37 . . . verraten
»Hunger.«
Hunger, Hunger, Hunger!, grummelt mein Magen nachklingend zu meiner kaum vorhandenen Stimme. Essen. Ich will nur essen.
Jetzt wenigstens etwas Brot oder Cornflakes; die Bunten, von denen man glatt Diabetes bekommt. Mit meiner Zunge lecke ich mir über die Unterlippe. Nichts. Kein bisschen von diesem süßen Geschmack.
»Hunger.«
Hunger, Hunger, Hunger! Dieses Mal möchte mein Unterbewusstsein einen Drang in mir auslösen, der mich stärken soll – vergebens. Denn tief in mir schlummert meine letzte Kraft.
Bei jedem Wimpernschlag spüre ich meine Schwäche.
Der langsame Schlag meines Herzens wiegt mich in meinen Schlaf.
Hunger ...
. . .
Stimmen. Sie sind laut, treten wie Gladiatoren in einem Kampf gegeneinander an. Genauso stehen sie sich auch gegenüber. Mommy ... Ihr rotes Haar kringelt sich widerspenstig über ihre Schultern, die breit gebaut sind. Von den vielen Kämpfen davor. Jeden einzelnen verloren und dennoch steht sie jetzt vor mir. Mommy ...
»Nicht, wenn sie im Haus ist, Greogory!«, schreit Mommy die Person an, die ihr vis-à-vis steht.
Wild fuchtelt sie mit ihren Händen, deutend auf das Konstrukt, was auf unserer Kücheninsel liegt. Es funkelt. Wow. Es glänzt richtig, wie diese Partykugeln in den Kinderdiscos, wenn man in den Urlaub fährt. Dann ist da noch was Rotes, Blaues und ...
»Lass das sein, Karoline«, mahnt mich Daddy. Vorsichtig drückt er mich von dem faszinierenden Etwas weg. Da sind aber rote Lakritzstangen, die ich will ...
»Willst du wirklich ihr Leben gefährden?« Mommy hat Daddy schon immer mit Worten wehgetan. Immer hat sie viel geredet. Irgendwie hat das nie was gebracht.
Erneut versuche ich, nach den Lakritzstangen zu greifen.
»Karoline«, ertönt Daddy böse.
»Du bist doch nicht mehr ganz bei Trost, deine Bomben jetzt schon in unserer Küche zu bauen.« Mommy tippt auf den Vogel in ihrem Kopf. Vielleicht ... vielleicht, weil Eis besser schmeckt als Lakritzstangen? Oh ja! Schokoladeneis schmeckt gut, und Lakritzeis mag ich auch!
»Sie hat vorhin an diesem Tisch gefrühstückt, Gregory!«
»Ich will ein Eis.« Nachdringlich ziehe ich an Daddys Shirt. Das ist von der Lakritze schon befleckt. Ja, ich will Lakritzeis!
»Wenn du nicht so ein Drama machen würdest, dann wäre es für uns alle sicherer«, wird Daddy lauter.
»Ich will ein Eis!«
»Oder willst du, dass uns die ganze Nachbarschaft hört?«, fragt Daddy.
»Ich will ein Eis!«
»Jetzt nicht, Karoline.« Wieder drückt er mich zur Seite.
»Aber ich will ein Eis!«
Mommy verschränkt ihre Arme vor der Brust. Oh, oh ... Das ist nicht gut.
»Die ganze Nachbarschaft munkelt schon, was für Chemikalien du Nachts von unserem Keller ins Apartment schmuggelst.« Keine Ahnung was Chemikalien sind. Vielleicht eine Eissorte?
»Daddy, ich will ein Eis, bitteeeeee!«
»Gott, Karoline!« Er guckt mich böse an wie die Monster, wenn ich unters Bett gucke.
Meine Lippen beben und Tränen bilden sich in meinen Augen.
»Na toll, jetzt-«
»Halt die Klappe, Jasmin!«, knurrt er Mommy an, was mich erschreckt.
Gerade möchte ein trauriger Laut aus mir kommen, da kramt Daddy in seiner Hosentasche rum. Er hält einige Münzen und Schrauben in seiner Hand, die verschiedene Farben hat, und nur vier Finger!
