4 ♬ Die Auf-jeden-Fall-Regeln


【 T A Y L O R 】


„Brauche ich Alkohol, um das zu überstehen?", fragte ich Louis direkt und er grinste: „Du hast keinen mehr, denn wenn Omar hier durchgefegt ist, dann kannst du froh sein, wenn du noch Salz im Kühlschrank hast."

Wie recht er hatte.

„Harry hat diesen Psycho mal für zwei Wochen gebucht und brauchte danach einen Monat Urlaub", erzählte Louis gelassen. 

Beinahe hätte ich gelacht. Aber lachen war nichts, was ich je in Louis' Nähe getan hätte. Deshalb lehnte ich mich gegen den geschlossenen Kühlschrank und verschränkte die Arme vor der Brust. 

„Ich bin ganz Ohr was deine Regeln betrifft." Und auch voller Sorge.

Dreist blies er das Nikotin in meine Richtung: „Regel eins, ich höre definitiv nicht auf zu rauchen."

„Aber-!", begann ich prompt, doch Louis hob die Hand und unterbrach mich: „Dafür rasiere ich mich und trage keine Jogginhose."

Innerlich kämpfte ich gegen einen Einspruch. Rauchen war ungesund, es roch nicht gut, hatte hohes Suchtpotenzial und der Geruch setzte sich überall fest. Ich hatte mehr als 100 gute Argumente, die dafür sprachen damit aufzuhören.

Mein Pech?

Louis wollte sie alle nicht hören.

Ich seufzte diplomatisch: „In Ordnung. Aber können wir uns darauf einigen, dass du während eines Dates nur draußen rauchst?"

„Sollte ich so gerade noch hinkriegen", befand er sarkastisch. 

Na immerhin kamen wir uns irgendwie entgegen. Das war ein Anfang. Ich blieb optimistisch. Zumindest die nächsten dreißig Sekunden. Dann stürzte meine gute Laune Fee im Herzen ein, wie ein Kartenhaus.

„Was meine Hose angeht", griff Louis meine Formulierungen auf, „ich ziehe sie gerne aus und sehe keinen Grund über ein Jahr drauf zu verzichten."

Er musterte mich aufmerksam, denn ich hielt die Luft an und wartete darauf, dass er weitersprach, was er auch tat. „Es sei denn du kümmerst dich drum."

Ich... sollte... mich was?

Stumm klappte mein Mund auf, doch nicht ein Ton kam heraus. Tief versuchte ich Luft zu holen und nicht an Empörung zu ersticken. Schließlich entschied ich mich mit dem Rest meiner Selbstbeherrschung nicht zu explodieren.

Ich stemmte die Hände in die Hüfte und versuchte zu verstehen, was er da gerade gesagt hatte. Dann blinzelte ich ihn an und sprach: „Verstehe ich das richtig, du machst es zur Bedingung meine Regeln zu erfüllen, indem ich mich drum kümmere, dass du Sex kriegst?"

„Das habe ich nicht gesagt", behauptete er, doch ich erwiderte: „Doch, genau das hast du!"

Er verzog das Gesicht und tat, als müsste er drüber nachdenken, dann zuckte er mit den Schultern: „Oh, ja tatsächlich. Tja, das ist die Sachlage."

Der verarschte mich doch!

„Jedenfalls", fuhr Louis fort als könnte er kein Wässerchen trüben, „lass dir was einfallen." 

Er rauchte gemütlich aus und informierte mich, dass er Regel drei auf dem Weg hier her vergessen hätte. Ich fühlte mich, als wäre ich im falschen Film. Oder direkt in einem anderen Universum.

„Für das erste Date hole ich dich ab. Ich bin ein pünktlicher Typ, also sei fertig, denn ich hasse es zu warten", meinte er leichthin als wäre ich hier das Problem.

„Wo genau wird das erste Date sein?", informierte ich mich betont höflich und er machte ein Gesicht, als hätte er sich diese Frage überhaupt noch nicht gestellt, geschweige denn sich Gedanken drum gemacht. 

In diesem Moment wurde mir klar, dass Louis' Raucherei mein kleinstes Problem werden würde.

Plötzlich verzog er das Gesicht und grinste breit: „Das war ein Witz, natürlich weiß ich, wo es hingeht. Ganz unspektakulär über den Rodeo Drive. Damit uns möglichst viele Leute sehen. Wir gehen was essen, lassen uns hier und da blicken, und in drei Stunden sollte die Premiere dann vorbei sein."

Alleine die Vorstellung erschöpfte mich schon. 

Ich seufzte tief: „Gut, haben wir das auch geklärt." Und 10000 andere Dinge nicht.

