aber aus, Y/N.", setzte er sich auf und sein Blick war warnend.
Ich lockerte die Arme, um mir pantomimisch die Lippen zu versiegeln.
„Niemals!", sagte ich, meinte es jedoch nicht so.
Das wusste Hyunjin. Er hörte es an meiner ironischen Tonlage heraus.
„Also...", er rollte die Augen, weil er von sich selber genervt war. „Sie bat mich um ein Kompliment und ich sagte ihr, sie hat schöne Brüste. Daraufhin ist sie natürlich total ausgetickt! Sie fing an Fragen zu stellen, wie... Triffst du dich mit mir etwa nur wegen meinen Brüsten", äffte er sie mit der Frage nach. „Ich wurde ehrlich erzogen, also sagte ich ihr... Die Wahrheit."
Für einen Moment blieb ich erstarrt, bevor ich mich regte. Ich fasste nach seinem Oberarm.
„Du hast also zugegeben, dass ihre Busen dein Ansporn waren?"
„Habe ich.", presste er die Lippen aufeinander.
Bei der Antwort schüttelte ich den Kopf, worauf ich anfing seine Schulter zu tätscheln.
„Ach, Hyunjin..."
Und... Genau das hatte ich gemeint. Mein bester Freund war... Ein idiotischer, schwanzgesteuerter Mann, wie es fast alle Männer waren. Nur, gemixt mit seiner übernatürlichen Art und Weise sich auszudrücken, sich zu verhalten und sich zu reflektieren... Galt Hyunjin zu dem Typus Mann, auf den du dich besser nicht einließt, denn... Er würde dir definitiv das Herz brechen. Obwohl er das nicht wollte! Ein ganz widersprüchliches Thema, was die Charakterzüge meines besten Freundes angingen... Sehr schwer zu erläutern...
„Was soll ich denn tun?", warf er die Arme hinauf. „Ich wollte doch nur mit ihr schlafen!"
„Ach, Hyunjin...", wiederholte ich mich nur, bevor ich meine Hand von ihm nahm.
Er drehte seinen Oberkörper zu mir. Schließlich wurde er Feuer und Flamme. Wie jedes Mal, wenn das Thema zur Sprache kam...
„Du verstehst das nicht, Y/N. Ich... Ich bin ein Mann. Und ich... Ich brauche gelegentlich guten Sex, weil-"
Ich unterbrach ihn, indem ich abwinkte. Die Geschichte hatten wir schon hundert mal.
„Ja, ja. Ich weiß. Weil mit dir sonst nicht geredet werden kann, blabla. Weil du sonst nur noch genervt sein würdest, blabla. Weil du jedem nur noch eine Last sein würdest, blabla."
„Genau! Du kennst mich!", kam es erleichtert von ihm.
Ich musste, wie so oft, den Kopf schütteln. Wegen ihm... Er lernte nie aus seinen Fehlern mit den Frauen. Hätte er nur eines seiner Fehler vernünftig reflektiert, dann... Dann wäre er... Intuitiv verzog ich angewidert das Gesicht. Oh. Mein. Gott. Ich traute mich schon gar nicht den Gedanken zu Ende zu führen! Tat ich aber! Denn dann wäre er ja unschlagbar! Vermutlich war es deshalb so gut, dass er seine Fehler nicht reflektieren konnte. Ja, definitiv!
„Ganz ehrlich, Hyunjin? Such dir ne Freundin.", verschränkte ich die Arme vor der Brust.
„Eine Freundin?", er hob eine Augenbraue. „Sag mal. Du tust so, als kennst du mich seit gestern."
Ich warf die Arme hinauf. Es war zum verrückt werden mit ihm! Er und seine... Scheiß, blöden, bescheuerten und dummen Prinzipien!
„Hyunjin. Frauen wollen aber nicht nur, dass du sie flankst. Sie wollen auch, dass du sie liebst und wertschätzt!"
„Mhm", hob er den Zeigefinger, um zu verneinen. „Wertschätzen, ja. Aber lieben? Nein. Und da ist das Problem! Keiner möchte einfach nur Spaß haben... Sie wollen es alle immer nur mit ihren Gefühlen verbinden!"
Ich wusste schon immer, dass daher der Wind wehte. Hyunjin war keiner, der sich verliebte. Er war noch nie verliebt. Er war nicht einmal verknallt gewesen. Als wäre das bei ihm nicht möglich. Genau deshalb brach er den Mädchen auch ständig das Herz, denn sie? Sie verliebten sich immer in ihn. Mein armer bester Freund konnte die Gefühle nur leider nie erwidern. Aus diesem Grunde beharrte er eben so sehr darauf, dass sich keine Gefühle entwickelten. Das würde nur im Herzschmerz enden. Vielleicht waren ja nicht all seine Prinzipien und Regeln so dumm. Ich gestand es mir doch ein...