»Nimm und kauf dir dein Eis. Wir holen dich gleich ab«, beschichtet er. Unsicher warte ich noch etwas ab. Manchmal wird er wieder schnell sauer. Das mag ich nicht. »Nimm schon, meine kleine Prinzessin.«
Er geht in die Hocke und überreicht mir die Münzen, die genauso wie mein goldenes Kleid glänzen. Ja, ich bin eine Prinzessin und eine Prinzessin hat auch ein Eis verdient! In meinem Kopf herrscht nur noch der Gedanke, wie viele Eissorten es gibt. Von den Münzen kann ich mir ein Becher mit gleich drei Kugeln kaufen!
Die lauten Stimmen werden leiser und verstummen nach einer Weile. Eventuell, weil ich mich schon vor Eisdiele befinde oder, weil ich nichts die Eissorten vor mir wahrnehmen kann.
»Drei Mal ...«, beginne ich mit meinem Wunsch. Schokolade, Erdbeere, Kaugummi ... »Lakritze!«
»Mamma Mia! Drei Mal, kleine princesa?« Antonio grinst mich breit an, wobei man es schlecht erkennen kann, zu lang ist sein Bart über seine Lippen.
Heftig nicke ich. Generell bewege ich mich ziemlich viel, zu aufgeregt bin ich, diese drei Kugeln zu verschlingen.
»Langsam essen, princesa, sonst bekommst du Bauchschmerzen«, erinnert mich der Eisdielenbesitzer.
»Eine Prinzessin bekommt keine Bauchschmerzen«, versichere ich ihn.
Er kommt hinter der Theke hervor und überreicht mir mein Becher mit den drei Kugeln. Da ist sogar noch ein Lolly!
»Tut mir leid, dass habe ich vergessen.« Er verbeugt sich vor mir, was mich zum Kichern bringt. Er ist so lustig! Ich mag Antonio, weil er immer so lieb ist – und weil ich immer einen Lolly bekomme.
Mhmmm, das Eis schmeckt lecker. Ich bekomme keine Bauchschmerzen, denke ich und schaufle mir die eine Kugel innerhalb weniger Sekunden rein. Nur mit meinem Eis beschäftigt, sitze ich auf der Parkbank vor dem Hochhaus, in dem wir wohnen.
Ich möchte gerade einen weiteren Löffel voll Eis in mich hineinschieben, als ein lauter Knall ertönt. Wow ... Es explodiert wie in den Filmen, die Daddy immer guckt und ich heimlich mit zugucke, wenn ich mich hinters Sofa verstecke.
Eine Weile höre ich nichts, weil ich es einfach zu faszinierend finde, wie mein zu Hause ineinander einbricht. Es schüttet sich wie von selbst zu, scheut Staub und Aschepartikel in die Luft, von denen ich schlagartig entzogen werde.
Hinter mir schreit plötzlich die Hälfte der Besatzung auf, doch ich kann nicht anders, als auf mein zu Hause zu gucken. Es ... es ist nicht mehr da? Ich starre in die Luft, wo vor kurzem noch mein Zimmer war. Wieso ist es weg?
Mir fällt der Eisbecher aus der Hand.
»Mommy?«, frage ich und erhebe mich von der Parkbank. Durch den Knall wurde ich weiter nach hinten geschoben. »Daddy? Wo seid ihr?«
Feste Hände packen mich an der Schulter. Sie rütteln an mir, weil ich nicht nachgebe und auf den Haufen Schott zulaufen möchte. »Mommy! Daddy!«
Der Griff der fremden Hände wandert hinunter zu meinem Bauch. Dort werde ich umfasst und hochgehoben. Nein, nein, nein!
»Halt!«, rufe ich und werde vollkommen ignoriert. »Mommy! Daddy!«
»Halt!«
Erschreckend wache ich auf. Vor Schmerzen und Trockenheit fühlen sich meine Stimmbänder wie Saiten einer Harfe an, die kurz vorm Zerreißen sind. Instinktiv möchte ich mir an die Kehle fassen, doch es geht nicht. Meine Hände sind immer noch verbunden.
