15) Überraschung (!)

Die Samstagsschicht im Murphy lief schlecht. Nachdem ich schon Freitagnacht vergeblich damit verbracht hatte, nach einem vertrauten schwarzen Haarschopf und den zugehörigen schokoladenbraunen Augen Ausschau zu halten, stieg mein Frust mit jeder verstreichenden Stunde ins Unermessliche.

Zayn hatte doch unmissverständlich angedeutet, dass er das Wochenende wieder in Kensburgh verbringen würde, oder? Und außerdem hatte er angedeutet, dass er in diesem Fall auch im Murphy vorbeischauen würde. Oder? Zumindest hatte mein gieriges, sehnsüchtiges Gehirn das so aufgefasst und klammerte sich nun an jedem noch so fasrigen Strohhalm fest, dass sich meine Hoffnungen bewahrheiten könnten.

Missmutig reichte ich drei Bierflaschen über die Bartheke, rang mir dabei ein gezwungenes Lächeln ab. Die junge Frau, die schon seit zwei Stunden regelmäßig an die Bar kam, um mich ungeniert anzubaggern, ignorierte ich inzwischen geflissentlich. Die bösen Blicke von Lish, die meine Strategie natürlich durchschaut hatte und sich über die zusätzliche Arbeit ärgerte, quittierte ich nur mit einem liebenswürdigen Lächeln.

Normalerweise störte es mich nicht, wenn Leute mich anmachten, solange sie es nicht auf eklige Art und Weise taten. Der Tatsache, dass ein gewisses Maß an Flirten ständig passierte, musste man sich eben bewusst sein, bevor man einen Job hinter der Bar annahm. Und da es mittlerweile wohl die Runde gemacht hatte, dass der blonde Barkeeper, der wochenends arbeitete, nicht sonderlich wählerisch war, was das Geschlecht betraf, kam diese Anmache immer öfter auch von Kerlen. Gut für das Geschäft und noch besser für mein Trinkgeld.

Heute war mir mein Trinkgeld scheißegal, wohlwissend, dass ich nicht allzu viel davon bekommen würde, wenn ich weiterhin eine solche Fresse zog.

„Niall!" Louis beugte sich über die Theke, übers ganze Gesicht strahlend. Seine Augen waren schon ganz glasig, seine Stirn verschwitzt, offenbar hatte er ordentlich gebechert. Heute hatte er es sich anscheinend mal wieder zur Aufgabe gemacht, sich abzuschießen und mir dabei bestmöglich auf den Keks zu gehen, bis meine Schicht endete. „Was ist denn heute los mit dir? Mit dieser Hackfresse greifst du niemanden ab."

Meine Laune verschlechterte sich zunehmend. Dann war es also wirklich so offensichtlich, dass ich heute alles und jeden auf den Mond schießen könnte. Verdammt.

„Wer sagt, dass ich jemanden abgreifen will?" Mit einem schnellen Blick vergewisserte ich mich, dass niemand ein Getränk von mir wollte, ehe ich mich auf ein Gespräch mit Louis einließ. Privates Quatschen, während ringsum irgendwelche Clubgäste warteten, galt in Lishs Augen als Todsünde und rechtfertigte drastische Maßnahmen wie Arschtritte und Zwangsüberstunden. „Vielleicht will ich einfach nur meinen Frieden."

Louis hob die Augenbrauen. „Du willst immer jemanden abgreifen."

„Ey." Verärgert stieß ich ihn an. „So schlimm bin ich jetzt auch wieder nicht."

„Doch. Ein bisschen schon. Und hör zu." Verschwörerisch beugte er sich vor, seine glänzenden Augen so weit aufgerissen, dass ich jede Farbnuance seiner hellblauen Iriden ausmachen konnte. Mal ganz davon zu schweigen, dass sein Atem nach hochprozentigem Alkohol roch. „Rate mal, mit wem ich mich morgen im Wicklow-Mountains-Nationalpark treffe."

Argwöhnisch musterte ich ihn. „Mit wem?"

„Maren!" Er grinse so breit, dass ich befürchtete, ihm könnten die Zähne aus dem Mund fallen. „Sie meinte, sie wollte dort schon immer mal hin, kann sich allein aber nicht aufraffen. Und morgen fahren wir gemeinsam."

Mein Kopf brauchte ein paar Sekunden, um diese Info zu verarbeiten. „Maren? Was? Das ging aber ... schnell."

„Ja." Verträumt ließ Louis die Wange auf die Bartheke hinabsinken. „Ich glaube, ich will doch eine Beziehung."

