Ganz schön dolle gar nicht übel

Eine Sache 

die ich neu gelernt habe: Mann nennt es Cute Dates

Wenn man sich heute verabredet, hat man nicht einfach nur ein Date, nein, man hat ein Cute Date. Eine gute Gesprächsinspiration auf dem eigenen Profil ist auch: "Was ist deine Idee für ein legendäres erstes Date?" Das stand zumindest bei D. auf dem Profil, und ich fand es eine gute Einstiegsfrage.
Auf einem seiner Bilder sitzt D. in einer Hängematte am Laptop. Ich erkenne mich selbst, die mobile Workaholokerin, darin wieder. Und ich mag den Kontrast von der chilligen Hängematte und dem arbeitsintensiven ThinkPad, und diesem lustig guckenden Jungen und seinen erwachsenen - zugegeben echt schönen - Händen mit dem silbernen Ring. Als es matcht schreib ich: "Legendäre erstes-Date-Idee: zur Paartherapie gehen und schauen, wie lange es dauert bis die Therapeutin begreift, dass wir uns gar nicht kennen."

(Die Idee hatte ich von einem anderen Profil geklaut, aber bitte sagt das D. nicht.)

Dann scrolle ich nochmal durch sein Profil und meine schließlich, man könnte natürlich auch ein Hängematten Date machen, nur würde man dann eben dicht zusammenrutschen.
Darauf meint er: "Das ist ja der Clou bei Hängematten Dates. Muss man wollen, sonst ist es ganz schön dolle gar nicht gut, aber sonst super."

Ich mag sein Wortgewerfe beim Satzbauen, ich find das ganz schön dolle ziemlich gut, also frage ich ihn, ob er mit mir zu einem Lost PLace Streetart Festival am Wochenende gehen will.

Er sagt mir zu und schreibt dann noch: "Ich hätte auch gar nichts gegen eine Einführung in die Kunst. Bitte erklär mir alles."

Und die Art wie er das sagt, lässt es mich direkt wollen. Der Junge ist schlau, wenn er sich so unwissend stellt.

(Das ist der Moment wo ich bei einer Lesung jetzt eine kurze Pause machen würde um in mich hinein zu kichern. Bitte stellt es euch kurz genau so vor.

...

Danke.)

Über unser erstes Treffen hab ich später in mein Tagebuch geschrieben: Wie unglaublich fucking aufgeregt wir beide waren und wie viel wir geredet haben und wie sehr wir das normalisiert haben, haha :D

Ja,

so ungefähr war es.

Wir hatten uns irgendwie unglaublich viel zu erzählen, und das ohne jeglichen roten Faden. Zwischendurch stopften wir glücklich und leicht stress-unterzuckert sein mitgebrachtes Bananenbrot in uns hinein. Wir redeten schnell und laut und lachten wirklich unnormal, es war eine Mischung aus Belustigung und über-die-Belustigung-herzlich-erstaunt-Sein. Beim Reden und Zuhören schälte er einen Stock nach dem anderen, befreite ihn vollständig von der Rinde. Wenn er nicht auch adhs hatte, dann wusste ich auch nicht weiter.

Ich erzählte ihm von einer riesigen und scheiße-schnellen Spinne, die ich am Abend davor im Bad gesehen, aus den Augen verloren, überraschend wieder gefunden und schließlich heldenhaft mit dem Zahnputzbecher gefangen hatte. Und dass ich nicht wusste, ob ihre dickfleischige Größe oder eben ihre Schnelligkeit das Ekeligere an ihr war, denn eigentlich mochte ich Spinnen sogar. Für die ganze Story brauchte ich - die Lachpausen eingerechnet - ungefähr 15 Minuten. Ich lachte so sehr, dass mir der Bauch wehtat und ich Tränen in den Augen hatte. Und, zu meiner Überraschung: er lachte ehrlich mit. Dann gab er der Spinne den Namen Turbomops™ (TM™, hahaa :D) und auch darüber lachten wir nochmals 5 Minuten. Ich fragte ihn, ob ich "Turbmops" in einen meiner Texte einbauen darf, und er erlaubte es mir. Da sind wir also.

