COREY - Kapitel 53
Dass Cat vor lauter Angst der Schweiß auf der Stirn steht, ist wirklich niedlich. Sie zerquetscht beinahe meine Hand, während Tom den genauen Punkt festlegt, wo er die Kanüle einstechen will. Dann geht alles ruckzuck. Für ihn ist das Routine und er kann nicht nur piercen, er ist wirklich gut in dem, was er macht.
„Das wars schon, Herzchen", sagt Tom, während er die Kugel auf den Stab dreht. „Die nächste Zeit nicht knutschen oder anderen Schweinkram machen. Kontrolltermine einhalten. Und schön pflegen. Keine Milchprodukte. Wenn es sehr anschwillt, komm jederzeit vorbei."
Cat nickt überfordert.
„Bleib noch ein bisschen sitzen, bis der Kreislauf stabil ist, während ich mich um den hässlichen Vogel kümmere."
„Willste wieder ohne Betäubung?", fragt Tom übergangslos und zieht die Handschuhe aus, desinfiziert seine Hände, zieht sich dann frische Handschuhe an. Ich schaue zu Cat, die mich schockiert ansieht und lächle beruhigend, dann nicke ich.
„Wenn du rumzappelst, bist du selber schuld, wenn es Scheiße aussieht."
Nachdem wir beide unser Piercing haben, mache ich mit Cat ein Selfie vor Toms Studio. Diesen Schnappschuss mache ich nach jedem Stechen, nach jedem Tattoo, schon seit dem ersten Mal und mein Album ist schon schön voll.
Doch dieses Foto ist was Besonderes. Es ist ein erstes Mal. Das erste Mal mit Cat und wenn es nach mir geht, dann mache ich mit ihr allein ein ganzes Album voll.
Ich wüsste viele Stelle, wo ich mich gerne piercen lassen würde, wo ich es mir auch bei ihr unglaublich geil vorstellen würde. Von der Brust über die Lippe, Augenbraue, ihren Bauchnabel oder ein KVV. Oder, wenn ihr das alles zu krass ist, dann vielleicht ein Helix oder so.
Sie streckt ihr Zunge für das Bild raus und ich ziehe mein Shirt aus, stopfe es hinten in den Hosenbund. Das Foto packe ich gleich auf den Sperrbildschirm meines neuen Handys. Und dann küsse ich sie ganz vorsichtig. Knabbere sanft an ihren Lippen. Und drehe beinahe durch, als ihre Zungenspitze über meine Lippe streicht. Ich will sie richtig küssen und dann will ich mit ihr schlafen.
Aber auf beides muss ich fünfeinhalb Wochen verzichten, denn ersteres hat Tom verboten. Und für letzteres haben wir keine Zeit mehr, bevor meine Maschine geht.
„Das machst du mit Absicht", murre ich und sie lacht leise. Dann fahren wir mit dem Taxi zum Flughafen. Diesmal ist der Abschied so, wie er sein soll: extrem emotional.
„Ich werde dich sehr vermissen, Cat", gestehe ich ihr.
„Ich dich auch", flüstert sie an meinen Lippen, küsst mich vorsichtig.
Mit klopfendem Herzen ziehe ich sie an mich. Muss schlucken, dann springe ich über meinen Schatten. Es von mir aus zu sagen ist um so viel schwerer, als ein „Ich dich auch!"
„Ich liebe dich, Baby."
Sie kuschelt sich so eng an mich, dass kein Papier mehr zwischen uns Platz hätte.
„Ich dich auch, Crow", lautet ihre Antwort.
Noch ein letzter Kuss, ein trauriger, zärtlicher Blick. Dann muss ich ihr den Rücken zudrehen, gehe. Bete dabei, dass ich für das hier wirklich bereit bin. Sie nicht enttäusche oder verletze und schwöre mir, mit ihr über Meg zu reden, sobald ich zurück bin. Sie hat Ehrlichkeit verdient und nachdem ich zwei Wochen getobt und gewütet habe, bin ich bereit, den Tatsachen ins Auge zu sehen. Aber auch sie muss wissen, worauf sie sich einlässt und ich kann nur hoffen. Hoffen und beten, dass sie mir glaubt und mich nicht vorverurteilt.
Vom Flughafen nur wenige Stunden später direkt auf die Bühne. Das ist wirklich knüppelhart. Ich bin todmüde, daran hat sich während meines Aufenthaltes bei Cat nichts geändert. Dafür bin ich aber gut drauf, nicht total betrunken und wir liefern das erste Mal seit Beginn der Tour ein wirklich geiles Konzert.
Die Jungs wollen hinterher feiern, aber ich nehme mich da raus. Ich habe Schiss, dass ich meine Grenzen grad nicht so im Griff habe und Scheiße baue.
Wenn ich Cat gleich mal am ersten Abend betrüge, dann kommt das sicher nicht gut an. Vermutlich kommt es so schlecht an, wie mein Bild auf dem Sperrbildschirm. C, der mir Gesellschaft leistet, ist nicht so begeistert von Cat und meinem Selfie, wie ich.
