29 ♬ Die Zeche


【 T A Y L O R 】


So ein verdammter Quadratmeter-Fick hatte es echt in sich!

Nicht nur, dass ich mittlerweile jedes Lebensjahr in den Knochen spürte, es war auf jeden Fall auch ein Vorhaben, bei dem man einen Marathon, statt einem Sprint lief. Und ich war der Typ für den Sprint.

Durch ein heftiges Unwetter an Gewitter, Starkregen und unglaublich schwüle Luft, hatte LA alles gegeben um uns spüren zu lassen, dass die Klimaanlage ausgefallen war. Louis störte das wenig, doch ich kam mir schmutzig vor. Daran änderte auch die zwischenzeitliche Dusche nichts.

Jetzt öffnete ich die verklebten Augen und wusste im ersten Moment nicht, wo ich war. Nur sehr, sehr langsam orientierte ich mich.

Ach ja... das war mein begehbarer Kleiderschrank. 

Zumindest erkannte ich die zahlreichen Schuhe, die Hutschachteln und Taschen. Meine Wange klebte an Louis' Rücken und ich musste mehrmals blinzeln, bis ich verstand, dass ich quasi den großen Löffel spielte. Noch immer waren wir splitterfasernackt und während mein Hirn dröhnte, kamen langsam die Erinnerungen zurück, was wir in dieser Rumpelkammer getrieben hatten.

Louis schlief so fest, dass er es nicht bemerkte, wie ich versuchte mich möglichst langsam von ihm zu lösen. Am Ende blickte ich auf ihn herunter und konnte nicht fassen zu was er mich bislang alles überreden konnte. Diese ‚nur Sex' – Geschichte passte überhaupt nicht zu mir, und trotzdem fand ich den Deal toll.

Er gab mir ein gutes und unkompliziertes Gefühl. Man sollte sich benutzt vorkommen, aber das Gegenteil war der Fall. Und obwohl alles easy zu sein schien, so gab es da diese ganz leise Stimme in meinem Kopf, dass ich dem nicht trauen sollte.

Schwerfällig stand ich auf und spürte einen verdammten Muskelkater, außerdem fühlte ich mich leicht wund. Etwas, was mich im ersten Moment total irritierte, bis ich daran erinnert wurde, wie ernst Louis den Quadratmeter-Fick genommen hatte. 

Du liebe Güte.

LA begrüßte mich grau und trostlos. Ich blickte auf die Uhr und stellte fest, dass ich anfangen musste mich vorzubereiten, denn den heutigen Tag würde ich mit Carter alias Whitey verbringen.

Dafür musste aus Taylor Swift einfach nur Taylor werden und das dauerte. Ich benutzte Hair-Make-up und wurde so zu einer Brünetten. Dann setzte ich mir umständlich die Kontaktlinsen ein, sodass meine blauen Augen dunkelbraun waren.

Eine Perücke hätte bei meinen Skills zu künstlich gewirkt und ich wollte nicht Roberta extra buchen, damit sie mir half unter unechten Haaren zu verschwinden. Ich schlüpfte in ausgeleierte Jeansshorts und einem unauffälligen schwarzen Shirt. Abgelaufene Turnschuhe, die ich, warum auch immer, aufgehoben hatte, sollten mich weiter verschwinden lassen.

Nur eins fehlte.

Ich fand mein verdammtes Jeanshemd nicht. Also stellte ich wenig später eine Tasse mit starken Kaffee neben Louis und fragte leise mit zuckersüßer Stimme: „Darf ich mich in deinem Kleiderschrank umsehen?"

„Hmhm", kam es nur von ihm, was ich als Zustimmung auffasste und stellte die Tasse vorsichtig außer seiner Reichweite ab. Ich huschte in sein Schlafzimmer und wühlte mich durch seine Klamotten. Zum Glück besaß Louis mehr als nur ein einziges Jeanshemd. Das Erste passte mir prompt und ich war froh, dass ich nicht mehr außer Kontrolle war. Auch wenn das bedeutete, dass ich meine Ernährung wieder eisern im Griff halten musste.

Auf dem Weg zur Tür band ich mir die braunen Haare noch zu einem nachlässigen Dutt, griff nach der Brille mit Fensterglas und packte eine bemalte Leinentasche, die ich von Blakes Kids zu Weihnachten bekommen hatte. 

