COREY - Kapitel 67

Nach dem letzten Konzert bin ich völlig durch. Stimmlich und körperlich am Ende. Die Auftritte sind anstrengend und die Erholungsphasen einfach zu kurz. Dabei ist nicht der Abstand der Konzerte das Problem, sondern die Tatsache, dass wir zu fünft in dem Bus schlafen. Der Lärmpegel entspricht in etwa dem von Baumfällarbeiten an Mammutbäumen, denn sowohl Mike als auch C schnarchen abwechselnd oder, was das Schlimmste ist, gleichzeitig.

Sunny hat offenbar eine Kinderblase, denn pro Nacht höre ich ihn mindestens zwei Mal aufs Klo gehen, was dann Rufus weckt, der gegenüber der Badzelle sein Bett hat. Dann rennt er natürlich auch gleich los, wenn er ja sowieso schon wach ist.

Bis dann Ruhe ist, ist so viel Zeit vergangen, dass mein Körper der Ansicht ist, die Nacht sei zu Ende. Oder meine Gedanken fangen an, sich um die Aussprache mit Cat zu drehen, die mir bevorsteht. Von der ich nicht einmal genau weiß, wie ich sie beginnen soll, geschweige denn, wie ich es ihr sagen soll. Manchmal zweifle ich daran, dass ich ihr überhaupt etwas sagen muss. Aber spätestens seit dieser Scheiß-Piercing-Aktion habe ich meinen Kopf in der Schlinge. Selbst C glaubt mir nicht, dass es nichts damit zu tun hat, dass ich wollte, dass die beiden Mädchen sich noch ähnlicher sehen, sondern dass es für mich etwas Anderes symbolisiert.

Dann wieder zweifle ich an meinen eigenen Intentionen. Wer weiß, vielleicht bin ich selber schon so verkorkst, dass ich mir selber nur einrede, das hätte nichts miteinander zu tun?

Bis ich dann mal wieder in den Schlaf gleite, dauert es ewig und in der Regel weckt uns dann kurz darauf Kevin, weil er meint, wir müssten langsam mal in die Gänge kommen. Mann, bin ich froh, dass das vorbei ist!

Ich sehne mich einfach nur nach Schlaf. Drei Tage komplett durchschlafen.

Oder alternativ Sonne, Strand und Meer. Mit einem Liegestuhl für mich und Cat. Mit einem Liegestuhl. Nicht weil ich in diesem Liegestuhl versautes Zeug mit ihr anstellen will, sondern weil ich sie einfach in meiner Nähe haben will. Ich will sie im Arm halten, ihr Lächeln sehen, in ihre grünen Augen blicken und ihre Stimme hören. Wenn sie allerdings im Bikini vor mir steht, oder neben mir liegt, dann will ich vielleicht ab und zu doch ein bisschen versautes Zeug mit ihr machen. Okay, ziemlich oft.

Am liebsten würde ich jetzt sofort ein Auto mieten und zu Cat nach Hause fahren. Nach Hause.

Der Gedanke an zu Hause macht mich ganz kribbelig. Ich werde morgen von Mo, unserem Fahrer direkt bei Ritas Wohnung abgesetzt. Ohne Umweg über mein Zimmer bei Mum. Die erste Nacht werde ich auf Ritas Gästesofa bestreiten und dann am Dienstag mit Cat in ein Möbelhaus fahren und mit ihr ein Bett aussuchen. King-Size, so wie das in ihrer Wohnung. Nicht, dass wir so viel Platz brauchen würden, weil wir eigentlich immer aneinanderkleben wie eine Briefmarke auf dem Kuvert. Wahrscheinlich würde uns ein neunzig Zentimeter breites Kinderbett locker reichen, aber ich will mir einfach mal was gönnen.

Das hat gar nichts damit zu tun, dass ich mir oder ihr was beweisen will, oder Sam ausstechen will. Ich will einfach das Beste für sie und mich, dass ich mir irgendwie leisten kann. Wenn ich ihr schon keine ganze Wohnung zaubern kann, oder ein 300- PS - Auto, dann wenigstens gute vier Quadratmeter, die nur uns gehören.

