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Prolog
1998
Harrys Schwester Gemma hat genau vier Barbies. Eine mit langen blonden Haaren, die sogar dank ihren beweglichen Knien auf einem Pferd reiten könnte (wenn Gemma denn eins hätte), dann noch eine, die haselnussbraune Haare hat, die etwas ins rötliche übergehen und dann noch zwei Kens.
Also zwei männliche, eher gesagt.
Das eine ist eine wirkliche, originale Ken-Puppe.
Die andere hat keinen Namen.
Wenn Gemma unten im Gemeinschaftsraum mit ihren Freundinnen spielt, schleicht sich Harry in ihr Zimmer. Er sucht sich die Puppen heraus und setzt sich auf den Boden vor Gemmas Bett. Er ist erst fünf und denkt nicht daran, dass Gemma vielleicht gleich wieder kommt und ihn anmeckern wird, er solle die Finger von ihrem Spielzeug lassen.
Harry setzt jetzt sich auf den Boden und betrachtet die Puppen alle einzeln. Die zwei weiblichen legt er kurz zur Seite. Summend zieht er der männlichen Puppe (die, die keinen Namen hat), die Klamotten aus. Es ist eh nur ein langweiliges weißes Shirt und eine schwarze Hose mit langweiligen schwarzen Schuhen. Ein Schuh ist schon fast kaputt.
Harry seufzt, schüttelt den Kopf und nimmt sich die Barbie mit braunen Haaren, welche ein hübsches Kleid trägt. Vergnügt macht er sich daran der namenlosen männlichen Puppe das Kleid anzuziehen.
Er kichert erfreut, wobei sich seine kleinen niedlichen Grübchen zeigen. „Jetzt bist du hübsch." Er verzieht den Mund und starrt an die Decke. „Du brauchst noch einen Namen. Du kannst schließlich nicht auch Ken heißen..."
Vielleicht ist es nur ein Windstoß, vielleicht nur eine Einbildung, ein Streich von Harrys kindlicher Fantasie.
Aber irgendetwas flüstert ihm einen Namen zu.
Louis.
Harry schnappt nach Luft und schaut wieder herunter auf die Puppe, die ihn mit dem gleichen plastischen Lächeln angrinst wie noch vor einer Minute. „Louis heißt du also. Wieso hast du das nicht gleich gesagt?"
Harry dreht die Puppe hin und her und dann nimmt er sich Ken, der einen Anzug trägt.
„Ihr heiratet jetzt", sagt Harry ernst und es bilden sich Fältchen in seiner Stirn, als er überlegt wie die Hochzeit ablaufen soll.
Um das Ganze zu beginnen, summt er eine Melodie, die der „Hier kommt die Braut"-Melodie ähnlich ist.
Er stellt Ken an eine kleine Kiste (den Altar) und dann lässt er Louis mit kleinen Schritten zum Altar gehen.
Harry nimmt sich Ken in die Hand und schüttelt die Puppe leicht, als er spricht: „Du siehst hübsch aus, mein Liebling."
„Danke, Ken", lässt Harry über Louis' Lippen kommen und kichert.
Er legt sich auf den Bauch und brabbelt irgendetwas herunter. Die nackte Barbie ist der Pfarrer und die Reiter-Barbie ist Kens blöde Cousine, die eigentlich gar nicht eingeladen war.
Harry hat Spaß, das ist schon einmal sicher.
Jedenfalls hat er das, bis Gemma in ihr Zimmer kommt. „Harry!", quietscht sie und reißt ihrem drei Jahre jüngeren Bruder die Puppen aus der Hand. „Das sind meine Puppen! Du darfst dir die nicht einfach nehmen."
Schmollend setzt sich Harry auf und verschränkt die Arme. „Du warst sowieso unten."
„Trotzdem nicht." Gemma streckt ihm ihre Zunge heraus und mustert danach die Puppen.
Sie rümpft die Nase. „Wieso trägt George ein Kleid? Jungs tragen keine Kleider."
„George?" Harry legt den Kopf zur Seite. „Er heißt Louis."
„Ich habe ihn George genannt und da er mir gehört, bleibt es auch dabei", zickt Gemma und setzt sich aufs Bett. Mühsam pult sie das Kleid von Louis' Körper. „Der hat einen viel zu großen Hintern. Dank dir muss ich ihm die Hose wieder anquälen. Die hat ihm sowieso schon kaum gepasst."
„Louis ist eben eine besondere Barbie", grinst Harry und setzt sich neben Gemma.
Sie sitzen eine Weile nur still da.
Bis Gemma seufzt. „Aber ehrlich, Harry. Du kannst George oder Louis, wie auch immer, kein Kleid anziehen. Er mag das nicht."
„Woher willst du das wissen?", quengelt Harry, den Tränen nahe.
„Weil er meine Puppe ist und außerdem ist es falsch. Er ist ein Junge und Jungs tragen keine Kleider. Frag Miss Hampton."
Harry seufzt. „Aber er sah schön aus in einem Kleid."
„Was hast du überhaupt gespielt?"
„Dass Ken und Louis heiraten und Sunny war der Pastor und Barbie die doofe Cousine."
Gemma schnaubt. „Manchmal glaube ich, wir sollten dich untersuchen lassen, Brüderchen. Du hast ganz klar einen an der Waffel."
************
2016
Das Problem ist einfach, dass Harry kein Geld für eine große Wohnung hat und dass seine jetzige Behausung eher nur ein kleines Zimmer ist, in der einen Ecke eine Küche, in der anderen ein Klo.
So in etwa.
Man hat eben nicht viel Geld, wenn man bei einer lieblosen Pflegefamilie aufwächst, die die Schwester favorisiert, weil sie normaler ist.
Und genau deswegen muss Harry jetzt Platz schaffen. Irgendwie. Er kramt sich durch alle Ecken und landet schließlich bei einer Kiste, die unter seinem Bett vergammelt.
Die Kiste mit ein paar Spielzeugen drinnen. Er zieht sie unter seinem Bett hervor und hustet, da sofort eine Staubwolke durch den Raum schwebt.
Harry wedelt sich mit den Händen vor dem Gesicht umher und kneift die Augen zusammen.
Dann öffnet er den Deckel der Kiste und starrt hinein. Erst einmal will er nichts berühren, denn das alles hier ist irgendwie mit seiner schrecklichen Vergangenheit im Kinderheim und danach in der Pflegefamilie verbunden. Harry weiß nicht einmal wieso er das alles aufgehoben hat.
Er greift dann doch einfach hinein und zieht einen verstaubten Traumfänger hervor. Er verzieht das Gesicht. Das alte Ding hat ihm eh nie was gebracht. Also weg damit.
Angewidert schmeißt er das Ding in eine Kiste, die er später zum Müllcontainer bringen will.
Es folgt eine Spielkasse mit Spielgeld, dann ein alter stinkender Teddybär und ein Hampelmann, der nicht einmal richtig funktioniert.
Schließlich liegt nur noch eine Sache in der Kiste.
Louis.
Sein Louis.
Harry hatte mit zehn seine anderen Barbies verschenkt, aber Louis hatte er behalten. Er hatte sich riesig gefreut, als ihm Gemma die Puppen vermacht hatte und irgendwie hatte Harry ein starkes Band zu der braunhaarigen Puppe.
Harry nimmt Louis vorsichtig aus der Kiste und seufzt.
Er dreht den armen Kerl hin und her. Er trägt immer noch sein weißes Shirt und die schwarze Hose. Die Schuhe hat Harry irgendwo verloren. (An dem Tag, an dem er die Schuhe verlor, beschloss er, dass Louis es lieber mag barfuß zu gehen und gar keine Schuhe haben will.)
Harry staubt die Puppe ab, hustet wieder und seufzt erneut.
Louis ist nur ein dummes Spielzeug. Er muss ihn sowieso irgendwann wegschmeißen. Er ist schon viel zu alt, um ihn zu spenden, also was soll's.
Deswegen schmeißt Harry Louis zu den anderen alten Spielsachen in die Kiste.
Wenig später zieht er sich seine Schuhe an. Er ignoriert den dramatischen Windstoß, der alarmierend durch seine Wohnung fährt, sieht sich nur einmal um und zuckt mit den Schultern, bevor er sich die Kiste nimmt.
Er hat eben eine blühende Fantasie.
Harry macht sich auf den Weg zum Müllcontainer. Er muss hier eh lang, weil er gleich zur Arbeit muss.
Harry seufzt ein letztes Mal und lässt die Kiste in einen der großen grauen Container fallen.
Bye, bye, Louis.
****
Als er die Augen öffnet, stinkt es. Er niest und reibt sich die Augen. Er kann den Anblick kaum glauben, doch was er noch weniger glauben kann, ist, dass er sich bewegen kann.
Eigenhändig!
Selbst!
Er lebt!
Er setzt sich auf und schaut sich um. Er sitzt auf einem Stapel Abfall. Na klasse.
Louis rollt mit den Augen und zieht den armen Teddy unter sich hervor, in den Harry früher immer geweint hatte, wenn er Angst hatte.
Harry. Louis sieht sich um. Wo ist Harry?