„Verstehe...", nickte ich somit.
Er seufzte.
„Was tun wir denn jetzt?", sah er mit großen Augen zu mir.
Diese wundervollen braunen Augen, die so unschuldig aussahen, sodass ich ihm nicht einen einzigen Wunsch abschlagen konnte. Das wusste er, der Penner! Nur deshalb sah er mich doch so an... Ich grummelte. Fein! Dann half ich ihm eben. Ich lehnte mich vor, um in seine Wange zu kneifen.
„Wir machen das schon. Gib mir dein Handy.", ließ ich von ihm ab, um meine Hand zu öffnen.
Etwas verwundert von meiner schnellen Entscheidung ihm zu helfen, zögerte er einen kurzen Moment, bevor er sein Handy hervor holte und es mir in die Hand drückte.
„Was hast du vor?", fragte er kritisch.
Ich zuckte die Achseln.
„Gefiel dir das Mädchen von vorhin?"
„Aber sowas von.", zog er scharf die Luft ein.
„Gut", nickte ich. „Dann gib mir spätestens eine Stunde. Solange... Such uns einen Film raus!"
***
***
Hyunjin und ich, wir liebten es Filme zusammen zu schauen. In der Kombination mit unseren Pizzen, gab es für uns nichts besseres als das. Nachdem wir also from dusk till dawn, den Film aus 1996, geschaut hatten, machten wir uns an die Arbeit. Ich schrieb dem Mädchen, mit dem sich Hyunjin vorher traf. Natürlich in seinem Namen. Ich entschuldigte mich für mein Verhalten und schob es auf die angebliche Aufregung, die ich- Ehm. Ich meinte, Hyunjin... Die Hyunjin, vor dem Treffen mit ihr, verspürte. Ich schrieb ihr in seinem Namen, wie dumm er doch war, was stimmte. Dass er es bereute, was ebenfalls stimmte und dass sie zu gut war, um sie zu verlieren, bei dem ich nicht wusste, ob das wiederum stimmte. Das war jedoch nicht relevant. Relevant war, dass mein bester Freund sie mochte. Tatsächlich konnte ich sie aufweichen und sie erklärte sich bereit, sich nochmal mit ihm zu treffen! Ein Volltreffer für uns. Heute Nacht fand dann ihr Date statt. Ich verlangte, dass Hyunjin sich dafür ordentlich rausputzte. Er hatte sich gewaschen. Er zog sich etwas frisches an, wobei er mich ließ, ihm seine Kleidung auszusuchen. Ich durfte sogar seine Haare stylen. Schlussendlich kämmte ich sie durch, während er auf einem Stuhl saß und ich dabei stand. Zufrieden ging ich einen Schritt zurück, um ihn zu betrachten.
„Du siehst gut aus.", war ich beeindruckt von mir selbst.
In seinem weiß-schwarzen Hemd aus Baumwolle und seiner schwarzen Jeans, in die er das Hemd locker reinsteckte, sah er atemberaubend aus. Sein Haar lag ihm lockig auf dem Kopf, wobei er sich einen kleinen, schwarzen Ohrring anlegte. Ich konnte mich bei seinem Aussehen nicht beklagen. Niemand könnte das.
„Natürlich tue ich das. Du tust ja so, als wäre das eine Überraschung.", schnalzte er arrogant mit der Zunge.
Ja. Leider wusste er, dass er gut aussah, wofür ich ihn natürlich hasste. Augenrollend schlug ich ihm meine Hand sachte ins Gesicht. Den Schlag ignorierte er aber gekonnt. Das konnte er nur, weil ich ihn schon tausende Male geschlagen hatte und sogar fester, als das eben... Hyunjin und ich prügelten uns sogar mal. Ignorierten wir die Gründe dafür... Anderes war wichtiger. Ich verschränkte streng die Arme vor der Brust.
„Wo wohnt sie?", fragte ich, nachdem ich mich räusperte, um sein Wissen zu prüfen.
„Eine Straße weiter.", nickte er stolz.
„Wohin geht ihr?", fragte ich weiter.
Ich glaubte ihm nämlich kein Wort. Irgendwas würde er vergessen, weil er so war. Hyunjin vergaß ständig was. Er verkackte die Dates mit den Mädels schließlich nicht umsonst!
„In dieses teure Restaurant da.", beantwortete er.
Da war's. Ich hörte in seiner Stimme raus, dass er vergaß, welches Restaurant. Ugh. Unglaublich mit ihm!