Ich hütete die Geschenke von den Kindern meiner Freundinnen, für die Bilder hatte ich mir sogar einen extra Ordner angeschafft und hinten drauf geschrieben von wem das Bild war und wann ich es bekommen hatte.

Im Flur schrieb ich Louis knapp per Handy eine Nachricht, damit er wusste, dass ich unterwegs war und wenig später fuhr meine Verabredung für diesen Tag auch schon mit einer absoluten Klapperkiste vor.

„Hält das Ding mich aus, wenn ich einsteige?", fragte ich Carter, alias Whitey und der gluckste zu meiner Verblüffung amüsiert. Der graue Volvo fiel fast auseinander und hatte nicht einmal eine Klimaanlage. Es gab nur ein Radio und ein Fach für Kassetten, doch das Fach ließ sich laut ihm nicht mehr öffnen und spielte Endlos die Musik der Backstreetboys.

Whitey trug ein unglaublich hässliches buntes Hawaii-Hemd und hielt mir einen Thermobecher mit so starkem Filterkaffee unter die Nase, dass er Tote wieder zum Leben erweckt hätte. 

„Du siehst nicht aus, als hättest du viel geschlafen", merkte er an und ich versuchte nicht knallrot anzulaufen: „Das Unwetter war nicht gerade leise."

„Dafür kann man allerdings endlich wieder tief Luft holen", fand er und obwohl LA trüb vor uns lag, schien er überraschend gute Laune zu haben. Als wir vor einer Ampel hielten und ich seit 15 Minuten mal mehr oder weniger erfolgreich ignorierte wie ruppig das Auto fuhr, da sprach Whitey: „Wie soll ich dich gleich nennen? Wir wollen schließlich nicht auffallen."

Ich hatte immer noch keinen Plan wo es hinging und neigte leicht den Kopf und dachte nach. Mein Zweitname Alison wäre zu simpel: „Marjorie ginge in Ordnung." Nach meiner Großmutter.

„Alles klar, Marjorie", meine Whitey und lächelte. Er wirkte so viel entspannter als bei meinen letzten Treffen mit ihm und dann erzählte er mir, was er vorhatte: „Ich zeige dir heute ein paar Orte, die ich immer sehr inspirierend fand. Man muss dort nicht unbedingt die Muse fangen, aber ich dachte, du kommst mal raus aus deiner Nische. Es gibt so einige Treffpunkte, die dir vielleicht gefallen, auch wenn wir sie heute nicht alle schaffen."

Während ich Whitey aufmerksam zuhörte, begriff ich, dass wir öfter solche Ausflüge machen würden und das weckte verdammt viel Vorfreude. Das Einzige, was er erwartete war, dass ich besagte Orte nicht mit zu vielen anderen Musikkollegen teilte. Denn sonst würden die Nischen keine Insider mehr sein.

Wir fuhren nach South Los Angeles und mein Magen machte einen dezenten Salto, denn South Los Angeles war ein äußerst gefährliches Stadtviertel. Whitey schien sich jedoch auszukennen und ich versuchte mich nicht allzu sehr von offensichtlichen Viertel der Gangs einschüchtern zu lassen.

„Bist du sicher, dass uns hier nichts passiert?", fragte ich und betrachtete den offensichtlichen Verfall von Häusern und Menschen. Die Kultur war hier bunt, laut und lebhaft. Trotzdem stand es im heftigen Gegensatz zu dem, wo ich herkam. Man sah auch immer mal wieder Grüppchen vor irgendwelchen Geschäften abhängen, die definitiv bewaffnet waren.

„Du bist mit mir hier", sprach er ruhig. „Das reicht."

„Was soll das wieder heißen?", das klang, als hätte ich mich in eine schlechte Neuverfilmung von den Paten verirrt. Whitey parkte seine Schrottkarre und stieg aus, dann lächelte er breit: „Wir betreten gleich einen Ort, der absolutes neutrales Territorium ist, dort existieren keine Gangzugehörigkeiten oder Rassismus."

„So einen Ort gibt es nicht!", wagte ich zu behaupten und stieg ebenfalls aus dem Auto. Wir befanden uns auf einem Parkplatz, der voller Müll war. Es stank und ich versuchte nicht das Gesicht zu verziehen. „Mal im Ernst, muss ich mir Sorgen machen?", ich hob das Handy und schickte Kendall meinen Standort mit der Notiz: Nur für den Fall der Fälle.