Zurück zum Tag:

Dann versuchten wir uns noch ein wenig dieses vielzuschöne Graffiti-Happening anzuschauen, doch sich dabei auch noch so umfrangreich zu unterhalten stellte sich als Überforderung heraus. Vor dem letzten Gebäude sagte er: "Ich glaub das wird mir jetzt zu viel, wollen wir in die Hängematte?"
Ich sah ihn mit großen Augen an.

Bis zu diesem Zeitpunkt muss ich zugeben, dass ich mich auch guten Gewissens ohne weitere Zärtlichkeiten nach diesem schönen und auch sehr lustigen Nachmittag von ihm hätte verabschieden können, in die Friendzone geschoben. Aber eben nur bis zu diesem Zeitpunkt.

Tja, Hängematten sind da eben richtige Game Changer.

Wir suchten uns zwei tolle Bäume, er zeigte mir wie man den richtigen Knoten macht und nun hatten wir offiziell ein Hängemattendate. Ich glaube ab da wurde es auch wirklich zu einem Cute Date, sozusagen eine Stufe höher gehoben. Er lehnte sich in den dünnen Stoff, den Arm hinter dem Kopf verschränkt, und blinzelte mich an.
Ich blieb noch kurz sitzen, schlang beim Reden wie selbstverständlich meine Arme um sein angewinkeltes Knie, legte irgendwann mein Kinn darauf ab, kapitulierte schließlich, ließ mich zu ihm umkippen, und man musste echt nicht viel tun, man kuschelte sich ganz automatisch aneinander, wie Schwalben im Nest.

Haha, voll schön.
Easy Nähe ist echt eins der besten Dinge auf der Welt. Das ist, was wir wollen. Cute Dates und Easy Nähe. I like.

Zwischendurch kicherten wir ein bisschen, aber alles Weitere zögerte ich hinaus. Tatsächlich war ich mir nicht einmal sicher, ob ich mehr überhaupt brauchte.

Vorteile von Hängemattendates: Easy Nähe, man sieht die Außenwelt nicht, es schaukelt schön, man bekommt fast so kindheitsartige, behütete Flashbacks.

Nachteile von Hängemattendates: Will man zischendurch Abstand nehmen, geht das am ehesten, wenn man sich auf die Person drauf legt und sich auf die Ellenbogen stützt, so missonary-mäßig. Nur leider ist das dann auch kein Abstand, ne? Also nochmal:
Nachteile: Unvermeidbare Nähe, man sieht die Außenwelt nicht... aber man hört sie! Und die Außenwelt sieht wahrscheinlich eine Hängematte, die eine recht ominöse Form hat.

Wir machten die ganze Zeit Witze darüber, dass kleine Kinder um uns herumrennen. Ich streichelte D. über den Kopf und grinste, zog ihn an mich. Das mache ich irgendwie immer, ist mir aufgefallen. Ich mache es nie nicht, bei niemandem, egal wie egozentrisch oder dominat sich die Person gibt. D. gab sich jedenfalls (noch) nicht so. Er wickelte eine meiner Haarsträhnen um seinen Finger, die ganze Zeit. Dafür drückte ich ihn nochmal etwas fester.

Irgendwann fragte ein Kind neben uns: "Papa, was machen die Leute in der Hängematte?", und der Vater sagte: "Das ist jemand, der muss sich vom Tanzen ausruhen."
Darüber lachten D. und ich. Dann küssten wir uns. Ich finde es immer komisch, manchmal passt es sofort, aber manchmal erwatet man auch, dass eine Person so küsst, wie man es schon kennt. Ich kann immer nicht einschätzen, ob jemand schlecht, oder einfach nur anders küsst. Denn wenn es einfach nur anders ist, dann bin ich ja auch gewissermaßen "schlecht", in diesem Moment, für diese Person. Vielleicht dachte ich ein bisschen zu viel nach, vielleicht hatte ich (noch) nicht genug Lust drauf, jedenfalls passten unsere Lippen noch nicht so ganz aufeinander.

