Dass Lilly nach drei Wochen Krankenstation endlich nach Hause kann, ist für mich eine ganz große Sache. Ein guter Anlass auch mal wieder eine richtig fette Party zu schmeißen.

Zuerst überlege ich, alle an den Anleger einzuladen, aber dort läuft inzwischen eine Menge Scheißmusik, immer mehr Hiphop. Meine Lieblings-Location, das „Monkey" scheidet auch aus, da die meisten aus meinem Freundeskreis nicht unbedingt auf abgewrackte Kneipen stehen. Also entscheide ich mich schlussendlich am Dienstagabend Will anzurufen und das „Latin Lover" für Freitag zu reservieren. Das lateinamerikanische Flair hat was von Urlaub und die meisten mögen den Laden.

Mum ist davon nicht begeistert, ich glaube sie hätte lieber einen netten Abend mit mir und Lilly verbracht. Doch ich kann ihr das, was ihr am meisten fehlt nicht ersetzen. Ich bin ihr Sohn. Ich versuche für Lilly da zu sein, wann immer ich es kann und so gut ich es kann. Nichtsdestotrotz bin ich kein Ersatz für einen Partner.

Dass ihre Beziehungen immer so scheiße enden, tut mir echt leid für sie und ich frage mich inwieweit ich diesmal meinen Anteil dazu beigetragen habe, Greg zu vergraulen.

Ich weiß, dass ich nicht der Bilderbuchsohn bin, mit dem Mum einen neuen Partner beeindrucken könnte. Am Anfang lief ja mit Greg noch alles ganz gut. Aber dann kam die Sache mit Meg, dann die Musik, ohne die ich dieses erste Jahr nach ihrem Tod nie gepackt hätte. Aber mit der Musik bin ich auch in diese ganze Szene, in der ich mich bewege reingerutscht. Das brachte andere Probleme mit sich.

Es ist nicht so, dass ich mich jeden Abend völlig abschieße, aber ich feiere gerne und vor allem lang und zu einer richtig guten Party gehört irgendwie eben auch guter Sex. Wo wäre da sonst der Spaß?

Ich freue mich, dass auf meine Einladung hin so viele meiner Bekannten sich Zeit nehmen. Lediglich von Cat bin ich enttäuscht. Sie schreibt, sie kann erst später kommen, weil sie bei Sams Eltern eingeladen ist. Dieser Opportunismus geht mir langsam auf die Nerven. Ich verstehe ja, dass die Geschwister Spendengelder brauchen. Ihre Arbeit ist toll und wichtig. Niemand weiß so gut wie ich, dass Kinder in besonderen Umständen viel Unterstützung brauchen. Trotzdem mache ich mir Sorgen um Cat.

Die Trennung von Sam war ziemlich hart für sie und bestimmt drei oder vier Wochen war Cat völlig neben der Spur. Dass sie sich jetzt mit ihm wegen dieser Gala ständig treffen muss, ist sicher ätzend für sie und am liebsten würde ich ihr hinterherlaufen und ihr Sam vom Hals halten. Da sie aber auch noch im selben Haus wohnen, wäre das ein sehr schwieriges Unterfangen, wenn auch ein in meinen Augen sinnvolles.

Sie hat zwar versucht sich nicht viel anmerken zu lassen, nachdem sie die Nase voll hatte. Trotzdem merkt man noch immer, wie sie unter der Situation leidet, und dass ihr die Vorwürfe, die er ihr gemacht hat, irgendwie an die Nieren gegangen sind.

Dass sie jetzt jedenfalls auf eine Dinnerparty geht oder wie auch immer man das nennt, um einige liebe und gute Freundinnen und Bekannte von Sams Mutter kennenzulernen, ist für sie Stress pur, darauf gehe ich jede Wette ein.

Ich hoffe nur, dass Sam nichts versucht bei ihr. So oft wie der Arsch neuerdings bei Cataufschlägt, könnte ich mir schon vorstellen, dass er die Beziehung gerne wieder aufwärmen will. Aber wer mag schon aufgewärmten Kaffee?

