Kapitel 3 - Gruppenarbeit

Der nächste Tag startete mit Physik, ein Fach, dass ebenfalls von Herr Scholl unterrichtet wurde, weshalb ich die Hoffnung hatte, dass es nicht so langweilig sein würde, wie auf meiner alten Schule.
Neben mir kicherten Emma und Louisa. Sie schienen das Fach wohl nicht allzu ernst zu nehmen, weshalb ich die Augen verdrehte.
Sie redeten selbst während Musik noch, welche Frau Lieblich unterrichtete. Aus irgendeinem Grund bekam ich die Gerüchte über unsere Lehrerin, von denen mir Emma erzählt hatte, nicht mehr aus dem Kopf. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass man an einer Lehrerin interessiert sein konnte. Wieder zog sich eine Gänsehaut über meinen Körper. Vermutlich unterhielten Emma und Louisa sich ebenfalls gerade darüber.
Das Wort "Partnerarbeit" ließ die beiden jedoch aufschauen und auch mein Herz begann höher zu schlagen. Gruppenarbeit hatte ich am wenigsten vermisst. Ich verstand immer noch nicht, was sich die Lehrer dabei dachten.
Frau Lieblich gab jedem Schüler eine Nummer von 1-4, um die Gruppen einzuteilen.
Als alle aufstanden, um sich mit ihren Partnern zusammen zu setzen, tat ich es ihnen gleich und ging in die hintere linke Ecke des Raumes, die relativ wenig Licht abbekam, in der sich die 3er treffen sollten.
Als ich auf den Tisch zu steuerte, merkte ich, dass Hannes dort saß. Auch er blickte zu mir und lächelte, als er merkte, dass ich in seine Gruppe gehörte.
Außer mir und ihm saßen außerdem noch zwei weitere unserer Mitschüler an dem Tisch, die ich noch nicht kannte.
"Ihre Aufgabe ist es, eine Präsentation zu einem Lied vorzubereiten und Ihren Mitschülern nächste Woche vorzustellen", erklärte Frau Lieblich die Aufgabe, währenddessen wagte ich einen Blick zu Hannes, nur um festzustellen, dass er mich bereits lächelnd ansah.
Mit einem Schlag war der Gedanke, dass er eventuell auch an Frau Lieblich interessiert sein könnte, verflogen.
"Welches Lied analysieren wir?", fragte Hannes in die Gruppe.
"Irgendwas leichtes", murmelte das Mädchen neben mir und wickelte sich eine ihrer pechschwarzen Strähnen um den Finger. Ihr Blick fiel auf mich und schon war das Lied nicht mehr Thema unserer Gruppe, "Du bist doch die Neue, oder?"
Ich nickte nur.
"Ich bin Violette", stellte sich das Mädchen vor und kaute schmatzend auf ihrem Kaugummi herum.
Hannes verdrehte die Augen, weshalb ich schmunzeln musste. Der Junge, der auf meiner anderen Seite saß, schien sehr abwesend zu sein. Er drückte unter dem Tisch auf seinem Handy herum.
"Kennt ihr gute Lieder?", fragte Violette.
"Was mit Rap", kam es von dem Jungen neben mir, der sich als Daniel entpuppte.
"Gott bitte nicht!", stöhnte Violette neben mir und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Frau Lieblich drehte währenddessen einige Runden durch das Klassenzimmer und beobachtete die Gruppen bei ihren Diskussionen.
"Hast du einen Vorschlag?", fragte Hannes und sah mich dabei eindringlich an. Kurz schluckte ich, da mein Musikgeschmack etwas sehr persönliches für mich war und ich mit meinen Gruppenmitgliedern in der Hinsicht bisher wenig teilte.
"Also ich finde 'Pompeii' ist ein schönes Lied", überwand ich mich letztendlich und warf meine Idee in den Raum. Hannes nickte zufrieden, "Von Bastille?"
Diesmal nickte ich. Er kannte das Lied also und er wirkte nicht enttäuscht darüber.
"Kenn' ich nicht", meinte Violette, worauf Daniel das Lied über sein Handy abspielte. Sofort verzog er das Gesicht, "Ist ja schnulzig."
"Voll schön!", gab Violette nun ihre Meinung kund.
Wir einigten uns auf das Lied - komischer Weise ohne großes Missfallen Daniels - und machten einen Treffpunkt aus, um die Aufgabe gemeinsam zu erledigen.
In den letzten beiden Stunden lernte ich unsere Deutschlehrerin Frau Reed kennen. Sie schien nett und schon etwas älter zu sein. Deutsch blieb deshalb trotzdem eines der Fächer, die ich nicht besonders mochte.