Er kann sich an Bruchstücke erinnern. Er weiß, dass er die letzten Jahre bei Harry verbracht hat, nachdem seine grausame Schwester, die kein bisschen Liebe und den Namen „George für ihn hatte, ihn vererbt hat.
Bei Harry hat Louis sich wohlgefühlt. Immerhin hat Harry mit ihm gespielt und ihm von seinem Tag erzählt. Louis hat immer zugehört und hätte das Harry am liebsten gezeigt.
Aber wie kann man das tun, wenn man eine Puppe ist?
„Harry?", krächzt Louis und bekommt wieder einen Hustenanfall. Er hat schon so lang nicht mehr geredet. Na ja, nur durch Harry, aber Harry hat ihn eigentlich immer nur bescheuerte Sachen sagen lassen.
Louis zwängt sich aus dem Müllcontainer und riecht an seinem T-Shirt. Es stinkt. Es stinkt sogar entsetzlich. So entsetzlich, dass es ihm peinlich ist.
Außerdem hat Louis Hunger.
Und Durst.
Und er muss auf Klo.
Er ist total überfordert und dann trägt er noch nicht einmal Schuhe, weil Harry, dieser Idiot, sie einmal hat im Wald liegen lassen.
Louis verschränkt grimmig die Arme. Er muss Harry suchen. Immerhin ist Harry für ihn verantwortlich. Harry war sein letzter Besitzer und Harry war der erste, dem Louis seinen richtigen Namen verraten hat. Harry hat ihn nicht weiter vererbt an irgendwelche Neffen. Na ja, vielleicht, weil Harry keine Familie hat...
Harry hat ihn auch nicht einfach... doch. Harry hat ihn weggeschmissen und Louis ist außer sich, als er es endlich realisiert.
Er stampft erbost mit dem Fuß auf und ballt seine Hände zu Fäusten. Er zieht die Augenbrauen zusammen und sieht sich um. Er will zu Harry und ihn anmeckern. Ganz dringend.
Zum Glück weiß Louis so in etwa wo Harry arbeitet.
****
„Soll Sahne auf den Kaffee?"
„Nein, ich muss auf meine Linie achten." Die Frau lacht und ignoriert, dass sie Harrys Großmutter sein könnte, als sie flirtend mit den Wimpern plinkert.
Harry schenkt ihr nur ein freundliches Lächeln und verdreht innerlich die Augen.
Gut. Das passiert eben öfter. Aber so ist das eben. Er scheint äußerlich eben wie der perfekte Schwiegersohn.
Aber leider steht er nicht auf Frauen, also wäre das dann auch geklärt.
Wenn Harry könnte, würde er jeden Tag mit Regenbogen-Fahnen herum laufen, damit es die Leute endlich verstehen.
Aber gut... Kriegt er eben mehr Trinkgeld.
„Einen Chai Latte, bitte. Ach und einen von diesen Keksen", sagt die nächste Kundin.
Harry nickt. „Kommt noch etwas dazu?"
„Nein, das war es."
Harry nennt ihr den Preis und schickt sie zwei Meter weiter, wo Nick die Getränke mischt.
„Willkommen bei Costa", sagt Harry, als er sich zum nächsten Kunden dreht.
„Hallo. Bitte einen Cappuccino und ein Stück von dem Kuchen da." Harry holt das Stück Kuchen, legt es auf einen kleinen Teller, kassiert ab und schickt den Kunden weiter.
Er will sich gerade zum nächsten wenden, da klingelt die Glocke über der Tür und herein gepoltert kommt ein Junge, den Harry irgendwoher kennt.
Er starrt ihn nur an, sieht näher hin und als er sieht, dass der Junge unbeholfen auf ihn zu stapft, schluckt Harry.
Er muss träumen.
Denn das letzte Mal, als er ihn gesehen hat, war Louis eine Barbie-Puppe.
****
Louis schnaubt Luft aus den Nasenlöchern und stellt sich direkt vor Harrys nächsten Kunden, gegenüber von dem Kassierer, der immer noch seine Lieblingspuppe anstarrt. Harry hat den Mund offen und krallt sich an die Kasse.
Das kann nicht echt sein. Louis kann nicht echt sein. Louis ist kein Mensch. Er ist eine verdammte Puppe!
„Wieso hast du mich weggeschmissen?!", mault Lois sofort. Er versucht wütend und nicht quengelig zu sein, aber es ist schwer seine Emotionen zu steuern. Er ist gerade eben erst wieder lebendig geworden und außerdem hat er Jahrzehnte mit quengelnden Kindern verbracht, die ihn nachts in eine Spielzeugkiste geworfen haben.
„Ich... Du...", stottert Harry.
Der nächste Kunde räuspert sich. Außerdem riecht er wie sehr der Junge neben ihm stinkt und das raubt ihm irgendwie den Appetit.
„Harry, ist das dein Ex-Freund oder so?", fragt Nick leise und schubst Harry spielerisch. Er musste über den Ausdruck „weggeschmissen" lachen und dachte nicht, dass Harry so ein Herzensbrecher ist.
„Nein, er..."
„Doch! Wir sind jedenfalls keine Freunde mehr." Louis stampft erneut mit einem Fuß auf und versucht sich wieder zu fangen, aber er ist einfach so wütend auf Harry, dass er ihn am liebsten an den Kragen gehen würde.
„Ich denke, du klärst das kurz und ich mache hier an der Kasse weiter." Nick schiebt Harry von der Kasse weg. Harry lässt es zu, denn er hat nur Augen für seine lebendige Puppe, die ihn immer noch grimmig und schmollend ansieht.
„Also..." Harry kommt um den Tresen herum und bedeutet Louis mit ihm aus der Hintertür zu gehen, um alles ohne Zuschauer klären zu können.
Sie stehen schließlich hinten bei den Müllcontainern.
Als Louis diese sieht, schreit er wie am Spieß auf. „Nein, nicht schon wieder! Bitte schmeiß mich nicht weg! Was hab ich denn getan!"
Harry runzelt die Stirn. „Du bist... eine Puppe."
„Offensichtlich nicht", erwidert Louis augenrollend. Er hat Probleme damit, seine Arme zu steuern. Und während sein Gesicht sehr normal aussieht, schwingen seine Arme an seinem Körper umher. „Danke Harry, wegen dir und deiner komischen Schaukel, bin ich defekt."
„Das muss ein Scherz sein", sagt Harry und schüttelt mit dem Kopf. „Ein ganz mieser Scherz. Du kannst nicht vor mir stehen. Lebendig... Du warst eine Puppe, als ich dich weggeworfen habe."
Louis seufzt. „Bin ich jetzt aber nicht mehr..."
Harry sieht zu Boden und hat die Hände in den Hosentaschen. „Hat dich meine Schwester angeheuert?", nuschelt Harry traurig. Das könnte er sich gut vorstellen.
„Deine Schwester?"
„Ach komm schon. Du weißt, was ich meine: Wer immer du bist, du bist hier um mich fürchterlich zu verarschen und dich über mich lustig zu machen. Gemma wusste, dass ich Louis unter meinem Bett aufbewahrt habe und sie hat mich sowieso schon immer dafür ausgelacht, dass ich mit Puppen spiele."
Louis runzelt die Stirn und schlägt sich im nächsten Moment selbst ins Gesicht. „Mist. Das klappt noch nicht so", nuschelt er und willt seine Hand von seiner Wange.
Harry sieht ihm fasziniert dabei zu.
„Ich bin wirklich der Louis, der unter deinem Bett lag."
„Dann beweis mir es", fordert Harry und verschränkt die Arme vor der Brust. „Erzähl mir was, was ich mit dir gespielt habe."
Und das tut Louis dann auch. „Erstens muss ich sagen, dass du meine Schuhe damals im Wald vergessen hast bei diesem blöden Picknick, wo deine Kotz-Schwester mich in die Marmelade getunkt hat. Dann kann ich dir auch noch sagen, dass ich das damals nicht sehr witzig fand, als du mich und diesen komischen Dackel zu Freunden machen wolltest und meinen Kopf vor sein Maul gehalten hast und..." Louis schluckt. „Es tut mir leid, dass ich nie geantwortet hab, wenn du mir so viel erzählt hast. Ich konnte einfach nicht..."
Harry starrt ihn an und tritt einige Meter zurück, bis er mit dem Rücken am Müllcontainer steht. „Das ist nicht wahr. Das kann nicht wahr sein. Du kannst nicht meine Puppe Louis sein."
Louis zuckt mit den Schultern. „Bin ich aber irgendwie."
„Wenn ich gewusst hätte, dass du ein echter Mensch bist, dann hätte ich dich nie weggeschmissen... wirklich."
Louis lächelt leicht. „Ich weiß. Ich habe überreagiert. Ich war eben verwirrt. Es ist lange her, dass ich keine Puppe war."
****
Harry beendet seine Schicht etwas eher und verspricht Nick die verlorene Zeit nachzuholen. Das wird schon. Nick hat einen guten Draht zum Manager... Okay, ja sie haben so etwas wie eine Affäre.
Harry muss erst einmal alles mit Louis klären. Er will alles wissen. Er muss für Louis eine Unterkunft finden. Erst einmal wird er wahrscheinlich bei Harry bleiben, aber das will Louis sicherlich nicht für immer und außerdem hat Harry keinen Platz...
