CAT - Kapitel 30

„Cat?", Cs Stimme klingt etwas verwaschen. „Ich glaub, ich habe ziemlichen Scheiß gebaut."

Das glaube ich auch, nach dem ich gehört habe, was er Crow für einen Mist an den Kopf geworfen hat. Im Grunde hat er ja recht, ich denke auch, dass Crow sich ein bisschen freischwimmen müsste, damit er genug Energie und Zeit hat, sich mit seinen Problemen auseinanderzusetzen. Aber man öffnet ein Fenster ja auch nicht mit einem Vorschlaghammer, oder?

Mich wundert es nicht, dass Crow nicht mit ihm reden will, verspreche C aber, ihm Bescheid zu geben, sobald ich etwas von Crow höre.

„Kommst du klar oder machst du wieder krassen Blödsinn, Crow?", appe ich ihm. Doch er antwortet nicht.

Unschlüssig, was ich tun soll, sitze ich mit dem Handy in der Hand da, warte, verliere aber langsam wirklich meine Geduld. Dieses stille Leiden, dieses mitleiderregende sich Abschießen am Wochenende, das kenn ich alles schon von Sam und mich langweilt es einfach total. Dann vibriert zu meiner Überraschung mein Handy.

„Geht grad noch so", schreibt er.

„Komm einfach her, du kannst dich auch hier betrinken. Habe keine Lust dich wieder zu suchen!", antworte ich.

„Aber keine Fragen!"

Ich schicke ihm den Smiley mit dem Reißverschluss als Mund.

Als Crow klingelt, ist er überraschend nüchtern. Aber wie ich es versprochen habe, frage ich nichts und kommentiere seinen Zustand auch nicht weiter.

„Bier ist im Kühlschrank", informiere ich ihn lediglich. „Du weißt ja, wo die Küche ist."

„Und was machst du?", fragt er irritiert.

„Ich gehe schlafen. Ich weiß, dass du dich auch alleine super abschießen kannst."

„Okay, wie du meinst", sagt er missmutig und stapft in die Küche, dann steigt er über die Feuerleiter aufs Dach.

Ich lasse ihm zehn Minuten alleine und dann folge ich ihm und nehme zwei Bier mit rauf.

„Nachschub?", frage ich und lege ihm eine Hand auf die Schulter.

Der leidenschaftliche Crow von heute Nachmittag und Abend ist verschwunden, stattdessen sitzt ein unglücklicher Kerl auf meiner Dachterrasse, dessen Blick in die Ferne gerichtet ist.

„Crow, komm schon, rede mit mir", bitte ich ihn.

„Du hast es versprochen. Keine Fragen!", antwortet er müde.

„Und jetzt habe ich es mir anders überlegt."

„Fick dich, Cat!", murrt er. Wut und Trauer schwingen in seiner Stimme mit und ich weiß, dass er diese groben Worte nur wählt, weil sie mich ärgern und verletzten. Um mich auf Distanz zu halten. Vermutlich erwartet er, dass ich mich jetzt in mein Schneckenhaus zurückziehe und ihn in Ruhe lasse.

„Du benimmst dich gerade schon wieder wie ein Arsch." Meine Stimmer zittert leicht, so seht muss ich um Beherrschung ringen.

„Ich benehme mich nicht wie ein Arsch, ich bin ein Arsch."

„Glaub ich nicht. Ich habe gesehen, wie du dich um deine Schwester kümmerst. Du singst für einen guten Zweck, du bist für deine Freunde da. Du..."

„Ich habe am Freitagabend ein anderes Mädchen gevögelt. Zwei Mal."

Okay, das Schneckenhaus ist attraktiver denn je. Vielleicht sollte ich die weiße Fahne schwenken und mich wirklich zurückziehen. Aber seine Wut ist besser als stille Trauer und ich wusste, dass diese Bonus-Freunde-Sache Dreck ist. Geiler Dreck, heißer Dreck. Aber dennoch Dreck. Der mich irgendwann einholt, vielleicht sogar auffressen wird. Trotzdem reiße ich mich zusammen und versuche so neutral wie möglich zu klingen

„Ich sehe das Problem nicht, Crow. Wir sind nicht zusammen, oder so. Wir haben eine klare Vereinbarung und die geht ohne Verpflichtungen einher. Weder für dich noch für mich. Und wenn du mit anderen Mädchen Spaß willst, dann ist das okay."

Trotzdem fühle ich mich grad ein bisschen benutzt. Ich bin mir tatsächlich sicher, dass ich ihm vorhin keinen geblasen hätte, wenn ich gewusst hätte, was er in der Nacht vorher getrieben hat.

„Du bist nicht sauer?", fragt er erstaunt.

„Nein, ich find es eher eklig", sage ich ganz ehrlich, woraufhin er mich zerknirscht ansieht.

„So habe ich das noch nie gesehen", gibt er zu. „Aber ich habe geduscht, bevor ich zu dir gefahren bin. Ehrlich!"

