Kapitel 9 - Heimkehr

Wir laufen bis zur Strasse und dieser entlang. Ich bin müde und die Sonne geht unter, aber kein Auto kommt vorbei um uns mitzunehmen. Ich denke an Mbaye und frage mich, wie es ist, wenn jemand stirbt, den man lieb hat. Mbaye läuft einfach weiter und ich auch. Sand ist in meinen Schuhen und reibt unangenehm an meinen Füssen, aber ich halte nicht an, um sie auszuschütteln. Endlich kommen wir an ein Dorf und finden ein Zimmer, in dem wir über Nacht bleiben können.
"Morgen fahren wir wieder nach Hause. Freust du dich, deine Familie zu sehen?", fragt mich Mbaye.
"Ich habe Angst, dass Mama wütend ist und mich schlägt, weil sie sich so viele Sorgen gemacht hat."
"Was auch geschieht, Djibril, deine Mutter liebt dich."

Ich schlafe ein. Als ich am nächsten Morge erwache, ist Mbaye fort. Ich verspüre starken Hunger und hoffe, er sucht etwas zu essen. In der Zwischenzeit stecke ich mir einen der wenigen Kaugummis, die ich noch übrig habe, in dem Mund. Mbaye bleibt lange weg, aber gerade als ich ihn suchen gehen möchte, kommt er wieder zurück.
"Es gibt keinen Bus. Wir müssen ein Stück laufen und dann sehen wir morgen weiter."
Mbaye hat nichts zu essen gebracht und ich vermisse meine Familie. Ich schiebe meine Unterlippe nach vorne und meine Augen füllen sich mit Tränen. Ich will nicht weinen, nicht deswegen.
Mbaye dreht sich weg. Schnell wische ich meine Tränen mit meinem T-Shirt weg, stehe auf und laufe in dem kleinen Zimmer umher.
"Wann gehen wir los?"

Wir kaufen etwas Brot und kaltes Pouletfleisch. Dann gehen wir der Strasse entlang. Nach mehreren Stunden findet uns die Polizei. Wir müssen in die Autos einsteigen, fahren lange und übernachten auf einem Polizeiposten. Ich darf mit meiner Mutter telefonieren.
Ich weine ganz fest und flehe sie an, die Anzeige gegen Mbaye zurückzunehmen. Auch Mama weint und ich höre Aissatou, die wohl in einem Tuch auf Mamas Rücken liegt.
Als ich zu Hause bin, ist Tante Fanta da. Mama sieht älter aus, sie muss sich viele Sorgen gemacht haben. Ich erzähle ihr die ganze Geschichte. Auch dass Mbaye keine Frau und keine Kinder mehr hat und seine Tochter Bella heisst. Dass wir am Strand ein Haus gebaut haben, in dem Mama und ich und meine Geschwister wohnen können. Dass Mbaye mich einen Kämpfer genannt hat, genauso wie mein Name lautet.

Erst als ich sage, dass ich nichts mehr essen werde, bis Mbaye aus dem Gefängnis gelassen wurde und ich ihn gesehen habe, glaubt mir Mama meine Geschichte.
"Weisst du eigentlich, was für einen Schrecken du mir eingejagt hast?" Mama wiederholt diesen Satz immer wieder. "Du bist mein erster Sohn, mein Erstgeborener! Ich will dich nicht verlieren, Djibril!"
"Es tut mir leid, Mama", sage ich traurig. "Mbaye ist nicht böse, Mama. Er wollte mir nur das Meer zeigen. Er ist ein trauriger Mensch."
Ich esse nichts und trinke nur, wenn Tante Fanta mich dazu zwingt.
"Mein Sohn, du musst auch etwas essen", fordert sie mich auf.
"Mbaye muss aus dem Gefängnis kommen! Ich muss wissen, dass er frei ist", erwidere ich bloss.

Schliesslich ist die Polizei da. Sofort erkenne ich die Menschen in den dunkelblauen Uniformen wieder. Ich darf mit Mbaye reden. Er kniet nieder und ich renne auf ihn zu um ihn zu umarmen.
"Djibril!" Ich höre nicht auf Mama. Ich freue mich so sehr, Mbaye zu sehen. Er sieht traurig aus. Er umarmt mich auch, aber nur kurz, dann hält er meine Schultern und drückt mich einen Schritt nach hinten, während er mich ernst ansieht.
Die Polizei hat entschieden, Mbaye freizulassen, aber er muss Guinea verlassen und zurück in den Senegal gehen. Ich weine nicht, denn Samba und Bella stehen auch draussen und ich möchte nicht, dass sie mich so sehen. Ich sehe, dass Mbaye Bella einen langen traurigen Blick zuwirft. Dann steht er auf und nickt meiner Mutter und Bella zu.
"Machs gut, Djibril, mein grosser Kämpfer."

Ich laufe zurück zu Mama, stelle mich vor sie und sie legt mir eine Hand auf die Schulter. Mbaye geht weg und ich denke nicht, dass ich ihn wieder sehen werde. Mama möchte nicht, dass ich meinen Geschwistern von meiner Reise erzähle. Aber ich mache es trotzdem. Das Meer ist so toll, ich kann, was ich erlebt habe, unmöglich für mich behalten! Bald schon fangen auch sie an, über das tolle Haus am Meer zu reden und stecken auch Mama mit ihren Träumen an.

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