4) Fuck
Achtung, hier wird eine Menge geflucht.
Oop.
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Mehrere Sekunden lang konnte ich nur dümmlich starren, und mit jeder dieser Sekunden kletterte meine Fassungslosigkeit unaufhaltsam weiter in unbekannte Sphären hinauf.
Was zum Henker passierte hier? Zayn war doch nicht ... der Zayn in Kensburgh konnte doch unmöglich älter als fünfundzwanzig gewesen sein, oder? Oder?
Fuck!
Unwillkürlich rutschte ich tiefer in meinen Stuhl, bis ich nur noch knapp über meinen aufgeklappten Laptop nach vorne schielen konnte. Aber es nutzte nichts, hier irgendetwas zu leugnen, es war eindeutig Zayn. Dasselbe tintenschwarze Haar, der gepflegte Dreitagebart, die markanten Wangenknochen, die geschwungenen Lippen, die bunten Tattoos auf seinen Handrücken. Sein Körperbau, seine Körperhaltung. Seine tiefe, samtige Stimme, mit der er nun den Seminarraum füllte und es binnen Minuten schaffte, sich die Sympathie sämtlicher Studierenden zu sichern.
Mein Magen stülpte sich mehrmals um, als nach und nach zu mir durchsickerte, was hier Sache war.
Ich hatte mit meinem Dozenten geschlafen.
Oh mein Gott.
Der Typ musste mich unterrichten, mich am Ende des Semesters benoten. Wie zur verfickten Hölle sollte das denn funktionieren?
„... bin kein Professor oder Doktor oder sonst irgendwas", stellte Zayn gerade klar, als ich es schaffte, aus meinem gedanklichen Strudel aufzutauchen.
Vorsichtig spähte ich über mein Notebook, verfolgte, wie er weiterhin gefüllte Kaffeebecher nach vorne reichte und die Milchpackungen in Umlauf brachte. Denjenigen, die sich meldeten, warf er die Zuckerpäckchen zu.
„Ich habe einen Bachelor in Musikpädagogik und einen Master in Sozialpädagogik. Natürlich hätte es auch Kombi-Studiengänge gegeben, aber meine soziale Ader habe ich erst später entdeckt. Danach habe ich noch eine psychologische und eine heilpädagogische Zusatzqualifikation absolviert und bin jetzt Leitung einer heilpädagogischen Tagesstätte hier in der Nähe, in der ich mich außerdem um die musiktherapeutischen Angebote kümmere. Vor einem Jahr ist die Hochschule auf mich zugekommen, weil Lehrbeauftragte für diverse Praxisseminare gesucht wurden, und ich habe zugesagt."
Mit einem frechen, verschmitzten Grinsen, bei dem sich alles in mir zusammenzog, weil ich es zuletzt von ihm gesehen hatte, als noch gewisse Körperteile von ihm in mir gesteckt hatte, breitete er die Arme aus. „Und jetzt stehe ich hier und darf Kaffee verteilen."
„Deshalb ist das Seminar also an der Hochschule, statt an der Uni?", fragte irgendjemand in der ersten Reihe. „Weil Sie eigentlich für die Hochschule arbeiten?"
Zayn nickte bestätigend. „Richtig. Es gibt hier einen Studiengang, der Sozialpädagogik mit Musik und Tanz kombiniert. Da übernehme ich auch ein paar Praxis- und Praktikumsseminare. Sozialpädagogik und Psychologie haben eine Vielzahl an Anknüpfungspunkten, da dachten sich die Organisatoren wohl, dass ich auch das Musikpsychologie-Wahlpflichtmodul machen kann. Mit Vergnügen. Für die Praxisstunden habe ich schon einige Sachen aus meinem Berufsalltag vorbereitet, die wir in der Gruppe ausprobieren können. Hat hier denn schon jemand Erfahrungen mit musikalischen Angeboten in der Behindertenarbeit?"
Etwa ein Drittel der Studierenden meldete sich, und Zayn Malik, offenbar ein Sympathiebrocken und Studentenliebling von Feinsten, ging auf alle ein, zeigte sich interessiert, stellte Rückfragen und bot an, einige Vorschläge in die Praxisstunden zu integrieren.
Ich wurde in meinem Stuhl immer kleiner.
Scheiße.
Warum musste er so nett sein? Es wäre so viel einfacher, ihn nicht mögen zu können, weil er ein Arschloch war.
„Gut. Sehr schön." Mit einem entschuldigenden Blick auf weitere Meldungen beendete er die Gesprächsrunde. „So gerne ich noch weiter bereichernde Erfahrungen sammeln würde, müssen wir leider noch den organisatorischen Part abarbeiten. Da das hier ein Wahlpflichtkurs mit massiv begrenzten Plätzen ist, muss ich überprüfen, ob wirklich alle Auserwählten hier sind. Wenn das nicht der Fall ist und jemand unabgemeldet fortbleibt, haben wir immerhin noch ein Plätzchen frei, und die Liste der Nachrücker ist lang."
Auch das noch!
Meine Panik schlug wie eine Sintflut über mir zusammen. Lang. Ja, ich kannte da noch so etwas, was lang war. Und fuck, er ging die Teilnehmerliste durch! Sollte ich einfach aufstehen und zur Tür stürmen?
Fuck!
„Hey." Maren stieß mich an, einen milde besorgten Ausdruck im Gesicht. „Alles klar bei dir? Du siehst aus, als wäre dir schlecht."
