11) Marvin

Am Montag war ich wie gerädert. Missmutig quälte ich mich erst in den völlig überfüllten Bus zum Bahnhof, dann in den nicht weniger vollen Zug nach Dublin und schließlich auch noch durch die stinklangweilige Vorlesung der Psychologischen Grundlagen Teil III. Warum auch immer wir einen dritten Teil brauchten, wenn es die vorigen Semester schon einen ersten und einen zweiten gegeben hatte.

Wie immer hielt Harry mir einen Platz frei, auch wenn sich der Saal inzwischen deutlich gelichtet hatte. Selbstverständlich hielten es immer weniger Leute für nötig, am Montag um acht Uhr morgens eine Vorlesung zu besuchen. Ich konnte es ihnen nicht verübeln. Aber da ich kein Interesse daran hatte, am Ende des Semesters Bulimie-Lernen betreiben zu müssen, da ich zu keiner der Veranstaltungen aufgetaucht war, zog ich es eiskalt durch.

Trotz meines Aushilfsjobs im Murphy am Samstag. Und am Sonntag. Also gestern. Gestern hatte ich sogar noch überzogen und bis zwei Uhr gearbeitet, da die Kollegin, die mit Lish eingeteilt gewesen wäre, spontan ausgefallen war. Sonntagnacht war zwar um Welten nicht so viel los wie Freitag und Samstag, aber für eine einzige Person vorne an der Bar definitiv trotzdem nicht machbar.

Also war ich heute erst um drei Uhr morgens in mein Bett gefallen, um rund zwei Stunden danach gleich wieder aufzustehen. Besser konnte es nicht laufen, oder?

„Du siehst aus, als wärst du in den Thermomix geraten", lautete Harrys Einschätzung zu meinem Auftauchen. „Wie ein Zombie. Trink mal nen Kaffee."

Hatte ich getan. Drei davon. Keiner hatte etwas genutzt.

Demnach sah ich vermutlich immer noch aus wie ein Zombie aus dem Thermomix, als ich die unzähligen Stufen des S-Gebäudes der Hochschule erklomm und mich in letzter Sekunde in den Kursraum quetschte. Zayn war schon dabei, die Tür zuzuziehen, doch ich kam ihm zuvor, noch dazu, ohne meinen vierten Kaffee zu verschütten.

„Na. Guten Morgen." Ich konnte Zayns argwöhnisch hochgezogene Augenbrauen beinahe riechen, obwohl ich nicht einmal hinsah. „Gerade noch rechtzeitig."

„Sorry. Morgen." Normalerweise sollte ich mich jetzt in Erinnerungen an unsere letzte Begegnung am Freitagabend suhlen und von oben bis unten knallrot anlaufen, aber nicht einmal dafür blieb mir die nötige Energie. So schnell wie möglich dackelte ich nach hinten an meinen Stammplatz am Fenster, wie immer neben Maren.

„Hi." Ihre Mundwinkel zuckten. Offenbar konnte sie sich nicht zwischen Mitleid und Belustigung entscheiden. „Du wirkst so ... frisch."

„Ja, danke." Ich knallte meinen Kaffee hin. „Das Wochenende hat versucht, mich zu töten."

„Wirklich?" Neugierig musterte sie mich. „Krass. Mit welchen Methoden?"

„Zu viele." Seufzend ließ ich mich in den Stuhl fallen, machte mir nicht einmal die Mühe, mich aus meiner Jeansjacke zu schälen. Kalt war mir sowieso. Noch dazu, weil irgendwelche Armleuchter vorne die Fenster aufgerissen hatten, um zu lüften. Für mich grenzte das an einem nur nachlässig vertuschten Mordversuch. „Ich hatte diesmal Samstag und Sonntag Dienst, statt Freitag und Samstag. Viel Schlaf war da nicht drin."

„Fuck." Der Belustigungs-Anteil in ihrer Mimik reduzierte sich um schätzungsweise neunzig Prozent. „Hast du nicht versucht, am Tag zu schlafen? Ich meine, wenn man so spät arbeitet, sollte das doch drin sein."

