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Pov Luc
In zwei Wochen begannen endlich die Sommerferien und in der Schule passte schon längst keiner mehr auf. Alle hingen in den Stühlen und fächelten sich Luft zu, denn in den letzten Tagen war es unglaublich heiß geworden. Über dreißig Grad. Im Schatten! Aber anstatt uns mal Hitzefrei zu geben, versuchten uns die Lehrer noch irgendetwas beizubringen. Ein sinnloses Unterfangen, doch sie wollten trotzdem nicht aufgeben. In der Pause füllte ich gerade meine Trinkflasche mit kaltem Wasser auf, als mich jemand antippte. Hinter mir stand Nele, eine Klassenkameradin, und lächelte mich an. „Hast du kurz Zeit? Ich würde gerne etwas mit dir besprechen", fragte sie und ich nickte, da ich als Klassensprecher öfter angesprochen wurde.
Ich lief hinter ihr her in ein leeres Klassenzimmer und bekam nicht mit, wie Nic mir noch fragend hinterher sah. Wir setzten uns in eine Ecke und ich sah Nele auffordernd an. „Was möchtest du denn mit mir besprechen?" „Also, i-ich... Ich wo-wollte", stotterte sie und ich legte ihr aufmunternd eine Hand auf die Schulter. „Wenn du irgendwie Ärger hast oder sonst was ist, kannst du es mir ruhig sagen!"
Sie holte tief Luft und sah mir dann direkt in die Augen. „Ich habe keinen Ärger. Ich wollte dir nur sagen, dass ich dich sehr gerne mag", sagte Nele, wobei sie zum Ende hin immer leiser wurde. Oh... Damit hatte ich nicht gerechnet. Was sagte man darauf am besten? „Ich finde dich auch nett", erwiderte ich. Eine Sekunde später ärgerte ich mich schon über mich selbst. Ich wollte sie eigentlich freundlich abwimmeln, aber sie nicht noch zu mehr ermutigen. Doch Nele fasste meine Worte offenbar falsch auf, denn sie begann zu strahlen und beugte sich dann schnell zu mir.
Ohne, dass ich ihr in der kurzen Zeit hätte ausweichen können, lagen ihre Lippen plötzlich auf meinen. Erschrocken riss ich meine Augen auf und versuchte mich von Nele zu lösen. Doch sie hatte schon ihre Arme um mich geschlungen, sodass ich mich nur schwer von ihr trennen konnte. Endlich löste sie sich von mir. Ich machte schon den Mund auf, um sie wegen ihrer forschen Aktion zurechtzuweisen, als mein Blick auf die halb offene Tür fiel.
In dem Augenblick lief jemand an der Tür vorbei und ich erkannte Luc, dessen überraschte Augen auf meine trafen. Für eine Millisekunde wanderte sein Blick über Nele und mich, bevor er, ohne einen weiteren Blickkontakt zu mir, wegging. Ich starrte auf die Türöffnung und fühlte mich irgendwie schlecht. „Was hast du, Luc?", fragte Nele auf einmal besorgt und nahm meine Hand, doch ich riss mich von ihr los. Verletzt sah sie mich an, doch mich kümmerte das nicht, weil ich zu beschäftigt war, ruhig zu bleiben und sie nicht anzuschreien. Ich sprang auf und drehte mich in der Tür nochmal kurz zu ihr um.
„Nele, ich schätze dich als Klassenkameradin, aber ich mag dich nicht auf romantische Weise", sagte ich bestimmt zu ihr und sie nickte unter Tränen. Dann lief ich zurück in Richtung des Klassenraums, wo Nic sich wahrscheinlich befand. Im Laufen wischte ich mir schnell über meinen Mund. Das hatte ich nicht in Neles Anwesenheit machen wollen, um sie nicht noch mehr zu verletzen, aber der Kuss hatte sich einfach nicht gut angefühlt. Im Klassenraum war Nic nicht, aber ich wollte unbedingt mit ihm reden. Deswegen machte ich mich auf die Suche nach Nic und lief durch die ganze Schule, bis mir schließlich nur noch ein Ort einfiel, an dem er sein konnte.
„Nic? Bist du hier?", flüsterte ich durch die Tür. Dieser Ort befand sich im Schulkeller und wir hatten ihn zufällig letztes Jahr entdeckt. Seitdem kamen wir immer hierher, wenn wir ganz ungestört miteinander reden wollten. Es handelte sich hierbei um eine Art Abstellkammer die zwar nicht riesig war, aber in der wir beide locker Platz fanden. „Ja, bin ich", erklang seine gedämpfte Stimme und ich öffnete die Tür. Meine Augen mussten sich erst an die Dunkelheit gewöhnen, da das Licht hier nicht funktionierte und es dauerte einige Sekunden, bis ich ihn sah. Nic saß mit dem Rücken zu mir gegen ein Regal gelehnt und ich setzte mich langsam neben ihn.
Nach einer Weile in der wir schweigend nebeneinander saßen, kam mir seine Zurückhaltung immer merkwürdiger vor. Normalerweise war er der aktivere von uns beiden und immer gut gelaunt. Eigentlich hatte ich mit ihm über den versehentlichen Kuss mit Nele sprechen wollen, aber mir machte sein Verhalten Sorgen, weshalb ich fragte: „Was ist denn los bei dir?" „Nicht so wichtig", murmelte Nic, doch das sagte mir nur noch mehr, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. „Mir ist nur alles gerade zu viel mit der Schule, den Zwillingen und Lucy", sagte er nach einigen Minuten. Ich spürte zwar, dass er mir etwas verschwieg, aber da ich ihn nicht zwingen wollte mit mir zu sprechen, beließ ich es dabei. Stattdessen legte ich vorsichtig meinen Arm um seine Schultern, um ihn wenigstens so zu unterstützen. Nic entspannte sich sichtlich und lehnte sich an mich, was mich erleichterte. Auch wenn wir nicht immer miteinander sprachen, konnten wir uns aufeinander verlassen.
„Soll ich dir Lucy mal für ein paar Tage abnehmen?", fragte ich. Vielleicht half ihm das ja. „Das wäre echt super", seufzte Nic und verzog sein Gesicht zu einem leichten Lächeln. Dabei fielen mir die letzten Steine vom Herzen und ich entspannte mich ebenfalls. Immerhin konnte er schon wieder lächeln. „Dann bring sie mir doch nachher vorbei", schlug ich vor und er nickte dankbar. „Mach ich." Dann lehnte ich mich zurück und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Ich spürte noch wie Nic sich näher an mich kuschelte, bevor ich eindöste.
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