„Ja", würgte ich hervor, nur um dann sofort zusammenzuzucken, als Zayn Malik den ersten Namen vorlas und sich prüfend unter den Anwesenden umsah. „Alles bestens."
„Bist du sicher?" Dann wurde ihr Name aufgerufen, und sie hob die Hand, während ich panisch unter dem Tisch abtauchte, als müsste ich etwas suchen. „Hier!"
Schweratmend starrte ich den Inhalt meines Rucksacks an, nur ein Fingerschnippen von einer Panikattacke entfernt. Zayn tauschte ein paar Worte mit Maren und rief dann weiterhin arglos Namen auf, und ich wusste verdammt nochmal, dass meiner nicht mehr weit sein konnte, weil Horan mit einem beschissenen H begann, keine Ahnung, was mein Dad mit diesem Nachnamen bezwecken wollte, und ich n-...
„Horan, Niall?"
Gepeinigt schloss ich die Augen. Dann atmete ich noch ein letztes Mal durch, ehe ich mich aufrichtete und widerwillig meine Hand hob. Sie zitterte vor Nervosität, zusammen mit einer ordentlichen Portion Furcht.
„Hier."
Zayn reckte sich, während sein freundlicher Blick suchend durch den Raum glitt. „Wo? Ich glaube, Sie sitzen ziemlich versteckt. Ah."
Endlich hatte er mich entdeckt – und ich konnte in aller Perfektion verfolgen, wie er einen Double-Take machte, und dann schlagartig erstarrte. Nur ganz, ganz kurz, vielleicht für eine halbe Sekunde, dann hatte er sich und seine Mimik wieder unter Kontrolle. Ich bemerkte es selbstverständlich trotzdem.
„Hallo, Niall." Sein Gruß klang exakt so wie der an all die Leute vor mir, doch mir drang er durch Mark und Bein. Als er meinen Namen das letzte Mal in den Mund genommen hatte, war er gerade in mir gekommen, seine Stirn an meine gepresst, seine Lippen auf meinen, seine schweißnassen Hände überall an meinem Körper, seine tiefschwarzen Haarsträhnen in meinen Augen. „Na, wo kommen Sie her?"
Als ob er das nicht wüsste.
„Kensburgh." Warum klang meine Stimme plötzlich so erbärmlich hoch? Noch nie hatte ich mir sehnlicher gewünscht, der Erdboden könnte sich auftun und mich mit Haut und Haar verschlingen. Auf Nimmerwiedersehen. „Ich pendle."
„Ah. Spannend." Zayns dunkle Augen flackerten in einer undefinierbaren Emotion. „Ist bestimmt anstrengend, jeden Tag so weit zu fahren."
Ich biss die Zähne zusammen, um meine Übelkeit hinunterzuschlucken. Hatte er mit den Leuten vor mir auch so lange gesprochen? Ich wusste es nicht. Dafür hatte ich zu wenig zugehört, hatte mich zu sehr in meiner Panik gesuhlt.
„Ist es." Ich erwiderte seinen Blick nur kurz und starrte dann auf meinen Laptop, in der Hoffnung, er kapierte den Hinweis, mich doch jetzt bitte in Ruhe zu lassen. „Aber es klappt."
„Sehr schön. Dann auf eine gute Zusammenarbeit, Niall."
„Bestimmt."
Dann ließ er mich endlich vom Haken, um stattdessen einen Typen namens Marvin mit ähnlichen Fragen zu löchern. Mit einem pfeifenden Atemzug ließ ich mich in meinem Stuhl zurücksinken, die zu Fäusten geballten Hände unter dem Tisch verborgen.
Dieser Wortwechsel war der schlimmste, peinlichste und aus irgendeinem Grund auch erniedrigendste in meinem ganzen bisherigen Leben gewesen. Sicherlich war das nicht Zayns Absicht gewesen, immerhin musste er mich vor dem Kurs genauso behandeln wie alle anderen Studierenden, aber ... verdammte Scheiße, fühlte ich mich unwohl.
Mit nur halbem Ohr hörte ich zu, wie Zayn die Teilnehmerliste fertig abarbeitete. Dann erklärte er noch, dass sich die Veranstaltung insgesamt aus drei Semesterwochenstunden zusammensetzte, die wöchentlich auf jeweils eine Praxiseinheit und eine Theorieeinheit aufgeteilt wurden, wobei er da je nach Bedarf auch gerne mal variierte. Nachdem auch sämtliche Fragen seitens der Studierenden geklärt waren, lud er uns zu einem kleinen Rundgang durch die Musikräume der Hochschule ein, die wir im Zuge des Kurses brauchten.
Ich hielt mich im Hintergrund, vermied Blickkontakt mit Zayn und sprach ihn um Gottes Willen nicht an. Stattdessen wich ich ihm aktiv aus, wenn er in meine Richtung zu gehen drohte, und hob nicht einmal die Hand, als er uns beim Besuch des Instrumentenraums fragte, wer denn alles ein Instrument beherrschte. Mein ganzer Körper kribbelte, so sehr stand ich unter Strom.
So konnte das nicht das ganze Semester über weitergehen. Ich musste mit Zayn sprechen, wir brauchten irgendeine Übereinkunft, die uns die Situation erleichtern würde.
Am besten sofort.
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Ob das jetzt etwa schon DIESER Deal wird? Hm😏🤔
Dankeschön fürs Kommentieren & für eure Sternchen🥰🙏
Liebe Grüße
Andi💕
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