Zurück in meinem Zimmer, steckte ich mir erstmal Kopfhörer in die Ohren und hörte mir das Lied unserer Gruppenarbeit an. Ich mochte es sehr und wie von selbst, nahm ich meine Geige und begann das Lied zu spielen.
Als ich die letzte Note gespielt hatte, kam Emma in den Raum.
"Wunderschön", murmelte sie und ließ sich auf ihr Bett fallen, "Hast du mal überlegt dein Talent zu zeigen?"
Fragend blickte ich sie an.
"Na hier in der Schule werden viele Wettbewerbe organisiert."
Langsam schüttelte ich den Kopf, "Ich kann nicht vor Leuten spielen."
Emma zuckte mit den Schultern, damit war das Thema für sie scheinbar erledigt, was ich begrüßte. Ich konnte es nicht leiden, wenn auf mich eingeredet wurde, obwohl ich das manchmal brauchte um in die Puschen zu kommen.

Nachmittags machte ich mich auf den Weg zu unserem Treffpunkt; der Park vor der Schule. Ich war stolz, dass ich mich auf dem Weg dort hin nicht verlaufen hatte, da das gesamte Gebäude wirklich verwinkelt war. Auch der Park war riesig und überzeugte mit einigen kleinen Bäumen, die auf der Wiese verteilt standen. Ein breiter Weg bahnte sich durch die Wiese und führte einen auf die Straße an den Bänken vorbei. Auf eine der roten Bänke setzte ich mich und wartete. Nach einer Weile tauchte Hannes auf und nahm neben mir Platz, "Und ich dachte ich bin spät dran."
Ich schmunzelte.
"Na ja, bei Violette und Daniel ist das kein Wunder."
Sie schienen wohl oft zu spät zu kommen. Von meiner alten Schule war ich das bereits gewohnt, da hatte ich die Gruppenarbeiten fast immer alleine erledigt. Weshalb ich froh war, dass Hannes überhaupt aufgetaucht war.
"Wir können ja schonmal anfangen", schlug er vor und ich stimmte ihm zu.

Tatsächlich tauchten die beiden nicht mehr auf, was ich ihnen jedoch zugegebenermaßen nicht mal übel nahm. Es war schön mit Hannes im Park zu sitzen und über das Lied zu reden. Er schien es ebenfalls zu mögen und das machte mich auf eine komische Art und Weise glücklich. Nach einer Weile ging es nicht mehr nur um das Lied.
"Von wo kommst du eigentlich?", fragte er irgendwann.
"Aus Washington, aber meine Eltern sind mit mir vor Kurzem nach New York gezogen, nicht weit von hier", antwortete ich, in Gedanken an meine Eltern versunken.
"Wieso bist du auf das Internat gewechselt?"
"Weil ich Geige spiele. Und na ja, hier kann ich das endlich ganz frei machen. Und weil meine Eltern umgezogen sind, mein Vater hat einen neuen Job angenommen."
Er lächelte während ich erzählte.
"Und du? Warum bist du hier?", fragte ich ihn, bemüht nicht zu neugierig zu klingen.
"Ich spiele Klavier, seit ich denken kann. Und nirgends sonst kann ich das so ausleben, wie hier. Außer ich wäre ein berühmter Musiker", er lachte und ich stimmte mit ein.
"Wer weiß", murmelte ich und dachte wieder an Emmas Worte, wegen der Wettbewerbe. Ich könnte sie mir ja zumindest mal ansehen.

Nach dem Abendessen lag ich glücklich und satt in meinem Bett und hörte Pompeii in Dauerschleife. Dabei dachte ich unentwegt an mein Gespräch mit Hannes im Park. Bevor ich einschlief, bereitete ich mich gedanklich auf den nächsten Tag vor. Morgen würde ich das erste mal im Orchester spielen.

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