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Dienstag, 11.02
"Chloe."
Sofort zucke ich zusammen und schaue auf, geradewegs in Elenas Gesicht. Meine beste Freundin schaut mich an und fängt an zu Schmollen, entlockt mir damit ein schmunzeln.
"Du hörst mir schon wieder nicht zu.",merkt sie an.
"Tut mir Leid, ich war in Gedanken."
"Das scheinst du die letzten Tage ziemlich oft zu sein."
Ich blicke die hübsche Blondine vor mir entschuldigend an. Ihre langen Haare sind zu einem festen Dutt nach oben gebunden, was ihr so gut steht. Ihre leuchtend blauen Augen brauche ich wohl gar nicht erst zu erwähnen. Neben mir wirkt sie zwar wirklich ein bisschen blass, was aber verdammt gut zu ihrem Gesamtbild passt.
"Ich bin so aufgeregt.",gebe ich zu. Seufzend lehne ich mich nach hinten gegen das breite Polster meines Bettes.
"Negativ oder positiv aufgeregt?"
"Positiv. Ich freu mich wirklich ihn endlich zu sehen aber-"
"Aber?"
"Ich lern seine Familie kennen. Das ist nichts einfaches.",flüster ich.
Jackson O'Neil, in einigen Tagen 20 Jahre alt und unbeschreiblich hübsch. Der Harken an der ganzen Sache? Dass er mit genau 1.495 Kilometern Entfernung doch recht weit weg von mir ist. Mein Flug nach London geht also in drei Tagen und mit knappen zweieinhalb Stunden Flugzeit bin ich doch noch recht gut dran.
"Hast du nicht schonmal mit seiner Brust geredet?",hinterfragt Elena und reißt mich somit auch schon wieder aus meinen Gedanken.
"Ja, ich- ja. Aber seine Mom- und meine- was wenn Mama ihn nicht mag? Das würde das ganze auch nicht leichter machen, El."
Ich nehme mir einen der selbstgebackenen Bananenkekse, welche tatsächlich echt gut geworden sind und beiße ein Stück davon ab, tue es meiner Freundin somit gleich.
"Deine Mom mag jeden, solange man gut zu dir ist."
Ich nicke. Da ist was dran. Solange mir niemand etwas Böses will, ist Mama zu jedem nett. Sollte sie eine schlechte Meinung haben, wird eben immer im Nachhinein darüber geträtscht.
Das Klopfen, an der ohnehin geöffneten Zimmertür, zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Mein Bruder schaut mich an und seufzt einmal, deutet auf das Chaos auf meinem Boden.
"Mom sagt, du sollst nicht wieder deinen ganzen Schrank einpacken.",merkt er an, weswegen ich schmunzelnd nicke.
"Ich versuchs."
Ivan nickt ebenfalls und huscht wieder aus meinem Zimmer raus, hinterlässt mich somit verwirrt.
Auch, wenn mein Bruder mittlerweile 22 und somit knapp fünf Jahren älter als ich ist, lebt er auch noch im Haus. Wahrscheinlich ist das auch der Grund dafür, dass wir immernoch ein wirklich gutes Verhältnis zueinander haben. Demnach überrascht mich sein wortloses verschwinden nur um so mehr, ich bin mir aber sicher, dass er, spätestens wenn Elena weg ist, mit der Sprache heraus rücken wird.
"Sei nicht immer so pessimistisch."
"Ich versuchs ja.",entgegne ich quengelig und wende mich wieder meiner eigentlichen Aufgabe zu.
Die etlichen Klamotten vor uns auf dem Boden warten eigentlich nur noch darauf, in meinen Koffer gepackt zu werden. Trotzdem bleiben sie draußen. Nicht, weil ich mir nicht hundertprozentig sicher bin, was den Flug angeht. Nur, weil ich absolut keine Ahnung habe, was ich mitnehmen soll. Es ist Februar und hier in Barcelona ist es nicht wirklich kalt oder verregnet, bei Jack hingegen schüttet es wohl die gesamten letzten Tage schon wie aus Eimern. Die warme Winterjacke kommt somit schonmal nicht in meinen Koffer, sondern wird sich in mein Handgepäck quetschen müssen.
"Die dunkelroten Boots und das dunkelrote Strickkleid?",schlägt Elena vor und hält mir beides entgegen. Skeptisch begutachte ich das Outfit, nicke dann aber doch. Strick ist gut. Körperbetont ist gut. Wobei, eigentlich eher weniger, wenn es darum geht, dass ich ihn und auch seine Familie dort das erste mal sehen werde.
"Die schwarze Hose."
Sofort bekomme ich die ledershorts zugeworfen, weswegen ich dankend nicke.
"Wäre es unpassend wenn ich mit Jogginghose fliegen würde?"
"Es wäre eher unpassend wenn du es nicht tun würdest, Chloe."
Zustimmend summe ich. In unbequemen Sachen zu fliegen wäre vielleicht wirklich ein bisschen komisch, immerhin werd ich danach wahrscheinlich sowieso erst ins Hotel gehen. Nachdem Jack mich abgeholt hat. Verdammt. Grinsend fahre ich über mein Gesicht und setze mich wieder richtig hin, um mich nach meinem Handy aus zu strecken. Die Musik stelle ich etwas lauter an, dass ich mich jetzt nichtmal mehr richtig darauf konzentrieren kann, meinen Koffer zuende zu packen, ist mir nämlich bewusst.
Trotzdem mache ich etwas Platz vor mir und falte die verschiedensten Hosen ordentlich und so klein wie möglich zusammen.
"Chloe."
Sofort nicke ich:"hm?"
"Das wird. Versprochen."
Das zierliche Mädchen umarmt mich und entlockt mir damit erneut ein schmunzeln. Seufzend lehne ich meinen Kopf auf ihrem ab. Mittlerweile kennen wir uns sicher schon sieben, vielleicht acht Jahre und verdammt, ich bin so froh sie zu haben. Mein Freundeskreis bezieht sich auf genau zwei Personen, und das nicht, weil ich unbeliebt bin, eher, weil ich niemanden brauche abgesehen von El und Jackson. Mom und Ivan sowieso. Auf die ganzen Lästereien, die sich unter den gleichaltrigen meiner Schule immer wieder auftun, hab ich auf jedenfall recht wenig Lust, also bleib ich liebend gern für mich.
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