20 . . . die schlagzeile
Eben noch schaute ich durch ein verdunkeltes Glas, jetzt wandert meine Sonnenbrille auf mein Kopf und mein Blick wird von angenehmer Helligkeit empfangen. Unbewusst blinzle ich einige Male, da das Licht, was von den dunklen Bauelementen zurückgeworfen wird, doch eine gewisse Umstellung benötigt. Ganz so Man-In-Black mäßig ist mein Auftritt also nicht. Das kann man von Savio nicht behaupten.
Ganz nonchalant haftet seine dunkle Sonnenbrille in sein Hemd; zieht es etwas in die Tiefe, sodass mehr von seinen sinnvoll schönen Tattoos entblößt werden. Dass ich gestern Nacht jedes Einzelne davon kennengelernt habt, lässt meine Mundwinkel in die Höhe zucken. Oh ja, und sie haben so gut geschmeckt.
»Wenn das nicht mein kleines Superbrain ist.«
Ein breites Grinsen ziert meine Lippen. Mit einem Zwinkern empfängt mich Mike hinter seiner Bar. Anders als beim letzten Mal trägt er ein schwarzes Shirt mit einem Rockermotiv drauf, was auch einige seiner Tattoos ins Rampenlicht stellt. Besonders, nachdem er sich am Waschbecken abstützt und der Stofffetzen über seine breiten Schultern spannt und in die Höhe rutscht.
»Und deinen Sidekick hast du auch dabei«, merkt Mika schiefgrinsend an.
Huch? Während ich diese Metapher ziemlich ulkig finde, scheint Savio nicht begeistert zu sein. Dieser Spaßverderber.
Savio mustert den Barinhaber mit einem kritischen Blick, kreuzt demonstrierend seine Arme vor der Brust. »Ich bin nicht ihr Sidekick. Ich bin ihr Ehemann.«
»Das stimmt«, beantworte ich Mikes missmutigen Blick.
Er spitzt seine Lippen und zuckt mit seiner Schulter. »Selbst die Menschen mit dem meisten Feuer unterm Hintern, brauchen irgendjemand, der genügend Wasser hat, damit man selbst nicht in Flammen aufgeht.«
»Oh«, macht Savio. Ein dunkles, teuflisch Grinsen findet sich auf seinen Lippen wieder. »Etwas an Ihrer Theorie ist falsch, Sir, denn wenn wir erstmal in Fahrt sind, lasse ich sie in Flammen aufegehen.«
»So krass wie bei den beiden?«, hakt Mike genauer nach und deutet mit seinem Kinn hinter uns.
Die meisten Rocker in dieser Bar widmen sich den Flachbildschirm und geben einige Bemerkungen zu dem ab, was sich während der News auf dem Fernseher abbildet. Besser gesagt: Wer in den News zu sehen ist.
Es ist eine Handyaufnahme, von einen, der mindestens zwei Meilen vom Leuchtturm entfernt wohnt. Jedoch niemanden daran hindern, zu erkennen, was sich im Leuchtturm abspielt. Nicht als wäre es mir selbst bewusst, da es Savios und meine Silhouetten sind, die beim Schein vom Leuchtfeuer mit einanderer verschmelzen. Was eigentlich vollkommen irrelevant ist, denn inmitten der Aufnahme zoomt er vom Leuchtturm weg und filmt auf das Meer, wo Savios und mein Schauspiel vom Lichte hinausgeworfen werden.
Eine Hand macht sich um meine Hüfte bemerkbar, allerdings bin ich zu fasziniert von dem Video, was ständig vom Lachen des Filmenden kommentiert wird. Mein wild schlagendes Herz setzt für eine Sekunde aus, als im unteren Teil des Videos eine Nachricht auftaucht: »›Unbekannte hegen ein leidenschaftlichen Spiel um das Feuer von Nantucket Island‹.«
»Da wird man glatt eifersüchtig, nicht wahr, Peddie?«, fragt ein breit gebauter Mann mit Ziegenbart lautstark nach. Kraftvoll haut er seinem Kumpel mit der Hand auf die Schulter und stimmt beim Lachen der anderen ein.
Nur der etwas zierliche Mann guckt ganz gespannt auf den Bildschirm, lässt sich nicht davon abbringen, seine Hand in seiner Hose verschwinden zu lassen, um ...
