38) Entlarvt

„Wir sehen uns am Montag, richtig?" Störrisch drückte ich mein Gesicht noch fester an Zayns Schulter, um unseren Abschied noch weiter hinauszuzögern. Es grenzte beinahe an Lächerlichkeit. In zwei Tagen würde ich ihn wiedersehen und die Nacht auf Dienstag mit großer Wahrscheinlichkeit bei ihm verbringen, ebenso die Nächte auf Mittwoch und Donnerstag, und trotzdem schaffte ich es jetzt nicht, mich von ihm zu lösen. Dass meine Mutter ein paar Meter weiter schon im Auto saß und uns mit Argusaugen durch den Rückspiegel beobachtete, blendete ich vollkommen aus. Das Verhör mit ihr war ebenfalls etwas, das ich liebend gerne so weit hinauszögerte, wie es eben ging.

„Selbstverständlich." Zayns Brust vibrierte, als er leise in sich hineinlachte. „Ich hoffe, du und Maren seid gut vorbereitet für eure Praxisstunde."

Stöhnend verzog ich das Gesicht. „Erinnere mich bitte nicht daran. Du weißt doch, wie sehr ich es hasse, etwas präsentieren und Leute anleiten zu müssen."

„Aber du bist gut darin." Seine Hand malte sanfte Kreise auf meinen Rücken. „Bei den Übungen in den Gruppenstunden warst du einer der Besten. Das meine ich völlig ernst. Du kriegst das hin, da habe ich volles Vertrauen in dich."

„Na, wenigstens einer von uns." Widerwillig löste ich mich von ihm, trat aber nicht zurück. Stattdessen legte ich den Kopf in den Nacken, um zu ihm aufzusehen, die Finger weiterhin in den Schlaufen seiner Jeans. „Und Zayn, danke für diesen tollen Nachmittag mit Greg. Dass ihr so verdammt gut miteinander klarkommt und du dich so auf ihn einlassen konntest, ist nicht selbstverständlich. Danke."

Ein warmes Lächeln zupfte an seinen Lippen. „Obwohl ich dich beim Puzzle-Challenge geschlagen habe?"

Ich stieß ihn in die Seite. „Du bist der blödeste Sugardaddy, den es gibt."

„Muss ich darauf antworten?"

Anstelle einer weiteren Beleidigung schob ich mich auf die Zehenspitzen empor und küsste ihn, genoss das Feuerwerk an Emotionen und Funken, das bei der Berührung unserer Lippen in mir barst. Nie würde ich mich daran gewöhnen, Zayn zu küssen. Es mochte wahnwitzig klingen, aber in mir brodelte so viel Liebe für diesen Mann, dass man es unmöglich in Worte fassen konnte.

Zayns Hände fanden an meine Taille, glitten dort beruhigend auf und ab, ehe wir den Kuss irgendwann brachen, wohlwissend, dass sich unsere Wege nun trennten. Für zwei verdammte Nächte, die sich für mich wie eine halbe Ewigkeit anfühlen würden.

„Kannst du nicht einfach hierbleiben?" Grummelnd strich ich ihm eine schwarze Haarsträhne aus der Stirn. „Die Leute im heilpädagogischen Zentrum schaffen diese Party doch bestimmt auch ohne dich."

„Tut mir leid, aber nein." Es klang ehrlich bedauernd. „Ich habe den Kram in die Wege geleitet, also muss ich auch zur Durchführung da sein. Ich würde dich ja liebend gerne mitnehmen und mit dir angeben, wenn du nicht ..." Er räusperte sich. „Wenn du nicht mein Student wärst. Einige der Heilerziehungspfleger dort studieren berufsbegleitend mit dir an der Uni, irgendwer würde ich erkennen."

Mein Nicken fiel wehleidig und verständnisvoll zugleich aus. Bis zum Semesterende mussten wir uns auf jeden Fall noch vollkommen bedeckt halten, danach konnten wir weitersehen, wie wir das Ganze am besten angingen. Jetzt schon offiziell als Paar auf irgendwelchen Feierlichkeiten aufzutauchen, wäre schlicht und ergreifend dumm.

„Du würdest also gerne mit mir angeben." Grinsend stupste ich mit dem Zeigefinger seine Nase an. „Ich bin für dich also nur ein hübsches Mitbringsel. Klingt schon sehr nach Sugard-..."

„Sag es nicht." Seine Augen flackerten dunkel, und ich ahnte, dass ich jetzt mindestens einen Blowjob kassiert hätte, befänden wir uns nicht in der Öffentlichkeit. Vielleicht hätte er mich aber auch über das nächstbeste Auto gebeugt. Oder in seinem Auto auf die Rückbank geworfen.

Oh. Mein. Gott.

Prompt schoss mir das Blut in meiner Körpermitte zusammen, die Raupe Immerscharf in mir war offenbar nach wie vor eifrig im Einsatz.

