Das Puppenhaus
Phoebe Pritchett hatte sich zu ihrem siebzehnten Geburtstag eigentlich nur eine ganz gewöhnliche Geburtstagsparty gewünscht - mit ihren Freundinnen, mit Jungs aus ihrem Jahrgang, Partyspielen, Kuchen, Chips, ihren Lieblingssongs zum Karaoke-Singen und vielleicht dem ein oder anderen Bier, schließlich war sie ja keine sieben mehr. Ihre Eltern hatten ihr sogar ein paar Kisten gekauft, weil sie der Meinung waren, dass ihre Tochter sowieso zu wenig mit ihren Freunden machte und schließlich hatte sie ja Geburtstag.
Doch dann hatte ihre beste Freundin Donna McVoy auch ihren Bruder Marty und seine Freunde vom College eingeladen und Phoebes Vorstellung von einer perfekten, gewöhnlichen Party zerbrach in tausend Scherben, genauso wie die teure Vase ihrer Mutter, weil die Jungs die unfassbar dämliche Idee hatten, im Haus Football zu spielen. Während Phoebe den Tränen nahe die Scherben auffegte, überlegte sie fieberhaft, woher sie die selbe Vase bekommen würde. Die Vase war ein Geschenk von Phoebes Großeltern. Sie hatten sie aus China mitgebracht und Phoebes Mutter liebte dieses Ding, obwohl Phoebe und ihr Vater die Vase ziemlich hässlich fanden.
,,Hey Patty", lallte plötzlich ein Junge über ihr. Phoebe stöhnte genervt auf und blickte dem Jungen ins Gesicht. Sie kannte ihn. Sein Name war Toby Humpfrey und er war der ältere Bruder einer ihrer Freundinnen von der Junior Highschool. ,,Ernsthaft?", fragte sie ihn. ,,Patty? Was machst du auf meiner Geburtstagsfeier, wenn du noch nicht mal meinen Namen kennst?"
Toby fing an zu lachen. Er stank nach Bier. Phoebe stand auf. Sie würde nicht länger vor einem angetrunkenen Collegestudenten knien und putzen. Wie hatte Toby Humpfrey es eigentlich auf das College geschafft?
,,Ach, das ist deine Party?", fragte Toby noch immer lachend. Phoebe verdrehte die Augen. ,,Sorry, Kleine ... ich kann mir echt schlecht Namen merken ... und Gesichter. Aber du siehst echt heiß aus."
Mit diesen Worten legte er seinen Arm um Phoebes Hüfte. Sie sah ihn wütend an und befreite sich aus seinem Griff. ,,Geht's noch!?", fauchte sie und lief dann zielstrebig zur Küche, um die Scherben der Vase zu entsorgen.
Gestresst fuhr Phoebe sich durch ihr dunkles Haar. Sie rückte das Kleid zurecht, welches sie extra mit Donna in der Mall gekauft hatte. Es war himmelblau und passte so gut zu ihren Augen. Das Kleid war recht kurz und hatte einen gewagten Ausschnitt. Obwohl sie so etwas eigentlich nicht trug, mochte Phoebe sich in diesem Kleid. Sie fühlte sich so erwachsen darin. Phoebe sah sich im Wohnzimmer ihrer Eltern um. Das sonst so aufgeräumte und hübsche Zimmer glich nun einem Saustall. Was sollte sie nur ihren Eltern erzählen? Sie verbrachten den heutigen Abend im Kino, damit Phoebe ihre Ruhe hatte, und würden in dem kleinen Hotel von Clearwater Springs schlafen. Aber sie würden morgen früh wieder kommen und Phoebe wusste nicht, wie sie das Haus so schnell wieder auf Vordermann bringen sollte.
Nichts im Haus war so, wie es vorher war. Marty McVoys Collegefreunde hatten noch ihre Freundinnen, Freunde und Bekannte eingeladen. Die meisten von ihnen waren schon volljährig und so hatten sie viel mehr Alkohol besorgt und auch stärkere Sachen als das Bier von Phoebes Eltern.
Phoebe war schon klar gewesen, dass sie die Kontrolle über ihre Party verloren hatte, als die Collegestudenten aufgetaucht waren, aber als sie auch noch Toby Humpfrey und Donna im Bett ihrer Eltern erwischte, platzte ihr endgültig der Kragen. Phoebe Pritchett lief wieder nach unten und verkrümmelte sich auf die Veranda vor ihrem kleinen Haus.
