26 zwischen Tür und Angel
Du hattest Geburtstag, und wir hatten uns nicht gesehen und ich war sehr traurig gewesen. Ein paar Tage später habe ich geschrieben:
"Und ich hab noch was für dich :>"
Und du: "Oh ja"
und
"Ich hab grad gemerkt das ich noch kein Geschenk physisch bekommen hab" und "Das war traurig und ich würd gerne heulen"
Da hielt ich inne. Du hattest es nicht einmal bemerkt gehabt. Ich war verletzt über deine Verletzung, aber ich schrieb: "Ohnein du bekommst morgen eins!!!"
Ich habs gemacht. Dass ich es wirklich wirklich gemacht habe, habe ich aber erst in der Küche bemerkt, als ich am Herd lehnte und auf unseren hässlichen krümeligen Küchenboden starrte und nichts sagte und nicht so viel fühlte. Aber von vorn.
Du kamst am nächsten Tag spontan bei mir vorbei. Irgendwie war ich froh darüber, du warst in der Gegend gewesen, du wolltest eh reden, es hat gut gepasst. Mich hätte es zu sehr verletzt, extra zu dir zu kommen dafür. Es hätte sich zu wichtig angefühlt, sich dafür in einem Café zu treffen. Schon komisch, wie empfindlich man dann doch auf einmal wird. Doch das war jetzt alles nicht wichtig. Du warst da. Und es ging dir beschissen. Auch wenn man schon viel davon getan hat, das alles von früher los zu werden, und was neues zu finden, zu machen, zu werden, so dauert es doch und einen Tag gehts zwei Schritte vor und den nächsten drei zurück. Das hatte ich in letzter Zeit gelernt, und manchmal stolperte ich drüber.
Du standst unten in der Tür meines Treppenhauses und ich an der Haustür. Da ich nicht wusste, ob du gleich wieder gehen möchtest, kam ich die kleine Treppe herunter, du standst in der Tür, mit dem Fuß dagegen gelehnt um sie offen zu halten. Ich stellte mich an deine Stelle, damit du nicht mehr der Türstopper sein musstet und drückte dir die kleine Geschenktüte mit meiner Karte und einem pinken Feuerzeug und - du nahmst das Feuerzeug raus und musstest schief Lächeln. "Ich fand es so geil weil es - weil es so pink ist.", sagte ich und versuchte ein bisschen zu lachen. "Ja ich auch.", sagtest du, und stecktest es wieder in die Tüte, wobei dein Lächeln schon wieder verschwand. Dann nahmst du meine Karte heraus und last sie leise. Ich weiß noch genau, wie es aussah. Einen lustigen Satz wiederholte ich, weil du ihn nicht wiederholtest und ich uns beide nochmal ein bisschen zum Lachen bringen wollte. Auch die Karte rutschte wieder in die Geschenktüte. Dann nahmst du mein Geschenk heraus. Du betrachtetest kurz die Vorderseite und last den Titel. Dann ließt du die Seiten durch deine Finger gleiten. "Das hast du ja wirklich alles geschrieben.", sagtest du. Und dann weintest du. Ich hab keine Ahnung was ich gefühlt habe, aber ich hab mitgeweint. Ich umarmte dich und legte meine Hände auf deinen Rücken und den Stoff von dem dicken grauen Hoodie den ich so mochte, den mit deinem pinken Siebdruck drauf. Vielleicht war ich traurig, weil das stand doch alles in dem Buch, weshalb du toll bist. Und dass du das mal wissen sollst. Und wir uns lieben konnten und warum funktionierte das dann nicht mehr? Vielleicht war ich wütend. Vielleicht ein bisschen emotionsleer und ausgebrannt von der Arbeit und jetzt überfordert. Wir umarmten uns lange. Dein Rücken war warm und deine Locken kitzelten meine Stirn, so wie immer eiegntlich. Deine heftigen Schluchzer, ich starrte das Treppengeländer an. Vielleicht ein bisschen ängstlich oder verärgert, weil ich es dir jetzt wirklich gegeben hatte - fast einfach so.