„Gute Idee." Ich dachte an den verplanten Samstagnachmittag mit Louis, den verplanten Sonntagvormittag mit meinen Eltern und den ebenso verplanten Sonntagnachmittag mit meinem Bruder. „Leider keine Zeit."

„Ähm." Verstohlen sah Maren sich um, ehe sie ihre Brille höher auf ihre Nase schob und dann eine Thermoskanne aus ihrem Rucksack zutage förderte. „Willst du Glühwein? Ich hab daheim noch welchen gefunden."

Trotz allem musste ich lachen. „Echt jetzt? Du spinnst doch."

„Danke." Breit grinsend warf sie sich ihr braunes, langes Haar über die Schulter. „Gleichfalls."

„Maren, Niall."

Wir verstummten, als Zayn uns namentlich ansprach. Er klang nicht direkt genervt, aber definitiv leicht pikiert.

„Würde es Ihnen etwas ausmachen, ihren Klatsch und Tratsch auf die Mittagspause zu verschieben?" Vielsagend deutete er mit einem Stift auf uns. „Ich versuche hier, die psychologische Theorie von musikalischer Improvisation in Kleingruppen zu vermitteln."

Ich bekam es tatsächlich auf die Reihe, mich mies zu fühlen, und setzte mich gerader hin. „Sorry."

Maren lächelte nur liebenswert. Sie war schon dabei, sich Glühwein einzuschenken, und ich hielt sie davon ab, mir auch einen Becher zu füllen. Wenn ich jetzt noch Alkohol trank, konnte ich mich im Bandraum auf die Couch legen und den heutigen Tag abhaken.

Einzig und allein für Zayn versuchte ich, einigermaßen wach zu bleiben, doch ich driftete immer wieder ab. Vielleicht sollte ich mir doch einen anderen Job suchen? Einen mit humaneren Arbeitszeiten? Aber im Murphy zahlten sie verdammt gut, von den Nachtzuschlägen ganz zu schweigen.

Verdammt.

„... in Dreiergruppen eine musikalische Gruppenstunde planen, diese mit unserer Gruppe hier durchführen und theoretisch auswerten. Das wird auch die Prüfungsleistung des Kurses sein."

Entsetzt schrak ich hoch.

Was? Wir sollten etwas tun? Sauerei.

„Die Durchführung ist erst in der zweiten Hälfte des Semesters geplant, also besteht noch kein Grund zur Panik." Zayns amüsiertes Grinsen verriet nur zu deutlich, dass der gesamte Kurs ihn horrorerfüllt anstarrte. Mit einer solchen Bombe hatte fünf Minuten vor Kursende wohl niemand mehr gerechnet. „Bis dahin beschäftigen wir uns noch ausführlich mit Praxismöglichkeiten und der dahintersteckenden Theorie, und wir werden ein paar Beispielentwürfe ansehen. Außerdem biete ich für jede Gruppe ein individuelles Coaching an. Es kann also gar nichts schiefgehen."

„Ha." Maren grummelte in ihren Glühwein. „Wenn er wüsste."

Ja. Wenn er wüsste. Ich sorgte mich jetzt schon wegen dieses Coachings, sollten Zayn und ich die Lage zwischen uns nicht gebacken kriegen.

Abschätzend spähte ich zu Marens Thermoskanne hinüber. Sollte ich mich doch noch abschießen?

„Ihr könnt mir gerne jetzt gleich die Gruppen mitteilen, wenn ihr sie schon wisst, oder ihr tragt euch nach und nach in der Liste im Laufwerk ein." Zayn deaktivierte den Beamer. „Dann haben wir es für heute. Wir sehen uns am Donnerstag zur Praxis. Bis dahin eine schöne Woche!"

Pflichtbewusst wurde geklatscht und auf die Tische geklopft, dann erstarkte auch schon das übliche Stimmengemurmel. Offenbar wollten die meisten ihre Gruppen sofort fest ausmachen, um nicht zu riskieren, am Ende allein dazustehen und dann ganz peinlich irgendwo zugeordnet zu werden.

„Wir sind auf jeden Fall eine Gruppe, oder?", wandte Maren sich an mich. „Zur Not auch zu zweit, wenn sonst keiner bei uns mitmachen will."