Sollten Toby und Donna doch miteinander ficken und Martys dämliche Freunde ihr halbes Haus auseinander nehmen, ihr war es egal. Phoebe würde sich morgen einfach an die Arbeit machen, wie immer. Sie war schließlich ein fleißiges Mädchen, das sagte jeder. Ihre Lehrer, ihre Eltern, ihre Großeltern. Die Meinung ihrer Mitschüler interessierte sie nicht. Die hielten sie alle für eine langweilige Streberin.
Phoebe holte ihr Handy hervor. Auf dem Display, dass ein Bild von ihr und Donna als Hintergrund war, stand in großen, weißen Ziffern die Uhrzeit. Null Uhr.
Es war Mitternacht und damit der fünfzehnte September. Heute vor siebzehn Jahren war sie geboren worden.
,,Es ist kalt", sagte da plötzlich eine Stimme. Phoebe drehte sich überrascht um und entdeckte Marty, der gerade die Tür hinter sich schloss und langsam zu ihr kam. Lässig setzte er sich neben sie auf das Geländer der Veranda und fummelte eine Packung Zigaretten aus der Hosentasche seiner verwaschenen Jeans. Phoebe betrachtete ihn näher. Marty McVoy war einundzwanzig und damit vier Jahre älter als sie. Er war groß und schlank. Seine Haut war gebräunt und sein Haar war lockig und blond, während seine Augen blaugrün waren. Marty hatte seine Haare etwas wachsen lassen. Mittlerweile gingen sie ihm bis zum Kinn.
,,Ach", erwiderte Phoebe nur, wie sie Marty dabei zusah, wie er eine Zigarette aus der Schachtel nahm und diese wieder sorgfältig in seiner Jeans verschwinden ließ. Dann steckte er sich die Zigarette zwischen die weichen Lippen und zündete sie an. Marty inhalierte den Rauch tief und blies ihn durch die Nasenlöcher wieder aus. ,,Willst du auch?", fragte er sie, nachdem sie sich eine Weile lang angeschwiegen hatten.
Sie sah ihn aus großen Augen an, schob ihre Brille, die öfter verrutschte, wieder nach oben und überlegte kurz. Marty lächelte und dabei entstanden Grübchen auf seinen Wangen. Phoebe liebte dieses Lächeln und diese Grübchen. Gespielt lässig zuckte sie mit den Schultern und nahm ihm die qualmende Zigarette aus der Hand und nahm einen Zug. Der Rauch ließ ihre Augen tränen und ihre Kehle brannte. Schnell gab sie Marty die Zigarette zurück, der nachdenklich in die Ferne blickte.
,,Bitte erzähle Donna nichts davon, ja?", meinte er plötzlich und klang ganz anders, als sonst. Irgendwie verletzlich. ,,Dann wird sie nämlich zu unserer Mum rennen und petzen. Ich habe ihr versprochen, dass ich nicht mehr rauche. Sie macht sich sowieso genug Sorgen. Mein dämlicher Vater will keinen Unterhalt mehr zahlen und Donnas' ist ja schon vor Jahren mit dieser jungen Frau abgehauen. Sie sind in Europa, glaube ich. Einmal hat Donni eine Postkarte aus Paris von ihm bekommen, aber das ist jetzt auch schon fast vier Jahre her. Was für ein Wichser. Die Miete wird wahrscheinlich erhöht, ich habe meinen Aushilfsjob verloren und Donna gerät im Moment auf die schiefe Bahn. Sie schreibt nur noch schlechte Noten und trifft sich mit den falschen Jungs."
Ohne zu überlegen legte Phoebe ihm die Hand auf die Schulter. ,,Tut mir leid", sagte sie leise. ,,Ich werde mal mit Donna reden und vielleicht kann ich ja meinen Großvater fragen, ob du in seinem Laden aushelfen könntest."
,,Wirklich?", fragte Marty erstaunt. ,,Das würdest du wirklich machen? Phoebe, dein Großvater ist der coolste Typ in dieser langweiligen Stadt. Ich liebe seinen Laden. Vielen Dank, dass du das machen möchtest. Du bist wirklich die Beste!"
,,Das ist doch keine Ursache", erwiderte Phoebe mit geröteten Wangen.
,,Doch!", widersprach Marty energisch. ,,Schließlich hast du heute Geburtstag!"
Mit diesen Worten sprang er von dem Verandageländer herunter und war wieder ins Haus gelaufen. Phoebe sah ihm hinterher und schüttelte grinsend den Kopf. Marty war wirklich jederzeit für eine Überraschung gut. Kurze Zeit später kam er wieder und balancierte nun vorsichtig zwei rote Plastikbecher, die gefüllt waren mit etwas, das wie Orangensaft aussah.