„Lass gut sein, keine weiteren Details, ich will da jetzt lieber nicht drüber nachdenken."

Stattdessen öffne ich mir ein Bier, Alkohol desinfiziert ja schließlich, oder? Crow öffnet das andere für sich.

Dann greift er nach meiner Hand, verschränkt seine Finger mit meinen, wie er es so oft tut.

„Ich verliere sie täglich ein bisschen mehr", flüstert er leise, „Ich habe Angst, dass ich mich irgendwann gar nicht mehr erinnern kann, dass ich vergesse, wie sie aussah, wie sie gelacht hat, wie ihre Stimme klang, wie sie sich angefühlt hat, wie sie gerochen hat. Früher, wenn ich die Augen geschlossen habe, dann habe ich ihr Gesicht vor mir gesehen, fast so klar wie ein Foto. Aber alles verschwimmt immer mehr. Außer der letzten paar Minuten, das viele Blut, und wie sie dalag."

Sein Daumen streicht sanft über meinen Handrücken, bevor er fortfährt.

„Ich weiß, dass ich sie irgendwann loslassen muss. Aber es ist so verdammt schwer. Und so viele Dinge erinnern mich hier an sie."

„Dann sind die Konzerte auswärts doch perfekt. Du bist abgelenkt, bekommst Abstand, kommst an Orte, wo du nichts mit ihr verbindest", fasse ich meine Gedanken in Worte.

„Und Mum und Lilly...", setzt er an.

„...kommen super ohne dich klar! Weil sie es endlich mal müssen", falle ich ihm ins Wort. „Und wenn du zurückkommst, dann such dir eine Wohnung und setz dich mit deinen eigenen Problemen auseinander und nicht mit denen von deiner Mum oder Lilly."

Ruckartig zieht er seine Hand weg und funkelt mich zornig an.

„Das habt ihr zwei ja super abgesprochen, du und C. Aber weißt du was? Ihr habt beide keine Ahnung!", schreit er mich an. Wie bitte? Gar nichts ist da abgesprochen. Das ist doch einfach nur eine Frage der Logik.

„Dann rede mit uns, erkläre es uns!", schimpfe ich zurück.

„Ihr versteht es ja doch nicht! Für euch ist alles immer so einfach und so klar!", wütend springt er auf. „Aber ich liebe sie, Cat. Ich weiß genau, was ich alles müsste oder sollte, aber ich will es nicht. Ich kann nicht!"

Diese Antwort ist wie ein Schlag ins Gesicht und mein Herz schmerzt, obwohl ich weiß, dass ich mein Herz aus dieser Angelegenheit besser heraushalten sollte.

Crow holt aus und schleudert die halbvolle Bierflasche über den Rand des Daches hinaus, Bier verteilt sich in hohem Bogen über den Rasen. Der Aufprall und das Klirren des zerspringenden Glases hallen in der nächtlichen Stille wider.

Dann folgt die leere Flasche, die neben ihm steht, der ersten.

„Wenn du sie noch immer liebst, dann solltest du vielleicht mal als erstes mit der ständigen Rumvögelei aufhören und ihr Andenken nicht in den Dreck ziehen!", schlage ich ihm vor, ohne auf meine eigenen Gefühle zu hören.

Seine Augen funkeln im matten Schein der Außenbeleuchtung und als er mich am Arm packt, habe ich Angst, dass ich den Flaschen über den Rand des Daches folge.

„Ich ziehe ihr Andenken nicht in den Dreck, Cat. Im Gegenteil! Ich hole mir nur, was mein Körper braucht. Mein Herz, meine Seele gehören ihr ganz allein und daran wird sich nie etwas ändern. Hörst du? NIE." Seine Finger bohren sich in meinen Oberarm, und der Schmerz treibt mir die Tränen in meine Augen. Nicht der im Arm, sondern der Schmerz, als mein Herz in tausend Teile zerspringt. Ich schlucke. Kämpfe gegen die Tränen an. Lasse nun auch meinem Zorn und meiner Enttäuschung freien Lauf.

„Hörst du dir eigentlich selber zu? Du redest so einen Scheiß! Dein Körper hat es heute sicher nicht dreimal nötig gehabt. Du hast selbst gesagt, dass du manchmal mehr Nähe brauchst. Du hast nur Angst, nochmal eine Frau an dich ranzulassen. Deswegen steigst du ständig über andere drüber, damit dir nur bloß keine zu nahekommt."

„Ich halte es gerne unverbindlich, weil ich keine Lust habe, mir so einen Bullshit wie von dir anzuhören. Dass ich es mit dir öfter gemacht habe, liegt daran, dass du mir leidgetan hast, weil du dein erstes Mal so vergeudet hast. Und weil es irre geil ist, dich zu ficken, so eng wie du noch bist."

Seine Wut ist besser als die stille Resignation und die Lethargie die er oft an den Tag legt. Dennoch treffen mich seine Worte hart.

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