Was mir gelingt, ist, dass ich mich zu meinen gefesselten Händen hinunter beugen kann. Zwar streifen meine Fingerkuppen nur entlang meiner Lippen, aber ... Feucht. Wieso sind sie feucht? Ich habe nichts zu trinken und zu essen bekommen, oder?
Vielleicht ist das auch mein Speichel, weil ich zu lange schon hier unten bin und mein Köper versucht, nicht zu dehydrieren. Hechelnd nach Luft, lasse ich mich wieder gegen die verpfuschte Mauer hinter mich fallen. Einzelne Backsteine wurden unsauber übereinandergelegt und verspachtelt, weswegen mir einer besonders in den Steiß drückt.
Ich bin immer noch hier, erinnert mich mein Unterbewusstsein. Wieso? Es fühlte sich eben, so real an; wie eine zweite Chance, meine Fehler zu richten. Verdammt! Mein Brustkorb sackt zusammen. Mir wird das Atmen erschwert. Hätte ich nicht wieder nur an das Eis gedacht, wäre ich nicht so naiv gewesen, dann ...
Dem Licht, was aggressiv beim Öffnen der knarzenden Tür zu mir hineinfindet, blinzle ich entgegen. Nebenbei läuft mir eine Träne über die Wange, welche sich unglaublich trocken anfühlt. Dadurch brennt die salzige Flüssigkeit noch heftiger. Reiß dich zusammen, Line!
Mir wird übel. Noch nie hat mein Körper so heftig auf Licht reagiert. Manchmal habe ich mich wochenlang in meinem Wohnwagen abgeschottet, weil ich mit einem Code beschäftigt war. Es war schockduster und nie ein Problem. Nur jetzt habe ich das Gefühl, als würde ich unter diesem Licht verätzen.
»Wach auf«, dringt der Mann, dem ich all das hier zu verdanken habe, zu mir durch. Provokant presse ich meine Lider nur noch mehr aufeinander. Ein Fehler, den ich zu naiv bin, fürs Begehen.
»Ho detto: sveglia!« Ich habe gesagt: wach auf!
Plötzlich zieht man mich an meinen gefesselten Händen hoch. Dieses Mal falle ich Gianni Ballini nicht extra schwerer entgegen. Durch die fehlende Energie existiert nicht ein winziges bisschen Kraft, mich auf meine Beine halten zu können. Ich breche unter ihnen zusammen, weswegen er mich erneut hochhebt; mit dem Unterschied zu eben, dass er mich nicht wieder loslässt.
»Guarda che era debole.« Sieh dir an, wie schwach sie ist, wendet sich der Capo der Don Diamantes an eine weitere Person. Was mich natürlich nicht interessiert. Wahrscheinlich bin ich so lebensmüde und provoziere Gianni Ballini, weil mir die wichtigen Kohlenhydrate fehlen, damit ich einen klaren Kopf bewahren kann. »Sie wartet aufe deine Rettung.«
Was?
»So.« Ich weiß.
Perplex reiße ich meine Augen auf und wünschte, es nicht getan zu haben. Mir gefriert das Blut in den Adern und ich erstarre. Diese Präsenz, seine Präsenz, verpasst meinem kraftlosen Dasein einen gewaltigen Tritt. In meinen Ohren höre ich meine Knochen knacken und die Leere innerhalb meines Brustkorbs hallen, indem sich vor kurzem noch mein Herz befunden hat, was nur für ihn schlug.
Savio, er ...
»Na siehe einer da«, höhnt der Capo der Don Diamantes. Wurstige Finger fahren meinen Kiefer entlang, halten ihn fest. Eigentlich müsste ich von diesem Schmerz zusammenzucken. Eigentlich.
Viel zu gebannt ist mein Blick auf die Person gerichtet, die mir versprach, mich vor gefährlichen Situationen zu schützen. Er versprach mir, stets an meiner Seite zu sein, ja, mich zu retten, falls mir je etwas geschehen sollte. Wieso höre ich hinter diesen Worten nicht mehr den wohligen Klang der ernstgemeinten Bedeutung? Wieso, höre ich nichts mehr, wenn ich all diese Versprechen in meinen Gedanken wiederhole?