Vier Quadratmeter die wir gemeinsam entjungfern, wenn wir das erste Mal zwischen die Laken kriechen.

„Kommst du dann eigentlich?", fragt C und schaut neugierig in den Bus. Shit. Vor lauter Träumerei habe ich noch immer dasselbe Shirt in der Hand wie zu dem Zeitpunkt, als C und Mike gegangen sind.

Vermutlich stehen alle schon fertig draußen und warten auf mich. Abschlussabend unserer Tour, die, zugegebenermaßen, ein ziemlich krasser Erfolg war. Die meisten Veranstaltungen waren ausverkauft, unsere CDs wurden uns nach den Konzerten aus der Hand gerissen wie warme Brötchen und unsere Singleauskopplung hat Känguru-Sprünge auf der Hit-Liste gemacht, aktuell stehen wir auf Platz 52 der Single-Charts.

Ich stopfe das Shirt mit einem „Komme gleich" in die Tasche und werfe die anderen Sachen aus dem Bad und dem Schrankfach  ohne Sinn und Verstand ebenfalls hinein. Dann folgt mein Körper C nach draußen in die sternenklare Nacht, in Gedanken bin ich meiner Zeit aber bereits voraus und nur bei Cat, meiner Mum, Lilly, der Uni, der neuen Wohnung.

Das bleibt auch den ganzen Vormittag über so, während ich warte, dass meine vier Freunde endlich aufwachen und wir die Heimfahrt antreten können. Vor Mittag tut sich aber natürlich gar nichts und als wir endlich fahren, schlafen C und Mike bereits nach ein paar Kilometern wieder, beide mit Stöpseln in den Ohren, die Musik voll aufgedreht. Bei den beiden scheint der Abend lang geworden zu sein.

Rufus und Sunny unterhalten sich leise, um die beiden Schlafenden nicht zu stören, was eigentlich gar nicht passieren kann, denn Sunny und Rufus könnten den Lärm, der aus den Kopfhörern noch zu mir schallt, nicht übertönen, selbst wenn sie sich aus voller Kehle anschreien würden.

Da ich zu Sunnys und Mikes physikalischem Diskurs absolut nichts beizutragen habe, beschäftige ich mich mit der Frage, ob Cat und ich uns heute sehen und schreibe ihr eine kurze Nachricht, wünsche ihr einen guten Morgen, informiere sie, dass ich in etwas mehr als zwei Stunden zu Hause sein werde und ende mit der alles entscheidenden Frage:

„Schon Pläne für heute?"

Kurz darauf vibriert mein Handy und im Pop-up Fenster meines Displays erscheint ihre Antwort.

„Habe mir den Tag für dich freigehalten. Du kannst also nach Belieben über mich verfügen!"

Nach Belieben verfügen klingt nach einer Menge Spaß.

„Kommst du zu mir? Bin gegen drei zu Hause", antworte ich ihr.

„Klingt gut, dann können wir deine Wohnung gleich einweihen", schreibt sie zurück.

Einweihen und nach Belieben verfügen löst bei mir eine Flut von unanständigen Ideen aus, die alle damit beginnen, dass ich in meinem kleinen Flur ihren süßen Mund ficke, während ich gegen die Wand gelehnt meine Hände in ihrem weizenblonden Haar vergrabe und dann an weiteren Orten in meiner neuen Wohnung, ihren wunderschönen Körper verwöhne, bis sie meinen Namen schreit.

Immerhin müssen wir nicht mehr darauf achten, dass Niall oder Lilly und Mum nichts mitkriegen. Die wenigen Male, wo wir alleine waren, war sie deutlich entspannter und lauter beim Sex. Und ich mag es, wenn ich ihre Lust nicht nur schmecken und fühlen, sondern auch hören kann.

