Kapitel 11

~Pov. Jimin~
Ich konnte gerade nicht wirklich glauben, was er gerade gesagt hatte. Das konnte doch nicht sein, dass sie im Heim so etwas machten. Wieso war so etwas nicht bekannt? Oder wusste ich das einfach nicht, weil ich mich damit nie beschäftigt hatte? Vielleicht wusste das jeder außer mir. Aber warum lernten wir sowas denn nicht in der Schule?

„Kommst du jetzt?", fragte er und erst jetzt realisierte ich, dass er bereits weiter gegangen war. Schnell lief ich ihm nach und wir kamen zu einem großen Berg aus allen möglichen Möbeln und Haushaltsgegenständen. „Mein Rucksack war doch in einem Container mit Pappe und so. Wieso gucken wir hier?", fragte ich verwirrt. „Sie trennen den Müll und haben deinen Rucksack hier vermutlich irgendwo rauf geworfen."

Zögernd ging ich näher an den Berg heran und fing an mich etwas umzusehen, traute mich aber nicht irgendetwas zu berühren. Zu sehr hatte ich Angst davor, dass der Berg auseinander fiel. „Ist das dein Rucksack?", fragte er plötzlich und hielt tatsächlich meinen Rucksack nach oben. Erleichtert atmete ich aus und bejahte, während ich zu ihm ging und ihm meinen Rucksack abnahm.

„Wir gehen gleich, ich guck noch kurz, ob es da was zu Essen gibt.", meinte Yoongi und lief wieder zurück zu dem stinkendem Berg aus restlichen Lebensmitteln. Ich spürte wie sich meine Kehle zuschnürte, als ich ihn dabei beobachtete, wie er anfing sich dort umzusehen und auch anfing in dem Berg zu graben und herum zu wühlen.

Ihm schien das nichts auszumachen, doch mir ging das wirklich nahe. Wieso verstand ich selber nicht, doch es tat mir unglaublich leid ihn so zu sehen.

Langsam ging ich auf ihn zu und sagte vorsichtig:„Ich kann dir auch was zu Essen kaufen, wenn du willst." „Ach brauchst du nicht. Ist nur Geldverschwendung. Ich meine ich finde hier ja auch noch etwas.", sagte er, während er eine Pizzaschachtel öffnete. In ihr war ein angefangenes und schimmelndes Stück Pizza und man konnte eine Spinne darauf herum krabbeln sehen.

Er warf die Pizzaschachtel weg und sah sich weiter um, doch ich hielt ihn am Oberarm fest. Verwirrt sah er mich an, was mich sofort etwas nervöser machte. „E-es ist wirklich kein Problem. Ich kann dir was kaufen.", meinte ich. Er musterte mich noch kurz, zuckte dann aber mit den Schultern. „Wenn du meinst. Dann riskiere ich auch nicht wieder eine Lebensmittelvergiftung zu bekommen. Lass uns gehen.", sagte er und löste meinen Griff, ehe er zu einen der Müllberge an einer der großen Betonwände ging, die das Gelände umzäunten.

Langsam folgte ich ihm und fragte:„Wie kommen wir wieder raus?" „Wenn wir durch den Eingang gehen werden wir sicherlich gesehen. Ich habe hier mal einen kleinen Tunnel gegraben, mit dem ich normalerweise raus und wieder rein komme.", erklärte er, während er die Müllbeutel zur Seite schob. Ein Loch kam zum Vorschein, durch welches er dann innerhalb weniger Sekunden krabbelte.

„Reich mir deinen Rucksack durch.", sagte er, was ich befolgte. Dann kletterte ich ebenfalls durch, auch wenn es mich etwas Überwindung kostete, da ich ja quasi durch den Boden krabbelte. Wer weiß wie viele Bakterien und Käfer dort überall waren.

Als ich auf der anderen Seite wieder ankam stand ich schnell auf und klopfte mir meine Kleidung sauber, was den Anderen schmunzeln ließ. Er reichte mir meinen Rucksack, den ich dankend annahm und gemeinsam machten wir uns auf den Weg zurück in die Stadt. „Auf was hättest du denn Lust?", fragte ich und sah zu ihm. Dabei fiel mir auf, dass er immer noch sehr humpelte, doch anhand seines Gesichtes konnte man nicht erkennen, dass er Schmerzen hatte.

„Weiß nicht. Ein Brötchen oder so etwas reicht mir vollkommen.", meinte er. „Brauchst du sonst noch irgendwie etwas? Was für die Schule oder vielleicht neue Klamotten?", fragte ich vorsichtig. Ich wusste mittlerweile gar nicht, wie ich mit ihm reden sollte. Er hatte eine böse DNA und dazu war er auch noch religiös. Und immer wieder änderte sich seine Stimmung von neutral auf extremst angsteinflößend. Er war wie eine tickende Zeitbombe und ich könnte sie bei jeder Berührung zum Explodieren bringen.