Ich wollte heftig nicken und zustimmen, da wurde ich plötzlich von hinten angetippt, und sofort hielt ich mit weit aufgerissenen Augen inne. Das Blut in meinen Adern gefror. Oh Gott. War das etwa Zayn?

Nein, der stand immer noch vorne und unterhielt sich mit einer Gruppe Mädels. Ruckartig drehte ich mich um und registrierte erleichtert, dass es sich nur um Marvin handelte. Der Rotschopf, der letzte Woche in unserer Improvisationsgruppe gewesen war und Witze über Hannahs Caxixi, die Rassel, gerissen hatte.

„Hi!" Er schenkte uns ein schiefes Grinsen, ließ dabei ein Grübchen in seiner rechten Wange spielen. „Kennt ihr mich noch? Marvin von letzte Woche."

„Ja, klar." Maren verengte die Augen. „Der Typ an der Gitarre."

Marvin räusperte sich und schielte hilfesuchend zu mir, offenbar nicht sicher, was er mit Marens trockener, sarkastischer Art anfangen sollte. „Genau der. Ähm, wegen der Kleingruppen. Seid ihr noch zu zweit oder habt ihr schon jemanden?"

Maren und ich sahen einander an und zuckten dann gleichzeitig die Schultern.

„Noch nicht." Maren leerte ihren Glühwein. „Wir nehmen aktuell Bewerbungen entgegen."

Marvin strahlte. „Nice. Dann bewerbe ich mich hiermit offiziell."

„Bewerbung angenommen." Maren blickte auf die Uhr. „Sorry, Leute, ihr macht das hier kurz noch zu zweit aus. Ich hab noch einen Termin, bevor ich Mittag machen kann. Niall, wir sehen uns nachher in der Mensa. Wehe, du tauchst nicht auf. Bis dann."

Und damit schnappte sie ihren Rucksack und die Thermoskanne mit dem heiligen Glühwein und stürzte zur Tür, Zayn nur noch zuwinkend. Kopfschüttelnd sah ich ihr nach. Dafür, dass ich Maren anfangs für höflich und ruhig und relativ introvertiert empfunden hatte, musste ich inzwischen mich immer wieder eines Besseren belehren lassen.

„Viel auszumachen gibt es noch nicht, oder?", wandte ich mich an Marvin, der sich nun unaufgefordert in Marens Stuhl fallen ließ, um mich von dort aus anzugrinsen. Der Rest des Kursraums leerte sich rapide, lediglich die Mädels vorne sprachen noch immer angeregt mit Zayn. Entweder gab es Stress, oder sie schmachteten ihn an. Beides war möglich. „Das Ganze startet ja erst in drei Monaten oder so."

„Ja. Gott sei Dank", sprach Marvin meine Gedanken aus. „Aber wir könnten gleich Nummern tauschen? Ähm. Du weißt schon. Für die WhatsApp-Gruppe?"

Ich nickte zustimmend, wenn auch etwas irritiert. Warum machte er denn solchen Stress? Wir sahen uns sowieso zweimal pro Woche, da hätten wir garantiert noch einen Zeitpunkt gefunden, um Handynummern auszutauschen.

Nichtsdestotrotz nahm ich das Handy entgegen, das Marvin mir nun hinhielt. „Klar. Ich pack uns im Laufe des Tages in eine Gruppe."

„Super." Wieder dieses übertrieben glückliche Strahlen. Verdächtig. Sehr verdächtig. „Und ... ähm ..."

Und als er dann auch noch zu stottern begann und verlegen mit seinen Fingern am Saum seines Shirts friemelte, fiel mir wie Schuppen von den Augen, was hinter dieser Gruppenplanung steckte.

Mein Herz rutschte mir in die Hose. Oh nein.

„Hast du Lust, mal was trinken zu gehen?" Inzwischen waren seine Wangen genauso rot wie seine Haare. „Ich weiß natürlich nicht, ob du überhaupt auf Kerle stehst, aber ich verkneife es mir schon seit einer Weile, und..."

