10

Sonntag, 18.05

Ich schniefe einmal und wische meine Tränen weg. Die kalte Luft verpasst mit eine Gänsehaut, nur, dass diese diesmal keineswegs positiv ist. Es ist dunkel, fast schon stockduster, immerhin ist es mitten in der Nacht. Meine Arme legen sich feste um das große Kuscheltier, welches Jackson nunmal auch hat.
'Ich frage mich wirklich, ob ich einfach Glück habe, so jemanden wie dich in meinem Leben zu haben oder ob es einfach Pech ist, was alle anderen meiner Mitmenschen betrifft. Ich meine, wieso sind alle so schlecht?',schreibe ich an Jackson gewandt, auch, wenn ich nichtmal eine Antwort darauf haben möchte. Er ist nicht hier und hat sein eigenes Leben, so wie ich nunmal auch, nur dass sich bei mir so einiges darum dreht, nichteinmal hier sein zu wollen, sondern verdammt nochmal mit ihm. Aber man kann nicht alles haben, richtig?
Mein Handy klingelt sofort, weswegen ich schluchzend meine Nase putze und einmal langsam Luft auspuste, in der Hoffnung, mich so wieder etwas fangen zu können. Zögerlich nehme ich den Anruf entgegen.
"Was ist passiert?",fragt Jack sofort.
"Keine Ahnung."
"Erzähl."
"Ich wollt- mit ein paar aus meiner Klasse in irgendeinem Club und- ich meine, ich bin nicht rein gekommen weil ich noch keine achtzehn bin.",erkläre ich und zucke mit meinen Schultern, bis mir auffällt, dass er das nichtmal sieht. Natürlich sieht er es nicht. Ich fahre überfordert durch meine dunklen Locken und lehne mich dann langsam nach hinten.
"Alle sind rein und haben mich schlichtweg stehen lassen. Alleine, Nachts, in irgendeiner Gasse, wo es nicht einmal so belebt war, wie in den meisten Ecken in Barcelona."
"Dir ist- dir ist aber nichts passiert, oder?"
"Mir ist nichts passiert, Ivan ist sofort los gefahren und hat mich abgeholt. Das hat mir nur wieder gezeigt, wie unwichtig hier jeder jedem doch eigentlich ist."
Ich höre wie Jack seufzt, dann aber still bleibt weswegen ich ebenfalls seufzen muss. Dass er selbst einiges an schlechten Erfahrungen hinter sich hat, was Freunde und besonders Familie angeht, weiß ich.
"Ich hab auch niemanden außer- dich und Lucy. Die meisten Menschen sind scheiße, aber so ist das Leben, Chloe."
Sein Tonfall klingt keineswegs genervt, keineswegs vorwurfsvoll oder so, als würde er mich abwürgen wollen, einfach nur ruhig. So, als wüsste er, was er sagt, wovon er redet.
"Ich weiß."
"Lass das nicht so an dich ran, Chloe. Ich meine, streich alles was dich unglücklich macht."
"Ich- ich versuche es."
Wieder bleibt es still. Was soll er schon sagen? Was soll ich schon sagen?
Ich sehe wie dich die Türe öffnet, ehe Ivan sich kurz danach neben mir auf der Gartenganitur nieder lässt.
"Was machst du? Lernst du wieder?",frage ich leise an Jack gewandt.
"Immer. Schreib morgen eine wichtige Prüfung."
Ich murmel vor mich hin und nicke dann langsam. Jack geht wirklich selten aus. Weder feiern, noch in Bars oder sonstiges. Die meisten Abende telefonieren wir einfach, und wenn das nicht, verbringt Jack die Zeit größtenteils mit seiner Schwester Lucy oder mit den etlichen Notizen für sein Studium.
"Drei Wochen."
Ich nicke:"endlich."
"Mhm."
"Ich wollte dich nicht stören."
"Tust du nicht, Chloe."
"Lass uns Morgen in Ruhe reden.",schlage ich vor.
"Sicher? Ich hab Zeit, wirklich. Du bist traurig und-"
"Keine Sorge, Ivan ist da.",unterbreche ich ihn sofort. Ich höre wie Jack seufzt, weswegen ich ebenfalls ein Seufzen ablasse.
"Ruf mich an wenn irgendwas ist, in Ordnung?"
"Werd ich, Jackson."
"Ich liebe dich."
"Ich dich auch. Sehr.",erwider ich leise und lehne mich wieder nach hinten. So sehr.
"Bis Morgen."
"Bis Morgen."
Ich zähle leise bis drei, weil wir das meistens tun, einfach, damit niemand zuerst auflegen muss.
Seufzend beende ich den Anruf und schaue auf mein Handy, welches wieder Jacksons Bild aufleuchten lässt. Siebzehn Tage. Siebzehn Tage sind nicht mehr lang.  Mir wird von Ivan einer der beiden Teller mit dem Reisgericht entgegen gehalten, womit er meine Aufmerksamkeit auch wieder von meinem Bildschirm lenkt.
"Hast du dich beruhigt?"
"Ein bisschen."
Abwartend schaut Ivan mich an weswegen ich mit meinen Schultern zucke.
"Ich hab Elena, Jack, dich und Mom sowieso. Mehr brauch ich nunmal nicht.",erkläre ich schulterzuckend. Ich lasse den gefüllten Löffel in meinem Mund verschwinden und summe zufrieden. Selbst aufgewärmt schmeckt Mamas Essen am besten.
"In ein paar Wochen bist du durch mit diesen Idioten.",erinnert mich Ivan worauf ich nicke.
"Zum Glück."
Schmollend umarme ich ihn. Ich weiß wirklich nicht, was ich tun würde ohne ihn. Ohne El wär das so eine Sache, aber ohne Ivan, verdammt, ich wär wirklich aufgeschmissen.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top