„Louis, lass das." Entsetzt nötigte ich ihn dazu, sein Gesicht von der verdammten Bar zu nehmen. „Weißt du, wie viele Leute hier schon gekotzt oder gepisst haben? Wahrscheinlich wäre sogar die Kloschüssel in der Damentoilette hygienischer."

„Ja, ja." Die Intensität seines Grinsens könnte noch immer Eisberge zum Schmelzen bringen. „Aber würde es dir etwas ausmachen, Nialler? Wenn Maren und ich ... du weißt schon."

Ich starrte ihn an. „Wieso sollte mir das etwas ausmachen? Ich bin nur etwas überrumpelt, aber solange ihr einander nicht verarscht oder leichtsinnig verletzt, passt doch alles."

„Nice!" Ehe ich zurückweichen konnte, warf er sich mir entgegen und schlang mir die Arme um den Nacken. „Niallerrrrr, du bist so toll."

Oh mein Gott.

Louis musste nach Hause.

„Lou." Sanft schob ich ihn von mir, unschlüssig, ob ich belustigt oder verärgert sein sollte. „Meinst du nicht, du solltest heimfahren? Wenn du morgen dieses Date mit Maren hast, willst du doch nicht völlig übermüdet und verkatert sein, oder? Schon gar nicht, wenn ihr Wandern geht."

Nachdenklich hielt er inne. „Stimmt." Prompt rutschte er vom Barhocker, wobei er schwindelerregend taumelte. Armer Teufel, doch da er an seinem Suff zu hundert Prozent selbst schuld war, würde ich ihn definitiv nicht bemitleiden. „Ich fahr heim."

„Tu mir den Gefallen und nimm ein Taxi." Besorgt hielt ich ihn mit einer Berührung an der Schulter zurück. In diesem Zustand würde ich ihn garantiert nicht allein in den Bus steigen lassen. „Soll ich dir schnell eins rufen?"

„Nee, lass mal. Das ruf ich mir selbst." Louis schielte zu Lish hinüber, die glücklicherweise mit einem Cocktail beschäftigt war. „Sonst kriegst du wieder einen Rüffel von der Diktatorin. Außerdem hast du zu tun." Mit dem Daumen deutete er auf eine Gruppe junger Typen, die ungeduldig in meine Richtung glotzten und darauf warteten, ihr hochprozentiges Gift bestellen zu können. „Viel Erfolg."

Ich gab den Kerlen mit einem schnellen Handzeichen zu verstehen, dass ich gleich bei ihnen war, mich innerlich dafür verfluchend, dass ich hier nicht wegkonnte. „Louis. Bitte nimm ein Taxi."

„Ja-ha! Tschüssi!" Er wollte sich abwenden und in der Menge verschwinden, doch dann beugte er sich kurz nochmal über die Bar. „Und guck mal zu dem Tisch auf zwei Uhr. Der Typ sitzt da schon seit einer halben Ewigkeit und glotzt dich an, als würde er dich am liebsten fressen. Oder ..." Mein Kumpel grinste dreckig und wackelte vielsagend mit den Augenbrauen. „Oder über die Bar legen."

Ich seufzte, folgte seinem unauffälligen Fingerzeig jedoch. „Wie oft soll ich dir noch sagen, dass ich heute niemanden abgreifen m-..."

Der Rest des Satzes blieb mir im Hals stecken.

Aber hallo.

Zayn.

Da drüben in der Ecke, in einer der Sitzbuchten an einem winzigen Zweiertisch, saß Zayn Malik, nur schwach beleuchtet von den bunten Blinklichtern, aber seine Silhouette würde ich überall wiedererkennen. Plötzlich spürte ich, wie intensiv sein Blick an mir haftete. Er durchbohrte mich förmlich, stechend und heiß, und als hätte Zayn wiederum meinen Blick gespürt, hob er prompt sein Getränk und prostete mir zu.

Ich schluckte trocken, mühte mich um eine neutrale Mimik, während mein Herz wie wild zu galoppieren begann. Zayn war hier. Er war tatsächlich hier. Und wenn ich nachher Feierabend hatte, würde ich mich zu ihm in diese Zweierbank quetschen, ihn aufstacheln und ihn dann mit zu mir nach Hause nehmen und ihn alles machen lassen, was er wollte. Ja, das war ein hervorragender Plan.

Sah ganz so aus, als wollte ich heute doch jemanden abgreifen.

„Kennst du ihn etwa?", hakte Louis neugierig nach. Selbstverständlich war ihm meine seltsame Reaktion nicht entgangen. „Ist der Typ öfter hier?"