Whitey nahm mir das nicht übel: „Nein, wenn ich glauben würde, dass das hier für dich zu gefährlich wäre, wären wir definitiv nicht hier." Er nickte mit dem Kopf zum Eingang eines kleinen Imbiss mit den Namen Hottys & Happys. Dort wurden Hamburger, Fritten und Hot-Dogs vertickt und vielleicht noch anderer Scheiß, an den ich gerade nicht denken wollte.

Ein übergewichtiger weißer Mann mit Glatze hinter der Theke begrüßte Whitey: „Nur durchgehen Junge, du kennst den Weg. Dort ist allerdings tote Hose."

„Das war meine Absicht", antwortete Whitey und ging durch den schmalen Laden nach hinten. Wir huschten in den Personalbereich und den Toiletten, aber statt dort reinzugehen, bog er nach links ab und wir betraten einen vertrockneten Hinterhof mit kaputten Gartenstühlen und leeren Getränkekisten. Dort gab es den Kellerzugang durch eine Holzklappe, die man am Boden öffnen musste.

Mir kam das Ganze mehr als Spanisch vor. Whitey ging voran und als er halb verschwunden war, hörte ich etwas Klicken und sah, dass das Licht angegangen war. Nun reichte mir Whitey die Hand und ich betrat ebenfalls die schmalen Kellertreppen.

Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte, aber das war es nicht. 

Ein düsterer Gang säumte den Weg, allerdings mit zahlreichen Lichterketten. Und je weiter wir gingen, desto breiter wurde der Gang und wir hörten Musik. Obwohl es hier unten nicht gemütlich war, so erkannte man Strukturen und mehrere Abzweigungen.

Schließlich durchquerten wir eine große Halle mit Kronleuchtern an der Decke und ich erkannte fachliches Equipment. Schwere Boxen, exklusive Beleuchtung die sich steuern ließ, ein DJ Pult, aber auch enorm viel Kabelgewirr und Instrumente, die man auf der Bühne aufbauen konnte. Weiter hinten in der Halle gab es Sitzecken, zwei provisorische Bars und Neoschilder darüber.

„Das hier", sprach Whitey gelassen, „ist die Zeche."

Noch nie von gehört.

„Hier herrscht eine Waffenfreie Zone, Drogen sind ebenfalls tabu." Er führte mich aus der Halle und erzählte: „Vor zwei Nächten fand hier eine Party statt, aktuell wird noch aufgeräumt und für die Nächste geplant. Nicht jeder kommt rein, es gibt begrenzte Karten, sonst platzt der Ort aus allen Nähten. Ich habe leider keine zweite Karte bekommen, sonst hätte ich dich schon vorher mitgenommen."

Staunend betrachtete ich die großen Rohre über uns und ab und an kamen wir an Sofas vorbei, wo entweder jemand sein Nickerchen machte, oder auf seinem Handy herumhämmerte. Mittlerweile hörte ich von irgendwo Stimmen und gedämpfte Musik. Fast, als würde man sich im Einkaufszentrum befinden und sich mit Radio beschallen lassen.

„Die Zeche ist ein Ort, wo man sich friedlich zusammenfindet", erzählte mir Whitey weiter. „Es gibt mehrere Eingänge und offiziell weiß die Stadt hiervon. Die Polizei kann den Ort nicht hochnehmen, weil alles eine Genehmigung hat und bewilligt wurde."

„Schwer vorstellbar", fand ich und er lachte: „Ja, das war auch mein Gedanke. Jedenfalls, die Halle ist zum feiern, dort wird meistens neue Musik gespielt, die es nicht auf den Markt gibt, aber die hier entsteht."

„W-Wie, hier entsteht?"

Whitey führte mich an einer offenen Küche vorbei, wo sich gerade niemand befand und schob schließlich eine schwere Tür auf, die man nur von Kühlräumen kannte. Ich kam mir vor, als würde ich mich in einer Untergrundgesellschaft bewegen, quasi nach einer Katastrophe an der Erdoberfläche.