Dann wäre da noch natürlich die Frage, ob Louis jetzt für immer ein Mensch bleibt, oder ob Harry morgen früh aufwacht und Louis als Puppe wiederfindet.
Louis geht neben Harry her und zieht sich an den Haaren. (Harry glaubt, dass er das nicht absichtlich macht.) „Ich hab Hunger und Durst, Harry", verkündet er und sieht Harry mit großen blauen Augen an.
Harry lächelt. „Ich mache dir etwas, wenn wir zu Hause sind, okay?" Harry umfasst Louis' Taille, als sie über den Bürgersteig gehen. Louis scheint sich erst noch wieder an seine Beine gewöhnen zu müssen. Ihm fällt es schwer zu gehen, so dass er immer wieder stolpert oder aus Versehen in eine falsche Richtung geht.
„Warte", murmelt Harry und bleibt stehen. Er geht in die Hocke. „Komm, hüpf rauf, ich trag dich."
Louis kichert. „Aber ich bin zu schwer."
„Ich bin mir sicher, dass du ein Fliegengewicht bist", meint Harry, der immer noch innerlich schockiert über den Verlauf seines Vormittags ist.
Louis klettert mühsam auf Harrys Rücken und krallt sich an seinen Schultern und an seinem Hals fest.
Harry schafft es wieder hochzukommen und macht sich zusammen mit Louis auf den Weg. Sie kriegen einige strenge Blicke, aber Harry stört das nicht und Louis winkt allen nur zu und grüßt lieb. „Hallo, schönen Tag noch."
Harry muss lachen und eine Weile später sind sie bei Harrys Haustür angekommen. Zum Glück wohnt er im Erdgeschoss und so muss er nur die Tür aufschließen und Louis bedeuten, in die mickrig kleine Wohnung zu gehen.
Louis torkelt in Harrys Wohnung und sieht sich neugierig um. „Sieht anders aus als ich es in Erinnerung hatte."
„Du lagst ja auch die meiste Zeit in der Kiste", grinst Harry und schließt die Tür hinter sich.
„Nein. Als du eingezogen bist, hast du mir die Wohnung gezeigt", schüttelt Louis mit dem Kopf.
Harry wird rot, etwas beschämt, dass er ernsthaft einer Puppe sein neues Heim gezeigt hat.
„Aber ich hab immer noch Hunger, Hazza", mault Louis und schmollt.
„Essen kommt gleich. Hier, ich hole dir schon einmal ein Glas." Harry nimmt sich ein frisches Glas von der Spüle, füllt Wasser hinein und reicht es Louis, der auf dem Boden sitzt und sich umsieht.
„Also... Du kannst dich ruhig auf die Couch setzen", meint Harry.
Louis nimmt das Glas dankend an, trinkt alles in einem Zug aus und reicht es Harry wieder. „Kann ich mehr haben? Ich hab ganz ganz ganz doll Durst."
„Klar, ich... Aber die Couch, Louis."
„Ich will nicht auf der Couch sitzen. Ich hab schon lang auf keiner Couch mehr gesessen. Was ist, wenn ich etwas falsch mache?"
Harry macht Louis in der Zeit ein Toast mit Schinken und Käse. „Das tust dich sicher nicht, Lou."
Louis setzt sich trotzdem nicht auf die Couch. Er sitzt nur auf dem Boden, gluckert sein Wasserglas weg und wartet auf sein Essen.
„Stinke ich, Harry?", fragt er schüchtern und beißt vom Sandwich ab.
„Also wie eine Blumenwiese duftest du nicht. Immerhin lagst du ja auch..."
„Im Müllcontainer dank dir", zischt Louis und sieht grimmig auf sein Essen. „Darf ich mich denn bei dir sauber machen?"
Harry findet es wirklich sehr niedlich, dass Louis nach allem fragt.
„Ja, klar. Wenn du aufgegessen hast, zeige ich dir das Bad."
„Das letzte Mal als ich in einem Bad war, haben wir Taucher gespielt, weißt du noch?", kichert Louis mit vollem Mund.
Harry sitzt nun auf der Couch und schaut zu Louis herunter. „Ja, das weiß ich noch. Ich habe heimlich das teure Badeöl meiner Pflegemutter geklaut und habe dir die Motorradbrille von Gemmas einer Barbie aufgesetzt. Die, die auch ein Fahrrad hatte und dann habe ich dich in das kleine Boot gesetzt und dann sind wir... getaucht..." Als Harry merkt, wie sehr er sich noch in die Geschichte vertiefen kann und wie unreif er klingt, räuspert er sich. Er sieht, dass Louis aufgegessen hat. „Soll ich dir... das Bad zeigen?"
Louis nickt begeistert.
****
„Dein Badezimmer ist kleiner als das im alten Haus", stellt Louis fest.
„Ich kann mir kein großes Bad leisten, Louis", seufzt Harry, welcher ein Handtuch und ein paar frische Klamotten für Louis im Arm hält.
Louis geht zur Badewanne, die mit Duschvorhang zur Dusche umfunktioniert werden kann und stellt sich rein. „Und jetzt einfach das Wasser andrehen?"
„Du musst dich vorher ausziehen", lacht Harry kopfschüttelnd. Er legt die Sachen auf die Toilette und geht zum Duschvorhang. Als er ihn öffnet, sieht er, dass Louis sich schon sein Shirt ausgezogen hat, aber Probleme mit der Hose hat.
„Wo kriegt man das Ding denn auf", nörgelt er und dreht sich einmal im Kreis. „Siehst du, wo es aufgeht?"
Harry grinst und deutet zu Louis' Hintern. „Da ist ein Klettverschluss."
Für einen ganz kurzen Moment fragt Harry sich, ob Louis eigentlich Geschlechtsteile hat. Er kann sich nämlich an seine kuriose Phase erinnern und weiß, dass er damals bei Louis nachgeschaut hat und dieser nichts vorzuweisen hatte.
Louis hat keine Unterhose an, wie man zwei Sekunden später sehen kann, als die Ex-Barbie sich ihre Hose herunter reißt.
„Oh, was ist das denn?", lacht Louis und berührt vorsichtig seinen Penis.
Harry dreht sich weg.
„Harry? Harry, wo gehst du hin? Ich... Du hast mir nicht erklärt wie man duscht."
„Du drehst das Ding einfach auf, in etwa..." Harry zieht den Vorhang vorsichtig zur Seite und dreht am Rad. Wasser tropft von oben auf Louis' Kopf. „Warte, geh mal eben zur Seite. Anfangs ist es zu kalt, ich will nicht, dass du einen Schock bekommst."
Louis tritt einige Schritte zur Seite, als Harry nach oben sieht und darauf wartet, dass das Wasser anfängt zu fließen. Er denkt schon, dass er vergessen hat, seine Rechnungen zu bezahlen und deswegen kein Wasser mehr kommt, da fängt der Strahl an nach unten zu kommen. Es ist kalt und Harry hält nur seine Hand unter das Wasser.
„Ist das kalt?", fragt Louis und hält seine Hand neben Harrys. Er ist immer noch verwirrt, was ihm da zwischen den Beinen baumelt. Das hatte er schon lang nicht mehr.
Louis zieht seine Hand schnell wieder weg und vom Ruck rutscht er aus und rettet sich noch gerade so am Vorhang. Mit ihm fliegt er schließlich in die Wanne. Vorhang abgerissen und auf ihm drauf.
Harry seufzt. „Den muss ich dann wohl reparieren."
Außerdem kann man ohne Vorhang nicht duschen sondern nur Baden.
Er bittet Louis, aus der Wanne zu kommen und stellt das Wasser um. Er schiebt den Stöpsel in den Ausfluss und wringt den leicht nassen Vorhang über der Wanne aus, bevor er ihn zur Seite legt.
Louis steht nur da und sieht an sich herunter. „War mein Po immer schon so groß?"
Harry lacht. Er kann sich noch ganz genau an Gemmas Worte erinnern. An die, dass Louis noch nie richtig in die Hose gepasst hat wegen seinem Po.
„Proportional schon", meint Harry und wendet sich mit seinem Blick wieder zur Wanne.
„Was kann das Ding da unten?"
„Pinkeln", lacht Harry und wird noch weiter rot im Gesicht. „Setz dich aufs Klo und warte. Ich bin kurz draußen. Wenn du fertig bist, holst du mich wieder."
Louis klappt den Klodeckel hoch, nachdem er die Sachen vor seine Füße gelegt hat und wartet. Harry geht aus dem Bad und muss sich erst einmal schwer atmend gegen die Wand lehnen.
Als er damals mit Louis gespielt hat, hätte er nie erwartet, dass der Junge so attraktiv ist.
****
Wenig später ruft Louis nach Harry und dieser betritt wieder das Badezimmer.
Wirklich.
Er hat es versucht nicht zu tun.
Aber er starrt dann doch auf Louis' entblößten Schritt. „Ähm..." Harry weiß nicht mehr, was er sagen wollte.
„Sieht er nicht normal aus? Hängt er komisch?"