„Und die Sache mit den Gruppen war die Gelegenheit", vollendete ich seinen Satz, als er abbrach und umständlich zu husten begann. Wenigstens spielte er mit offenen Karten und fragte einfach, statt wie ein Creep herumzuschleichen und mir peinliche Köder hinzuwerfen. „Sorry, Mann. Ich fühle mich geehrt, wirklich, aber für Dates habe ich aktuell keinen Nerv."

Zumal ich mir mit einem Date die Chance auf eine ... Beziehung-ohne-Beziehung mit Zayn kaputtmachen würde.

Nope.

„Oh." Marvins Mundwinkel sanken bei diesem Korb zwar sichtbar nach unten, doch ansonsten schien er sich nicht sonderlich vor den Kopf gestoßen zu fühlen. „Okay. Schade. Aber dann spielst du auch für mein Team?"

„Sieht so aus." Gleichermaßen amüsiert und peinlich berührt über den weiterhin hoffnungsfrohen Unterton in seiner Stimme, hielt ich ihm sein Handy wieder hin, nachdem ich meine Nummer eingetippt hatte. „Aber wie gesagt. Keine Dates. Tut mir leid."

„Okay", sagte er erneut und zuckte mit den Schultern. „Dann nur die Gruppenarbeit. Ich nehme, was ich kriegen kann."

Ich versuchte, nicht verärgert zu sein. Das klang nicht so, als hätte er meine endgültige Abfuhr auch als solche wahrgenommen. Wenn er sich nun täglich unter irgendwelchen seltsamen Vorwänden meldete und mir auf den Sack ging, würde der nächste Korb ein wenig unfreundlicher ausfallen müssen.

Zum Glück erhob er sich eine Sekunde später schon wieder. „Ich habe leider keine Mittagspause und muss wieder in die Uni rüber", erklärte er bedauernd. „Und ich muss noch dringend pissen. Gibst du Mr. Malik die Gruppe weiter? Danke! Auch für deine Nummer. Wir sehen uns!"

Mit diesen Worten winkte er mir noch zu und ließ dann überaus beiläufig seine Hand über meine Schulter hinweggleiten, als er von dannen zog. Pikiert starrte ich ihm mehrere Momente lang hinterher, ehe ich meine Sachen packte und mich ebenfalls zum Gehen wandte. Dieses Projekt konnte witzig werden.

Ungeduldig wartete ich, bis die Mädels ihr anhimmelndes Gespräch mit Zayn beendet und den Raum verlassen hatten, bevor ich nähertrat. Zayn versuchte sichtlich, eine neutrale Miene zu wahren, als er mich entdeckte, doch ich konnte ihm die Nervosität von der Nasenspitze ablesen. Ein unverbindliches Lächeln war bestimmt nicht so einfach, wenn man bedachte, dass er mir erst vor ein paar Tagen in seinem Auto einen runtergeholt hatte.

„Niall."

„Zayn." Angesichts seines panischen Blicks verdrehte ich die Augen. „Oh mein Gott, keine Sorge, ich möchte nicht über letzten Freitag reden. Ich will dir nur meine Gruppe weitergeben, nachdem die anderen sich schon verpisst haben."

„Ah." Er räusperte sich. „Natürlich. Schieß los."

Er ließ sich von mir die Namen diktieren, doch bei dem von Marvin sah er wieder auf, beide Augenbrauen bis zum Haaransatz hochgezogen. „Marvin? Das überrascht mich nicht."

„Hä?"

„Hm." Summend notierte er sich Marvins Namen und packte den Stift weg, dann richtete er sich auf. „Der Typ war schon letzte Woche bei der Impro ganz scharf darauf, mit dir in einer Gruppe zu sein."

Ein seltsamer Unterton schwang in seiner Stimme mit. Ich konnte ihn nicht so recht definieren, aber aus irgendeinem Grund löste er ein Gefühl der Zufriedenheit in mir aus. Täuschte ich mich, oder wurmte es ihn gewaltig, dass jemand anderes ein Auge auf mich geworfen haben könnte? Spannend!

„Du hast Recht. Vorhin hat er mich zu einem Date eingeladen." Herausfordernd fing ich Zayns Blick auf. Ich wusste sehr gut, dass ich ihn gerade unfassbar provozierte und mich unmöglich und absolut nicht-erwachsen verhielt, aber die Gelegenheit war so gut, ich konnte nicht anders. „Aber das ist jetzt warum relevant?"