„Manchmal, ja." Hastig riss ich meinen Blick von Zayn los und trat dann auch von Louis ein paar Schritte zurück, die Hände entschuldigend erhoben. „Ich muss wieder was tun. Ruf dir ein Taxi."

„Ja, Mama." Überschwänglich winkte Louis mir zu. „Bis demnächst!"

Und damit verschwand er auf Nimmerwiedersehen in der tanzenden, schwitzenden Menschenmenge, hoffentlich auf dem Weg nach draußen und hoffentlich mit dem Vorhaben, sich wirklich dieses Taxi zu rufen, statt die ganze Nacht lang kotzend über einem Gully zu hängen.

Die gesamte restliche Schicht über spürte ich, wie Zayns Augen mich auf Schritt und Tritt verfolgten. Er scannte jede Bewegung, die ich tat, jedes Lächeln, das ich mit den Gästen austauschte, jeden Wortwechsel mit Lish. Es sollte creepy sein und Unwohlsein in mir auslösen, aber irgendwie konnte ich mich nicht dazu bringen, auch nur den kleinsten Funken Negativität an der Sache zu finden. Je länger Zayns eindringlicher Blick auf mir lag, desto heißer wurde mir. Nach und nach begann mein ganzer Körper vor Aufregung zu kribbeln, Adrenalin jagte durch meine Adern, ließ mir meinen Puls in den Ohren dröhnen.

Als endlich meine Ablöse kam und mir schlechtgelaunt und missgünstig einen schönen Feierabend wünschte, konnte es mir nicht schnell genug gehen, das Murphy-Shirt loszuwerden und mich ins dichte Getümmel des Clubs zu stürzen. Mit Tunnelblick hielt ich auf Zayns Tisch zu, konnte mich nicht gegen mein dümmliches, aufgeregtes Grinsen wehren, als er aufstand und mir sogar ein paar Schritte entgegenkam.

„Hey." Ein sanftes Lächeln umspielte seine geschwungenen, vollen Lippen, ließ seine Augen erstrahlen und brachte meinen Atem ins Stocken. Zayns unerhörte Attraktivität schockierte mich wieder und wieder. Seine langen, eleganten Finger hielten ein volles Cocktailglas mit orangefarbenem Inhalt umschlossen, zogen meinen Blick magisch an. Hatte ich schon erwähnt, dass ich seine Finger liebte? „Drink?"

„Hi. Klar." Ich nahm das Glas entgegen. „Danke. Den nächsten bezahle ich, nur, dass dir das klar ist."

Zayns Mundwinkel zuckten. „Keine fünf Sekunden vergehen, und schon stellst du Ansprüche."

„Immer." Ich pausierte, um ihn eingehend zu mustern. „Du bist hier."

„Ja", antwortete er schlicht. „Ich konnte nicht widerstehen."

Unsere Blicke brannten sich ineinander fest, ließen Flammen in mir züngeln, die einzig und allein Zayn löschen konnte. Eigentlich wollten wir beide den Club sofort verlassen. Eigentlich hatte keiner von uns Interesse an einem unnötig unschuldigen Vorgeplänkel, wo wir doch genau wussten, was wir voneinander wollten und worin diese Nacht enden würde. Aber ich nahm mich mit aller Macht zusammen, konnte Zayns angespannten Schultern entnehmen, dass er dasselbe tat.

Wir beide wollten einander noch ein bisschen hinhalten, also würden wir das jetzt auch tun.

Verschmitzt glitt ich ihm gegenüber in die winzige Sitzbucht. Der Tisch war so schmal, dass ich mich nicht einmal wirklich vorbeugen müsste, um ihn zu küssen, aber auch dahingehend riss ich mich am Riemen. Wir konnten doch nicht gleich unser ganzes Pulver verschießen, richtig?

„Ich habe gestern schon überlegt, herzukommen, war mir aber nicht sicher, ob du arbeitest." Wie hypnotisiert verfolgte ich, wie Zayns Lippen sich um den Strohhalm in seinem Cocktail schlossen und daran saugten. „Letztes Wochenende warst du ja Samstag und Sonntag im Dienst."

„Das war nur eine Ausnahme." Meine Stimme klang viel zu atemlos, also nahm ich auch einen Schluck von meinem Cocktail. Zufrieden registrierte ich, wie sich Zayns Augen wiederum auf meinen Lippen festzurrten. Schien so, als hätten wir beide ein Lippenfetisch. Die Raupe Immerscharf in mir tanzte johlend Tango. „Normalerweise arbeite ich grundsätzlich Freitag und Samstag."