„Hör bitte auf zu denken." Zayns Finger bohrten sich verdächtig fest in meine Seite. „Deine Mutter ist da drüben und beobachtet uns. Sex auf der Motorhaube ist keine Option."

„Schade." Anzüglich biss ich mir auf die Unterlippe. „Ein andermal."

Zayn ächzte laut. „Stopp. Ich werde jetzt fahren, bevor ich vor deiner Mutter einen Steifen kriege. Bis Montag."

Wir tauschten noch einen kleinen Kuss und eine kurze Umarmung, dann wandten wir uns abrupt voneinander ab. Offenbar war uns beiden bewusst, dass wir noch stundenlang hier stehen und quatschen und uns anfassen und küssen würden, wenn wir nicht bald auf Abstand gingen.

„Na?" Meine Mutter musterte mich mit undefinierbarem Gesichtsausdruck, als ich mich in den Beifahrersitz ihres alten Polos fallen ließ. „Ausgiebig verabschiedet?"

Ich nickte unsicher. Unter ihrem eindringlichen Blick wurde mir ganz heiß. Unruhig friemelte ich mit dem Gurt, und es kostete mich mehrere Anläufe, ihn einrasten zu lassen. In mir brodelte zaghaft die Hoffnung hoch, dass sie einfach den Motor starten und losfahren würde, ohne mich einem Verhör zu unterziehen, aber natürlich wurde mir dieser Wunsch nicht erfüllt.

Statt nach dem Schlüssel in der Zündung zu greifen, seufzte sie leise, ließ die Hände in ihren Schoß fallen. „Ich habe mich vorhin ein wenig mit Karen unterhalten. Zayn studiert nicht mehr, hm? Schon lange nicht mehr."

Alles in mir zog sich zusammen, inklusive meiner Kehle. Stumm schüttelte ich den Kopf.

„Sie sagte, er arbeitet unter anderem an der Hochschule und an der Uni in Dublin. Als Lehrbeauftragter." Mama hielt inne und verzog das Gesicht, schien nicht recht zu wissen, wie unverblümt sie das Thema ansprechen sollte. „Niall, ist Zayn dein Dozent?"

Geschlagen sackten meine Schultern hinab. Natürlich hatte ich den gesamten Nachmittag über mit exakt dieser Frage gerechnet, aber sie nun tatsächlich aus ihrem Mund zu hören, glich dennoch einem Schlag in die Magengrube.

„Ja." Ich wagte es nicht, sie anzusehen. „Ist er."

„Ah." Meine Mutter nickte nur langsam vor sich hin. Lediglich das Zucken ihrer Augenbrauen verriet ihre Irritation. „Wie ist das zustande gekommen? Im Laufe des Semesters?"

„Nein, schon davor", berichtigte ich sie hastig. Dieses Detail erschien mir für meine Mutter am wichtigsten. „Wir haben uns am Wochenende vor Semesterbeginn hier in Kensburgh im Murphy kennengelernt. Und, ähm ..." Ich räusperte mich, spürte sofort, wie meine Wangen zu brennen begannen. Eigentlich war meine Mutter die allerletzte Person, mit der ich über mein Sexleben reden wollte, insbesondere, wenn es um One-Night-Stands ging. „Es hat eben gefunkt."

„Ah." Ihre Stirn lag in tiefen Falten. „Und ihr habt es für eine gute Idee gehalten, es nach Semesterbeginn weiterfunken zu lassen."

„Natürlich nicht." Nervös rutschte ich auf dem Sitz herum. „Wir wollten wirklich einen Schlussstrich ziehen und so tun, als würden wir einander nicht kennen. Hat nicht ganz geklappt."

„Hm." Noch immer wirkte sie so ruhig. Warum war sie so ruhig? Müsste sie nicht eigentlich ausflippen? Mir sagen, dass ich nicht alle Tassen im Schrank hatte? Oder wenigstens Zayn des Missbrauchs bezichtigen oder so? „Ist das laut Hochschule und Universität verboten? Wer weiß alles davon?"

„Irgendwo gibt es eine alte Ethikrichtlinie, die aber anscheinend keinen interessiert." Vorsichtig spähte ich zu ihr hinüber, sah schnell wieder weg, als ich bemerkte, dass sie mich nach wie vor forschend begutachtete. „Seit Montag ist es tatsächlich mit dem Rektor der Hochschule und der Präsidentin der Uni abgeklärt. Auch, wie Zayn bei der Benotung vorgehen wird. Es kann also keine bösartigen Enthüllungen mehr geben, bei denen Zayn seinen Job verliert und ich meinen Studienplatz los bin."

„Das ist ... gut." Meine Mutter seufzte, fuhr sich mit der flachen Hand übers Gesicht. „Niall, ich möchte ehrlich mit dir sein. Ich bin ein bisschen schockiert. Ich hätte dich für vernünftiger eingeschätzt, als etwas mit einem deiner Dozenten anzufangen. Hätte das nicht Zeit gehabt bis nach dem Semester?"