Er schien zu überlegen und schaute dann an sich runter. „Eigentlich brauche ich nichts.", meinte er dann, was nicht wirklich stimmte. Denn immerhin hatte er ein großes Loch in seiner Hose, jedoch traute ich mich nicht etwas in irgendeiner Form zu entgegnen und gab nur ein kurzes 'okay' von mir.

Nach einigen Minuten kamen wir weiter in die Innenstadt und das merkte man besonders daran, dass mehr Menschen herumliefen. Außerdem fuhren auch mehr Autos, die Häuser wurden langsam höher und waren dichter bebaut.

Jedoch gingen wir nicht in die Innenstadt, sondern blieben am Rand dieser, da wir Yoongi ja nur etwas zu essen kaufen wollten. Gemeinsam gingen wir in eine Bäckerei, die gleichzeitig ein Café war. Ich schaute mich etwas um und war von dem leicht rustikalen Touch sehr beeindruckt. Es wirkte modern und gleichzeitig wie ein Stück Vergangenheit.

Ich wollte vorschlagen uns hier hin zu setzen und etwas zu entspannen. Etwas zu reden und einfach eine schöne Zeit zu genießen. Jedoch fiel mir gerade wieder ein, mit wem ich überhaupt hier war. Ich musste vorsichtig mit sowas sein! Sicherlich war er auch genervt von mir und wollte, dass das einfach schnell vorbei war.

„Über was denkst du nach?", fragte er dann und riss mich so aus meinen Gedanken. Ich holte gerade Luft, um zu antworten, da sagte er:„Wehe du sagst, dass es nichts war." Ich wusste nicht, ob seine Stimme einen drohenden Unterton hatte, oder ob ich mir das einbildete. Doch da ich es nicht wusste verunsicherte es mich mehr, als wäre der drohende Ton klar deutlich gewesen.

Ich schaute zu den Tischen, die allesamt belegt waren. Zögernd antwortete ich:„Dass man sich vielleicht mal hier her setzen könnte oder so. Aber ist egal." Ich bekam keine Antwort, weswegen ich mich umdrehte. Doch da stand er nicht mehr. Verwirrt drehte ich mich wieder zu den vielen Tischen und sah ihn auf ein Pärchen in unserem Alter zugehen, die gerade etwas herum turtelten.

Ich wollte zu ihm und ihm sagen, dass er das nicht machen sollte, doch ich wusste ganz genau, dass ich mich das nicht traute. Wie bereits gesagt, er war eine tickende Zeitbombe und ich hatte Angst davor ihn explodieren zu lassen, was mit einem Satz passieren könnte.

Er redete kurz mit dem Pärchen und man sah ihnen an, dass sie von seinen Worten geschockt waren. Schnell standen sie auf und wollten gehen, doch Yoongi sagte erneut etwas zu ihnen. Schnell nahmen sie ihre Tassen, die auf den Tisch gestanden haben, und brachten sie zurück, ehe sie das Café schnell verließen.

Dies hatten auch andere Kunden mitbekommen und sahen einerseits verwirrt, andererseits auch etwas ängstlich und nervös aus. Doch dies schien Yoongi entweder nicht mitzubekommen oder zu ignorieren und er setzte sich einfach auf einen Stuhl und sah mich abwartend an. Zögernd lief ich auf ihn zu und setzte mich hin. „Das hättest du nicht machen müssen.", meinte ich vorsichtig.

Er zuckte jedoch nur mit der Schulter und sagte:„Jetzt ist es eh zu spät.", und griff nach der Speisekarte. Ich dagegen nahm die Getränkekarte und schaute mir die verschiedenen Kaffeesorten an, wobei jeder besser klang, als der andere. Nach einiger Zeit tauschten wir die Karten und bestellten dann. Wenige Augenblicke später kam auch unsere Bestellung an. Ich hatte mich für einen Kakao und einem Donut entschieden. Yoongi hingegen für einen Kaffee und ein Brötchen.

„Ich gebe dir das Geld dann wieder.", sagte er, nachdem er an seinem heißen Kaffee genippt hatte und biss nun ein Stück vom Brot ab. „Musst du nicht.", meinte ich, da ich ja wusste wie wenig er eigentlich hatte. Außerdem war der Drang in mir, das zu sagen. Das lag, wie eigentlich immer, an meiner DNA.

„Okay, auch kein Problem.", meinte Yoongi und aß weiter, während ich ihn etwas verwundert ansah. Normalerweise beharrte ja die andere Person darauf einem etwas zurück zu zahlen und so war ich es auch gewohnt. Deswegen überraschte es mich etwas, dass er es einfach hinnahm. Ich fing nun ebenfalls an zu essen.