„Das hier ist der kreative Bereich der Zeche", sprach White und schloss die Tür hinter mir. Und jetzt war es an mir geschockt die Augen aufzureißen. Denn hier gab es mehrere Tonstudios, einen Pausenraum, ein offenes Wohnzimmer mit abgenutzten Sitzmöglichkeiten, Snackautomaten und einer Theke, die scheinbar das Sekretariat war, wo man sich anmelden musste.

„Jo, Whitey", wurden wir von einer steinalten Version von Howard Stern begrüßt. „Heut' is' kaum einer da. Aber Calvin hat nach dir gefragt und joar", damit reichte er Whitey eine Notiz. „Hab' den Großen gesacht, du has'n Job."

Damit meinte er wohl Muse sein für mich. Ich hatte keine Ahnung, wer Calvin war und wieso Whitey allgemein seine Zeit hier verbrachte. Dieser nahm den Zettel und sprach: „Ja, ich wollte herkommen, wenn tote Hose ist. Das ist übrigens Marjorie", stellte er mich vor und ich strahlte die Howard Stern-Kopie an.

„Hallo, freut mich sehr", sprach ich freundlich und reichte ihm die Hand. Er glotze drauf, als hätte ich ihm einen Sprengsatz hingehalten. Er grunzte: „Jo, bin Richie, mir gehört das Ding hier. Lass keinen Müll hier rumfliegen, nä!"

„Tun wir nicht", bekräftigte Whitey. „Ist Tonstudio vier frei?"

„Jup", Richie nickte und schob uns zwei Dosen Coke über die Theke, dann lehnte er sich zurück und zündete sich einen Joint an. Ich nahm beherrscht die Dosen und folgte Whitey, der nun gemütlich durch den Gang schlenderte, dann hielt er mir eine Tür auf und ich betrat ein super eingerichtetes Tonstudio.

Zahlreiche Instrumente standen im Raum davor, man konnte sie in den Aufnahmeraum schieben. Die Couch war beladen mit Handbüchern, die erklärten, wie man das Mischpult benutze und ich ließ ins Polster plumpsten.

„Okay, jetzt musst du mir erklären wie du an so einen Ort kommst", sprach ich und hielt ihm die Coke hin. White seufzte und sprach schließlich: „Ich bin hier aufgewachsen."

Nun blinzelte ich, denn als Weißer in einer Gang-Gegend war es alles andere als sicher. „South Los Angeles gehört den Crips und so."

„Ja", Whitey lächelte schmal. „Den Crips, den Bloods, der MS-13 und der Mara-18. Ich kenne sie alle und nein, ich gehöre nirgends dazu."

„Und trotzdem atmest du noch? Ich dachte immer, dass...", den Satz verschluckte ich denn Whitey nickte: „Normalerweise hast du recht, man lebt in South Los Angeles sicherer, wenn man sich einer Gang anschließt, aber ich habe das nicht gemusst." Er setzte sich auf den Drehstuhl vor dem Mischpult und drehte sich einmal um sich selbst.

Erst dann fuhr er fort: „Mein Dad ist ein Pastor in der Gemeinde. Er hat vor über 35 Jahren damit angefangen keinen Unterschied zwischen den Gangs zu machen. Du weißt schon, Essen für Kinder, Schulzeug für jeden, Kleidung für Bedürftige, Drogenentzüge, wenn es gewollt ist, lauter solche Sachen. Er hat es durch Gespräche geschafft mit den Gangs auf eine Linie zu kommen und das hält bis heute. Zwar nur in bestimmten Bereichen, aber das ist besser als nichts."

Ich erfuhr, dass Richie vor fast zehn Jahren den Drogenentzug bei seinem Dad machte. Richie hatte zu viel Geld und keine Aufgabe im Leben. Was er mochte, war Musik. Und als er versuchte in South Los Angeles seinen Platz zu finden, stellte er fest, dass die Musik genau das war, was ein Teil der Gangs gemeinsam hatte.

„Also eröffnete er die Zeche", sprach Whitey. „Zuerst war die Zeche nur eine Lagerhalle, dort herrschte neutrales Gefüge. Er spielte jeden Freitag und Samstag ortsbekannte Künstler. Das kam ziemlich gut an. Nach und nach vergrößerte er. Es gab erst ein Tonstudio, dann zwei und jetzt sind es fünf."