„Und danach geht es für drei Wochen auf Tour", warf Louis überraschend ein. „Du wirst mich begleiten müssen oder dich zumindest hin und wieder sehen lassen. Schreib mir einfach, wann du da bist."

Auf Tour.

Scheiße.

Es gab keinen Stress, den ich mehr hasste. Ich würde einfach in den besten Hotels der Stadt absteigen, mir meine Privatsphäre wahren und mir das eine oder andere Konzert von Louis reinziehen. Begeisterung würde ich glaubwürdig genug heucheln. Denn wie schwer konnte das schon sein?

Stellte ich mir einfach vor, wie ich Kayne West in einer Sporteinheit ununterbrochen in den fetten Arsch trat. Es war herrlich befriedigend, zumal dieser überhebliche Sack mir sowieso keinen einzigen Preis meiner Karriere gönnte und seine mega erfolgreiche Gattin ihn endlich die Scheidungspapiere unter die Nase hielt.

Denn wer war Kayne West ohne Kim Kardashian? Richtig, ein Niemand.

Kurzerhand nickte ich Louis' Touraussage ab und merkte so erst nicht, dass Louis mich merkwürdig abscannte.

„Noch etwas an das ich denken soll?", horchte ich und er sprach mit ernster Miene: „Außer meiner Hose? Hm, nein. Für den restlichen Wahnsinn bin ich flexibel eingestellt."

Schön, immerhin einer von uns der mit Wahnsinn umgehen konnte. 

Sein Handy meldete sich, er blickte kurz drauf und wollte sich dann genauso schnell verdrücken, wie er gekommen war. Doch bevor er das tun konnte, machte ich einen Schritt um die Kücheninsel herum: „Wieso bist du diesen irren Handel überhaupt eingegangen? Du hättest mich auch einfach Holden ausliefern können."

Louis wandte sich mir zu, ich konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deuten und statt zu antworten, stellte er die Gegenfrage: „Wieso hast du so etwas egoistisches getan und das Album deiner angeblichen besten Freundin gelöscht?"

Weil es meine Songs waren. 

Mein geistiges Eigentum, über das ich keine Verfügungsgewalt mehr hatte. Und das nur, weil ich damals als Anfängerin blauäugig Dinge unterschrieb, von denen ich keine Ahnung hatte. Ich vertraute den Menschen damals zu sehr, denn sie beteuerten mir scheinheilig, dass sie alle das Beste für mich wollten.

„Aus Gründen", antwortete ich Louis knapp und versuchte ihn nieder zu starren. Aber statt mir eine befriedigende Antwort zu geben, spielte er meisterlich mit und zuckte mit den Schultern: „Du hattest einfach Glück, das Greta einen Gefallen bei jemanden offen hatte." 

Pro forma, ich war genauso schlau wie vorher.

Ich sah ihm an, dass er mich nur zu gerne bei Holden ans Messer geliefert hätte. Jetzt zuckte er mit den Schultern und ließ sich nicht weiter aufhalten: „Übrigens, ich hoffe, du hast noch so etwas wie normale Klamotten im Schrank. Daneben sieht meine Jogginhose aus, wie der James Bond der Kleidung." Seine Mundwinkel hoben sich und er verschwand mit einem knappen Wink.

Zuerst sah ich ihm verdattert nach und als er die Haustür mit Wucht hinter sich zu warf, da ging auf den Knall ein Licht in meinem Hirn an. Ich hatte die ganze Zeit im kurzen rosa Bademantel vor Louis gestanden, weil ich direkt aus der Dusche in Richtung Küche marschierte. Meine Haut war nass, mein Haar zottelig und mein Hirn abgelenkt und Matsche.

In diesem Augenblick fragte ich mich, ob es nicht klüger wäre, wenn ich mich einfach selbst auslieferte. Ich könnte Louis und mir so jede Menge Theater ersparen und würde einfach durch die Hölle der Demütigung gehen müssen. Denn war das, was jetzt vor mir lag so viel besser?

Leider war ich zu viel Angsthase als die Konsequenzen eiskalt zu ertragen.

Während ich also in der nächsten Zeit meinen Schrank entrümpelte, viele Klamotten spendete und dafür sorgte, dass persönliches Hab und Gut nach Nashville verschickt wurde, stellte ich mir oft die Frage, in welcher Zwickmühle Louis saß. Da musste mehr hinter stecken, als die Gefahr eines schlechten Images.

Greta schwieg als ich sie verhörte. Stattdessen wechselte sie stumpf das Thema: „Sag mir lieber, wann ich mich mit dem Makler wegen deines Hauses treffen kann." 