Und da merkt Harry was er da gerade tut und schaut beschämt weg. „Ich lasse dir kurz das Wasser ein."
Er stellt das warme Wasser wieder an und erklärt Louis, dass er sich mit dem Duschgel einseifen muss. Dafür hat Harry sogar einen Schwamm, welchen er Louis gibt.
Dieser bedankt sich grinsend und steigt vorsichtig in die Wanne.
„Nicht umfallen, Lou", knirscht Harry und sieht den Unfall schon kommen.
„Meine Knie fühlen sich merkwürdig an", meint Louis und verzieht das Gesicht.
Harry runzelt die Stirn. „Tut es denn weh?"
„Nee." Louis schüttelt den Kopf und lässt sich den Rest des Weges in das Wasser, in die Wanne fallen.
Es spritzt ein wenig, aber dann ist alles wieder in Ordnung. Louis sitzt und erfreut sich am warmen Wasser.
Harry lächelt ihm zu und legt das Handtuch vor die Wanne. „Wenn du fertig bist, kannst du dich damit abtrocknen und dir die Sachen dort anziehen." Er deutet auf den Stapel Kleidung vor der Toilette.
Louis runzelt die Stirn, zieht einen Schmollmund und nickt dann aber.
Harry dreht sich zur Tür. Er hält schon die Klinke in der Hand, da ruft Louis: „Harry, komm doch auch mit rein."
„Ich denke nicht", lacht Harry unbelustigt und beißt sich auf die Lippe.
Er weiß was dann passieren würde und wenn Louis nicht einmal weiß was sein Penis kann, dann weiß er sicherlich auch nicht, was eine Erektion ist und was sie bedeutet.
„Wieso nicht?", mault die Ex-Puppe und klammert sich an den Wannenrand. „Ich hab immer mit dir gebadet!"
(Wirklich, Harry sollte sich nicht einmal wundern wieso die Puppe am Ende so schäbig aussah.)
Er dreht sich zu Louis, der mit seinen Wimpern plinkert und immer noch übertrieben schmollt. „Da warst du aber eine Puppe. Jetzt bist du ein Mensch. Das ist etwas anderes."
Louis grummelt etwas und dreht sich von Harry weg.
„Was?", fragt Harry mit hochgezogener Augenbraue nach.
Louis sieht ihn nicht an, als er sagt: „So fett bist du nicht, Harry. Wir passen schon beide in die Wanne. Wir könnten kuscheln..."
Harry muss lachen und hält sich den Bauch. Louis runzelt die Stirn und hält immer noch die Arme verschränkt vor der Brust.
„Glaub mir, das ist es nicht..."
Es läuft darauf hinaus, dass Harry vor der Wanne sitzt. Von Louis weg gedreht, während dieser mit Harrys Deko-Boot spielt, dass eigentlich immer auf der Fensterbank steht.
Aber Louis wollte etwas zum Spielen haben und als er das Boot sah, wusste er, was genau er wollte. Und er gab nicht auf, bis Harry ihm das Boot geholt hatte.
„Ich will gar nicht allein baden. Das ist so langweilig", meldet sich Louis kichernd. „Man hat niemanden zum Spielen."
Harry schaut geradeaus und denkt nach. Er denkt über Louis' Worte nach. Jene, dass er schon lange nicht mehr ein Mensch gewesen ist.
Heißt das, dass Louis schon einmal ein Mensch war? Heißt das, dass er erst zu einer Barbie geworden ist? Aber wie soll das gehen? Magie sicherlich nicht.
Harry war schon immer fantasievoll, aber Zauberei?
Auf der anderen Seite muss er sich eingestehen, dass hinter ihm seine ehemalige Lieblingsbarbie im Wasser spielt und sein Deko-Boot schrottet.
****
„Louis?"
„Hmm?"
„Du... warst also schon einmal... ein Mensch?", druckst Harry herum und spricht damit aus, woran er schon die ganze Zeit gedacht hat.
Wie könnte Louis sonst sprechen? Wie könnte er laufen? Wie würde er sonst wissen, wie er sich verhalten soll?
„Ich glaube schon", murmelt er und lässt das Boot sinken. Es gluckert und Louis kichert. Seine Konzentrationsspanne ist wirklich nicht die längste.
„Du glaubst also nur? Du bist dir nicht sicher."
„Ich bin mir sicher. Hazza. Ich weiß nur nichts mehr."
Harry spürt zwei nasse Hände in seinen Haaren. „Darf ich dir Zöpfe flechten? Oder so hässliche Dutts, die deine Kotz-Schwester früher immer hatte?" Er kichert wieder.
Harry lächelt halb, immer noch mit seinen Gedanken woanders. „Bitte nicht."
Louis schmollt und Harry hört es förmlich.
„Hast du dich schon eingeseift und dir die Haare gewaschen?" Harry dreht sich zu dem Kleinen um.
Louis grinst frech und schüttelt die noch sehr trockenen Haare.
„Dann mach schnell, sonst wird das Wasser kalt."
Louis rollt mit den Augen. „So doof bin ich nicht. Ich weiß, dass du mir warmes Wasser auf den Kopf gießt."
„Moment mal, ich?", lacht Harry und dreht sich nun vollständig zu Louis um.
Louis zuckt mit den Schultern. „Ich dachte du könntest mir helfen... Meine Arme sind eingerostet und ich kann nicht nach oben greifen..."
„Klar, Louis. Mach das selbst." Harry dreht sich eisern wieder um und wartet, bis er sich bewegendes Wasser hört. Louis seift sich ein, steht dazu auf und setzt sich dann wieder hin. Er taucht einmal unter, kommt nach Luft schnappend wieder nach oben und reibt sich die Augen. „Das brennt!"
„Es ist nur Wasser", sagt Harry und pult weiterhin an seinem losen T-Shirt Faden herum.
„Na und? Weißt du, wie lange ich nicht mehr gebadet oder geduscht hab?"
„Dann sag es mir", fordert Harry grinsend.
„Seit... okay, ich weiß auch nicht, aber es ist auf jeden Fall nicht erst gestern gewesen."
„Seif dir deine Haare ein, Louis. Ich helfe dir auch mit dem Gießen."
Louis greift nach der Shampoo-Flasche und dann fällt ihm auf. „Oh, Harry? Ich... kann mir das Shampoo nicht in die Haare klatschen. Ich kann meine Arme nicht richtig heben..."
Harry dreht sich erneut zu ihm, nimmt ihm seufzend die Flasche aus der Hand und schmiert sich die rechte mit dem Zeug voll, bevor er beginnt sie in Louis' braune Haare zu reiben. „Deine Haare sind auf jeden Fall weicher als Mensch. Als Puppe waren sie..."
„Künstlich? Harold, ich war auch eine Barbie", rollt Louis mit den Augen.
Eine Barbie. Irgendwie klingt es tausendmal süßer, wenn Louis es sagt.
Sowieso ist er viel zu niedlich für diese Welt. Er ist so klein und frech und ahnungslos und und und... Harry schwärmt innerlich etwas zu viel in seinem Kopf und merkt nicht, dass er Louis schon seit ein paar Minuten die Haare einseift.
Als er es jedoch dann bemerkt (Louis ist wieder ganz beschäftigt mit dem Boot und spielt das Ende der Titanic am Wannenrand nach), nimmt sich Harry den Duschkopf und beugt Louis' Kinn nach oben. Er lässt Wasser über die Haare laufen und bewundert dabei ein zusammen gedrücktes Gesicht seines kleinen Kumpels.
Harry grinst und wäscht das Shampoo aus, bevor er Louis sagt, dass er wieder geradeaus gucken kann.
Irgendwie kommt es einfach so und Harry nimmt sich ein kleines Handtuch und rubbelt Louis schon einmal seine Haare durch, damit dem Kleinen keine Wassertropfen in die Augen kommen.
Louis merkt das nicht einmal und spielt weiter mit dem Boot.
****
Louis wickelt sich in ein Handtuch und befiehlt Harry dabei zu bleiben, wenn er sich anzieht. Harry seufzt zwar genervt, nickt jedoch dann und stellt sich an die Tür, während Louis - in seinen Bewegungen etwas steif - die Klamotten vom Boden aufhebt.
Er zieht sich das T-Shirt über und dann den Pulli von Harry. Harry runzelt die Stirn. „Willst du dir nicht erst eine Unterhose anziehen?"
„Ich ziehe mich so an wie ich das will", mault Louis und hat Probleme dabei, seinen Kopf durch das Pulli-Loch zu stecken.
Dickkopf, denkt Harry lachend.
Schließlich schafft er es und Louis' Haare sind wieder ein einziges Chaos.
„Harry, kannst du mir die Hose geben? Ich komm da nicht ran", meint Louis schmollend.
Harry nimmt die Unterhose und die Hose in die Hand und hält Louis erst die Boxershorts hin.
„Ich hatte lange keine Unterwäsche mehr an. Das wird komisch werden", kichert Louis und versucht mühsam sich das Ding anzuziehen.
„Ist alles okay bei dir? Du wirkst etwas steif..."
Louis sieht Harry vorwurfsvoll an. „Weil ich ein Barbiepüppchen war? Haha, wie lustig."