"Hier zwischen Tür und Angel.", sagtest du auf einmal und ließt ein bisschen los. Und wir mussten ein bisschen lachen. "Ja, hab ich auch grad gedacht. Wollen wir hoch gehen?"
Du saßt an meinem Küchentisch und weintest und ich gab dir ein total überflüssiges Glas Wasser und lehnte mich an die Küchenzeile und starrte auf den Boden, den deine Künstler-Augen so verabscheuten. Fast musste ich ein bisschen lachen deswegen. Ich glaube mir kam alles ein bisschen unwirklich vor, denn mir fällt kein anderer Grund ein, weshalb ich plötzlich sagte: "Ich hab letzten Tage irgendwie immer was dran gemacht, alles nochmal gelesen und gekürzt, es gedruckt und so hässlich zusammen genäht... Ich hatte das Buch so oft in den Händen gehabt die letzten Tage, dass ich fast vergessen hatte, was es eigentlich ist. Das merke ich jetzt irgendwie erst wieder.". Du sagtest nichts dazu und weintest weiter. "Wobei, das ist ja auch nicht so wichtig.", sagte ich schnell. Oh Mann. Was sollte das denn Bitteschön gewesen sein?? Eine Entschuldigung? Dafür, dass ich hätte wissen müssen, das du oder wir beide weinen würden? Dafür, dass ich dabei vielleicht nicht genug mitweinte? Dafür, dass ich dir das so rotzfrech einfach schenkte, obwohl es etwas ganz, ganz Besonderes, und vor allem: etwas sehr Verletzliches war?
"Tut mir leid, das ist jetzt nicht -", fing ich an. "Nein, es ist nicht nur deswegen, es ist einfach gerade alles zu viel.", sagtest du. Und da setzte ich mich zu dir und nahm dich endlich in den Arm - endlich. Ein bisschen hatte ich selber schon die ganze Zeit auf mich gewartet, dass ich es endlich tun würde.
Ich wechsel jetzt vom Du ins Er, okay? Denn ich komm jetzt näher und brauch wenigstens in den Worten ein bisschen Abstand.
Ich wusste noch genau, wie ich ihn umarme, so wie immer, wie er sich anfühlte, alles war noch in meinen Bewegungen gespeichert und vielleicht war es falsch, doch wie tröstet man denn sonst? Worte machten es gerade einfach nicht. Er ließ sich umarmen, umarmte nicht zurück, aber hielt das kleine knittrige schlecht gebundene "Buch" in den Händen. Auf der ersten Seite stand, dass er das hier nicht lesen dürfte, wenn er es jemals entdecken sollte. Darunter hatte ich handschriftlich ergänzt: "Ups, Dinge ändern sich.".
Du hast dich einen Monat lang nicht getraut, das Buch zu lesen. Das hat sich heute geändert. Du hast danach bisher noch nicht angerufen. Wir telefonieren noch oft, das hat sich bisher nicht geändert. In letzter Zeit denk ich weniger an dich, mir gehts gut damit mittlerweile. Dir gehts - zumindest auf uns bezogen - auch gut. Ich hoffe, dass es dir bald in allem oder vielem gut geht. Ich frag mich, ob wir dann vielleicht sehr gute Freunde werden und einfach ein paar coole Sachen unternehmen können. Oder auch nicht, das wäre auch ok. In letzter Zeit fällt mir vieles auf, was mich damals sehr verletzt hat oder haben müsste. Doch ich denk trotzdem gerne an uns, mittlerweile ohne Sehnsucht, sondern mit Zufriedenheit. Und ich hab das hier zu Ende geschrieben. Eigentlich habe ich ja gedacht, es wird so lang wie das andere. Aber: Ups, Dinge ändern sich. Und das ist auch gut so.
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