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Ich lehne mich gegen die Theke und schaue Caitlyn an. Sie tut mir leid. Ziemlich leid. Ich kann mir vorstellen, wie schwer es sein muss, damit klar zu kommen, dass das eigene Kind so viel durch machen musste und immernoch muss. Ich meine, wahrscheinlich kann ich das nicht. Natürlich nicht. Dass sie sich alles andere als gut fühlt, ist aber offensichtlich.
"Du kannst ruhig gehen.",entgegne ich erneut und lächel sie leicht an. Ihren Geburtstag wollte sie mit ihren Freundinnen verbringen, ein Wellnesswochenende, soweit ich aus ihrer Erzählung entnehmen konnte. Weil Jackson letztendlich heute aber auch seinen Termin zur Entnahme jeglicher Werte hatte, scheint sie jetzt mit sich zu ringen, ob sie auch wirklich gehen soll. Eigentlich find ich das wirklich, wirklich toll von ihr, selbstverständlich ist das zumindest nicht. Aber ich bin mir sicher, dass Jackson erstmal nur schlafen, sein Zimmer nicht verlassen wird. Ihren Tag sausen zu lassen, wäre also nicht sinnvoll, davon abgesehen weiss ich, dass es Jack am wichtigsten ist, dass es seiner Mom gut geht.
"Ich pass auf ihn auf, Caitlyn."
Natürlich tue ich das. Auch, wenn ich mir sicher bin, dass Jackson wieder mal alles herunter spielen wird, aus dem Auge lassen werde ich ihn trotzdem nicht.
"Ich weiss, ich weiss."
Sie seufzt und steht von dem Küchentisch auf.
"Ruf mich bitte an, sollte irgendetwas sein."
"Als aller erstes. Versprochen."
Ich winke ihr zu und lächel sie an, füge noch ein:"trotz allem; viel Spaß.",hinzu. Vielleicht sollte ich gehen. Wahrscheinlich wäre jetzt der richtige Moment, um zu gehen, das Gespräch zu beenden.
Die kleine Glasflasche mit Orangensaft und die Schüssel mit den Salzkeksen nehme ich hoch, ehe ich langsam zu den Treppen, und kurz darauf diese hoch schluffe. Mir entkommt ein Gähnen. Ich bin müde. So wirklich. Den Großteil der letzten Nacht lagen wir wach, mal wieder. Relativ früh sind wir los, ins Krankenhaus, mit viel Diskussion, Jackson hat, wieso auch immer, fast schon darauf bestanden, dass ich nicht mit raus muss. Nett, aber unrealistisch, ich denke nämlich, dass ihm schon vorher klar war, dass ich nicht locker lassen würde. Immerhin ist eine Knochenmarkpunktion ein Eingriff, richtig? Nach Hause hätte er sowieso nicht alleine dürfen.
Ich schiebe mich ins Schlafzimmer rein und schließe die Türe hinter mir, stelle die Sachen auf dem kleinen Tisch ab, um mich auf dem Bett nieder zu lassen.
"Schläfst du?",frage ich leise, worauf ich nur gebrumme zurück bekomme.
"Wie gehts dir? Hast du Schmerzen?"
"Geht so."
Jackson schaut mich still an, bleibt aber liegen. Ich weiss nicht wirklich damit umzugehen. Woher soll ich schon wissen, ob er reden will? Während der Fahrt und der letzten Viertelstunde, in der wir schon wieder zurück bei ihm sind, hat er sogut wie kein einziges Wort von sich gegeben.
Vorsichtig fahre ich über seinen warmen Rücken, verziehe kurz mein Gesicht, als mir der blaue Fleck auffällt.
"Hat weh getan, oder?"
"Ziemlich."
Ich seufze und lege mich hin. Mein Arm legt sich feste um ihn, darauf bedacht, ihm nicht noch mehr weh zu tun. Ich kann mir vorstellen, dass das nicht gerade schmerzlos gewesen sein wird. Harmlos, was das seelische dabei betrifft mit Sicherheit auch nicht, örtliche Betäubung, keinerlei Sedierung, vielleicht auch, weil Jackson seine Sturheit wieder ausleben musste.
Nachdenklich fahre ich über seine Wange und fange an, küsse darauf zu verteilen.
"Magst du mir erzählen, wie du dich fühlst?"
"Ich- hätte nächsten Monat die fünf Jahre geknackt."
Ich schaue Jackson fragend an und bleibe ruhig, um auf seine Antwort zu warten.
"Fünf Jahre keine Auffälligkeiten und man gilt sozusagen als geheilt. Ein Rückfall eher unwahrscheinlich."
"Das- bald wird alles gut. ich bin mir sicher, Jackson. Du bist ein guter Mensch, Allah- ich meine- Gott- sieht das, richtig? Irgendwann wirst du belohnt für das, was du durch machen musst, besonders in so jungen Jahren.",erzähle ich und fahre sanft über seine Schläfe.
"Ich hab dich. Du bist meine Belohnung."
Meine Mundwinkel zucken nach oben, als mir auffällt, wie Jackson mich ebenfalls still anlächelt.
"Magst du dich ausruhen? Ein bisschen schlafen?",schlage ich vor weil seine Augen sich kurzzeitig schließen.
"Nur- ein paar Minuten. Schlaf auch."
Kaum merkbar schüttel ich den Kopf, lasse es aber, um zu wissen, dass es bei einer Diskussion enden könnte kenne ich ihn nämlich gut genug.
"Mir gehts besser."
"Das ist gut, Jack."
"Also schlaf."
"Schon gut, ich schlaf auch.",entgegne ich leise und ziehe die Bettdecke über uns.
Seine Augen schließen sich wieder, sein Kopf lehnt sich gegen meine Brust, weswegen ich lächelnd seine Mundwinkel küsse.
"Alles wird gut. Ich verspreche es dir, mi vida."

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