„Ich meine das ernst. Kannst du deine Knie bewegen?"
Louis schaut an sich hinab und überlegt. „Gerade nicht so..."
Harry bückt sich, nimmt eins von Louis' Beinen vorsichtig in beide Hände und versucht es zu biegen. „Geht das?"
Louis schüttelt den Kopf.
Harry hat schon wieder einen guten Blick auf Louis' Schritt.
Louis jammert und hält sich an Harrys Haaren fest. „Das ist aua."
„Aua? Wie alt bist du?", scherzt Harry und nimmt sich die Unterhose. Er zieht sie Louis einfach an.
Louis grunzt unzufrieden.
„Soll ich dir die Hose auch noch anziehen?"
„Wenn du schon einmal da unten bist", sagt Louis mit einer frechen Augenbraue.
Harry muss lachen und schüttelt den Kopf. „Dann werde ich das lieber mal tun."
Und dann zieht er Louis eben noch die Hose an und bindet ihm die Pulli-Bänder zu einer Schleife, weil Louis das will.
„Harry?"
„Ja?"
„Kann ich noch was zu trinken haben? Hast du auch was anderes als Wasser?"
„Ich glaube ich habe noch Saft. Ist das in Ordnung?"
Harry nimmt sich seine Bürste vom Waschbeckenrand und bürstet Louis' Haare. Dieser bewundert in der Zeit die Schleife, die Harry für ihn gemacht hat.
„Komm mit", sagt Harry, als er fertig ist und will vorgehen. Doch er hört hinter sich nur einen Schrei und dreht sich schlagartig wieder um.
Louis kniet verkrümmt auf dem Boden. Seine Wangen laufen Tränen herunter und er hält sich das rechte Knie.
Harry eilt sofort herbei, kniet sich zu Louis und streicht ihm die Tränen weg. „Was ist passiert? Was hast du gemacht?"
„Ich... Ich wollte laufen und dann bin ich... einfach umgeknickt und jetzt tut es ganz doll weh", schluchzt der Junge und lässt sich an Harrys Brust fallen.
Dieser hebt Louis auf und trägt ihn zu der Couch.
„Nein, nicht die Couch", kreischt Louis, als wäre es pures Lava, in welches Harry ihn werfen will.
„Okay, okay", huscht Harry und geht schnell weiter zum Bett. Er legt Louis gerade hin und dort merken beide, dass Louis seine Knie nicht mehr dehnen kann.
„Tut übrigens immer noch weh", sagt Louis, nachdem er sich beruhigt hat. „Krieg ich ein Eis?"
****
Harry steht nur kopfschüttelnd auf und holt Louis die Flasche mit dem Orangensaft aus dem Kühlschrank. Er nimmt sich ein Glas und füllt dieses mit dem Saft.
Louis liegt derweilen auf dem Bett und guckt sich um. Schließlich schaut er sich selbst in die Hose und runzelt die Stirn. Er weiß was das ist und was es noch kann, aber er will es nicht zugeben, weil das peinlich ist.
„Hier ist dein Saft. Soll ich dir etwas zum Kühlen holen?", fragt Harry mit dem Glas in der Hand und hilft dem eingeknickten Louis in eine sitzende Position.
Louis lächelt leicht und ein Stein sinkt in seinem Magen. „Nein, ich glaube nur, dass meine Beine sich wieder zu Plastik verwandeln, aber sonst ist alles okay."
Harry ist sofort alarmiert und kniet sich neben das Bett. Er nimmt wieder ein Bein von Louis in beide Hände und versucht Louis' Unterschenkel, von seinem Unterschenkel zu kriegen, das Bein zu beugen.
Louis quietscht kurz und lässt fast das Glas fallen.
Harry hat es geschafft. Sein Bein ist wieder gerade.
„Es wäre glaube ich gut, wenn du das mit dem Gehen langsam angehst. Und nicht so viel im Schneidersitz sitzen, Lou."
Louis quengelt und ist etwas sauer auf Harry. Er will aber im Schneidersitz sitzen.
„Hey, du willst doch wieder gesund werden, oder?", mahnt Harry und wackelt mit dem Zeigefinger.
Louis nickt und schlürft seinen Saft lautstark.
Harry setzt sich neben ihn und als Louis sein Glas ausgetrunken hat, hält er es stolz hin. „Ich hab sogar alles ausgetrunken, Hazza!"
„Super", lächelt Harry und stellt das leere Glas vor sich auf den Boden.
„Können wir jetzt kuscheln?", flüstert Louis schüchtern. „Ich habe so lange nicht mehr mit dir gekuschelt und ich muss gekuschelt werden, sonst bin ich ganz traurig."
Harry muss lachen, weil sich Louis manchmal wirklich wie ein kleines Kind verhält und das ist auf der einen Seite sehr niedlich, auf der anderen jedoch etwas verwirrend.
Er beschließt, noch etwas mit seinen Fragen zu warten und Louis erst einmal ankommen zu lassen, bevor er ihn über alles Mögliche ausquetscht.
Also breitet Harry seine Arme aus, hat dank seines Grinsens Grübchen im Gesicht und deutet Louis an, dass er sich in seine Arme fallen lassen kann.
Wirklich, Harry rechnet damit, dass sich Louis an ihn heran kuschelt. So wie es damals sein Ex-Freund gemacht hat, wenn sie gekuschelt haben.
Aber Louis krabbelt zu Harry und lässt sich mit seinem ganzen Gewicht auf Harrys Schoss nieder. Er sitzt seitlich und vergräbt sein Gesicht in Harrys Nacken.
„Oh, okay... Ja, klar, dann... so", lacht Harry etwas überfordert und schließt seine Arme um Louis.
Dieser seufzt und flüstert: „Du riechst sehr gut, Harry."
„Wirklich? Ich habe seit gestern Abend nicht mehr geduscht", sagt Harry witzelnd.
Louis' Gesicht kommt aus seinem Nacken hervor und er sieht Harry vorwurfsvoll an. „Was soll ich denn sagen?"
Harry zuckt mit den Schultern. „Da hast du auch wieder recht."
Louis sitzt nur da und spielt mit seiner Schleife, die er immer noch um den Hals trägt. „Ich kann noch keine Schleifen machen, weißt du?"
„Noch? Du kannst noch keine machen?", runzelt Harry die Stirn. Es scheint wirklich manchmal sehr merkwürdig, wie Louis von sich redet. Schon allein wie er redet. Als wüsste er gar nichts. Stellt er sich dumm?
„Nee, kann ich nicht. Meine Mama hat mir früher immer die Schuhe zu gebunden", sagt Louis beschämt und schiebt sich auf Harrys Schoss hin und her.
„Ach Lou", seufzt Harry und drückt den Kleinen an sich, als dieser leise weiter erzählt. „Sie meinte immer, dass ich zu alt dafür bin, aber ich konnte das einfach nicht."
Harry sitzt mit einem skeptischen Gesichtsausdruck da, hört Louis jedoch zu.
„Du kannst dich an deine Mutter erinnern?"
„Wer erinnert sich denn nicht an seine Mama? Immerhin ist sie die Mama von einem..."
„Wie du meinst..." Kurz schweigt Harry. „Weißt du, wie alt du bist?"
„Nicht alt."
Harry lacht leise. „Bist du dir nicht sicher? Ungefähr? Unter 25 auf jeden Fall, oder? Du siehst ehrlich gesagt nicht älter als 20 aus."
Es kommt ganz leise und genuschelt.
„Was?", fragt Harry nach und streicht Louis beruhigend über den Rücken.
„Manchmal fünf und dann wieder... dann wieder... manchmal auch älter." Er holt tief Luft nach diesen Worten und schließt die Augen. Er presst sie zusammen, weil er Angst vor Harrys vernichtenden Worten hat.
„Fünf? Ich... oh, ähm, wie meinst du... egal, das klären wir später."
****
1999
Er sieht die große Wiese vor sich und obwohl der heutige Tag so doof war, freut sich Harry über das grüne Gras, die leuchtende Sonne, die auf seinen Lockenkopf scheint und die kleine Biene, die sich für zwei Sekunden auf seine Nase setzt.
Harry kichert und umfasst Louis stärker. Er will seinen Liebling wirklich nicht verlieren.
„Harry, siehst du schon wieder Gespenster?", lacht seine Pflegemutter abfällig und dann hört Harry, dass sie sich wieder von ihm abgewendet hat und jetzt mit seiner Schwester spricht.
„Es gibt gleich Essen, Harold!", ruft Gemma wie eine Trompete und lässt Harry so zusammenzucken und aus seiner Traumwelt herausfallen.
„Ja, ich komme gleich", sagt er fröhlich und tapst einige kleine Schritte weiter. Wo das Gras etwas höher ist. Wo man ihn schon vorhin im Auto gewarnt hatte, nicht zu gehen.
Aber egal. Harry ist schon sechs, er weiß wie man klar kommt.
Also schreitet er voran und lässt sich auf einen Baumstumpf plumpsen. Er verlässt diesen jedoch schnell danach wieder quietschend, weil es unter seinem Po krabbelt.
Igitt, Käfer!