Da kraulte mir D. die Haare, ich guckte ihn kurz an. Von Nahem sah er nochmal niedlicher aus als sowieso. So wie alle Menschen eigentlich von Nahem. Es gibt diesen Moment, in dem die Gesichtszüge von Menschen noch weicher werden, und dann betrachtet man sie aufs Neue und mit ganz anderen Augen. Ich küsste D. nochmal und dachte dabei an nichts. Und dann wars echt gut. Ziemlich gut.

Er musste lachen über meinen Sinneswandel und fragte mich, was er denn jetzt anders gemacht hätte. Und das er vorher das Gefühl gehabt hat, es hätte nicht so wirklich gepasst. Er war verdammt ehrlich, ich mochte das. Ich zuckte die Schultern. "Jetzt passt es aber?", fragte er grinsend. Ich nickte und küsste ihn und er nickte grinsend mit.

Nach einer kurzen Weile meinte er zu mir: "Ich fühle mich bei dir irgendwie so..." Denkpause. "Wertgeschätzt. Und anerkannt.".
Ich freute mich sehr darüber.
"Das ist nicht bei allen so.", setzte er hinzu. Seine Andeutungen über andere Dates waren zwischendurch immer ein bisschen komisch, doch in diesem Moment mochte ich es. Generell filterte ich seine ungefilterten Aussagen ganz anders. Und insgesamt fand ich seine Umgangsform sehr fortschrittlich, ja, um nicht zu sagen: innovativ.

Nach ein paar Minuten sagte er manchmal "Fuck" und biss sich auf die Lippe und. Ja. Fuck, ne? Ich war froh, dass wir in der Hängematte und draußen unter Leuten waren. Und gleichzeitig nicht. Eventuell war unsere Silhouette eine ziemliche Zumutung.

"Meine Lippen sind schon ganz wund.", meinte er irgendwann.
"Meine nicht."
"Echt?"
Ich grinste ihn an. "Ja. Soll ich aufhören dich zu beißen?"
"Bitte nicht." Er grinste zurück.

Irgendwann wendeten wir uns einmal, wie Gemüse in der Pfanne. Eigentlich wollten wir nur Seiten tauschen, aber dann lag er auf mir drauf und eventuell war das "ein bisschen dolle gut". Ich hielt ihn schnell da fest, grinste ihn an, "Stopp das ist gemütlich!". Dann verzog ich das Gesicht und sagte leidvoll: "Och scheiße!" und musste richtig lachen, und er stimmte in mein Lachen mit ein. Nach dem Kicher-Exkurs dachte ich, es geht wieder. Aber da legte er den Kopf schief und schmunzelte mich an.

Er meinte er mag es, dass ich auch jemand bin, der beim Rummachen gerne lacht, und sich davon nicht irritieren lässt. Er lachte viel und mochte das richtig. Und ich mochte, dass er mochte, dass ich das auch mochte. Ja. Da gibts ja fast nirgendwo was auzusetzen. Fuck.

Zwischendruch setzte ich mich auf. "Ich hab Sonnenbrand auf der Nase, das irritiert mich.", sagte ich und drehte mich weg, wie ein Waschbär der alleine sein Diebesgut aufessen will. "Warte komm mal her.", sagte D. und ich drehte mich grinsend um, die Hände halb vorm Gesicht.
Dann zupfte er mir lieb den Sonnenbrand von der Nase.

Als ich später Abends alleine im Bett liege, und nochmal daran denke, muss ich plötzlich lautstark drüber lachen.

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