,,Was ist das?", fragte Phoebe skeptisch, als er ihr den Plastikbecher in die Hand drückte.
,,Orangensaft mit Vodka", erwiderte Marty und setzte sich wieder neben sie, dabei passte er auf, damit er nichts von seinem Getränk verschüttete. ,,Es ist lecker", fügte er hinzu und lächelte sie an. Verlegen erwiderte Phoebe das Lächeln, als Marty seinen Becher hob. ,,Auf dich, Phoebe! Alles Gute zu deinem Siebzehnten!"
,,Danke", sagte sie strahlend und setzte den roten Becher dann an ihre Lippen. Sie war überrascht, denn das Getränk schmeckte beinahe nicht nach Alkohol, aber Phoebe dachte insgeheim an eine Warnung ihrer Mutter, dass man mit Vodka vorsichtig sein sollte. Sie würde sich ja auch nicht übernehmen. Außerdem fühlte sie sich an Martys Seite sicher. Marty trank ebenfalls einige Schlücke und küsste Phoebe dann auf die Wange. Sie sah ihn überrascht an, aber er lächelte nur. Ungläubig berührte Phoebe die Stelle mit ihren Fingern. Sie konnte nicht glauben, was gerade geschehen war.
,,Ich kann nicht fassen, dass du schon siebzehn bist. Mir kommt es so vor wie gestern, als wärst du immer noch das dreizehnjährige Mädchen, das mich im Sommer beim Rasenmähen beobachtet", meinte Marty grinsend. Phoebe verschluckte sich an ihrem Vodka-Orangensaft. Er hatte sie damals bemerkt?
Marty hatte früher oft bei ihnen den Rasen gemäht, um sich etwas Geld dazu zu verdienen. Im Sommer hatte er dies mit nacktem Oberkörper getan und die dreizehnjährige Phoebe hatte sich an diesem Ausblick satt gesehen.
Das Blut schoss ihr in den Kopf. ,,Vielleicht willst du ja mal wieder bei uns Rasen mähen?", witzelte sie und versuchte so ihre Verlegenheit zu überspielen. Marty fing an zu lachen und Phoebe musste ebenfalls lachen.
,,Mache ich", sagte Marty leise und legte Phoebe, die ihn aus großen Augen gespannt ansah, eine Hand an die Wange. ,,Aber nur, wenn du mir hilfst."
,,Gerne", flüsterte Phoebe und schloss ihre Augen. Sanft legten sich Martys Lippen auf ihre. Phoebe erwiderte den Kuss zärtlich und schüchtern. Wie oft hatte sie vor vier Jahren von diesem Augenblick geträumt? Marty hatte nun ihr Gesicht in beiden Händen und küsste sie verlangender und leidenschaftlicher.
Plötzlich räusperte sich jemand hinter ihnen. Phoebe riss die Augen auf und sofort löste sie sich von Marty. Dort stand Donna, die ihrem Bruder verdammt ähnlich sah, obwohl sie verschiedene Väter hatten. Sie trug ihre blonden Locken hochgesteckt, ein pinkes Croptop und weiße Shorts. ,,Ich will euch ja nicht unterbrechen, aber der Alk ist leer und jetzt sind alle zu anderen Partys weitergezogen", meinte sie.
Phoebe zuckte mit den Schultern. Wahrscheinlich war es besser so, wenn sie alle gegangen waren. Dann hatte sie wenigstens Zeit, um das Haus wieder auf Vordermann zu bringen.
Marty und Donna halfen ihr dabei. Sie war den Geschwistern sehr dankbar. Um zwei Uhr morgens waren sie fertig und saßen wieder auf der Veranda. Phoebe hatte Tee gekocht und Marty zündete sich gerade eine Zigarette an, als sie herauskam. Sie setzte sich zwischen Marty und Donna und goss jedem von ihnen etwas des schwarzen Tees ein.
,,Und jetzt?", fragte Donna nach einer Weile.
,,Wir könnten zum Puppenhaus gehen", schlug Marty vor. Phoebe sah ihn überrascht an und verschluckte sich beinahe an ihrem heißen Tee. Das Puppenhaus, wie es alle nannten, war das wohl berüchtigste Haus in Clearwater Springs und in der Umgebung der Kleinstadt. Die viktorianische Villa stand in der Church Avenue und war seit Ewigkeiten unbewohnt.