Harry verzieht das Gesicht und kniet sich ins Gras. „Du hast sicherlich noch nie auf einer Wiese gespielt, oder Louis?" Er zieht der Barbie ihre Schuhe aus und stellt sie neben sich. Mental schreibt er sich eine Notiz: Louis Schue nich vergesen!
Er stellt Louis ins Gras und bewegt die Beine der Puppe. Louis grinst ihn an. So wie immer.
„Oh Harry, es ist so schön hier", lässt der Sechsjährige Louis sagen. Er ist so froh, dass ihm Gemma ihre Puppen überlassen hat, als sie eine Familie gefunden haben.
Okay, Gemma kriegt andauernd neues Spielzeug und Harry so gut wie nie, aber das macht nichts, weil er Louis hat.
„Harry, rette mich vor der Biene!" Die Biene ist wieder zurück und kreist um Louis' Kopf. Harry wird etwas panisch, als er das sieht und fuchtelt mit der Puppe nach der Biene.
Die Biene findet das alles andere als nett und entschließt sich dazu, um Harrys rechtes Ohr zu kreisen.
„Geh weg", kreischt Harry und rennt, mit Louis in der Hand, wieder zurück zum Picknickplatz.
2016
Harry nimmt die Couch. Wieso sollte er das auch nicht tun.
Für seinen Lou nur das Beste.
Louis war etwas enttäuscht, als Harry ihm sagte, dass sie nicht zu zweit in das Bett passen.
Außerdem hat Louis immer noch Angst vor der Couch.
„Da wird schon keine Erbse drunter sein", hatte Harry zu einer weiteren Couch-phoben Aussage gelacht.
„Erbse? Du meinst wie in dem Märchen „Die Prinzessin auf der Erbse"?" Louis' Augen glänzten. „Sagst du ich bin eine Prinzessin?"
Es war ein kurzer Moment, aber er war da, in dem sah Harry die Angst in Louis' Augen und er fragte sich woher die kam.
„Genau das", meinte er danach, wuschelte Louis durch die Haare und holte sich eine alte Decke und ein Ersatzkissen für sein provisorisches Bett.
Nun liegt er in diesem und hört andauernd, wie sich jemand umdreht. Er weiß nicht, ob Louis einfach nur unruhig schläft, oder ob er noch wach ist und ihm gleich verkünden wird, dass er nicht einschlafen kann.
Harry kann das nämlich nicht. An Schlaf ist nicht zu denken, als er an das Picknick vor so vielen Jahren denkt. Er hatte Louis' Schuhe vergessen und so getan, als wolle er ab jetzt barfuß gehen.
Außerdem hatte sich seine „Kotz-Schwester" - wie Louis sie nennt - über sein Spielzeug lustig gemacht und Louis' Kopf in Erdbeer-Marmelade getränkt.
Und Harry hasst Erdbeer-Marmelade. Die ist einfach viel zu süß.
****
Es ist sehr tief nachts und Harry hat es gerade geschafft endlich einzuschlafen, da wird er unsanft geweckt.
Ein Kissen wird ihm auf den Kopf gehauen und dann sind zwei kleine Hände an seinen Wangen. „Hazza, wach auf."
Harry grunzt, stöhnt und seufzt schließlich: „Was?"
Ich hab Durst und ich muss Pipi", kommt es flüsternd von Louis.
„Gläser stehen ihm Eckschrank, die Wasserflasche steht neben der Spüle. Wo das Klo ist, weißt du ja."
Louis druckst herum und hüpft auf der Stelle auf und ab.
Harry blinzelt, kneift die Augen zusammen, bis er etwas sieht.
Von draußen scheint das Licht einer Straßenlaterne herein und der Mond steht sehr hell. Das gibt einen komischen Mix aus Farben.
Orange und Blau.
„Kannst du mir das Glas einfüllen und ich gehe auf Klo?"
„Hast du Angst den Weg ins Bad nicht zu finden?", lacht Harry und setzt sich langsam und beschwerlich auf.
Louis hält sich die Hände vor den Schritt. Außerdem zittert er wegen der Kälte. „Bitte."
„Na gut", meint Harry augenrollend und beschwert sich leise über seinen verlorenen Schlaf, als er Louis ein Glas Wasser einschüttet. (Diesmal nicht zu viel, damit er nicht schon wieder auf Toilette muss.)
Harry hört es von innen des Bades summen, dann drückt jemand die Spülung.
Louis kommt wenig später aus der Tür und macht das Licht im Badezimmer aus. Er grinst Harry an und drückt einen Schalter neben der Tür. Doch anstatt, dass sich das Licht im Bad ausschaltet, macht er das Raumlicht im Wohnzimmer an, wo Harry sich gerade wieder auf die Couch gelegt hat.
Louis' Gastgeber schreit vor Schreck auf und hält sich den Arm über die Augen.
„Oopsie", murmelt Louis und schaltet nun den richtigen Schalter um.
„Ich hab dir dein Glas dahin gestellt. Neben die Spüle."
„Danke, Hazzie", sagt Louis und geht schnell zu seinem Glas.
Harry linst durch seinen Arm und schaut Louis beim Trinken zu: Schultern angespannt und leicht hochgezogen, den Kopf bewegt er beim Schlucken und seine beiden Hände hat er fest um das Glas geschlossen, als würde er Angst davor haben, es fallen zu lassen. Louis' Schlucke hört man laut und deutlich und manchmal verschluckt er sich fast und hustet in das Glas.
Als er dann fertig ist, dreht sich Louis zu Harry, sagt: „Gute Nacht." Er geht zu Harrys Bett und Harry schließt die Augen, in dem Wissen, den kleinen Wirbelwind endlich zur Ruhe bekommen zu haben.
Doch das hat er wohl zu früh gedacht, denn wenige Minuten später steht Louis eingemummelt in der Decke vor der Couch und schaut Harry zu beim gerade wieder einschlafen.
Harry seufzt und merkt den Blick auf sich. „Was ist jetzt?"
„Kannst du... Ich meine, vielleicht, also..." Louis will wirklich nicht weinen. Er muss jetzt ein großer Junge sein. Er darf Harry nicht auf die Nerven gehen und muss jetzt schlafen.
Aber Louis möchte einfach so gerne kuscheln und von Harry ein Gute-Nacht-Lied gesungen bekommen. Louis möchte einfach ein Küsschen auf die Stirn bekommen und an Harrys warmer Brust einschlafen.
Weil er das schon immer wollte und es jetzt endlich haben kann.
„Kann ich bei dir heute Nacht schlafen?", flüstert Louis piepsig.
Oh nein, da rollt sie. Die erste Träne. Sie kullert einfach, obwohl Louis es gar nicht möchte.
Harry öffnet seine Arme. „Na dann komm her, aber beschwer dich nicht, wenn ich zu viel Platz einnehme."
Louis nickt und legt sich neben Harry. Immer noch in die Decke eingekuschelt.
„Darf ich auch ein bisschen was von der Decke haben, Lou?", fragt Harry nach und zieht an Louis' kleinem Schlaf-Kokon.
Louis gibt ihm ein bisschen Decke ab und kuschelt sich an Harry.
„Kannst du mir was vorsingen?", schnieft er und wischt sich die dritte Träne weg.
„Warte, weinst du?", stottert Harry und beugt sich stirnrunzelnd über Louis. „Du... Wieso weinst du denn jetzt?"
„Weil ich dich nerve und ein kleines Baby bin", bricht es aus Louis heraus und jetzt fließen die Tränen richtig. Er schluchzt und kneift die Augen zusammen. Verzerrt den Mund und verkrampft seinen Körper. „Es tut mir leid, Harry", weint er.
****
1955
Louis dreht das Milchshake-Glas hin und her. Versunken starrt er auf die milchige Flüssigkeit. Seinen Kopf hat er auf seinem rechten Ellenbogen abgelegt, während seine andere Hand damit beschäftigt ist das Glas zu drehen und es fast umzustoßen.
„Er ist so sexy", nuschelt Louis und seufzt. „Hast du seinen neuen Film gesehen?"
„Wer hat den nicht gesehen?", fragt Stan rhetorisch und macht sich friedlich über seine Pommes Frites Portion her. Er schmatzt etwas und Louis verzieht das Gesicht.
„Jeder, der ihn nicht gesehen hat, verpasst etwas. Ich... Er ist... Nein, ich kann es nicht einmal aussprechen." Verträumt schüttelt Louis den Kopf und sieht Chanel und die anderen kichernd in das Restaurant kommen.
„Sind sie also wieder hier. Wie toll", rollt er mit den Augen und überschlägt die Beine. Er schlürft auffällig an seinem Milchshake und nimmt Augenkontakt zu Chanel auf, die nicht weiß, ob sie lächeln oder angewidert gucken soll.
Stan lacht, als er Louis' Spiel sieht. „Lass es, die denkt noch, dass du auf sie stehst." Er schubst Louis unter dem Tisch mit seinem Fuß an.
„Ich hasse sie wie die Pest und sie weiß das ganz genau. Ich hasse wie... wie Jim Buzz hasst. Oder besser Buzz Jim hasst, nachdem Jim ihm Judy ausgespannt hat."
„Schon klar, Louis." Stan schüttelt den Kopf. „Du weißt schon, dass James Dean eine Freundin hat, oder? Und dass es in Amerika verboten ist schwul zu sein?"
