CAT - Kapitel 25

Der Duft von Crows Duschgel begleitet mich den ganzen Tag. Das lenkt mich auf eine sehr erregende Art und Weise von den Vorlesungen ab, denn es weckt immer wieder die Erinnerung an seine Küsse, seine Berührungen und die unglaublichen Gefühle, die er in meinem Körper auslöst.

Konzentration, ermahne ich mich immer wieder. Aber meine Aufmerksamkeit wandert sofort zurück zu meiner Körpermitte, wo ich mich seit letzter Nacht leicht wund fühle. Nicht so, dass es schmerzhaft ist, sondern so, dass ich Crow wieder spüren will.

Das kann doch nicht gesund sein? Wir haben letzte Nacht zweimal miteinander geschlafen und ich denke an nichts Anderes.

Mittags in der Mensa sorgt mein Shirt für Irritationen.

„Seit wann stehst du auf Green Day?", fragt Emmi stirnrunzelnd.

„Ich glaube, sie steht eher auf Corey, dem gehört das Shirt nämlich", klärt Elena sie sehr zu meinem Verdruss auf.

„Und das weißt du woher?" Emmi ist etwas pikiert, wegen Elenas Belehrung, glaube ich. Elena jedenfalls lässt sich nicht zwei Mal bitten, ihr zu erklären, wie sie zu ihrem Wissen kommt:

„Riech doch mal an ihr! Sein Duft klebt von oben bis unten an Cat."

Emmi beugt sich vor, schnuppert tatsächlich an mir. „Echt jetzt? Du und Corey?"

Was genau wäre daran so verwunderlich? Hält sie mich für so eine Vogelscheuche, dass kein Typ was von mir wollen würde?

„Vielleicht. Vielleich auch nicht", antworte ich vage, und überlasse die beiden ihren Spekulationen, während ich darüber grüble, wie es zwischen mir und Crow wohl heute laufen wird.

Die Antwort bekomme ich früher oder später in Form eines ziemlich heißen Kusses, nachdem ich zu ihm ins Auto gestiegen bin. Er lehnt sich über die Mittelkonsole zu mir, umfasst meinen Nacken und zieht mich zu sich, presst seine Lippen auf meine, seine gepiercte Zunge tanzt einen erotischen Tanz mit meiner. Lust schwappt durch meinen Körper, Feuchtigkeit sammelt sich zwischen meinen Beinen.

So überfallsartig, wie er mich küsst, so schnell zieht er sich zurück, grinst mich an als wüsste er genau, welche Verheerung er gerade bei mir ausgelöst hat. Dann lässt er den Motor an und wir fahren Lilly abholen.

Sie freut sich, als Crow und ich gemeinsam reinkommen, dann umarmt sie erst ihn, dann mich.

Eine streng dreiblickende Erzieherin kommt aus dem Gruppenzimmer

„Mr. Goodman, kann ich sie bitte kurz sprechen?"

Die Frage ist keine freundliche Bitte, sondern eine unmissverständliche Aufforderung. Bei ihrer Art sträubt sich mir sofort das Nackenfell und auch Crow sieht schwer unbegeistert aus. Trotzdem nickt er, folgt der Dame ins angrenzende Zimmer.

„Hast du was ausgefressen, kleine Lilly?", frage ich.

„Ich habe gesagt, ich lerne heute Klavier und dann ist Maria zu Mrs Willow gegangen und hat gesagt, ich lüge. Aber ich lüge nicht. Aber Mrs. Willow glaubt mir nicht."

Hinter der Tür werden die Stimmen lauter und Lilly sieht erschrocken zur Tür.

„Habe ich was falsch gemacht?" fragt sie schüchtern.

„Nein, bestimmt nicht", beruhige ich sie.

„Corey ist wütend", stellt sie fest.

„Ja. Ist nicht zu überhören. Sind das deine Schuhe?", lenke ich sie ab.

„Warum ist Corey wütend?"

Das mit der Ablenkung war wohl nichts. Also erkläre ich ihr, dass Mrs Willow der Ansicht ist, dass sie besser Schuhe binden lernen soll, als Klavierspielen und das Crow völlig anderer Meinung ist.

„Warum sagst du Crow zu ihm?"

„Ich sage zu dir doch auch Mäuschen."

„Aber Krähen sind nicht so süß wie Mäuse", erklärt sie mir.

„Aber Crow ist auch nicht süß. Deswegen passt Mäuschen eher zu kleinen und niedlichen Menschen, wie dir."

„Und warum passt Crow zu Corey besser?"