Das kann nicht sein. Die machen mich hier krank! Es ist nicht Savio, sondern irgendjemand, der genauso aussieht. Das muss so sein! Er kann ... Nein, es kann nicht Savio sein!
»Vede spesso!« Meine Fresse! Gewaltvoll drückt Gianni meinen Kopf in den Nacken, dass ich nicht anders kann, als ihn anzusehen. »Guck. Mich. An.«
Ich weiß nicht woher, aber irgendwas – möglicherweise mein mit der Zeit gewachsenes Ego, hinter das ich mich verstecke – lässt mich mutig werden. »Bei deinem Anblick bekomme ich Augenkrebs, verschone mich wenigstens-«
Genauso wie ich es das letzte Mal tat, macht es mir Gianni nach. Geräuschvoll rotzt er mir ins Gesicht. Die einzige Flüssigkeit, die ich seit langem außer meinen eigenen Tränen zu spüren bekomme, ist die Spucke von Gianni Ballini.
»Du kleine Hure redest mir viele zu viele«, teilt er mir mit. Mein Magen rebelliert, als er seine Spucke mit seiner anderen Hand auf meiner Stirn verteilt. »Ich mag es nicht.«
»Beruht auf Gegenseitigkeit«, fauche ich, was er gekonnt ignoriert. Habe ich meinen Gedanken überhaupt laut ausgesprochen? Anders als bei meinen vorherigen Brüskierungen, nimmt der Capo Abstand.
Meine Sicht ist nicht mehr von diesem widerlichen Mann geprägt, der nach teurem Parfüm stinkt, was viel zu aufdringlich ist und intuitiv blicke ich in die Richtung, in der ich die Person zuletzt sah, die ich mit Savio verwechselt habe.
Leider täusche ich mich nicht.
Er ist es.
Lebendig und auf der Seite von Gianni Ballini.
Die dunkle Uniform schmiegt sich an seinem muskulösen Körper, der von unserem Aufenthalt auf Nantucket Island goldgebrannt ist. Der Polyesterstoff versteckt die Tintenkunst seiner Arme, bis zum Saum des langarmigen Oberteils. Unter diesem verlaufen einzelne Verzierungen der dunklen Farbe, die mir fortwährend ins Gedächtnis rufen, dass er es wirklich ist. Natürlich ist der Munitionsgürtel aufgefüllt und mit sicherem Gewissen kann ich prophezeien, dass sein Lieblingsmesser beim Übergang zwischen Langarmshirt und Hose an seinem Steiß versteckt ist. Wie eine Kampfmaschine, die auf den Befehl zum Angreifen wartet, blickt er mich ausdruckslos ins Gesicht. Monoton, motorisch, wie alles, was dem Gegenteil von den Savio entspricht, den ich kennenlernen durfte.
Kein einziger Anflug von Emotionen ist in seinen dunklen Augen zu bemerken. Ganz im Gegenteil zu mir, denn ungewollt kullert mir eine neue Träne über die Wange. Schlagartig fühle ich mich nackt, verraten und ... War das seine Mission? Mich in die Hände seines Vaters zu bringen?
»Mein Sohn hat seine Aufgabe perfekt gemeistert«, erklärt Gianni dem Plenum. Wir sind nämlich nicht alleine in dieser Gruft voll Lügen, gebrochenen Herzen und Angst. Um mich herum befinden sich einige bewaffnete Männer, die wie eine billige Version von Savio Aussehen. Sie gehören zu ihm, oder besser gesagt er gehört zu ihnen.
Gianni haut Savio begeistert auf die Schulter. »Du hast es geschafft, Nevio.«
Wieso nennt er ihn so? Ich verenge meine Augen, was der Capo sofort wahrnimmt.