„Hör doch auf, der ist nicht wirklich mit ihr zusammen. Oder er könnte bi sein..." Louis fängt wieder an zu träumen und starrt aus dem Fenster auf die Straßen Doncasters.
„Was ist das denn jetzt schon wieder?", verzieht Stan den Mund.
„Bisexuell heißt, dass man sowohl auf Männer als auch auf Frauen steht", erklärt Louis eifrig und grinst wie ein Honigkuchenpferd. „James Dean ist bi. Ich bin mir sicher. So sicher wie Jim, als er Judys Kuss erwidert..." Er seufzt und starrt an die hohe Decke, die mit flackernden Lampen ausgestattet ist.
„Dich muss man einsperren, Louis. Wirklich einsperren", lacht Stan mit vollem Mund und schmatzt weiter auf seinen Pommes herum.
2016
„Willst du mir es jetzt sagen? Was tut dir leid?" Harry wischt Louis mit einem Taschentuch die Tränen weg. Louis starrt nur nach oben und schluchzt.
„Ich nerve dich doch. Ich bin dir nur eine Last."
„Lou, du bist gerade mal einen halben Tag ein Mensch. Es ist doch nicht schlimm, dass du meine Hilfe brauchst..."
„Das ist es nicht, Harry. Gib doch einfach zu, dass du mich nicht magst", schnieft Louis und weint ein bisschen mehr. Er nimmt sich das Taschentuch aus Harrys Hand und schnaubt sich die Nase.
„Wie kannst du nur so etwas denken", sagt Harry schockiert. „Du bist mein Freund. Ich brauche dich wirklich, Louis. Ganz ehrlich."
Louis beruhigt sich etwas. Jetzt jedoch hat er einen Schluckauf.
„Ich würde dir ja etwas zu trinken anbieten, aber ich weiß, dass du dann wieder auf Toilette muss", sagt Harry halb grinsend und streicht Louis seine verschwitzten Haare aus dem Gesicht.
Louis hickst und putzt sich noch einmal die Nase. „Hier." Er gibt Harry sein verschnoddertes
Taschentuch.
Harry lacht leise, steht auf, wobei er über Louis krabbeln muss, und bringt es zum Mülleimer.
„Du musst dir keine Sorgen machen. Wirklich nicht", beschwichtigt Harry seinen kleinen Kumpel und kuschelt sich wieder zu Louis unter die Decke.
„Singst du mir jetzt ein Liedchen, Hazza?"
„Ein bestimmtes?", fragt Harry und fährt mit seiner Hand zart über Louis' zitternden rechten Arm.
„Nein. Nur irgendetwas."
Und dann singt Harry eben irgendetwas. Er summt und irgendwann wird daraus dann doch „Imagine" von John Lennon.
Louis entspannt sich in seinem zärtlichen Griff und ein paar Minuten später wird Louis' Atmung ruhiger und er fängt leise an zu schnarchen.
Harry lächelt verträumt bei diesem Geräusch.
Hätte er je gedacht seinen Louis schnarchen zu hören? Vor einem Tag hätte er diese Frage wohl mit einem klaren Nein beantwortet.
****
Morgens wacht Harry mit braunen Haaren im Mund auf. Er muss husten und befreit sich aus der Nische, die Louis ihm zum Schlafen gelassen hat. Er blickt sich um und erkennt Louis noch schlafend neben ihm. Seine Atmung ist schwer, seine Augenlider zusammen gepresst.
Harry stellt zum ersten Mal fest, dass Louis sehr lange und feminine Wimpern hat.
Und dann merkt er, dass er hart ist.
Wie könnte er auch nicht. Immerhin hat Louis seinen Arsch in seinen Schritt gepresst und bewegt sich andauernd in zuckenden Bewegungen.
Harrys einer Arm ist lahm, weil er die ganze Nacht Louis beschützend in seinem Griff gehalten hat.
Jetzt würde Harry gerne masturbieren oder kalt duschen. Denn seine Erektion tut wirklich nicht nur ein bisschen weh und Louis macht es mit seiner hübschen Anwesenheit nicht besser.
Harry will Lou wirklich nicht wecken. Schon gar nicht, weil Louis dann höchstwahrscheinlich Harry fragt, wieso sein Pipimann ganz hart an seinem Po ist.
Und das braucht Harry wirklich nicht
Langsam streift er also mit seiner Hand über Louis' Schulter und dann über seinen Arm. Er seufzt und setzt sich auf. Dann greift er an die Lehne der Couch hinter sich, stützt sich ab und hangelt sich dann vom Sofa ab. Irgendwie eben. Jedenfalls steht er froh und munter hinter der Couch und geht ins Badezimmer.
Harry weiß nicht, dass Louis die ganze Zeit wach war und mitbekommen hat, was Harry da getan hat. Und Harry weiß auch nicht, dass Louis wissend grinst und nur nichts gesagt hat, damit es nicht peinlich wird.
Er ist nicht dumm. Er weiß, was er da gemacht hat. Und er wollte es auch.
Harry stützt sich derweilen an der Wand im Badezimmer ab, während die andere seinen Penis auf und ab fährt. Er beißt sich auf die Unterlippe und stöhnt leise. Er will Louis nicht aufwecken. Was ist, wenn er ins Bad will oder klopft, weil er Harrys Stöhnen hört.
Louis jedoch bleibt auf der Couch liegen, Arme über dem Kopf, Augen zu und grinsend. Er seufzt, als er Harrys Laute hört. Zufrieden mit seiner Arbeit.
Er kann es also immer noch.
Als Harry das Bad gerötet und heiser verlässt, liegt Louis immer noch schlafend auf dem Sofa. Er hat seine Position geändert, nimmt nun den ganzen Platz ein. Ein kleiner Fuß lugt unten aus der Decke. Die Zehnen spannen und entspannen sich immer wieder.
Harry muss bei dem niedlichen Anblick lächeln und geht zur Küchennische. Er schenkt sich ein Glas Saft ein, um richtig wach zu werden und nicht nach seinem Orgasmus wieder einzuschlafen.
Er trinkt und schiebt sich ein Weißbrot in den Toaster.
Das Gerät quietscht und lässt Louis aufwachen. (Jetzt offiziell.)
Louis gähnt und streckt sich, nachdem er sich auf der Couch aufgesetzt hat. „Guten Morgen, Hazza", grinst er und kichert leicht.
„Morgen", murmelt Harry verpennt und reibt sich die Augen.
„Hast du gut geschlafen?", fragt Louis und unschuldig. (und nichts ahnend, wie Harry denkt).
„Ja, abgesehen von der nächtlichen Störung schon."
„Können wir nächste Nacht in deinem Bett schlafen?"
„Klar."
Das Brot springt getoastet hervor und Harry nimmt es fluchend heraus. Zu heiß.
Louis legt sich zu Harry gedreht hin und beobachtet seinen muskulösen Rücken. Harrys Muskeln sind deutlich zu erkennen und Louis muss zugeben, dass aus dem kleinen Jungen, der Hochzeit mit zwei Puppen spielt, ein beachtlicher Mann geworden ist.
Harry war der allererste, der Louis mit einem Ken verheiratet hat und nicht mit einer Barbie.
Außerdem hat Harry die Hochzeit so um die achtzig Mal nachgespielt.
„Hast du Cornflakes da?", fragt Louis - wieder ganz der kleine Junge.
„Ich glaube schon... Ein paar müsste ich noch über haben", murmelt Harry und sucht in seinem kleinen Eckschrank, wo eigentlich alle Lebensmittel, die er besitzt, eingequetscht stehen. „Ein paar habe ich noch", meint Harry und schüttelt die Box.
„Das reicht mir, ich bin ja noch nicht so groß. Ich brauche nicht so viel", sagt Louis glücklich und tapst, wieder eingehüllt in die Decke, zu Harry und stellt sich neben ihn.
Er möchte zu schauen wie Harry ihm die Cornflakes macht.
Harry gießt die Milch in eine Schale und schüttet ein paar Cornflakes herein.
„Du machst das falsch rum", mault Louis.
Harry stöhnt auf. „Sorry, ich kann nicht richtig denken. Willst du sie trotzdem oder soll ich noch zum Supermarkt und neue kaufen?", fragt Harry sarkastisch.
Louis schüttelt den Kopf, Der Sarkasmus prallt an ihm ab.
Harry schmiert sich sein Toast und wundert sich wieso Louis nicht anfängt zu essen. Er hat dem Kleinen sein Essen auf den Tisch gestellt, sogar einen Löffel daneben.
Harry setzt sich gegenüber von Louis an den kleinen wackeligen Holztisch.
„Wieso fängst du nicht an?", murmelt Harry und beißt von seinem Toast ab.
Louis druckst herum, bevor er es endlich sagt.
****
„Ich kann nicht allein essen..."
Harry stockt und starrt Louis nur verwirrt an. „Aber... Du hast gestern doch..."
„Das konnte man ja auch mit den Fingies essen", nuschelt Louis und zappelt mit seinen Beinen unter dem Tisch herum.