Zayn starrte mich an, noch immer das Dokument in der Hand, auf dem er die Gruppenverteilung notiert hatte. Sein Gesichtsausdruck verriet nicht viel, doch eine Ader an seiner Schläfe pulsierte gefährlich. Oder bildete ich mir das nur ein? Keine Ahnung.

„Versuchst du gerade, mich in eine übereilte Entscheidung bezüglich unseres möglichen Deals zu manipulieren?"

Mit schiefgelegtem Kopf lächelte ich ihn an. „Funktioniert es?"

Zayn wandte sich ab. „Ich würde behaupten, in Anbetracht deines Dates hat sich der Deal erübrigt."

Ernsthaft?

„Komm jetzt." Ich verdrehte die Augen. „Ich habe kein Date und Marvin hat einen Korb. Welchen Teil von ‚Ich brauche keine Beziehung' hast du letzte Woche nicht verstanden?"

„Und welchen Teil davon, dass ich mir das bis ins kleinste Detail überlegen muss, hast du nicht verstanden? Hör auf, mich zu drängen."

„Schön." Ich kniff die Augen zusammen. „Und was gibt dir das Recht, spitzige Bemerkungen zu machen, wenn jemand anderes etwas von mir will? Ich dachte, du hast dich noch gar nicht entschieden, was du von mir willst?"

Zayn knallte die Papiere hin. „Das Problem ist, dass ich überhaupt nichts von dir wollen sollte. Und du nicht von mir."

Ich seufzte. „Haben wir das nicht schon zur Genüge durchgekaut?"

„Offensichtlich nicht." Er durchbohrte mich mit einem rasiermesserscharfen Blick. „Das hier ist nicht der richtige Ort für dieses Gespräch. Ich brauche Zeit für die Entscheidung, ob ich meinen Job riskieren will. Und die lieferst du mir nicht, indem du mir nach dem Kurs auf die Pelle rückst und mich zu einem Streit provozierst."

„Hey!" Aufrichtig empört fuhr ich hoch. „Du hast Marvin ins Gespräch gebracht, nicht ich!"

„Was dich nicht davon abgehalten hat, dich wie ein Piranha darauf zu stürzen und mir einen Strick daraus zu drehen."

„Den hast du dir schon selbst gedreht."

Wir stritten wie ein altes Ehepaar. Und das Schlimme an der Sache war, dass es mir Spaß machte. Ich wusste genau, welche Knöpfe ich drücken musste, um Zayn irgendwelche Reaktionen zu entlocken, und meine Freude darüber hätte sadistischer nicht sein können.

„Schluss jetzt." Zayn stierte mich vernichtend nieder. „Hast du keine Vorlesungen? Außerdem siehst du wirklich schlimm aus, Niall. Denk mal darüber nach, ein paar Stündchen zu schlafen."

Am liebsten hätte ich ihn damit geneckt, dass er sich jetzt auch noch Sorgen um mich machte und er mir doch ein ganzes Sugardaddy-Verwöhnprogramm anbieten könnte, doch ich riss mich zusammen. Das waren schon genug unnötige Provokationen innerhalb eines einzigen Gesprächs gewesen. Ein paar musste ich mir doch fürs nächste aufheben. Außerdem zog Zayn ein Gesicht, als würde er mich packen und schütteln, wenn ich auch nur einen winzigen weiteren, unangenehmen Kommentar von mir gab.

„Ich musste arbeiten." Wie um meine Aussage zu unterstreichen, musste ich prompt gähnen. „Du weißt schon. Als heißer Barkeeper im Murphy."

Die Falten in Zayns Stirn vertieften sich. „Am Samstag?"

„Und gestern."

„Gestern auch?" Nun klang er regelrecht entsetzt. „Warum lässt du dich darauf ein, wenn du am nächsten Tag so früh Vorlesungen hast? Du pendelst doch auch noch. Das kostet alles Zeit und vor allem Energie."

Ich zuckte die Schultern, schob den Riemen meines Rucksacks höher. „Ist halt so. Sie zahlen gut."

