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Zögerlich hebe ich das kleine Glas an, nur um kurz darauf die klare Flüssigkeit darin in meinem Mund verschwinden zu lassen. Das brennen in meinem Hals versuche ich sogut es geht zu ignorieren, mein Gesicht nicht zu verziehen, auch, wenn ich das mit sicherheit bei den vorherigen Shots schon verfehlt habe. Ich rutsche von dem hohen Hocker runter und schaue mich suchend um, weil sich meine Orientierung in dem großen und leider viel zu gut gefüllten Club schon länger verabschiedet hat.
Weil ich weder El noch Molly sehen kann und ich Ivan und seine Jungs nunmal nicht stören möchte, fange ich an, mir den Weg durch die etlichen Leute hindurch frei zu bahnen, nur, um kurz darauf das Lokal zu verlassen. Ich halte dem Türsteher, oder was auch immer seine Aufgabe ist, meine Hand entgegen und bekomme sofort den Stempel aufgedrückt.
Mit schnellen Schritten laufe ich die breite Straße entlang, welche mich nach nichtmal zwei Minuten auch schon an den Strand bringt. Sofort lasse ich mich auf dem Stein nieder, auch wenn ich mir sicher bin, dass dieser nur als Abtrennung zwischen Strand und Promenade gelten soll.
Seufzend ziehe ich mein Handy aus meiner Handtasche und lasse die kleine, viereckige Schatulle folgen.
Mein Blick legt sich auf meinen Bildschirm. Es ist 2:41 und vor genau zwei Stunden und einundvierzig Minuten bin ich neunzehn geworden. Molly hat mich letztenendes doch noch über redet und mich mit in den Club geschliffen, was vielleicht besser so ist, auch, wenn mir nicht wirklich danach war.
Abgelenkt stecke ich meine Kopfhörer ein und ziehe diese nur auf einem Ohr an, um noch zu hören, falls irgendetwas sein sollte. Leise summe ich zu der Melodie, in der Hoffnung, die teils grausamen Songs von drinnen aus meinen Gedanken schmeißen zu können. Erneut entkommt mir ein seufzen, als sich mein Blick wieder auf die türkise Schachtel in meiner Hand legt. Ich hab absolut keine Ahnung, wieso ich die letzten Stunden andauernd mit mir kämpfe, ob ich sie denn jetzt öffnen soll oder lieber noch nicht. Vielleicht, weil es doch irgendwie mies ist, Jacksons Geschenk auf zu machen, und letztenendes trotzdem ohne ihn hier zu sitzen. Meine Augen füllen sich wieder, mit sicherheit zum zehnten Mal an diesem Abend, mit Tränen, nur, dass ich sie dieses mal schlichtweg ignoriere und zulasse, dass sie sich den Weg in die Freiheit bahnen.
Ich entferne die Pappschachtel und hole die Samtschatulle raus. Überfordert schaue ich drauf und fahre über die helle Schrift darauf, welche mir schon verrät, dass das hier nicht gerade Preiswert war. Meine Mundwinkel zucken nach oben. Schon als ich das erste Mal in London war, hat mich der Ring in dem Tiffany&co Bereich vom Harrods angezogen. Die silbernen Blätter verziehen sich rundum um den schmalen Ring, was wirklich zu hübsch aussieht.
Ich ziehe den Ring vollkommen aus dem Schaumstoff und streife ihn sofort über meinen Ringfinger. Ich fahre seufzend durch meine Haare und entsperre mein Handy, mit dem Plan, Jackson an zu rufen, lasse es dann aber doch. Immerhin haben wir schon telefoniert, einfach, weil mir danach ist, sollte ich seinen Schlaf also nicht stören, ich meine, wir reden doch sicherlich sowieso morgen früh.
"Chloe?"
Kurz zucke ich zusammen, schaue dann aber auf und damit geradewegs in Ivans Gesicht.
"Alles gut?"
Ich zucke nur mit den Schultern, antworte nicht. Trotzdem lässt er sich neben mir auf dem Gestein nieder.
"Möchtest du nach Hause?",hinterfragt er.
"Ja."
"Jetzt?"
Ich nicke und werde sofort aufgezogen also packe ich mein Handy und die Verpackungen wieder ordentlich zurück in meine Tasche, ehe Ivan und ich uns in Richtung nach Hause machen.
"Ich wollte nichtmal feiern. Hätte Molly nicht nachgeharkt- ich meine, ich wollte einfach in Ruhe- mit Jackson telefonieren und- den Kuchen mit dir und Mama köpfen.",murmel ich.
"Das hättest du sagen können, Chloe."
Schulterzuckend seufze ich. Dann hätte ich Molly enttäuscht, und das stand nunmal auch nicht auf meiner Liste. Ich bin einfach nur froh, wenn wir zu Hause sind. Wenn ich in mein Bett kann und Ruhe habe. Zum Glück sind wir nicht so weit entfernt, höchstens zwei Minuten, unser Haus ist auf jeden Fall schon in Sicht.
"Ich will ins Bett."
Nebenbei krame ich meine Schlüssel raus, nur um kurz darauf die Türe auf zu schließen.
"Kuchen?"
"Jetzt?",hinterfrage ich verwirrt, worauf mein Bruder nur bestätigend brummt.
Ich fange wieder an zu schmollen und umarme ihn.
"Dankeschön. Für alles."

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