Phoebe hatte einmal ihre Eltern gefragt. Sie hatten ihr gesagt, dass das Puppenhaus schon leer stand, als sie noch Kinder waren. Niemand wusste, wer früher in dem Haus gewohnt hatte, oder was passiert war. Jedenfalls sprach nie jemand darüber. Phoebes Großeltern wohnten direkt neben dem Puppenhaus und Phoebe hatte schon immer Angst vor dem Haus gehabt.
Sie wusste, dass das keinen Sinn machte. Schließlich war ein Haus nur ein Haus. Dass ein Haus gruselig wirkte, dafür waren die Menschen verantwortlich. Sie dekorierten ihr Haus mit seltsamen, gruseligen Gegenständen, ließen es verfallen, oder erzählten sich Geschichten über das Haus. Es gab unzählige Gerüchte über das Puppenhaus. Nicht einmal die ältesten Einheimischen kannten alle.
,,Warum willst du da hingehen?", fragte Donna ihren Bruder und betrachtete ihn wie eine bedrohte Tierart, die im Zoo lebte. ,,Das Haus ist doch total langweilig."
,,Langweilig?", fragte Marty entgeistert. ,,Du hast auch von nichts Ahnung, oder? Manche Leute kommen extra hierher, um sich das Puppenhaus anzugucken. Irgendetwas muss an diesem Haus sein, Donna, und ich will wissen, was es ist. Du kommst doch mit, Phoebe?"
Phoebe nickte, ohne richtig zu wissen, was sie tat. Denn insgeheim hatte das Puppenhaus sie schon immer fasziniert.
Die Übelkeit überkam sie erst, als sie an dem Haus ankamen. Still und dunkel ragte es hoch hinauf in den Nachthimmel. Phoebe hatte immer verstanden, warum die Bewohner von Clearwater Springs das Haus in der Church Avenue ,,Puppenhaus" nannten.
Es ähnelte dem Haus, in dem früher ihre unzähligen Barbies gewohnt hatten, die nun zusammen mit dem Traumhaus auf dem Dachboden vor sich hin vegetierten. Es war ein großes, viktorianisches Haus. Es bestand aus weißem Holz, welches langsam faulte. Das Puppenhaus hatte eine einladende Veranda und viele Fenster. Überall am Haus befanden sich Verzierungen. Man sah dem Puppenhaus an, dass es einst sehr schön gewesen war. Mittlerweile kletterte wilder Efeu an der Fassade hoch, das Holz gammelte und dem Dach fehlten Ziegel. Die Fenster waren teilweise mit Holzplatten versperrt. Der Garten glich einem Urwald, so zugewuchert war er.
Phoebe übergab sich auf dem Asphalt, im Schein einer orangefarbenen Straßenlaterne, die flackerte. Ihr war es, als würde sie ihre Innereien herauswürgen und sie wusste nicht einmal, ob es am Alkohol oder am Haus lag. Donna hielt ihr die Haare nach hinten und Marty stand schuldbewusst daneben. Dabei war es nicht einmal seine Schuld.
Plötzlich ging das Licht des Nachbarhauses an. Phoebe fluchte, rappelte sich wieder auf und wischte sich das Erbrochene von den Lippen. Das war das Haus ihrer Großeltern. Die Tür öffnete sich und ihr Großvater trat heraus.
Theodore Pritchett, von allen nur Teddy genannt, war fünfundsechzig Jahre alt. Er war ein kleiner, etwas beleibter Mann, der immer eine abgewetzte, braune Lederjacke und eine verblasste Baseball Cap trug. Seine Haut war nur so faltig, weil er so viel lachte, jedenfalls sagte er das immer. Seine Augen waren strahlend blau und sein Haar noch immer nur von wenigen grauen Haaren durchzogen. Er hatte einen Oberlippenbart, den er seit fünfzig Jahren liebevoll pflegte. Grandpa Teddy war der lustigste und freundlichste Mensch, den Phoebe kannte, und alle in Clearwater Springs stimmten ihr zu.
Er besaß einen kleinen Drugstore im Stadtzentrum und war immer für einen Plausch zu haben. Phoebe konnte mit ihm über alles reden, egal, was es war und so überraschte sie es auch nicht, als ihr Großvater sie einfach fragte, ob sie reinkommen wollten und keine anderen, unangenehmen Fragen stellte.