Andererseits: sie sieht echt super aus, küsst wie der Teufel und wenn ich sie mal im Bett gehabt hätte, würde ich sie vermutlich auch nicht einfach gehen lassen.

Selbst Sunny, der sonst eher auf einen devoteren Typ von Frauen steht, lässt nichts unversucht, um bei Cat zu punkten. Es ist schon beinahe lustig zuzusehen, wie mein Kumpel sich abmüht, immer wieder mit ihr ins Gespräch zu kommen und ihr Komplimente macht, die Cat einfach ganz charmant übergeht. Wie hart muss es dann für Sam sein, wenn sie plötzlich nichts mehr von ihm will?

Niall hat Cat mal vorgeworfen, dass sie sich kindisch verhält. Aber ich finde, sie hat alles Recht der Welt Sam links liegen zu lassen. Nur weil der Penner aussieht wie ein Supermodell, stinkereich ist und total krasse Autos fährt, heißt das nicht, dass er mit ihr machen kann was er will.

Mal abgesehen davon, dass ich mich frage, was ein Fünfundzwanzigjähriger von einer Achtzehnjährigen will. Das ist doch auch nicht normal. Irgendwie läuft bei dem was nicht ganz rund. Und seufzend muss ich mir eingestehen, dass bei Cat vermutlich auch was nicht stimmt. Zu einer Beziehung gehören ja immer zwei.

Wobei ich da auch nicht der Experte bin. Ich hatte nur Meghan und wie das endete, ist nicht gerade ein Vorbild für das Führen von Beziehungen. Da halte ich mich lieber an unverbindlichen Sex und passe immer schön auf, dass ich vernünftig verhüte.

Neben mir am Tisch rutscht Sunny hin und her, als säße er auf glühenden Kohlen und behält unentwegt den Eingang im Blick. Doch ich glaube, dass Cat nicht mehr kommen wird. Es ist schon fast halb elf! Andererseits weiß ich, dass Elena ihr extra Kleidung zum Wechseln mit hergenommen hat, Cat also zumindest den festen Plan hatte, zu kommen. Ob Sam sie abgeschleppt hat?

Schließlich appt sie mir, dass sie in zehn Minuten da ist und ich schicke Sunny zur Tür, damit er ihr aufsperrt.

Cat betritt die Bar und wie sie da steht mit ihrem schwarzen knapp knielangen Kleid den hochgesteckten Haaren und den teuren Schuhen, wird mir wieder einmal bewusst, dass wir, trotz unserer oberflächlichen Freundschaft, eigentlich aus verschiedenen Welten kommen.

Ohne sich anmerken zu lassen, dass sie total overdressed ist, gibt sie Sunny einen Kuss auf die Wange. Sunny sagt etwas zu ihr, dann verbeugt er sich galant und hält ihr die Hand hin. Sie lacht fröhlich, legt die ihre in seine und dann führt er sie auf die Tanzfläche.

Die beiden wären sicherlich ein gutes Paar. Sie bewegen sich absolut im Gleichklang und wirbeln mit so viel Spaß zu den Salsa-Klängen herum, dass ihnen einige der Anderen bereits mehr Platz machen und begeistert zuschauen. Bei den beiden würde es im Bett sicherlich richtig zur Sache gehen. Wobei: vielleicht auch nicht. Ich kann Cat in der Hinsicht nicht wirklich einschätzen. Wir hatten zwar so unsere Momente, aber sobald das Gesprächsthema irgendwie auf Sex kommt, wird sie extrem still. Eigentlich komisch, wenn ich mir anschaue, wie Niall gerade mit Elena rumknutscht. Man mag gar nicht glauben, dass er eine so prüde Schwester hat.

Als das Lied zu Ende ist, erwarte ich eigentlich, dass die beiden zu uns an den Tisch kommen. Aber weit gefehlt, Sunny zieht Cat für den nächsten Song noch ein bisschen näher zu sich. Sunny? Merengue? Da bin ich mal gespannt.

Cat sieht im ersten Moment nicht so begeistert aus, doch dann beugt er sich zu ihr hinunter, flüstert ihr etwas ins Ohr, sie lacht daraufhin und gibt ihren Widerstand auf.