Aber wahrscheinlich hatte sie bei einweihen eine völlig andere Vorstellung, dennoch rieselt Vorfreude durch meinen Körper wie Schneeflocken in einer dieser Schneekugeln und überdeckt jede Empfindung außer purer Lust.

Ich rücke den Kapuzenpulli, der über meiner Lehne hing in meinem Schoß zurecht, damit keiner die deutlich sichtbaren Anzeichen meiner Erregung sieht und frage sie, was sie sich unter einweihen vorgestellt hat. Doch sie antwortet mir nicht. Minuten reihen sich aneinander, werden zu einer viertel Stunde, in der ich zu viel Zeit habe, mir die Details unseres ersten Zusammentreffens in meiner Wohnung auszumalen. Details die mit dem Sofa, dem Schlafzimmer, der Dusche und meiner Küche zu tun haben.

Schließlich rufe ich sie an. Als sie rangeht klingt sie ein bisschen atemlos.

„Du kannst mir nicht anzügliches Zeug schreiben und mich dann in der Luft hängen lassen!", sage ich leise und hoffe, dass Sunny und Rufus vertieft genug in ihr Gespräch sind, damit sie nicht auf mich achten. Auch so eine Sache, die mich die letzten Wochen zermürbt hat: der Mangel an Privatsphäre!

Cat klingt belustigt und streitet alles ab: „Ich schreibe doch keine Anzüglichkeiten, Crow."

Ich blicke über meine Schultern. Sunny und Rufus sind noch immer in eine hitzige Debatte vertieft.

„Dann erklär mir doch mal was du mit einweihen meinst, Baby."

Bei dem Wort Baby ruckt Sunnys Kopf nach oben und er mustert mich neugierig.

Cat schweigt, Sunny starrt weiter in meine Richtung. Verfickter Scheiß, das ist ein privates Gespräch, könnte er sich mal um seinen eigenen Mist kümmern?

„Komm", sage ich sanft zu Cat. „Sag es mir einfach!" Ich gehe an Sunny vorbei und zeige ihm demonstrativ den Mittelfinger, während ich den einzigen Ort aufsuche, an dem man einigermaßen Ruhe hat: unser Minibad mit dem Chemieklo.

„Sei nicht so schüchtern!"

„Okay, es war anzüglich gemeint", gesteht sie seufzend ein und ich gehe jede Wette ein, dass sie gerade auf ihrer Lippe kaut.

„Ich kann den ganzen Tag schon an nichts anderes denken, als an Sex mit dir", fügt sie dann leise hinzu.

„Und da wolltest du sicher gehen, dass es mir genauso geht?", erkundige ich mich.

„Hm, ja, sowas in der Art, glaube ich."

„Ich mag es, wenn du mich auf schmutzige Gedanken bringst, Cat. Also, sagst du mir jetzt, was du im Hinterkopf hast?"

„Komm einfach nach Hause, Crow und lass dich überraschen, okay?", lautet ihre Antwort und ihre Stimme, schmeichelnd und verführerisch, verspricht mir Genuss pur und das versöhnt mich damit, dass ich so lange auf eine Antwort warten muss.

Ich beschließe, dass ich es vielleicht wirklich besser gut sein lasse, bevor ich mir in dem Miniklo noch einen runterholen muss.

Sunnys mörderischer Blick, als ich aus dem Klo zurückkomme, sagt mir, dass er mir unterstellt, genau das getan zu haben. Aus zusammengekniffenen Augen, die Lippen fest aufeinander gepresst verfolgt er mich auf dem Rückweg zu meinem Sitzplatz.

Ich weiß nicht, was ich so falsch mache, dass er mir ständig nachschaut, als würde er mich am liebsten teeren und federn. Wahrscheinlich liegt es daran, dass er sie für sich wollte und ich dazwischen gegrätscht habe. Vermutlich geht er davon aus, dass ich sie nicht um ihrer selbst willen mag. Das ist jetzt genau der Mist, den ich vermeiden wollte, indem ich mich von ihr fernhalte.

Doch dafür ist es zu spät....

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top