„Kommst du morgen wieder in die Schule?", fragte ich dann vorsichtig. „Vermutlich schon. Ich habe keine Lust noch länger zu fehlen.", meinte er und verstehend nickte ich. Zu viele Fehltage waren kein guter Eindruck in der Schülerakte, weswegen viele es vermieden. Ich selber fehlte wirklich selten, höchstens eine Woche in einem Schuljahr.

Nachdem wir aufgegessen hatten ließen wir uns noch Zeit beim austrinken unserer Getränke. Dabei schaute ich aus der großen Fensterfront, von der wir etwas entfernt saßen. Einige Leute liefen an ihr vorbei und als ich auf meine Uhr schaute stellte ich fest, dass es später Nachmittag war und bald der Abend beginnen würde.

„Wieso hast du mir eigentlich was zu essen und trinken gekauft?", fragte Yoongi dann und ich sah ihn etwas überrascht an. „Na weil ich Menschen helfen will. Kommt aber von meiner DNA.", murmelte ich etwas schüchtern. Er nickte dann nur kurz verstehend, sagte dann aber etwas leiser:„Das war meine erstes richtige Mahlzeit seit Monaten."

Einerseits war ich schockiert, wegen dem was er sagte. Andererseits von der Art, wie er es sagte. Seine Stimme war leise und etwas sanfter. Er klang fast schon schüchtern als er das sagte. „Wieso das denn?", fragte ich dann nach einigen Sekunden Pause. „Ich habe weder Geld, noch etwas, was ich mein Zuhause nennen kann. Keine Person die mir irgendwie hilft. Das wenige Geld, was ich verdiene, teile ich mir auf und habe so vielleicht, wenns sehr gut läuft, einmal am Tag etwas zu essen.

Aber ich muss mich eben oft zwischen Trinken und Essen entscheiden und da Trinken um einiges wichtiger ist, als Essen nehme ich oft das. Deswegen kam eine wirkliche Mahlzeit mit Essen und Trinken nie zustande.", erklärte er, nun klang er aber um einiges desinteressierter und gleichgültiger.

„I-ich wusste gar nicht, dass das so schlimm ist.", murmelte ich etwas geschockt und sehr überrascht. „Woher sollst du das auch wissen. Das wissen nur die Leute, die es selbst erleben." Er trank den letzten Schluck seines Kaffees aus und stand dann auf. „Lass uns gehen.", sagte er und lief zur Tür. Schnell trank ich noch den letzten Schluck meines Kakaos aus und kramte aus meiner Hosentasche etwas Geld, was ich dann auf den Tisch legte.

Dann lief ich ihm schnell nach, bis ich wieder neben ihm war. Schweigend liefen wir nebeneinander her und nach kurzer Zeit merkte ich, dass wir wieder in das schlechtere Viertel kamen. Wieso waren wir hier? Wollte er mich etwa wieder begleiten, damit mir nichts passierte? Bei dem Gedanken merkte ich, wie mir etwas warm ums Herz wurde. Doch wieso sollte er mich begleiten wollen? Konnte ihm doch egal sein. Sicherlich musste er hier irgendwo etwas erledigen.

Doch nach einiger Zeit waren wir am Ende des Viertels angekommen und er blieb stehen, was ich ihm gleich tat. „Ich muss noch was erledigen. Das letzte Stück kommst du sicher alleine nach Hause." Etwas perplex sah ich ihn an. Er wollte gerade gehen, da hielt ich ihn am Handgelenk fest, doch ließ ihn schnell wieder los.

„Wieso hast du mich her gebracht?", fragte ich etwas schüchtern. „Immerhin hast du mir was zu Essen gekauft. Dann kann ich dich auch hier her begleiten." Zögernd nickte ich und drehte mich um, um zu gehen. Doch nach wenigen Schritten hörte ich meinen Namen von ihm sagen. Ich drehte mich zu ihm und sah ihn fragend an.

„Danke.", sagte er plötzlich, was mich sofort aus der Bahn warf. Wieso bedankte er sich bei mir? Das tat so eine DNA doch nie. „W-wofür?", fragte ich daher. „Wegen dem, was du mit der Hilfsbereitschaft gesagt hast.", antwortete er ruhig. „I-ich sagte ja, dass es wegen meiner DNA so ist und-" Er unterbrach mich:„Das meine ich nicht." Ich spielte etwas nervös mit meinen Fingern und fragte:„Was dann?"

Ich sah, wie sich seine Mundwinkel etwas anhoben und so ein kleines und sanftes Lächeln zustande kam, was mich sofort in seinen Bann zog. „Dafür, dass du mich als Mensch siehst."

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