„Corey, das ist krank", knurrt er. „Und gerade dieses Foto kann dich echt in richtige Schwierigkeiten bringen!"
Er hat recht, man kann mir das wirklich krumm auslegen. Aber für mich ist es sowas wie ein Neuanfang. Wenn es blöd läuft, dann kann das ein echter Bumerang werden oder mir im dümmsten Falle mit hundertachzig Sachen im Gesicht explodieren.
Alex, die mich vom Flughafen abgeholt hat, stellt mir und C ein Bier hin, nimmt sich dann selber eines. Es ist Peters Schicht und er sitzt draußen vor dem Bus, arbeitet an dem dritten oder vierten Tierchen seit Beginn unserer Tour. Er hat mir erklärt, er würde jede Woche eines schnitzen und es seiner Tochter in einem wattierten Umschlag schicken. Das finde ich eine sehr hübsche Idee. Leider kann ich nicht schnitzen, aber was ich ziemlich gut kann, zumindest behaupten das alle, ist texten.
Vielleicht kann ich ja für Cat jede Woche ein kleines Gedicht schreiben. Ob sie das blöd findet?
Sie liebt mich, hat sie gesagt. Bei dem Gedanken daran gerät mein armes Herz völlig aus dem Takt. Und sofort packt mich auch die Panik, weil ich ihr was Wesentliches verschwiegen habe.
„Ich habe nachgedacht, C", sage ich.
„Hoffentlich hat das nicht zu sehr wehgetan!"
„Ja, spotte du nur. Ich habe aber über das nachgedacht, was du zu mir gesagt hast. Über meine Mum und das ich irgendwie mit meinem Zeug mal klarkommen muss."
„Hm, ja, ich erinnere mich, dir das geraten zu haben. Ich glaub du fandst meine Idee ziemlich Scheiße und hast fluchtartig die Kneipe verlassen."
Alex lacht. „Das sieht ihm ähnlich, könnte so sicher öfter mal vorgekommen sein, oder?"
Giftig schaue ich sie an, aber sie verbringt so viel Zeit mit uns, dass sie schon ziemlich viele Einblicke in unsere Privatleben hat und es ist ja auch nicht gerade so, dass wir unserer zwei Securities auf Distanz halten würden.
Unsere Techniker allerdings sehen wir kaum. Sie bauen auf, bevor wir kommen, bleiben in der Regel zum Abbau länger als wir und dann sind sie vor uns wieder an der nächsten Location.
„Okay, ich fand es an dem Tag nicht so toll." Das kann man ruhig zugeben. Aber jetzt muss ich noch was anderes zugeben: er hatte recht.
„Ich nehme mir, wenn wir zurück sind ein eigenes Appartement. Mum will ihre Arbeitszeit reduzieren und das scheint zum fünfzehnten August auch zu klappen. Und wenn ich ihr nicht mehr auf der Tasche liege, dann kommt sie mit Lilly und der Wohnung sicher über die Runden. Vielleicht kann sich ja Greg auch eher überwinden, die beiden zu unterstützen, wenn ich nicht mehr bei Mum wohne."
„Cool", sagt C. „Hast du schon was in Aussicht? Wohnungsmäßig, mein ich?"
Ich schüttele den Kopf. Die Idee habe ich erst auf dem Flug ausgebrütet.
„Rita und ich ziehen nach der Tour zusammen, sie will ihre Wohnung aber behalten, für den Fall, dass es mit uns nicht hinhaut. Vielleicht kannst du die ja derweil übernehmen? In Untermiete quasi."
Ritas Wohnung liegt ziemlich in der Mitte zwischen dem „Monkeys" und Mum, auch nicht weit von Cat entfernt. Eigentlich wäre die fast perfekt. Aber ich wollte mal was alleine auf die Beine stellen, dass das jetzt so einfach und unkompliziert sein soll, das ist beinahe frustrierend!
Andererseits muss ich ja nicht für immer dort wohnen. Die nächste Bleibe kann ich immer noch selbst suchen.
„Okay", sage ich, „ich überlege es mir."
„Ist gut. Aber nicht zu lange, nicht das Rita die Bude jemand anderem anbietet." Langsam zähle ich bis zehn, dann bis zwanzig, nochmal bis zehn. Soll ich? Soll ich nicht? Was wird Mum sagen? Und Cat? Cat und ich allein in einer Wohnung. Kein Niall, keine Lilly, keine Mum. Wir können tun und lassen was wir wollen, wann und wo, wie oft und so laut wie wir es wollen.
„Ich nehme die Wohnung."
„Willst du sie nicht erst anschauen?"
„Ich nehme sie. Ist sie für Rita gut, dann wird sie für mich auch passen."
Nach dem Bier verabschiede ich mich ins Bett. C und Alex schauen mir irritiert hinterher, aber viel geschlafen habe ich nicht. Und ich will unbedingt Cat schreiben, dass ich mir eine Wohnung nehme. Dass ich sie vermisse. Dass ich die Tage zähle, bis ich sie wiedersehe.
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