»Ah«, macht er, als würde er vergessen haben, den Rest seiner Erklärung zu erwähnen. »Meine Sohn hatte die Mission, die kleine Evans in meine Hände zu bringen. Es war schwer herauszufinden, für wen die kleine Evans Gefühle entwickelt, deswegen habe ich als erstes die Tochter von Nico beauftragt, aber da hat sich Nevio doch als nützlicher entpuppt.« Eine dramatische Pause folgt, die mir die Lunge zuschnürt. »Er hat ihr seine Liebe vorgegaukelt und wie jede Mädchen, hat sie es sofort geglaubt.«
Hilfesuchend blicke ich zu Savio oder Nevio? In mir ist einiges niedergeschlagen und besiegt wurden, doch die letzte Hoffnung glaubt an den Mann, dem ich mein Herz geschenkt habe. »Savio«, hauche ich.
Hätte ich nur besser auf dieses idiotische Organ aufgepasst.
Wie ein Soldat regt er sich nicht bei der Ansprache derer, die nicht Gianni Ballini sind. Er zuckt nicht einmal mit der Wimper. Er hat mich verraten ...
»Dumm und naiv«, wiederholt sich Gianni. Komischerweise hört Savio mehr hinter diesen Bezeichnungen raus, als ich. Er scheint förmlich angespannt bei der Berührung von seinem Vater. »Wahrscheinlich war sie ziemlich gut zum Ficken, denn eigentlich sollte ich sie schon seit langem haben. Hat meine Sohn etwa deswegen gewartet? Weil er zu geil auf diese Schlampe war?«
Ein Muskel zuckt in Savios Kiefer. Keine Antwort.
»Nevio, erkläre den anderen, wieso wir sie erst jetzt bekommen«, ordert sein Vater.
Maschinell tritt sein Sohn einen Schritt vor. Gianni kommt ihn zuvor, denn ehe Savio etwas sagen kann, spricht Gianni für ihn. »Der kleine Nevio hat einen wichtigen Teil seiner Ausbildung vergessen: Man solle nicht mit dem Schwanze denken.«
Ein heftiger Schlag in sein Gesicht, der blutige Spuren hinterlässt.
»Savio!«, schreie ich auf. Er hat dich belogen, ausgenutzt und benutzt!, schreit mich mein Unterbewusstsein an. Nur kann ich nichts gegen diesen irrationalen Teil in mir machen, der dominiert und sich schmerzhaft zusammenzieht beim Anblick, wie Savio von seinem eigenen Vater geschlagen wird.
Dabei fliegt nicht einmal sein Kopf zur Seite. Es ist, als sei er diese Prügel schon gewohnt. Ohne es zu merken, werden meine Augen ganz groß. Er ist dran gewohnt, wiederhole ich mich. Diese Narben ... Wieso bin ich da nicht schon vorher draufgekommen? Sein eigener Vater ist daran schuld, dass sein Sohn qualvolle Erinnerung an seinem ganzen Leib hat!
»Sie Wichser!«
»Du biste noch auf die Seite von meine Sohn?«, fragt Gianni sichtlich erstaunt. Auch in Savios Augen erkenne ich zum ersten Mal eine Regung: Er ist genauso überrascht wie sein Vater. Genauso bin ich. Ist es nicht genau das, was ich derweil auf Nantucket Island gelernt habe? Dass Liebe nicht immer nachvollziehbar ist?
»Allora, dann erzähle ichse dir was über meine Sohne.« Er lügt, er lügt, er lügt, bereite ich mich auf die manipulative Erklärung von Gianni Ballini vor. Er möchte uns nur auseinanderbringen, bin ich felsenfest überzeugt.
»Meine Sohn, heißt Nevio nicht Savio. Hatte in seine Jugend zu viel Scheiße gebaut, dass wir seine ganze Akte säubern mussten. Er hat deswegen einen neue Namen bekommen: Savio. Nantucket Island iste alte Heimat von meinem Sohn. Er hatte dich belogen, die ganze Zeit. Gelogen über sich selbst, nur, damit du ihn glaubst. Jedes einzelne Gefühl, war gelogen und der Sex war für ihn wie ein Geschenk von dir, dich dieser Lüge hinzugeben. Porca miseria, seine ganze Existenz iste eine Lüge. Du liebst eine Lüge und nicht meinen Sohn! Nur das, was du gewünscht hast, dass er iste.«
»Nein«, streite ich ab. Ein Auto was man kauft, kennt man erst, wenn man es langgenug gefahren ist. Hysterisch schüttle ich den Kopf. »Er ist nicht so! Das kann nicht sein!«
Grollend lacht Gianni und das Plenum stimmt mit ein.