»Verdammt, Peddie, ich hack dir noch die Finger ab, wenn du dir ständig ein in meiner Bar runterholst«, ruft Mike quer durch die Bar.
»Der holt sich ein auf uns runter«, murmle ich, halb zu Savio rübergelehnt.
Der Griff um meine Taille wird fester, als mich Savio näher an sich zieht. »Wieso sind wir nochmal in diesem Loch voller notgeiler Perverser?«
»Computer«, nenne ich das Stichwort, was Savio definitiv bewusst ist. Wahrscheinlich ist er nur sprachlos von diesem anzüglichen und unverfrorenen Verhalten. Einfach nur pervers ...
»Also«, wendet sich Mike wieder zu uns. Seine buschige Augenbraue neigt sich zu seiner Nasenspitze, als er uns nachdenklich mustert. »Hat es etwas mit dem Typen auf sich, der zufälligerweise den Computer nach dir benutzt hat?«
Mein Gewicht verlagere ich aufs andere Bein. Was? Woher weiß er davon? Weder hab ich etwas gesagt, noch habe ich so laut von unserem Codewort gesprochen, dass er es hätte hören können.
»Was weißt über diesen Typen?«, möchte Savio wissen. Dieses Mal ist sein Tonfall weniger angreifend Mike gegenüber.
»Sagen wir es mal so ...« Mit einem Wink fordert uns der Barbesitzer auf, ihm in Richtung Nische zu folgen. »Bis vor kurzem hat sich niemand um diese Kiste hier gekümmert«, erklärt er.
Autsch, denk ich mir und zucke bei dem Schlag zusammen, als Mike dumpf auf das Hinterteil des uralten Bildschirms klopft. Einige Staubpartikel, die sich mit der Zeit angetanzt haben, tanzen durch die sticke Luft des Lokals umher. Meine Nase beginnt zu kribbeln. Wie ich Hausstaub hasse.
»Und an einem Tag gleich zwei Personen, die nach einem Computer fragen?« Es ist eine Frage aus Rhetorik, die dennoch allen unergründlich ist. »Ich habe mich schon über diesen Typen erkundigt, doch meine Jungs haben nichts über ihn rausbekommen.« Er macht eine Pause. »Als wäre er vom Erdboden ausgespuckt wurden.«
Neben mir nuschelt Savio hinter verschlossenen Lippen, jedoch befürchte ich, dass wir nicht dasselbe denken. Wird er denn auch Nachfragen gestellt haben, wo unser Fremder abgeblieben ist? Denn wenn ja ... Oh, ja, dann hoffe ich mal für Savio, dass er seine Nicht-Amateur-Arbeit hervorragend vollbracht hat. Denn die Typen vorne in der Bar sehen nicht gerade unschuldig aus – im Gegenteil. Sie scheinen Probleme, wie ein Wolf erschnüffeln zu können.
»Jetzt kann ihn niemand mehr finden.«
Hart schlucke ich. »Echt?«
Ich muss mich räuspern, um das Krächzen loszuwerden. Verdammt! Was ist nur mit mir los? Zu lügen, was einer meiner besten Kompetenzen. Damit habe ich es bislang so weit gebracht – sei es eine Lüge über meine Identität, meine Gefühle oder wofür ich insgeheim stehe. Jetzt ist jemand gestorben, an dessen Tod ich nicht unschuldig bin und ich montiere in ein nichtskönnerisches-Etwas?
»Was hat das jetzt mit uns zutun?« Savios Stimme ist klar, ohne ein Funken Unsicherheit.
Mein Kinn recke ich etwas in die Höhe. »Möchtest du uns etwas unterstellen, Mike?«
Er lacht trocken und hält seine Hände uns abwehrend entgegen. »Niemals würde ich dir was unterstellen, Kleine. Das wäre wahrscheinlich ziemlich dumm von mir. Was ich aber Klarstellen möchte, ist, dass du verdammt auf deine Arbeit aufpassen musst. Und wo du arbeitest. Ich kann es mir nicht leisten, das die Cops meine Truppe wegen irgendetwas beschuldigen, mit dem wir nicht mal annährend was zutun haben.«
Mit einer kaum merklichen Kopfbewegung deutet er auf den Computer. »Der Fremde hat ihn nicht benutzt, um etwas zu suchen. Er hat ihn benutzt, um nachzugehen, was du damit gemacht hast.«
»Dann muss er wohl mit leeren Taschen ausgegangen sein, denn ich passe auf meine Arbeit auf«, erwidere ich seine Lektion in einem etwas verbissenen Ton. Ich knie mich hin und deute auf das blaue Kabel, was nutzlos vom Rechner absteht. »Ich habe meine eigene Festplatte genutzt, sodass kein Suchverlauf oder sonstiges auf dieser Kiste gespeichert wurden.«
»Klug.«
»Nein, überlebenswichtig«, verbessere ich ihn.
