Die Wahrheit über Louis
POV. Louis
"Ich vertraue dir", flüsterte ich und meinte es so. Ich vertraute ihm und es gab keine Antwort auf die Frage warum. Es war einfach so. Es lag vielleicht an der Tatsache, dass er bereits jetzt mehr über mich wusste als jeder andere und kein schlechtes Wort über mich gesagt hatte. Harry war alles was ich mir gewünscht hatte. Er hörte zu und war niemand, der mir gegenüber Vorurteile hatte. Ja, vielleicht wollte ich ihm meine Geschichte mitteilen, weil ich seine kannte. Doch vielleicht wollte ich es auch, weil ich Harry mochte, ihm vertraute.
Wir landete wieder bei meiner Psychologin und meine jüngere Version saß auf dem Sessel und wurde nun von sechs Augen angesehen.
"Ich bin bereit zu reden", sagte mein Zehnjähriges Ich. Meine Psychologin schaute überrascht, aber nickte. "Klar, du musst auch noch nicht alles an einem Tag erzählen, okay? Mach so wie du glaubst", erwiderte sie mit der ruhigsten Stimme, die sie verwenden konnte. Ich setzte mich mit Harry zurück auf die Bank. Warum auch immer griff ich nach seiner Hand und genoss diese Unterstützung, die ich definitiv brauchen werde.
Meine kleinere Version starrte zuerst einfach gerade aus, als wollte ich doch nichts sagen, aber dann atmete ich tief ein und aus.
"Es war Samstags der siebte September um genau zu sein", sagte meine jüngere Version und ich hörte mich so viel älter an - wie ein vierzehn Jähriger, der stolz sein Halbjahreszeugnis in die Luft hielt. Ich war zu dem Zeitpunkt Zehn und es war nicht fair, dass meine Kindheit von den einen auf den anderen Moment einfach vorbei war. Auch Harry sah überrascht aus, aber sagte nichts. Nun war er derjenige, desen Daumen über meinen Handrücken strich und dieses Gefühl, welches mich erneut überforderte, beruhigte mich auch zur gleichen Zeit. "Obwohl ich erst sechs war, erinnere ich mich an den Tag, als wäre er gestern gewesen", sagte meine jüngere Version," ich schaute gerade Fernsehn - ich glaube Spongbob oder sowas in der Art." Ich schaute herunter, hätte die Erinnerung am liebsten gestoppt, doch nun war es zu spät. Nun sprach meine jüngere Version und ich konnte es nicht ändern.
"Mein Vater kam Nachhause", fuhr meine jüngere Version fort und starrte aus dem Fenster - heraus in den Schneesturm, von dem ich damals gepackt werden wollte. An diesem Tag hatte ich das Gefühl alles noch einmal zu durchleben und am liebsten hätte ich geweint, aber dort waren keine Tränen mehr gewesen. Ich war damals so leer, dass es jeden beängstigte, den ich traf. Schon da war ich ein Freak und wurde von anderen komisch angesehen. "Mama und meine Schwestern waren bei meiner Oma und ich war froh, dass er da war - ich mochte es nicht alleine zu sein. Manchmal zog mich meine Mutter damit auf, sagte ich sollte ein richtiger Mann sein, aber dann nahm sie mich auch schon in den Arm und versicherte mir, dass alles wieder gut werden würde. Also war ich froh, dass er da war. Er war gestresst, wie in letzter Zeit öfter."
Im Nachhinein war es fragwürdig, dass meine Eltern einen Sechsjährigen für zwei Stunden alleine gelassen hatten, aber eigentlich sollte mein Vater früher kommen. Dies war er jedoch nicht.
"Louis, du musst mir das nicht zeigen", flüsterte Harry so leise, dass seine Stimme fast unterging. "Ich möchte", erwiderte ich und sah ihn an. Daraufhin nickte er und sah wieder zu meiner kleineren Version. Was er über die Situation dachte konnte ich nicht ausmachen. Vielleicht wusste er es selber nicht.
"Er schrie viel - sehr viel. Jeder hat danach gesagt, dass es nicht seine Absicht war, dass er das nicht wollte, aber warum hat er es dann getan? Ich mache Dinge nicht, wenn sie mir nicht gefallen."
Noch immer war ich wütend über die Ausreden der anderen, die es einfach nicht wahrhaben wollten. Die meinen Vater als das Opfer hinstellten, weil er gestresst war, weil er unter Druck stand. Wollten sie die Schuld auf einen Sechsjährigen übertragen, der überhaupt nichts ändern konnte? Der hilflos ausgeliefert war und alles über sich ergehen lassen musste. Dreimal? War sowas immer noch ein Ausrutscher? Sowas war nicht Normal und dies wusste ich schon immer, aber am Anfang bekam ich meine Klappe nicht auf, weil es meine Heile Welt immer weiter zerstörte. Ich wollte doch nur, dass alles so blieb wie es vorher war. Ich war doch nur ein Kind!