„Gut zu wissen." Zayns Finger zuckten, als wollte er sie nach mir ausstrecken. „Dann weiß ich, wann und wo ich dich finden kann."

Ich befeuchtete meine Lippen. „Klingt creepy."

„Nur creepy?"

„Und heiß." Langsam rutschte ich ihm entgegen. „Sehr heiß sogar."

Zayn schluckte sichtbar, und das war der Moment, in dem ich endgültig ein Problemchen in meiner Hose bekam. Verdammte Scheiße.

Unser entspanntes Beisammensein hielt nicht lange an. Auch zu dem Drink, den ich zuvor noch angekündigt hatte, kam es nicht mehr. Dafür hatten wir es nun viel zu eilig, unsere Cocktails hinunterzustürzen und uns sofort zum Ausgang durchzuschlagen. Zayns Hand lag kräftig und besitzergreifend um meine Taille, rutschte mit jedem Schritt bedenklich tiefer, bis er sie schließlich in der Gesäßtasche meiner Jeans versenkte.

„Na?" Seine Lippen streiften mein Ohr. „Wird deine Hose etwa unbequem?"

Mit schmalen Augen sah ich zu ihm auf. „Du bist so ein Arsch." Ich wartete, bis wir uns im Schatten einer Säule befanden, ehe ich ihm ungeniert in den Schritt griff und triumphierend sein Keuchen in mich aufsaugte. Unschuldig klimperte ich mit den Wimpern, als er mich mit einem vernichtenden Blick durchbohrte. „Was ist denn? Ist deine Hose etwa unbequem?"

Zayn knurrte etwas Unverständliches, dann schob er mich plötzlich umso nachdrücklicher vorwärts. „Raus hier. Sofort."

Das war Musik in meinen Ohren.

Wenige Minuten später fielen wir erst durch die Haustür, dann durch die Wohnungstür und schließlich in mein Bett, und taten, was wir gemeinsam am besten konnten. Zayn trieb mich an den Rande der Verzweiflung, und als er sich dann auch noch meine Handgelenke schnappte und sie neben meinem Kopf aufs Bett drückte, war es endgültig vorbei. Ich kam wie ein Schnellzug, das Gesicht ins Kissen gepresst, um meine Laute zu dämpfen. Meine Eltern wohnten nur ein Stockwerk über mir und mussten wahrlich nicht mitbekommen, was bei mir abging.

Zayn brach mehr oder weniger auf mir zusammen, presste feuchte Küsse auf meine heiße, verschwitzte Haut und ließ von meinen Handgelenken ab, um die Finger durch mein Haar gleiten zu lassen.

„Niall." Seine Stimme war nicht mehr als ein Wispern, während seine Fingerspitzen über meine Wange hinwegtanzten. „Niall, du bist so verdammt hübsch. Weißt du das überhaupt? Ich kann kaum von dir wegsehen, es macht mich schier wahnsinnig."

Ein seltsames Gefühl übermannte mich bei diesen Worten. Wärme, Rührung, Zuneigung. Wusste er überhaupt, was er da von sich gab? Oder brabbelte er nur im Sex-Hoch vor sich hin, Dinge, die er überhaupt nicht so meinte?

Die Gedanken verflüchtigten sich, als er mich auf die Lippen küsste, diesmal nicht gierig oder fordernd, sondern mit einer Sanftheit, die mein Inneres erneut unkontrolliert flattern ließ. Seine Lippen fanden an meinen Nacken, küssten mich auf die empfindliche Stelle direkt unter meinem Ohr, sorgten dafür, dass eine Ganzkörpergänsehaut über mich hinwegkroch.

„Zayn." Atemlos wand ich mich, als sich seine Finger in meine Seite bohrten. „Wenn du so weitermachst, bin ich bald bereit für eine zweite Runde."

Er löste sich lange genug von mir, um mich prüfend anzusehen. „Möchtest du eine zweite Runde?"

„Selbstverständlich." Ich leckte mir über die Lippen, schlang anzüglich ein Bein um seine Hüfte und presste mich an ihn. „Also ... wenn Sie mir denn eine liefern können, Mr. Malik. Oder macht das in Ihrem fortgeschrittenen Alter Ihre Ausdauer nicht mehr mit?"

Sein Blick verdunkelte sich bei diesen Worten, seine Hände geisterten über meine Oberschenkel hinweg an meinen Hintern. „Du wirst schon sehen."

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Oopsie😃

Cheeky-Niall wird für immer mein Fave bleiben, sorry not sorry😭😏

Schöne Feiertage euch & danke für alles🥰
Andi🌈


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