»Du bist ein Ungeheuer, ein widerlicher Wichser, der seinen eigenen Sohn einfach nicht kennt«, feuere ich weiter.
»Nein, ich erfinde die Lügen, du glaubst sie.«
»Nein, nein, nein! Ich kenne ihn, ich-«
Nun bin ich diejenige, die den heftigen Schlag abbekommt. Mein Kopf fliegt hoch, in dem Moment, als Giannis Faust mein Kinn trifft. Kurz vergesse ich zu atmen, sehe nur noch Sterne, doch ich gebe nicht auf.
»Ich habe dir Zeit gegeben zu überlegen, doch du redest die ganze Zeit nur!«
»Weil ich nicht mal einen Gedanken daran verschwende, dir jemals nützlich zu sein«, zetere ich.
»Iste das so?« Eine rhetorische Frage, auf die direkt eine Handlung folgt. »Wahrscheinlich willste nur Chief Perez helfen. Aber das werde ich nicht zulassen.«
Er lässt seine Finger unter der Zunge verschwinden und pfeift in einem schrillen Ton. In Sekundenschnelle eilen zwei uniformierte Männer in den Raum und tragen einen jungen Kerl, der an einem Stuhl gefesselt ist.
»Dann zeige ich dir, wie wir dafür sorgen, dass du für immer schweigen wirst.«
Er tritt zur Seite und erlaubt mir einen freien Ausblick auf den gefesselten Mann. Nervös rutsche ich auf meinem Stuhl hin und her, blicke zu Savio, dessen Aufmerksamkeit auf den Kerl vor uns gerichtet ist.
»Nein, bitte!«, fleht der Mann förmlich um sein Leben. »Ich werde niemanden was sagen! Es tut mir leid! Ich-«
Es geschieht viel zu schnell, als das ich weggucken könnte. Dem Mann wird unter dem Kiefer ein Schnitt verpasst, der so groß ist, dass man reingreifen kann, jedoch nicht so tief, dass es ihn umbringt. Blut schießt heraus, bespritzt den ganzen Boden und setzt sich auch an Giannis Stirn ab. Nonchalant wischt er sich dies mit dem Tuch aus der Brusttasche seines Sakkos weg, und betrachtet aufmerksam das Geschehen vor ihn.
Während der junge Kerl nach Luft röchelt, steckt der uniformierte Mann seine Hand in den Rachen und ... Ich gucke weg. Zu langsam. Das Bild hat sich schon längst in mein Gedächtnis gebrannt.
»No! Sie soll es sehen!«, befiehlt der Capo.
Man umfasst meinen Kopf, drückt ihn in die Richtung des Geschehens und meine Augen werden gewaltsam von weiteren Fingern aufgehalten. Es ist ein Anblick, der dafür sorgt, dass mein nicht vorhandener Mageninhalt den Ausweg nach oben findet. Die Zunge des Fremden wurde durch den Schlitz unter seinem Kiefer gezogen, sodass es so aussieht wie ...
»Eine sizilianische Krawatte«, spricht Gianni Ballini meinen Gedanken laut aus. Fasziniert von dem Umgang mit einem Verräter, dreht er sich in meine Richtung. »Nevio, sorg dafür, dass die kleine Evans nie wieder sprechen kann.«
. . .
Doppelagent Savio, ich meine Nevio(?)
Hach Leute, ich hatte einige Methoden in dem Kompf, mit der Gianni Karoline foltern würde, doch Ich dachte, wieso nicht etwas, was direkt aus meiner Heimat stammt: Die sizilianische Krawatte. Blutige, eklige Angelegenheit in der Mafiabranche.
Dieses Kapitel widme ich Buuuny <3
Danke, dass du im letzten Kapitel so fleißig mitgefiebert hast! Es hat mir unglaubliches SPaß bereitet, deine Komentare zu lesen hihi
xx
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