"Er hat mich gepackt - einfach von meiner Folge Sponhbob gerissen und hochgebracht. Ich habe geweint, weil ich ihn nicht verstand. Zu der Zeit verstand ich viel nicht, tue ich ja heute noch nicht, aber ich verstand, was danach passierte, war falsch. Ich dachte er wollte, dass ich bei ihnen im Bett schlafe, weil ich weinte. Ich tat dies öfter, wenn ich traurig war."
Ich verstand nicht, weswegen man seinem eigenen Kind soetwas antat. Wie konnte man so sein? Wie konnten andere ihn in Schutz nehmen? Wie konnte seine Mutter sagen, dass es alles die Schuld von meiner Mutter war? Wollten sie es nicht einsehen? Wollten sie vor der Wahrheit davon rennen, wie wir es eigentlich alle taten?
"Er warf meine Kleidung zu Boden und ich weinte, ich weinte immer mehr. Ich sah ihn nicht, aber ich wusste, dass er meinen Körper berührte. Seine Fingernägel gruben sich in meine Oberarme und manchmal, wenn ich die Augen schließe spüre ich es noch", erzählte meine Mini Version und emotionslos schaute ich mir das Geschehen an. Von den einen auf den anderen Schlag war jegliches Gefühl verschollen, welches ich gerade noch gespürt hatte. Als hätte man in mir einen Schalter umgedreht, der alles geändert hatte.
Ich hatte damals nachts davon geträumt. Ich bin aufgewacht und hab es gespürt, aber nun empfand ich es nicht mehr. Ich war zu oft durch den Regen gelaufen und hatte mich von diesem rein waschen lassen. Irgendwann verfloss der Gedanke, dass diese Berührungen wirklich existiert hatten. Doch mein Verstand erinnerte sich an sie.
"Ich fing an zu schreien, weil es weh tat. Er presste seine Hand auf meinen Mund, damit ich dies nicht mehr konnte. Er drückte mich weiter auf die Matratze und ich kann dir nicht sagen wie seine Klamotten bei meinen landeten. Das alles geschah hinter einem fetten Schleier von Tränen. Ich spürte ihn nur - überall. Manchmal tue ich es immer noch. Es tat weh, jedes mal, wenn er..- es tat so unendlich weh."
Ich erkannte den Blick meiner Phsychologin. Sie bemitleidete mich, aber irgendwie verstand ich es. Irgendwo ganz tief in meinem inneren tat ich es gerade selber. Die Art wie ich dort saß. Ich erzählte dies ruhig, als würde ich nur von einem schlechten Schultag erzählen. Als wäre ich nicht noch Jahre später traumatisiert davon gewesen, dass mein Vater ein Pädophiler war. Die Menschen wollten so sehr von der Wahrheit davon rennen, dass sie es verdrängten. Sie wollten nicht einsehen, dass ihr Nachbar ein Monster war, dass ihr Freund das Leben seines Sohnes zerstört hatte. Zuerst suchten sie nach Erklärungen und dann wunderten sie, dass ich mich veränderte.
Sie waren überrasscht darüber, dass ich niemanden in meine Nähe ließ, dass ich lieber alleine meine Zeit verbrachte - weit ab von Menschen, die vielleicht ähnlich tickten.
"Es passierte ein zweites Mal - eine Woche später", fuhr meine Mini Version fort," es war schlimmer, grober, schmerzhafter. Ich wollte weinen, alles aus mir heraus weinen, aber ich konnte nicht. Es waren nur einzelne, dicke Tränen, die auf die Bettdecke meiner Eltern tropften. Meine Schwestern spielten im Zimmer neben an und ich lag dort, musste ihm direkt ins Gesicht schauen und glaubte von innen zu zereißen - immer und immer wieder."
Der Tag war für mich noch schlimmer gewesen. Ich saß am Abend neben ihm auf dem Sofa und musste so tun als würde ich mich nicht fürchten - als hätte er mir keine Angst gemacht, wenn er durch die Tür kam.
"Ich versuchte es meiner Mutter zu sagen. Ihr klar zu machen, dass das was er tat nicht richtig sei, aber sie hörte mir nicht zu. Vielleicht wollte sie es auch einfach nicht einsehen.Der Tag darauf wurde nicht besser. Er war der schlimmste von allen, weil ich gar nichts mehr tat. Ich schrie nicht einmal. Ich lag dort einfach nur und ließ es über mich ergehen. Ich war hilflos und ihm ausgeliefert. Ich weinte noch nicht einmal. Ich merkte noch nicht einmal, dass es vorbei war, als meine Mutter sich doch Sorgen um mich gemacht hatte und früher zurück gekommen war."
Meine Geschichte war ausgesprochen und noch immer sah ich meine jüngere Version an. Ich schwieg, sah aus dem Fenster und bewunderte den Tanz der Schneeflocken.
"Das ist meine Geschichte, Harry", sagte ich und sah zu ihm. Ihm liefen kleine Tränen über die Wange und schnell wischte er sich diese weg. "Die Wahrheit, die keiner über mich kennt. Aus diesem Grund wohnen wir auch in einem anderen Stadtviertel", fuhr ich fort uns zog meine Hand aus seiner," mein Vater ist ein Arschloch und jeder hat versucht die Schuld auf andere Dinge zu schieben, aber offensichtlich war es nie seine."