Das Haus ihrer Großeltern war viel kleiner, als das Nachbarshaus. Das Puppenhaus war noch im 19. Jahrhundert gebaut worden, während das Haus von Teddy und Elouise Pritchett während des Zweiten Weltkriegs gebaut worden war. Es war trotz der Größe ein sehr hübsches Haus und Phoebe liebte es, wenn ihr Vater davon erzählte, wie er seine Kindheit in dem Haus verbracht hatte. Es war zugestellt mit allen möglichen Dingen, die ihre Großeltern bei ihren vielen Reisen gesammelt hatten. An der Garderobe hingen neben russischen Pelzmänteln Ponchos aus Peru. Neben orientalischen Wandteppichen standen chinesische Vasen, wie die, die bis vor kurzem im Haus von Phoebes Eltern gestanden hatten. Im Badezimmer stand eine kleine Sanduhr, die mit Wüstensand aus der Sahara gefüllt war. Phoebe hatte sie früher immer zum Zähneputzen genutzt.
Überall hingen Familienportraits, auf denen teils Menschen abgebildet waren, die schon lange vor Phoebes Geburt gestorben waren. Außerdem waren überall Postkarten zu sehen, die Orte aus der ganzen Welt zeigten. Als Phoebe das Haus mit Donna, Marty und ihrem Großvater betrat, schlug ihr der wohlbekannte Geruch von Staub, Duftkerzen, dem Parfüm ihrer Großmutter und frischgebackenen Keksen, entgegen. Sie wusste nicht, woran es lag, aber immer wenn sie kam, hatte ihre Großmutter gerade Kekse gebacken.
Phoebe wunderte sich nicht, warum ihre Großeltern jetzt noch wach waren. Ihre Großmutter war schon immer ein nachtaktiver Mensch gewesen, der so gut wie keinen Schlaf brauchte. Ihren Großvater quälten Albträume aus dem Krieg, obwohl er das nicht gerne zugab.
,,Wo bleibst du denn so lange, Teddy?", rief Phoebes Großmutter aus der Küche. ,,Der Film fängt doch gleich an." ,,Ich fürchte, du musst noch etwas warten, mein Schatz", erwiderte Teddy und führte Phoebe, Donna und Marty in die Küche des Hauses. ,,Sieh mal, wen ich aufgegabelt habe."
,,Was macht ihr denn hier?", fragte Phoebes Großmutter überrascht. Sie stand am Backofen und schob gerade ein weiteres Backblech, auf dem Kekse lagen, hinein.
,,Hallo Mrs Pritchett", erwiderte Donna lächelnd. Auf Elouise Pritchetts Lippen erschien ebenfalls ein strahlendes Lächeln.
,,Oh, Donna. Aber nicht doch! Ich kenne dich und deinen Bruder seit der Geburt. Ich habe euch zur Welt gebracht, schon vergessen? Nur Elli bitte."
Phoebes Großmutter war Ärztin. Sie war eine große, schlanke Frau, die beinahe zwei Köpfe größer als Teddy war. Elouise trug immer weiß und hatte langes, graues Haar, welches sie stets zu einem strengen Knoten am Hinterkopf zusammenband. Ihre Augen waren klug und braun und ihr Lächeln war das wärmste und liebevollste, welches Phoebe kannte.
,,Setzt euch doch", schlug Elouise vor und deutete auf die Eckbank, die genau Platz für drei Personen bat. ,,Klar doch, Nana", erwiderte Phoebe und rutschte auf die gemütliche Bank. Die McVoy Geschwister setzten sich neben sie.
Teddy Pritchett zog sich einen Stuhl heran und zündete mit einem alten Feuerzeug die Kerze auf dem kleinen Tisch an. Elouise kochte Tee für alle und legte ein paar Kekse auf einen Teller.
Als das Essen fertig war, setzte sie sich ebenfalls und betrachtete die drei neugierig. ,,Warum wart ihr beim Puppenhaus?", fragte sie und blickte ihrer Enkelin tief in die blauen Augen. Phoebe hasste es, wenn ihre Großmutter das tat. Dann erzählte sie ihr immer alles, das war schon immer so gewesen.
,,Woher weißt du das, Nana?", entgegnete Phoebe und nippte an ihrem Tee. ,,Ich bitte dich", meinte ihre Großmutter und lächelte. ,,Ich weiß, was dieses verdammte Haus für Wirkungen auf dich und all die anderen Menschen hier hat. Jedenfalls auf die, die nicht dabeigewesen sind."
,,Dabeigewesen?", fragte Marty wissbegierig und griff nach einem Keks, der mit Zuckerguss und bunten Streuseln verziert war. ,,Bei was denn dabeigewesen? Was ist in dem Haus passier, Mrs P?"
,,Weißt du das denn wirklich nicht?", erwiderte Elouise geheimnisvoll.
,,Vor 45 Jahren wurde eine ganze Familie in diesem Haus umgebracht", sagte Teddy und blickte seiner Enkelin, Donna und Marty ernst in die Augen.
2935 Wörter
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