„Ja. Wie heißt das Restaurant da?", äffte ich ihm nach.
Zögernd hob er den Arm, um sich am Hinterkopf zu kratzen. Nervös verzog er das Gesicht.
„Ehm...", machte er.
Ich war bekannt für meine Ungeduld. Den kommenden Schlag hätte er also erwarten müssen. Der ging wieder ins Gesicht. Direkt auf die Stirn und dieses Mal war ich nicht so sanft gewesen.
„Aua!", rief er, wobei er seinen Arm fallen ließ.
Ich ignorierte ihn gekonnt und hob warnend einen Finger.
„Wie heißt das Restaurant?!"
„Madame Aurelie!", rief er wieder, worauf er sich an die Stirn fasste.
Ha. Dachte er etwa, das waren alle Fragen? Hätte er wohl gern!
„Gut. Welche Komplimente machst du ihr?", kniff ich die Augen zusammen.
Er ließ von seiner Stirn ab, um einleuchtend den Finger zu heben.
„Sie hat schöne Augen! Und sie sieht fantastisch aus in ihrem Kleid!"
Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Der Junge hatte wohl doch gut zugehört. Ich war ja fast schon stolz auf ihn. Zufrieden stellte ich mich aufrecht und klatschte zweimal in die Hände.
„Perfekt!"
Ich fuhr ihm daraufhin mit der Hand durchs Haar, was er so gerne mochte, wenn ich es tat. Das hatte er sich verdient. Obwohl... Ich hatte vergessen ihm die wichtigste Frage zu stellen... Die entscheidende Frage! Oh... Wehe. Er würde die Antwort darauf jetzt nicht kennen.
„Und... Wie ist ihr Name, Hyunjin?", nahm ich meine Hand langsam von seinem Kopf.
Da sah er plötzlich zu mir auf. Seine Augen waren leicht geweitet, bevor er sie verengte. Seine spitzenden Lippen verzogen sich entschuldigend. Oh. Mein. Gott. Er kannte ihren Namen nicht?!
„Ehm...", er zuckte zögernd die Achseln. „Auch... Aurelia?"
Auch Aurelia- Was? Ohne weiteres schlug ich ihm wieder mit meiner Hand ins Gesicht. Um genau zu sein, war es wieder seine Stirn, die litt. Ein lauter Klatscher war zu hören.
„Verdammt, Y/N! Aua!"
„Hast du verdient!", schlug ich ihm nochmal auf die Stirn. „Proben wir hier eigentlich die ganze Zeit zum Spaß, huh?"
Erneut fand meine Hand seine Stirn.
„Wofür vergeude ich hier meine kostbare Zeit? Hm?"
Und ein weiteres Mal. Hyunjin zuckte bei jedem Mal zusammen, sobald ich ihn traf, bevor er sich erhob und ruckartig nach meinen Handgelenken griff.
„Hey!", zog er mich an sich ran. „Das tut echt verdammt weh, weißt du das."
Er kniff die Augen zusammen, was ich ihm gleich tat.
„Lass mich los, Idiot...", fauchte ich.
Ich stieß ihn von mir. Daraufhin schüttelte ich den Kopf.
„Audrey. Sie hieß Audrey!", korrigierte ich ihn.
Da fing er an sich gestresst durchs Haar zu fahren. Er atmete aus, während ich die Hand an die Hüfte stemmte und dabei beobachten konnte, wie ihm seine Dummheit gerade klar wurde. Die Falte zwischen seinen Augenbrauen zeigte mir, dass er sich überlegte, ob er sie wirklich treffen sollte. Nun... Meine Antwort hätte er sich denken können. Was seine war, wusste ich nicht. Zumindest noch nicht... Es war still gewesen, bevor er schließlich seufzte.
„Ich sollte nicht gehen, oder?"
„Bleib lieber zu Hause, ja...", stimmte ich ihm da nur zu.
Denn es war der sicherste Weg. Würde er gehen, würde er nur wieder bockig nach Hause kommen. Und der armen Audrey? Der würde Hyunjin die ganze Woche vermiesen. Er sollte es also lieber lassen. Die getroffene Entscheidung ließ ihn die Schultern sacken. Er warf sich daraufhin zurück auf die Couch. Schmollend.
„Was mache ich denn jetzt, Y/N..."
Das war eine gute Frage, die er mir stellte... Wie hätte ich, Y/N, Hwang Hyunjin, meinem besten Freund, am besten helfen können? Das war die Frage aller Fragen...
———
Na 🤭
Wie sind eure ersten Eindrücke? Was meint ihr? Wie entwickelt sich das wohl noch mit Hyunjin?
In love, N 🥰
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