„Kann man hier einfach rein und aufnehmen?", fragte ich und Whitey schüttelte den Kopf: „Nein. Am besten sprichst du vorher mit Richie. Denn auch wenn hier neutrales Gebiet ist, fordert er ein Feuerwerk auch nicht heraus. Manchmal allerdings kriegt er die Musiker der Gangs dazu, zusammen zu arbeiten."

„Das ist wahrscheinlich total selten", glaubte ich und er nickte: „Ja, aber für Ozzy Osburne haben sich alle zusammengerissen."

Zuerst starrte ich ihn nur an, aber dann musste ich laut lachen und öffnete die Coke: „Okay, für Ozzy hätte ich wahrscheinlich auch eine Menge stehen und liegen gelassen. Krass, dass er hier war."

„Zweimal", erzählte Whitey. „Und super früh, damit hier kein Hochbetrieb war. Sein Album Patient Number 9 bekam ja dann schließlich sogar einen Grammy."

„Das war 2023", erinnerte ich mich. „Gab es auf dem Album nicht auch ein paar Gastmusiker?"

Nun grinste Whitey schief und so wusste ich, dass auch er genau daran gedacht hatte. Jeff Beck, Tony Iommi oder Eric Clapton waren wahrscheinlich auch hier gewesen. Oder auch nicht. Trotzdem war es eine tolle Vorstellung. Drei der größten Gitarristen der damaligen Zeit an einem Ort.

Whitey ließ den Blick schweifen bevor er weitersprach: „Jedenfalls kommen hier in der Zeche zahlreiche Ideen zusammen. Man probiert sich aus, man kann sich hier verstecken und läuft nicht in Gefahr beklaut zu werden. Denn das ist eine feste Regel der Zeche: Musik wird nicht gestohlen und wenn doch, dann wird man mit sofortiger Wirkung ausgeschlossen."

Er sah mich an und lehnte sich entspannt zurück: „Hier kannst du ausprobieren was du möchtest. Ich bringe dich gern immer wieder hier hin. Niemand wird dich nach dem messen, was du bislang aufgenommen hast."

„Glaubst du wirklich, dass man mich hier tatsächlich arbeiten lässt?", das wagte ich zu bezweifeln, denn ich als weißes All-America-Girl gehörte nicht hier her. Whitey wirkte zuversichtlich: „Wie bereits gesagt, du bist mit mir hier. Ein paar Leute schulden mir mehrere Gefallen und ich wäre froh, wenn ich sie einfordern kann."

Einfach so. Ohne, dass ich ihm etwas dafür versprechen musste.

Whitey schien meine Gedanken zu lesen: „Du hast mich aus einem miesen Job geholt, den ich gemacht habe, um meine Miete zahlen zu können. Ich habe zwar ab und an hier ebenfalls gearbeitet, aber hier wird man wirklich grottig bezahlt, wenn überhaupt."

Jetzt musste ich lachen: „Also ganz nach dem Motto, der brotlose Künstler."

„Genau, wenn hier tatsächlich mal ein Album rausspaziert, wird natürlich vertraglich festgehalten, wer Anteil hatte, aber wie du dir denken kannst, wird hier selten Musik für große Labels aufgenommen."

Ich nippte an meiner Coke und neigte leicht den Kopf: „Also hast du hier gelernt, was du so brauchst, ein Mischpult bedienen, Klavier zu spielen und so weiter?"

Nun zögerte Whitey und ich lehnte mich vor: „Du kannst ruhig ehrlich sein, ich werde dich nicht verurteilen. Schließlich sind wir auf neutralen Boden." Ich zwinkerte und rang ihm damit nur ein müdes Lächeln ab.

Nervös drehte er die Dose in seinen Händen und gab schließlich zu: „Nein, ich habe das Meiste an der mdw gelernt."

Total überfahren sprang ich fast von der Couch hoch und starrte ihn fassungslos an: „Du warst an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien?" 

Sie war die größte Universität der Welt für Musik und rangierte knapp hinter der Juilliard. Meine Augen scannten Whitey ab, der überhaupt nicht so aussah, als würde er sich in so einer Ecke aufhalten.

Aber was wusste ich schon, ich hätte ihn auch nicht nach South Los Angeles gesteckt.

„Ja", sprach Whitey gedehnt. „Ich war ganz okay und habe ein Stipendium für Wien bekommen. Juilliard wollte mich nicht und Wien hat irgendwie geklappt."