Schwerausatmend lässt sich Savio in der Nische nieder. »Habt deine Jungs denn irgendwetwas über diesen Typen herausgefunden. Er kann nicht einfach auftauchen und wieder verschwinden.«
»Nichts«, meint Mike. Mit seinen Fingern fährt er seinen Ziegenbart nach. »Jedoch müsste er von einer dieser Drogen-Partys gekommen sein. Er hatte denselben Scheiß an wie diese Junkies in dieser Stadt.«
Mein Herz setzt für eine Sekunde aus. Ich wage es nicht, meinen Blick von Mike anzuwenden, um Savios Reaktion zu sehen. Nein. Jedoch kann ich es mir nicht nehmen, aus dem Augenwinkel zu luchsen und zu erkennen, wie behaglich Savio mit den Hintern auf der Sitzbank hin und verrutscht.
»Vielleicht finde ich noch etwas auf dem Computer«, versuche ich das Thema in eine andere Richtung zu lenken, um der unangenehme Stille ein Ende zu bereiten. »Wie es aussieht hat er sich lediglich die Mühe gemacht, mein Kabelsalat zu ordnen.«
»Hoffen wir es mal«, stimmt mir Mike halboptimistisch zu. »Kann ich euch denn mit etwas zu trinken währendessen versorgen?«
»28 Black Limette-Minze«, für mich. Diese Energie brauche ich dringend, denn bei diesen Schrotthaufen Geduld aufzubringen ist echt ein Höchstsport, in dem ich nicht besonders gut bin – und auch nie gut sein werde.
»Eine kalte Cola«, bittet Savio.
Hinter mir wird etwas auf den Tisch geschmissen – die Tageszeitung. Mit einem Nicken bedankt sich Savio dafür und zieht das Tageblatt näher zu sich.
»Natürlich.« Nur für dich kein Energy-Drink, hallt es stumm mit seiner Bekräftigung.
Na dann. Alleine beim Hochfahren des Computers braust die Belüftung des Rechners, dass man das Gefühl hat, der Turm fliegt gleich in die Höhe und davon. Würde er nur so schnell sein, wie laut er ist – dann wäre ich hier tausend Mal schneller fertig und ich könnte mich ganz anderen Dingen widmen. Dingen mit Savio, unanständige Dinge.
Meine Lippen verziehen sich zu einem dreckigen Grinsen bei den Gedanken an letzte Nacht. Es war nicht nur wilder, heißer Sex. Es war mehr. Mehr Gefühle, mehr Sehnsucht und ungestillter Hunger nach Befriedigung. Mein Höschen wird bei den Gedanken schon feucht, dass die nächsten Runden heute Nachmittag folgen ...
»›Leidenschaftliche Warnung für Seefahrer – Nantucket Islands Liasion‹«, reißt mich Savio aus den Gedanken. Mit einem zufriedenen Strahlen im Gesicht sagt er: »Wir haben es sogar als Schlagzeile auf das Titelblatt der Landzeitung geschafft.«
Er dreht das Tageblatt in meiner Richtung, sodass ich die große Ablichtung erkennen kann. Erneut ist es ein Bild vom Meer, in der man Savios und meine Silhouette dabei fotografiert hat, wie er es mir hinten besorgt hat. Das Fleisch zwischen meinen Beinen fängt bei der Erinnerung an zu pulsieren und meine Lippen kribbeln vor Verlangen, wieder den Weg zu Savios zu finden.
»Gott, würde wir uns nicht Siphilis auf den Toiletten hier einfangen, würde ich dich gegen die Wand drücken und so von hinten nehmen, wie gestern«, schwärmt Savio beinah schon, so sehr schwelgt er im Flashback.