"Sowas ist einfach nicht richtig!", meinte Harry und schniefte leise," sowas sollte niemand durchmachen!" Erneut schloss ich die Augen, damit das Gespärch nicht weitergeführt wurde. Was danach passierte wollte ich gar nicht mehr wissen. Klavierklänge begrüßten uns als wir in meinem Zuhause ankamen und mein jüngeres Ich am Flügel saß. "Nein, aber so ist das Leben", erwiderte ich," ich kann es nicht mehe ändern, es ist wie es ist." "Louis, dein Vater ist ein... er ist-" "Ein Monster."
"Ja, er ist ein Monster", stimmte Harry mir nickend zu. "Er ist so ein Monster wie der Typ von eben eins ist", fuhr ich fort," die Welt besteht aus Monstern. Jeder ist irgendwo ganz tief in seinem Herzen eine Bestie, aber wir können selber entscheiden ob wie sie freilassen oder lieber in uns jagen lassen."
"Es ist einfach nicht richtig, was er getan hat!", sagte Harry verständnislos. "Harry, ich weiß das. Ich wusste dies immer. Glaub mir, ich wollte es meiner Mutter eher sagen, aber ich konnte nicht. Alles was ich wollte war, dass unsere Familie glücklich und vorallem zusammen bleibt. Ich wollte nicjt der Grund sein, der meine Schwestern von unserem Vater trennte", erklärte ich ruhig. "Louis, deine Geschichte ist im Gegensatz zu meiner etwas, wodrüber man wirklich traurig sein darf. Ich spiele mich doch wieder nur auf. Mir ist sowas nicht passiert. Ich habe überhaupt nicht das Recht über die Geschehnisse zu weinen", redete sich Harry in irgendeine Panik herein, die ich nicht verstand," wenn du schon nicht weinst, dann sollte ich es auch nicht zun!"
"Harry, lass das", flüsterte ich und sah ihn an," natürlich hast du das Recht traurig zu sein. Jeder hat dieses Recht und sag nicht, dass deine Probleme weniger schlimm sind." "Ist aber doch wahr!", sprach Harry und sah zu Boden. "Du bist keine Diva, Harry", flüsterte ich und legte meine Hand auf seinen Rücken," du bist genauso zerbrochen wie ich - es ist vollkommen egal was wir durchgemacht haben, okay? Du hast alles Recht der Welt zu weinen, denn es ist okay! Du darfst weinen, du darfst vor Traurigkeit schrein, um die Einsamkeit loszuwerden. Du darfst dir jemanden suchen, der sich deine Gedanken anhört. Es ist okay. Das macht dich alles noch lange nicht zu einem schwachen Menschen. Du bist stark - hierfür bist du es."
Meine Finger traf den Punkt, andem ich normalerweise seinen Herzschlag hören hätte können, aber dort war stille. Kein Herz schlug und Harry schwieg ebenfalls.
"Tut mir Leid", flüsterte er nach einer Weile," schiebe immer eine viel zu große Welle." "Ist schon okay. Ich mag große Wellen, vorallem wenn sie den Strand treffen und deine Fußabdrücke davon spülen - als wärst du den Weg nie gegangen", erwiderte ich. Noch immer drangen meine traurigen Klavierklänge durch die Gegend und ich mochte es mich spielen zu hören. Meistens spielte ich nir noch, wenn ich alleine Zuhause war, weil ich den anderen ja die Stimmung ruinierte.
Harry lächelte mich an.
"Ich mag dich, Louis", sagte er und ich musterte seine Grübchen, die deutlich zu sehen waren. "Ich dich auch, Harry", erwiderte ich ehrlich. "Glaubst du wir wachen irgendwann auf, wenn wir noch nicht tot sind?", wollte er wissen. "Keine Ahnung. Willst du wieder aufwachen?", stellte ich eine Gegenfrage. "Irgendwie schon, aber was würde dann aus dir werden - aus uns?", fragte er weiter.
"Was sind wir denn?", wollte ich wissen und sah ihn weiterhin an. Ich mochte seine grünen Augen und falls ich jemals aufwachen sollte, was mich nicht mehr ganz so verängstigte wie am Anfang, wollte ich sie in echt sehen. "Freunde", antwortete er und lächelte. "Die hin und wiedrr händchen halten?", fuhr ich mit meiner Fragerei fort. "Warum nicht?", stellte er nun die Gegenfrage und griff wieder nach meiner Hand. Unsere Finger umschlossen die des anderen und weiterhin schauten wir uns in die Augen. Ich fragte mich ob seine Hand warm war, ob sie sich weich anfühlte.
"Ich mag dein Lächeln, Louis", sagte er fast tonlos.
A/N: Fröhlichen Valentinstag euch!
Ich schaffe es immer die schönsten Kapitel an solchen Tagen zu veröffentlichen. ;)
My secret Talent haha
Was sagt ihr zu Louis Geschichte?
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