SAM - Kapitel 14
Der Kaffee ist höllisch heiß und der Kuchen noch lauwarm. So muss es sein und nicht anders.
Mum sitzt mir gegenüber auf dem Gartenstuhl und mustert mich über den Rand ihrer Lesebrille.
„Ich kann dir das nicht so einfach zusagen, Sam. Das weißt du. Wir stehen mit unserem guten Namen für die Spendenaktionen und ich habe bisher nur für bereits etablierte Unternehmen gesammelt."
„Das weiß ich. Aber Niall ist wirklich ein Ausnahmetalent. Was ihm passiert ist, das ist eine Tragödie. Wir würden ihm und ganz vielen Kindern eine Perspektive bieten. Förderung und Spaß, sie könnten in der Gruppe musizieren, die Eltern Kontakte schließen. Vielleicht können so tragfähige Gemeinschaften entstehen."
Cats Leidenschaft für dieses Thema hat mich angesteckt, ich brenne für dieses Projekt genauso wie für sie. Und nur weil es privat zwischen uns grade nicht klappt, denke ich nicht im Traum daran, die Idee mit der Stiftung und der Spendengala fallen zu lassen.
Dass meine Mutter so skeptisch ist, das trifft mich hart. Ich nehme das wirklich persönlich.
„Bitte Mum, ich brauch dich dafür. Ich habe keine Ahnung, wie ich sowas organisiere."
Sie tippt mit ihrem Zeigefinger auf die Tischplatte und ihr manikürter Fingernagel klickt dabei entnervend laut. Der ist doch nicht echt, dieser Nagel?
„Lass mich das nicht bereuen", sagt sie dann. „Ich sage dir, wie wir es machen. Du bringst dein Ausnahmetalent und seine schießwütige Schwester nächstes Wochenende zum Kaffee her. Sagen wir mal Samstag gegen drei. Gefallen sie mir, machen sie den Eindruck, als hätte die Sache Potential, dann überlege ich mir, ob ich sie fördere."
Überlegen ist mehr als ein klares ‚nein'. Das ist besser als das, was sie mir im letzten Gespräch um die Ohren gehauen hat. Da war sie noch der Ansicht, dass sie „keinem meiner liederlichen Flittchen Geld in den Arsch schieben würde, damit sie zu Hause sitzen und sich in dem Licht der Wohltätigkeit sonnen kann."
Ich war so sauer, dass ich ohne ein weiteres Wort gegangen bin.
Sie ist nicht mein Flittchen! War sie nie, wird sie nie sein. Sie hat einen Teil meiner Seele geheilt. Gekittet, was ich für immer zerbrochen geglaubt habe.
Auch wenn mein Körper der Entwicklung nach wie vor hinterherhinkt und ich noch immer ein Problem mit vögeln in meinem Bett habe, auf der Couch klappt es seit letztem Samstag nachweislich.
Und weil es selbst nur leicht betrunken nicht in Frage kommt, wie Cat immer betont hat, habe ich es Sonntag am Morgen gleich nochmal nüchtern probiert. Und es ging tadellos.
Auch wenn ich ein schlechtes Gewissen habe, dass ich erst Cats Party gesprengt habe und dann betrunken irgendein Mädel mit heimgenommen habe.
Aber im Moment sind wir nicht zusammen, oder? Dann sollte es eigentlich kein Problem geben. Und sie muss das auch nie erfahren. Immerhin muss ich ja auch damit klarkommen, dass diese Nebelkrähe bei ihr übernachtet hat.
„Sam, es ist immer gut, wenn man bei geschäftlichen Besprechungen bei der Sache bleibt."
Ach genau, was hat sie gesagt?
Samstag, fünfzehn Uhr. Das muss ich jetzt nur noch Cat beibringen. Oder besser Niall, der soll dann Cat einfach hierherschleppen.
Kurz nach halb vier an einem Montag ist eine gute Zeit, um bei Niall zu klingeln, hoffe ich. Doch so kann man sich täuschen. Erst öffnet niemand und dann steht da wieder dieser ätzende Typ in der Tür.
