Weisst du, wie man wach bleibt? (√)
"Weisst du, wie man wach bleibt?
Und weisst du was, ich mein nicht das Koffein-Konsumieren oder ne Linie ziehen und dann feiern Gehen. Ich mein nicht das mit Freunden Nächte durchlachen. Und auch nicht das Trinken und im Glitzerkleid tanzen, bis Pyrotechnik und Uhrwerke dir sagen, dass jetzt irgendetwas ganz ganz Neues beginnt.
Ich mein das Wach bleiben, wenn du schon so lange vor einem Bildschirm sitzt, dass du vergisst dass es Fenster gibt. Ich mein das Wach bleiben, wenn du dich viel zu früh unter Bettdecken begräbst weil du willst, dass es vorbei ist, für heute. Ich mein das Wach bleiben wenn du niemandem mehr so richtig zuhören kannst, weil dein Kopf dröhnt und andere mit ihrem Gelaber einen Remix draus machen, und selbst deren "was ist denn los?" dann einfach nur taktlos ist.
Manchmal findet man auf: ‚was ist denn los?' tausendundkeine Antwort", sag ich.
Ich muss dir das nicht sagen. Du nickst einfach nur.
"Aber weisst du, wie man wach bleibt?
Es gibt einen ganz einfachen biopsychologischen Trick um ohne Hilfsmittel wachzubleiben. Ganz aus dir selbst heraus, ganz einfach: Hochschauen.
Das lässt sich auch wissenschaftlich erklären. Denn: wenn wir müde werden, geht alles nach unten. Augenlider, Schultern, das Kinn sinkt auf die Brust. Wir kommen dem flachen Erdboden so nah wie es uns möglich ist. Aber wenn wir wach sind, sind wir meistens oben und wenn wir aufgeregt sind aufs Leben, sind unsere Augen weit. Wenn du wach bleiben willst, schau aus dem Fenster. Am besten nicht nur auf die Straße und aufs Nachbarhaus, sondern darüber hinweg. Geht nicht, wegen der Häuserfronten? Geh näher ans Fenster. Irgendwo ist der Himmel, immer. Glaub mir. Manchmal muss man den Kopf aus dem Fenster strecken, wenn die Häuser hoch sind. Bitte nicht rausfallen. - Springen erst recht nicht.
Aber wenn du müde bist: Schau aus deiner Bettdecke raus, schau im Alltag über die Köpfe der Leute hinweg, die dir nicht in den Kopf gucken und nicht ins Herz fühlen können."
Ich bin fertig und seh dich erwartungsvoll an. Meine Augen sind groß, meine Schultern angespannt.
Doch dann sie Ernüchterung.
"Lass es." Sagst du. "Ich will nicht aufstehen, aufsehen, rausgehen und du wirst das nie nachvollziehen. Denn das hat biopsychologische Gründe die bisschen komplizierter sind als oben und unten. Also lass es." Du machst eine kurze Pause. "Sorry.", meinst du noch.
Ich halte mich an diesem letzten Wort fest. Und ich sage:
"Ich will es aber verstehen und ich glaube ich versteh es besser als du denkst. Ich kenne es sogar besser, als du denkst. Und weisst du was ich in solchen Momenten dann mache? Ich schau trotzdem hoch, mit geschlossenen Augen."
Du schaust mich endlich wieder an und ich will es dir zeigen, ich schließ die Augen und heb den Kopf. Vielleicht hätte ich es dir besser ein andermal zeigen sollen, und nicht wenn mir aus den geschlossenen Augenlidern eine Träne läuft.
"Kacke! Der gute alte Vorführeffekt!", ruf ich mit zitternder Stimme. Heul-Kicher-Wackelkontakt.
Und dann hab ichs geschafft: du lachst.
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