„Und da hast du Komposition und Musiktheorie gelernt? Oder den Tonmeister gemacht?"

„Nichts davon", gab er zu. Whitey sah über das Mischpult und seufzte tief: „Ich... ähm... bin eigentlich ein Dirigent. Wie man mit einem Mischpult umgeht, das habe ich an der mdw von meinem besten Freund gelernt."

Sprachlos starrte ich ihn an. Ich brauchte ein paar Augenblicke, bis die Information wirklich mein Gehirn erreicht hatte. Er war ein Dirigent... jemand der ein Orchester oder einen Chor als Orientierung diente. 

„Oh wow", entwich es mir. „Da bist du aber ganz weit abgebogen, als du Mechaniker wurdest."

„Ja", lachte er. „Ich dirigiere nur noch, wenn mein Dad mich als Aushilfe für den Chor braucht. Ansonsten nicht mehr."

„Und der Grund gehört dazu, warum du immer mal wieder feste Termine hast?", horchte ich. Denn ein Teil der Kirchenplanung zu sein, war ja erst mal nicht schlimm. Doch Whitey schüttelte den Kopf: „Nein, die Termine zur Chorprobe gehören nicht dazu." 

Er leerte seine Coke und fand: „Wie man von Wien bis Ted Kings Autohaus kommt, das ist eine andere Geschichte. Für irgendwann oder so."

Ich verstand den Wink und fragte nicht weiter. Doch fürs erste war ich absolut geplättet von meiner neuen Muse. Es würde auf jeden Fall interessant werden und ich war mir sicher, dass Whitey mir so einiges an Inspiration zeigen konnte.

Er zog den Zettel von Richie hervor und sprach: „Hast du was dagegen, wenn wir uns etwas anhören?"

„Nein, nur zu", fand ich und zog mein Handy hervor, um den Live-Standort an Kendall zu beenden. Meine Angst hatte sich verflüchtigt, genauso dieses merkwürdige Gefühl im Bauch.

Whitey fuhr das Mischpult hoch und ich sah, dass er ein Passwort am PC eingab damit ein Ordner freigeschaltet wurde. Es gab drei neue Aufnahmen und er reichte mir Kopfhörer, damit wir sie uns zusammen anhören konnten. Ich setzte mich neben ihm und wartete gespannt. Kurz darauf erklang ein starker Beat und einige Sekunden später begriff ich, dass ich Rap-Musik ertragen musste. Nicht gerade meine Nische.

Stumm hörte ich zu, wie der Typ von der Straße rappte und ich wartete auf irgendetwas, was den Rhythmus änderte, doch es kam nichts. Neben mir wippte Whitey leicht zum Takt und als der Song durch war, startete er ihn erneut und begann damit das Mischpult zu nutzen, damit sich das Lied veränderte.

Nun zeigte er mir, dass er seinen Job verstand und wie er mich in Zukunft unterstützen konnte. Innerhalb eines halben Songs wurde mir klar, dass Whitey und ich definitiv eine gute Kombination abgeben würden.

Zum ersten Mal seit Monaten freute ich mich wieder auf die Arbeit.


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Hallo zusammen!

Das war ein Schreibrausch hier, kann ich euch sagen xD ich habe mich sehr auf dieses Kapitel gefreut und ich hoffe, man kann sich vorstellen, wo Whitey Taylor mit reingezogen hat. Ich möchte die Reise von Taylor und ihrer Musik auch gern beschreiben, denn sie ist ja eine Künstlerin in der Kriese. 

Schätze nicht, dass man Whitey angesehen hat, aus welcher Ecke er kommt. Er ist ein sehr ruhiger Zeitgenosse, der eher durch seine Handlungen spricht und ich hoffe, ihr findet ihn nicht langweilig xD wenn ja, dann sagt mir das bitte!

Haltet ihr es für eine gute Idee, wo Whitey Taylor so überall mit hinschleppt oder meint ihr, das geht in die Hose?

Ich bin auf der Suche nach einem Song für diese Geschichte, also einen, den man hört und der irgendwie hierzu passt, aber bislang... habe ich keinen. Fällt euch spontan einer ein?

Nächste Woche gibt es leider kein neues Kapitel, ich fahre von Mittwoch bis Sonntag in den Urlaub und habe somit keine Zeit zum schreiben. Danach geht es hoffentlich wie gewohnt weiter :) 


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