„Krähen sind laut, so wie seine Musik und das Geschrei klingt nicht für jeden gut. Außerdem haben sie ein bunt schillerndes Gefieder, wie Crows Tätowierungen. Sie sind auch sehr kluge Tiere, und dein Bruder ist auch sehr schlau. Außerdem sind sie ziemlich groß. Und sie können fliegen."

„Corey kann aber nicht fliegen."

„Nein, fliegen kann er nicht. Aber mit seiner Band kann er hochhinaus."

„Wenn er fliegen könnte, dann würde er zu Meghan in den Himmel fliegen. Dann wäre er glücklich."

Sie ist so ein süßer, so ein warmherziger Mensch. Wie kann es sein, dass sie noch nicht sechs Jahre alt ist und das Zwischenmenschliche so klar erkennt?

„Vielleicht. Aber er wäre dort nicht lange glücklich."

„Ja, weil du bist hier und nicht im Himmel", sagt sie und lächelt ein Lächeln, das so süß ist wie Zuckerguss.

„Viel wichtiger als das ich hier bin, ist aber, dass du hier bist Lilly. Und dass du gesund bist, das macht deinen Bruder sehr glücklich."

Crow räuspert sich hinter mir.

„Wir könnten dann fahren", sagt er.

Corey setzt mich bei Sams Auto ab und fährt mit Lilly voraus, während ich den beiden folge.

„Du warst ja zwischendurch mal ein bisschen krank. An was erinnerst du dich denn noch?", fragt Niall Lilly.

„Ich weiß wo alle Tasten mit einem C sind. Und", ihre kleinen Hände schweben wie Vögelchen über die Tastatur, „hier müssen die Daumen hin. Und dann hast du Old Mac Donald mit mir gespielt. Das war so ungefähr."

Staunend höre ich ihr zu.

„Da hast du aber fleißig geübt, hm?" Sie freut sich über mein Lob, schüttelt aber den Kopf und antwortet: „Nicht so viel."

Dann fällt mir ein, dass sie eigentlich nicht üben konnte, weil sie ja keine Noten lesen kann. Sie konnte, wenn überhaupt, nur aus der Erinnerung spielen.

„Also alles in allem klang das hervorragend. Nur zwei Töne waren falsch", sagt Niall.

„Aber Crow singt es immer so!" Tränen sammeln sich in ihren Augen. Niall runzelt konzentriert die Stirn und sieht Lilly fragend an.

„Sing mal bitte", sagt er an Crow gewandt. Erst verdreht dieser genervt die Augen. „Das ist ein Kinderlied! Das singt doch jeder etwas anders."

„Das ist nicht der Punkt, Corey. Sing einfach." Dann fügt er ein „Bitte!" hinzu.

Crow tut Niall den Gefallen und singt.

„Du hattest doch Gesangsstunden?" Er legt Crow ein Notenblatt hin, umringt zwei Töne mit Bleistift.

„So bitte nochmal"

Lilly hört ihm aufmerksam zu. „Ach so."

Konzentriert blickt sie auf die Tasten, drückt ein paar, bis sie zufrieden scheint. Dann spielt sie das Lied von vorne, schüttelt den Kopf und versucht es noch einmal.

„So?", fragt sie dann.

Okay, das muss sich erstmal setzen. Ich bin total platt, Crow irritiert, während Niall völlig begeistert aussieht. Er wirft mir einen scharfen Blick zu und ich zucke mit den Achseln. Wie immer verstehen wir uns ohne Worte.

„Lilly, darf ich eine Sache mit dir ausprobieren", frage ich sie. Und sie nickt. „Ich möchte ein Ratespiel mit dir machen ja? Ich spiele einen Ton und du suchst den dann hinterher auf der Tastatur."

Ich schlage eine Taste an, während Lilly sich mit beiden Händen die Augen zuhält.

Sie probiert ein bisschen, dann sagt sie: „Der hier?"

Das machen wir zehn Mal und jedes Mal findet sie den richtigen Ton. Das ist absolut beeindruckend.

Dann spielt sie noch ein paar Mal Old MacDonald und weil sie es sich wünscht, singen wir alle dazu.

Nach der Stunde nehme ich Lilly mit in die Küche und ich mache mit ihr gemeinsam den obligatorischen Kakao, Niall und Crow unterhalten sich derweil leise im Wohnzimmer.

Crow und Lilly verabschieden sich recht bald und ich bleibe mit meinem Bruder zurück.

„Ich habe Corey gefragt, ob Lilly bei der Gala spielen darf. Er wäre einverstanden, aber das letzte Wort hat Lillys Mutter. Er geht aber davon aus, dass sie es okay findet. Er durfte ja auch schon früh auftreten."

„Und er ist auch einverstanden, dass wir seinen Song spielen. Er fand die Idee sogar gut."