Zayn schien diese Antwort nicht zufrieden zu stimmen, wenn man seinem kritischen Blick Glauben schenkte. „Das nützt dir auch nichts, wenn du dir damit deine Gesundheit ruinierst."

„Zayn, ich weiß, was ich tue. Ich bin zweiundzwanzig."

Sein linkes Augenlid zuckte. „Erinnere mich nicht daran."

Korrektur: Am liebsten hätte ich ihn gepackt und kräftig geschüttelt. Wann begriff er endlich, dass mir diese paar Jährchen sowas von am Arsch vorbeigingen? Ich war scharf auf ihn, er war scharf auf mich, wir waren beide weit über die Volljährigkeitsgrenze hinaus, kein Problem. Und wenn wir uns nicht erwischen ließen, wäre auch die Dozent-Student-Sache kein Ding. Wir mussten ja nicht unbedingt in irgendeinem Kursraum auf dem Pult Sex haben. Oder hinter der Tür an der Wand. Oder auf dem Kopierer. Oder in seinem Büro. Er hatte doch eines, oder? Mit einem Schreibtisch?

Die bloße Vorstellung der Szenarien, die sich dort abspielen könnten, trieb mir das Blut an ungünstigen Körperstellen zusammen.

„Niall." Zayn stopfte die Papiere in seine Ledertasche, offenbar als Zeichen, dass wir an dieser Stelle miteinander fertig waren. „Ich werde m-..."

Die Tür flog auf und ließ uns auseinanderfahren. Zayn trat sogar noch extra einen Schritt zurück, gerade so, als hätten wir etwas Verbotenes getan.

„Sorry!" Marvin platzte herein, völlig außer Atem. „Ich habe meinen Laptop vergessen." Sein Blick fiel auf mich, und sofort zauberte er sich ein gewinnendes Lächeln auf die Lippen. „Niall, du bist ja auch noch hier."

„Hey." Mit gemischten Gefühlen verfolgte ich, wie er sich in der zweiten Reihe hinter einen Tisch bückte und ein verpacktes Notebook darunter hervorfischte. „Hast du nicht eine Vorlesung?"

Mit breitem Grinsen kam er auf mich zu. Die durch und durch negativen Schwingungen von Zayn schien er nicht wahrzunehmen – was unter anderem daran liegen könnte, dass Zayn ihn in aller Nettigkeit anstrahlte, als würde er ihm nicht am liebsten dafür den Hals umdrehen, mir seine Handynummer gesteckt und mich nach einem Date gefragt zu haben.

„Fällt aus." Er pausierte. „Magst du mit in die Mensa?"

„Klar. Dort wollte ich jetzt sowieso hin." Ich wandte mich ein letztes Mal an Zayn, um ihm kokett zuzuzwinkern. Es war mies von mir, ihn mehr direkt als indirekt unter Druck zu setzen, und ich wusste es. Wieso schaffte ich es denn nicht, dieses furchtbare Verhalten abzustellen? Ich frustrierte mich selbst. Ich war doch sonst nicht so ein Arsch! „Bis Donnerstag, Mr. Malik."

„Bis Donnerstag, Leute." Zayns Nasenflügel blähten sich und ich sah, wie er die Hand um den Griff seiner Tasche zur Faust ballte, doch seine Mimik hatte er einwandfrei unter Kontrolle. Marvin bemerkte höchstwahrscheinlich weiterhin nicht, dass irgendetwas nicht stimmte. „Schöne Woche euch."

Mit einem letzten unschuldigen Lächeln in seine Richtung folgte ich Marvin nach draußen und schloss pflichtbewusst die Tür hinter mir. Bei der Intensität, die Zayns Blick gerade an den Tag legte, würde er sie nachher beim Rausgehen wohl kurzerhand niederbrennen.

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Ob Marvin wohl als Deal-Beschleuniger wirken kann?😏

Und es gibt Ziall-Zoff. Aber wenn sie sich streiten, gibt's wenigstens keine Awkward Ziallence, hehe🤭 (Copyright für dieses kreative Wortwerk geht an irishkween 😂)

Schönen Sonntag euch noch & liebe Grüße!
Andi🌈❤


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