„Was versuchst du zu sagen, Lou?", fragt Harry skeptisch und kneift seine Augen zusammen.
Louis war doch gerade noch so... groß. Und jetzt?
Louis schnieft. „Dass du... na, dass du..."
Harry schüttelt rapide den Kopf. „Bitte wein nicht wieder. Ich mache alles, damit du nicht weinst, Louis!"
Louis sieht auf. In seinen Augen glitzert schon die erste Träne, die nur darauf wartet herunterfallen zu können. „F-Fütterst du mich?"
Wirklich, Harry muss ihn bald fragen wieso er sich wie ein Kleinkind verhält. Gerade scheint nur nicht der beste Zeitpunkt zu sein.
Also nickt Harry und lockt Louis damit ein Lächeln aufs Gesicht.
„Soll ich dich von hier aus... füttern?" Harry schluckt. Das ist wirklich komisch.
„Louis schüttelt den Kopf. Dann steht er samt der Decke auf und lässt sich auf Harrys Schoss fallen.
„Ah, also so, dass ich nicht essen kann", stellt Harry maulend fest. Ist nicht so, dass er auch Hunger hat.
Aber gut. Alles dafür, dass Louis nicht weint.
Er schiebt sich die Schale mit Cornflakes zu sich und rührt etwas in ihr herum, damit sich die Milch gut mit den Cornflakes mischt. Dann nimmt er etwas auf den Löffel und bringt diesen zu Louis' Mund.
Louis macht den Mund auf, nimmt alles in seinen Mund und kaut zufrieden. Seine kleinen Hände liegen warm unter der Decke und er freut sich so sehr, dass er etwas mit den Füßen wackelt. Er lehnt sich bei Harry an und sagt keinen Mucks, als Harry ihn weiter mit den Cornflakes füttert.
Irgendwie schafft es Harry, sich auch selbst sein Essen zu „füttern".
Dann ist die Schale leer und Louis fängt an unruhig zu werden.
„Was ist?", fragt Harry, noch einen halb vollen Mund habend.
„Muss Pipi", nuschelt Louis.
„Schaffst du das allein?" Wow, wirklich, Harold?, denkt er sich. Machst du bei Louis' komischen Spiel jetzt auch noch mit?
„Ganz dringend..."
„Louis, ich habe gefragt, ob du das allein schaffst oder ob ich dir helfen soll", sagt Harry etwas strenger.
Louis zuckt bei diesem Ton leicht zusammen. „S-Schaff das allein..." Er schwingt sich von Harrys Schoss, lässt die Decke von sich fallen, wo er sie auch liegen lässt und geht in kleinen Schritten zum Klo.
Harry stützt seinen Kopf auf seinen Arm und seufzt, als Louis außer Sichtweite ist. Was hat der Junge nur? Und wieso sagt er Harry nicht wie alt er wirklich ist?
Er räumt den Tisch ab und denkt weiter über alles nach. Louis muss älter sein als er. Immerhin war er schon früher, als Harry ein Kleinkind war eine Barbie. Vielleicht verhält sich Louis so komisch, weil er sein ganzes Leben mit Kindern verbracht hat. Er kennt es vielleicht nicht anders im Anbetracht der Tatsache, dass er sich nicht mehr an sein Leben davor erinnern kann.
Louis verlässt das Bad und sieht, dass Harry sich gerade ein paar frische Anziehsachen zusammen sucht. Er bemerkt Louis kurz danach und sagt: „Ich geh jetzt duschen."
Louis nickt nur und lässt sich auf die Couch fallen.
Harry will gerade das Bad betreten, da fragt Louis: „Hast du Spielzeug?"
Harry runzelt die Stirn und dreht sich mit einem verwirrten Blick um. „Spiel... zeug?"
Louis nickt eifrig. „Ich möchte gerne spielen."
Harry ist sich sicher, dass er gestern den Rest den er hatte weggeschmissen hat. (Oder in Louis' Fall eher „wegschmeißen wollte".)
„Ich glaube, ich hab nichts mehr. Meine Wohnung ist so mickrig. Ich hab nur das Nötigste", erklärt Harry schulterzuckend.
Obwohl... Nick hat ihm vor einer Zeit dieses teure Modellauto geschenkt. Auf dem Wagen steht „Harry" und das fand Nick zum Brüllen.
Harry nicht. Ein Modellauto? Wirklich?
Harry hat das blöde Ding nur nicht weggeschmissen, weil er es von Nick geschenkt bekommen hat. Geschenke schmeißt man nicht weg. (Jedenfalls nicht kurz nachdem man sie bekommen hat.)
****
„Ich habe ein Auto, glaube ich", murmelt Harry. Er legt seine Sachen ins Bad auf die Toilette und sucht dann durch die ganze Wohnung. Louis wartet geduldig auf der Couch.
Er sitzt auf seinen Unterschenkeln und wippt hin und her. Manchmal hört Harry wie er mit sich selbst spricht und dann muss er leicht grinsen.
Ja, Louis ist wirklich sehr niedlich.
Er findet das Auto ganz unten in seinem Schrank. In der letzten Schublade. Es ist noch nicht einmal ausgepackt.
Er wirft es Louis zu (oder versucht es besser gesagt), denn Louis duckt sich quietschend und so fällt das Auto samt Verpackung auf den Boden.
„Kannst du nicht fangen", lacht Harry und hebt das Auto auf.
„Du hast mich erschreckt!", protestiert Louis und wirft dramatisch die Arme in die Luft.
Harry schmunzelt. „Geht es deinen Armen wieder besser?"
Louis wird rot. Er muss wirklich langsam Protokoll schreiben, sonst kümmert sich Harry bald gar nicht mehr um ihn, wenn er weiß, dass Louis das alles selbst kann.
„Etwas", piepst er deswegen und nimmt die Arme wieder herunter.
Harry reicht ihm die Verpackung. „Ich geh dann duschen."
Doch Louis reicht ihm die wieder. „Ich krieg die nicht auf."
„Hast du es versucht?" Harry hebt eine Augenbraue.
Louis schüttelt beschämt den Kopf.
„Wenn du es immer noch nicht auf hast, wenn ich aus der Dusche komme, dann helfe ich dir, ja?"
Louis seufzt und dann sieht Harry, dass seine Schultern immer wieder zucken.
Oh nein.
„Nicht weinen. Gib mir die Verpackung, ich mach das schon." Dann setzt sich Harry neben Louis und fummelt das blöde Plastik von der Pappe, reißt es auf und gibt Louis die offene Verpackung wieder.
„Danke", lächelt Louis und schnieft noch etwas.
„Gern geschehen", seufzt Harry und geht ins Bad. Er stellt sich unter die Dusche, zieht sich an, putzt sich die Zähne und als er wieder in das Wohnzimmer kommt, sitzt Louis vor der Couch auf dem Boden und macht „Brumm, brumm", während er das Auto über den dreckigen Fußboden fahren lässt.
Er scheint sehr beschäftigt und so setzt sich Harry an den Küchentisch und schreibt eine Einkaufsliste.
Samstags geht er immer einkaufen und diesmal wird Louis dabei sein.
„H-Hast du auch gebadet, Harry?", fragt Louis. Er sitzt immer noch auf dem Boden und hat das Auto in der Hand.
Nein, geduscht. Ich hab den Vorhang wieder angebracht. Er hält nicht richtig, aber fürs erste geht das."
Louis nickt schüchtern und starrt dann wieder auf das Auto.
„Sind das... Steht da ein Wort?" Er hält Harry das Auto hin.
Harry runzelt die Stirn. „Du kannst nicht... lesen?", stottert er vorsichtig.
Louis schüttelt den Kopf. Seine Augen sind ganz groß und er scheint unsicher zu sein. Wird ihn Harry jetzt auslachen?
„Da... steht Harry", murmelt er, während er mit dem Stift in seiner Hand herumfummelt.
„Dein Name?" Louis lächelt lieb und um seine blauen Augen bilden sich Fältchen.
„Ja, ich habe es von Nick zum Geburtstag bekommen. Er fand es witzig, dass auf dem Wagen „Harry" draufsteht." Er lacht leicht.
Louis lächelt nur.
„Wir müssen gleich einkaufen gehen. Natürlich musst du nur mitkommen, wenn du möchtest." Harry schreibt weiter. Braucht er noch Eier? Hatte er das Mehl letztens aufgebraucht? Er könnte mal wieder Pasta kochen, oder? Mag Louis Pasta? Sicher mag er das. Wer mag keine Pasta?
Louis' Augen glänzen bei diesen Worten. „Ja, ich möchte gerne mitkommen!"
„Gut", lächelt Harry. „Willst du dich vorher duschen?"
Louis schüttelt schnell den Kopf.
„Wir kaufen dir auch eine Zahnbürste. Ich habe gerade keine da", stellt Harry fest und schreibt es gleich auf die Liste.
„Ich muss mir meine Zähne nicht putzen", grinst Louis.
„Wieso das nicht? Sind sie aus Marmor?"
„Nee, aber ich muss das nicht. Oder, Harry?"
Louis betet innerlich, dass Harry es merkt.
„Wir kaufen dir eine Zahnbürste, Louis. Punkt, aus Ende."
Puh, zum Glück.
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