Mein Blick gleitet automatisch zur Toilette. »Ich glaube, das ist nicht die einzige Krankheit, die wir uns da einfangen würden.«
»Wir sind die neuen Stars dieser Insel«, schmunzelt der Badboy.
Ja das sind wir, erwidere ich lediglich in meinen Gedanken. Zu sehr sind meine Gedanken von diesem Gewissensknoten zusammengehalten, der meine Aufmerksamkeit immer mehr in sich verwickelt, sodass Savios Stimme nur gedämpft zu mir hindurch dringt.
Dieser Typ, der alleine am Tisch sitzt und auf seinen Drink wartet, kommt mir unheimlich bekannt vor. Noch habe ich nicht viele Leute auf dieser Insel wahrgenommen, im wesentlichen Fall nur die Wichtigsten. Doch er ... Sich Gesichter einzuprägen ist einer meiner Stärken, die ich mit der Zeit immer besser beherrsche. Nur ist die Erinnerung an ihn dunkel, kaum mehr zu erreichen.
»Mike.«
»Was?«
Ich blinzle einige Male, ehe ich mich räuspere und aufstehe. Der Rechner ist sowieso noch nicht hochgefahren. »Mike hat mich zu sich gerufen wegen den Getränken«, lüge ich.
»Ist er nicht dafür zuständig?«, hinterfragt Savio missmutig. »Es ist sein-«
»Dann kann ich ihn gleich noch eine Frage zu dem Computer stellen.« Als ob er über diese Kiste besser Bescheid wüsste, spottet mein Unterbewusstsein.
»Tu was du nicht lassen kannst.« Nach dieser eher unbegeisterten klingenden Aussage verschwindet Savios Gesicht wieder hinter dem aufgeschlagenen Tageblatt. Ich kann es nicht lassen!, rechtfertige ich mich stumm.
Der Stuhl kratzt über die Holzdielen, als ich aufstehe. Ich spüre Savios Blick auf meinem Rücken, wie er sich an meiner Wirbelsäule festbeißt, wo er mich gestern noch voller Leidenschaft geküsst hat. Deswegen halte ich erst an der Bar, wo Mike mit unserer Bestellung am beschäftigt ist.
»Kommt gleich«, meint er und dreht sich wieder zum Kühlschrank um, in dem er nach eine Sprit, statt nach meinen gewünschten Energydrink greift. In mir demonstriert der irrationale Teil, dass er sich schon wieder nicht an meiner Bestellung hält. Der rationale Teil jedoch, ist ihm dankbar dafür. Denn somit erspart er mir die Bauchschmerzen, die sich seit ein paar Jahren nach jedem Schluck Energy wie schwere Steine in meinem Magen abgesetzt haben. Doch wir brauchen die Energy, ruft der unanständige Teil meines Unterbewusstseins.
Doch nachdem Savios Blick wieder von der Tageszeitung abgefangen wurde, stütze ich mich wieder von der Bartheke ab. Ohne höflich danach zu fragen, lasse ich mich auf den Stuhl fallen, der neben dem dunklen Teil meines Gedächtnisses steht.
Mit einem eher überraschten Ausdruck im Gesicht empfängt mich ein junger Mann. Hellblaue Augen konkurrieren mit dem strahlend blauen Himmel Nantucket Islands, genauso wie mit meiner Erinnerung. Ihr durchdringender Blick ist mir bekannt, trotzdem kann ich ihn niemanden zuordnen.
»Bittet man nicht normalerweise, bevor man sich einfach zu jemanden hinsetzt?«, hakt eine tiefe Stimme nach.
Und plötzlich trifft mich die Erkenntnis wie in einem Schlag.
. . .
Eine neue Woche, ein neues Kapitel boos!
Es hat hat mir sooo viel Spaß gemacht eure Kommentare zu lesen und darauf reagieren. Manche sind sogar wieder In meinem Album für Screenshot-Kommentaren gelandet. Ihr kleinen Perverslinge! xD
Na, habt ihr irgendwelche Vermutungen, wer das sein könnte, der uns im nächsten Kapitel erwartet?
Ich bin gespannt ... Und Savio sowieso, denn der wird DEFINITIV eine Erklärung von unserer lieben Line haben wollen ;D
xx
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