Es wurde Zeit, dass ich mir für meine LA-Aufenthalte ein gutes Hotel suchte. Aber eines nach dem anderen. Vielleicht konnte ich auch vorrübergehend in eins von Kendalls vielen Lofts ziehen.

Ginger, mein übereifriger Personal-Assistent überschlug sich fast, als ich sie darum bat mir dabei zu helfen Date-tauglich zu sein. Prompt präsentierte sie mir vier sommerliche Kleider, passende Schuhe und Taschen. 

Munter plapperte sie: „Ich kann einen Termin beim Frisör und der Maniküre oder bei Madam Sunshine machen. Das komplette Rundum-Programm."

Prompt schluckte ich, denn Madam Sunshine war die erste Adresse für sämtliche Waxing-Aktionen. Ich war erst dort gewesen und fühlte mich vorher immer, als wäre ich auf dem Weg zur Schlachtbank oder zum Zahnarzt. Zwischen den Beinen brannte es wie Feuer und ganz LA schwor auf den Scheiß. Irgendwann stumpfte man ab, hoffte ich.

„Nichts von alldem", antwortete ich Ginger und probierte die Kleider an. Sie hatte ein wirklich gutes Auge und traf meinen Geschmack. Ich würde Greta schreiben, dass ich Ginger als Personal-Assistent behalten wollte.

Sie strahlte wie ein Honigkuchenpferd, als ich mich bedankte und sie in den Feierabend entließ. Noch auf der Türschwelle bot sie mir an, Lebensmittel einzukaufen, sich um meinen Wagen zu kümmern und Anrufe entgegenzunehmen, wenn ich das wollte. 

Am Ende drückte ich ihr meine Autoschlüssel in die Hand, nur damit ich sie endlich loswurde. Sollte sie das Ding einmal durch den TÜV und der Waschanlage jagen.

Am Tag X gab ich mir Mühe für dieses Fake-Date. Ich quälte mich mit meinem Glätteisen, lackierte mir die Nägel mit Klarlack und zog das zartgelbe Kleid mit den weißen Punkten an. Dazu feine Sandaletten und merkte, dass ich gut gelaunt vor mir hin summte, als ich meine Tasche packte. Ganz so, als hätte ich tatsächlich ein echtes Date.

Mir war echt nicht mehr zu helfen.

Obwohl ich mich nicht gut dabei fühlte, schickte ich Selena ein Selfie und informierte sie, dass mein Date heute starten würde. Sie kommentierte mein Outfit mit vielen Herzchen und ließ mich wissen, dass sie am Abend alle Einzelheiten von mir wollte.

Auch das noch.

Wahrscheinlich würde mein Telefon heute Abend sowieso heiß laufen. Ich würde es unachtsam in den Pool fallen lassen. Dann konnte ich mich vor der Neugier meiner Crew drücken.

Louis war pünktlich, zumindest etwas Positives. 

Allerdings nicht sehr Gentleman. 

Er klingelte mich auf dem Handy knapp an, dass er da war und blieb bequem im Auto sitzen. Echte Dates sahen bei mir anders aus. In der Regel schenkte man mir Blumen, ich wurde an der Haustür abgeholt und bekam schmeichelhafte Komplimente.

Alles, was ich von Louis bekam, als ich mich auf dem Beifahrersitz gleiten ließ und die Sonnenbrille ins Haar schob, war: „Wie siehst du denn aus!"

Ich blinzelte, studierte seine Aufmachung und verzog dann angespannt das Gesicht: „Was gibt es an meinem Kleid auszusetzen?" 

Aufmerksam registrierte ich, dass er sich tatsächlich an die Jeans gehalten hatte und rasiert war. Allerdings trug er eine Kappe und ein schwarzes verwaschenes Shirt, das auch schon bessere Zeiten gehabt hatte.

Prompt seufzte ich enttäuscht: „Wäre ein Hemd zu viel verlangt gewesen? Hast du überhaupt so etwas, wie ein gutes Hemd?"

Wir waren so gegensätzlich gekleidet als würden wir Konservativ und Rebellion präsentieren.

„Dein Kleid sieht aus, als stamme es aus einer Kollektion von Barbie für Menschengrößen", ging er gar nicht erst auf meine Kritik ein und setzte den Wagen in Bewegung. 

Ich reckte das Kinn und teilte ihm mit: „Es ist aus der neuen Kollektion von Christy Dawn, das trägt man jetzt so."

Louis runzelte missbilligt die Stirn, sagte aber nichts mehr dazu. 

Draußen knallte die Sonne unbarmherzig und ich musterte die Spuren im Auto. Hinten entdeckte ich einen Basketball und einen Kindersitz. Automatisch musste ich schmunzeln. Rechts von mir klemmte die Packung eines Mau-Mau Spiels und zu meinen Füssen waren Sandspuren zu sehen.