Verlegen zuckte ich die Schultern. „Wahrscheinlich schon. Aber bis dahin hätte ich es nicht ausgehalten, glaube ich."

„Dann ging es also von dir aus?"

„Hauptsächlich, ja." Trotz allem musste ich schwach lächeln. „Zayn hätte in der ersten Stunde am liebsten so getan, als hätte er mich noch nie gesehen."

„Was für ihn spricht, wenn ich ehrlich bin." Sie strich sich ihr kinnlanges, blondes Haar hinter die Ohren. „Würde ich Zayn nicht bereits persönlich kennen, ebenso wenig seine Mutter, hätte ich jetzt große Sorge, dass du an einen miesen Kerl geraten sein könntest, der seine Machtposition dir gegenüber ausnutzt."

Ich stöhnte auf. „Warum denkt das immer jeder? Zayn ist kein psychotischer Verbrecher, der mich zu irgendwelchen Sachen zwingt. Mama, ich ..." Ich brach ab, atmete tief durch. „Scheiße. Ich liebe ihn, okay? Er ist diese eine Person, bei der ich wirklich ankommen kann. Er ist mein Mensch, ich weiß es. Ich spüre es."

Mehrere Augenblicke lang musterte sie mich schweigend, dann breitete sich ein kleines Lächeln auf ihrem Gesicht aus. „Du bist völlig hin und weg, was?"

„Ja." Am liebsten wäre ich im Erdboden versunken. „Absolut."

„Niall." Meine Mutter berührte mich an der Schulter. „Niall, das hier soll keine Schimpftirade oder irgendetwas dieser Art werden, meine Güte. Du bist alt genug, um selbst zu entscheiden, was du willst. Oder, in diesem Fall, wen. Außerdem mag ich Zayn. Vielleicht muss ich mich noch daran gewöhnen, dass er dir altersmäßig knapp zehn Jahre voraus ist, aber ich mag ihn. Ich denke, ihr passt gut zusammen, und freue mich ehrlich, dass ihr euch gefunden habt. Wenn auch auf etwas fragwürdigen Wegen. Solange du glücklich bist und er es genauso ernst mit dir meint wie du mit ihm, ist für mich alles in Ordnung. Ich denke, da spreche ich auch für deinen Vater."

Bei diesen Worten wagte ich es endlich, aufzusehen und ihren Blick aufzufangen. „Danke, Mum. Wirklich. Ich hatte echt Angst, dass du versuchst, mir alles auszureden."

„Warum sollte ich dir alles ausreden?" Achselzuckend startete sie den Motor. „Wie gesagt, du bist ein erwachsener Mensch, da werde ich dir kaum in deine Partnerwahl reinreden. Außer natürlich, du hättest dir eine abgrundtief schlechte, manipulative Person ausgesucht. Dann hätte ich es probiert."

Grummelnd rutschte ich tiefer in den Sitz. „Gut zu wissen."

„Gibt es denn sonst noch etwas?" Sie pausierte, um die Straße zu checken, ehe sie aus dem Parkplatz fuhr. „Also etwas, das ich wissen sollte. Oder lass es mich besser formulieren: Etwas, das du gerne loswerden würdest."

Sofort dachte ich an die Sache mit Marvin. Dieser schreckliche Abend im Keller der Uni. Diese tiefgreifende Angst. Die Dinge, die um ein Haar passiert wären. War ich schon bereit dafür, das alles bei meiner Mutter auszupacken?

Nicht wirklich.

„Nein." Ich rang mir ein Lächeln ab. „Bis jetzt nicht."

Meine Mutter nickte und erwiderte das Lächeln, doch mir entging der besorgte Seitenblick nicht, den sie mir einen Moment später zuwarf. Sie spürte, dass noch etwas im Busch war, und irgendwann würde ich ihr dieses Etwas auch mitteilen, nur nicht heute, nicht jetzt.

Jetzt war ich einfach nur froh darüber, dass sich in den letzten paar Stunden so viele Unsicherheiten und Ängste ins Nirvana verflüchtigt hatten.

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Ngl, ich bin weirdly sad darüber, dass jetzt nur noch der Epilog kommt und die Story dann schon wieder vorbei ist - like, wo ist die Zeit hingekommen?😭😂 Hmpf.

Ansonsten kann ich hier nur noch berichten, dass ich vor Hitze  v e r r e c k e.

Dankeschön euch fürs Lesen & Voten & Kommentieren und liebe Grüßeee!❤
Andi🌈

P.S: Guckt hier irgendjemand "The Umbrella Academy" auf Netflix & hat Season 4 schon gesehen? Möchte jemand mit mir ranten? Pls?🥺😂😐


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