„Suchst du wieder Streit?", fragt er mich.
„Nein, ich wollte Niall sprechen wegen der Spendengala Anfang Juni. Ist er da?"
„Ja. Aber er unterrichtet gerade mit Cat zusammen meine Schwester Lilly. Denk so in zwanzig Minuten sind die drei fertig. Willst du einen Kaffee? Cat hat vorher einen gemacht."
Der benimmt sich beinahe, als wäre er hier zu Hause.
„Danke, klingt gut", sage ich und nehme die Tasse entgegen, die er mir hinhält.
Ich setze mich auf die Couch. Aus dem Nebenzimmer dringt leises Gemurmel herüber, dann erklingt das Kinderlied Old Mac Donald und ein kleines Mädchen lacht.
Ein Lächeln huscht bei dem Geräusch über das Krähengesicht und verschwindet so rasch, wie es gekommen ist.
Er wirkt ein bisschen unentspannt.
Dann, etliche Minuten und einiges Geklimper später kommt Cat durch die Tür, ein kleines Mädchen an der Hand. Sie mustert uns, und ihr Blick wandert mahnend zwischen uns hin und her, als wollte sie sagen:
„Keinen Blödsinn vor der Kleinen. Dann ruft sie: „Niall, ich glaube der Besuch ist für dich!" Tja, Cat, da täuscht du dich. Eigentlich wollte ich dich sehen.
Niall kommt angehumpelt und Cat verschwindet mit Lilly in der Küche und ich bleibe mit den Brüdern der beiden Mädchen zurück.
Niall parkt sich umständlich in den Sessel. „Was gibt's?", fragt er.
„Ich war bei meinen Eltern und hab noch mal mit meiner Mutter gesprochen. Sie ist nicht mehr ganz so ablehnend. Sie möchte, dass ihr am Samstag um drei bei ihr zum Kaffee vorbeischaut. Sie will Euch beide kennenlernen, bevor sie sich festlegt und sie will Euch beide spielen hören. Wenn sie einen guten Eindruck hat, würde sie eine kleine Sommerveranstaltung planen."
Plötzlich erklingt ein Klirren, dann herzzerreißendes Weinen. Der Bruder der Kleinen springt auf, doch Niall schüttelt den Kopf.
„Setz dich einfach, Corey. Glaub mir, Cat weiß wie man Scherben aufkehrt. Ich lasse oft genug Sachen fallen."
Der Typ setzt sich wieder und wir lauschen angespannt.
„Lilly, es ist doch nur eine Tasse und ein bisschen Milch. Komm, wir wischen das auf und dann machen wir neuen Kakao. Hauptsache ist doch, dass dir nichts passiert ist, oder?"
Dann eine kurze Pause, in der das Schluchzen unvermindert anhält. Cat sagt zu ihr: „Hier hast du ein Tuch, du darfst wischen, ja? Aber lass mich vorher die Scherben aufsammeln. Sieh her. Hier ist der Mülleimer, da kommt das jetzt rein." Langsam ebbt das Schluchzen ab.
„So, erstmal deine Tränen abwischen und dann den Boden. Nicht so wild, sonst verteilst du die Milch über den ganzen Boden. Mach langsam, dann kann das Tuch die Flüssigkeit besser aufsaugen."
Mit voller Wucht spüre ich, was ich verloren habe. Diese wunderbare Frau, so sanft, lieb und einfühlsam sie ist, so stark ist sie für mich gewesen, als ich schwach war.
Ich vermisse sie mit einer Intensität, die weit über das Körperliche hinaus geht. Ich vermisse sie bis in den Kern meines Daseins. Bis in meine Seele.
„Ich rede mit Cat", reißt Niall mich aus meinen Betrachtungen. „Ich gebe dir Bescheid, ja?"
„Ist gut", sage ich und springe hastig auf, bevor Cat mit dem Mädchen zurückkommt und ich vielleicht bei ihrem Anblick in Tränen ausbreche.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top