Ich wusste, dass Louis einen Sohn hatte und es gefiel mir zu sehen, dass er dessen Spuren nicht versteckte. Weniger gut gefielen mir die Zigarettenkippen, die Schachteln und die leeren Energiedosen. Aber gut, auch in meinem Auto gab es sicherlich etwas, wo Louis die Nase rümpfte.

„Wie alt ist dein Sohn jetzt?", fragte ich und Louis antwortete prompt: „Sechs. Meinetwegen kann er auch sechs bleiben. Für immer, wenn möglich."

„Warum?", es irritierte mich, bis Louis zugab: „Wenn er nach mir kommt und die Pubertät voll einschlägt, dann überlässt Briana mir das volle Sorgerecht."

Ich musste laut lachen, doch er fand das überhaupt nicht witzig und erklärte: „Dann wächst er auch noch in LA auf und hier ist die Bandbreite für absoluten Mist viel höher, als in dem Kaff, wo ich die Pubertät überstehen musste."

„Ich denke, der Ort ist ziemlich egal. Der Umgang ist das Entscheidende", dann schob ich hinterher. „Und natürlich die Gene." Er war überraschend Gesprächig, wenn es um seinen Sohn ging.

„Die Chancen stehen 50/50", brummte Louis hoffnungsvoll und lenkte den Wagen Richtung Rodeo Drive. Aufmerksam bemerkte ich, dass es heute relativ ruhig war. Falls der Rodeo Drive überhaupt so etwas, wie Ruhe kannte. Normale Menschen und das Who is Who verbrachte bei diesen Temperaturen seine Zeit am Strand oder Pool. 

Im gesonderten Parkhaus war es kühl und als ich die Beine aus dem Auto schwang, da zwang ich mich nicht nervös zu werden.

Ich setzte mir die Sonnenbrille auf, um zumindest ein bisschen Pokerface zu wahren. Louis tat es mir gleich, warf die Snapback auf den Rücksitz  und gelassen schlenderte er um das Auto herum: „Zeit für Action."

„Man könnte glatt auf die Idee kommen, du freust dich drauf", sprach ich, während wir zum Fahrstuhl gingen. Das Einkaufszentrum The Rodeo Collection war unser Startpunkt. Immerhin war es hier klimatisiert. 

Tief atmete ich durch und merkte, dass mir ein Duft in die Nase stieg, der dafür sorgte, dass ich mich unwohl fühlte.

Es war dasselbe Aftershave, dass auch Joe immer benutzt hatte. Atkinson 1799, ich wusste das deshalb so genau, weil ich es ihm einst kaufte und er seitdem nie etwas anderes nutze. Jetzt schnürte mir der Duft den Hals zu.

Louis bemerkte es nicht, stattdessen nahm er die Hände aus den Hosentaschen und machte den Schritt voran als die Fahrstuhltür aufglitt. Ich folgte nicht direkt und er wandte sich zu mir um: „Ach komm, das wird vielleicht ganz lustig."

Es würde alles werden, aber das ganz sicher nicht. 

Schließlich setzte ich einen Fuß vor dem anderen und betrat das tobende luxuriöse Treiben. Prompt fröstelte ich wegen der niedrigen Temperatur und ließ den Blick knapp schweifen. Teure Markennamen reihten sich aneinander, der Boden war aus Marmor und Sicherheitspersonal machte die Runde. Nur wenige Leute waren unterwegs. 

Vielleicht hätten wir trotzdem einen Bodyguard mitnehmen sollen.

Ein Gedanke, der mir erst jetzt kam. Ich war zu beschäftigt damit, mir auszumalen, wie schwierig es werden würde ein Date vorzuspielen. So bemerkte ich nicht sofort, dass sich Louis' Hand um meine schloss und sich seine Finger mit meinen verschränkten. 

Ich hob den Kopf und in diesem Moment zog er mich hinter sich her. Oder in diesem Fall in ein Abenteuer, von dem ich noch nicht wusste, dass ich es brauchte.

„So", sprach er leicht hin und bestimmte: „Als erstes kaufen wir dir ein anderes Kleid. Wäre peinlich, wenn man dich darin so viel fotografiert."

Ich stolperte: „Warum stört dich dieses simple Kleid so sehr?" 

Es gab schließlich Schlimmeres, ich hätte auch einfach hohe Schuhe anziehen können, um ihm damit über den Kopf zu spucken. Das würde zumindest nahe liegen. Für Joe war es immer unerträglich, wenn ich größer als er war.

Doch Louis war unlogisch gestrickt und er bestätigte meine Meinung im nächsten Augenblick.

„Ich hasse die Farbe Gelb."


- - -

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top