Der Abend endet für mich ziemlich früh, weil die Nacht so kurz war und ich viel zu wenig Schlaf bekommen habe.

Der Dienstag und auch der Mittwoch ziehen ereignislos an mir vorbei. Der Donnerstag bringt jedoch ein winziges Highlight: James, Max, Niall und ich gehen ins Kino. Der Film ist kein totaler Knaller, eher seichte Unterhaltung mit sehr überschaubarer Handlung, dafür aber auch ohne große Überraschungen.

Umso überraschender ist es, was Max uns anschließend im Diner erzählt. Er hat endlich den Mut gefunden, seinen Eltern zu sagen, dass er mit James zusammen ist. Das lief allerdings nicht gut, sein Vater hat ihm kurz und knapp mitgeteilt, dass er ausziehen soll. Mit einem so widernatürlichen Menschen wolle er nicht unter einem Dach wohnen.

„Und deine Mum?", frage ich mitfühlend.

„Die war nicht viel besser. Sie meinte zu meinem Vater, das sei doch nur eine Phase und er solle nicht überreagieren, viele junge Menschen würden die durchmachen."

Er nippt an seiner Cola. „Aber James ist keine Phase", sagt er dann und James und er wechseln einen zärtlichen Blick.

„Wie läuft es mit eurer Spendengala?", erkundigt James sich.

„Es nimmt langsam Gestalt an, zum Glück. Corey hat gestern angerufen und gesagt, dass seine Mum einverstanden ist. Wir haben also noch fünf Wochen, um mit Lilly für den Auftritt zu üben."

„Corey und ich treffen uns in Zukunft jeden Mittwoch zur Probe. Niall und ich proben ja seit ich drei Jahre alt bin, wir kriegen es schon irgendwie geregelt", ergänze ich.

„Corey und ich kaufen uns am Samstag einen Anzug und Sam hilft uns beim Aussuchen. Lilly und Cat sind nächsten Dienstag bei der Änderungsschneiderin. Sams Mum hat die Idee gehabt, einfach ein Brautjungfernkleid und ein Kleid für Blumenstreumädchen zu kaufen."

„Ich glaub, das wird ziemlich cool", sagt James. „Meine Eltern kommen auf jeden Fall auch und ich habe sie schon gebrieft, dass sie ein paar Scheine ablegen müssen."

„Meine Eltern kommen auch", sagt Max mit Grabesstimme und verdreht die Augen.

„Unsere kommen auch", sage ich ebenso begeistert.

„Ich könnte mal Hilfe mit der Treppe gebrauchen", unterbricht Niall und steht auf. Das Thema mit unseren Eltern, das will er eher nicht ausbreiten. Verständlich. Immerhin melden sie sich, seit Niall ausgezogen ist, um ein eigenes Leben zu haben, fast gar nicht mehr bei ihm. Bei mir nicht viel öfter.

Max steht auf und verschwindet mit Niall.

„Der Sex tut dir gut."

James zwinkert mir zu und ich frage mich ernstlich, woher er es weiß.

„Wie kommst du denn auf den Blödsinn?", frage ich skeptisch.

Er lacht. „Bauchgefühl? Oder lieg ich völlig falsch?"

Ich schüttle verlegen den Kopf. „Stimmt schon irgendwie."

„Was Ernstes?", erkundigt James sich interessiert.

„Eher was Experimentelles", weiche ich aus.

Er grinst. „Du überraschst mich immer wieder, Cat."

„Naja, was Ernstes hab ich mit Sam versucht, das lief nicht gut."

„Das lag aber an Sam und nicht daran, dass du was Ernsthaftes wolltest. Er hat seine Jugend vergeigt und die mit dir nachholen zu wollen. Das war vielleicht keine gute Idee. Er sollte eigentlich langsam an Familiengründung denken und nicht Party machen, saufen und Teenager abschleppen."

So wie er es sagt, klingt das alles ganz richtig und logisch. Trotzdem kocht bei dem Gedanken an Sam die Wut wieder hoch.

„Wer ist denn der Glückliche?", fragt James neugierig.

„Egal, James", weiche ich aus. Aber er wäre nicht James, wenn er jetzt lockerlassen würde. Und wie damals bei Sam wäre ich froh, wenn ich jemanden hätte, mit dem ich mich einfach mal austauschen könnte. Wem sollte er es auch groß erzählen? Er und Crow kennen sich kaum.

Trotzdem: je mehr Leute davon wissen, desto mehr kann spekuliert und geredet werden und genau das ist es, was ich nicht will. Und Crow auch nicht. Also schüttele ich den Kopf. „Ich sag nichts dazu."

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