3-5 Shoppen mit Elben
Grauen muß nicht immer gruselig bedeuten. Und für jeden sind andere Dinge erschreckend. Man denke dabei nur an den Jungen, dem es vor nichts gruselte: Er spielte ungerührt mit schwarzen Katzen Karten und kegelte mit Totenköpfen, doch als seine Frau ihm einen Eimer schleimiger, glitschiger Fische ins Bett goß, gruselte er sich endlich. In Micky X sieht man ähnliches - die Wesen der Anderswelt fürchten nicht Geister und Vampire, sondern Klempner und Zahnärzte. So hat eben jeder seine persönlichen Schrecken.
Meine Protagonisten geraten hier in allerlei Situationen, die ihnen überaus unangenehm sind und denen sie normalerweile ausweichen. Hier jedoch müssen sie sie bewältigen.
"Ti-hallo! Darf ich kommen?"
Emm schreckte von ihrem Aufsatz hoch. "Natürlich, Arniri, komm rein!"
Nach ihren Erlebnissen der letzten Wochen schien es Emm nun ganz normal, dass auf ihre Aufforderung hin eine hübsche Elbin aus ihrem Spiegel kletterte, gefolgt von zwei Jungen mit Fuchsaugen und Pferdeschwänzen. "Hallo, ihr", sagte sie nur. "Wir können dann gleich, ich muss nur noch den letzten Satz schreiben. Meine Mutter weiß Bescheid, dass wir einkaufen wollen und", sie zog die Nase kraus, "hat mir auch gleich Geld mitgegeben, ich soll mir was Mädchenhaftes kaufen."
"Oh, das ist gut", platzte Arniri heraus, wurde rot und sagte rasch: "Ich meine, was du anhast ist hübsch und praktisch, Emm, aber man sieht nicht, dass du ein Mädchen bist. Ich habe schon gehofft, dass das nicht die übliche Kleidung in deiner Welt ist, aber Feno zog dann etwas Ähnliches an."
Feno grinste. Er trug schwarze Jeans, ein graues T-Shirt mit Löwen-Aufdruck und eine schwarze Windjacke. "Soweit ich weiß, ist das eher für Jungen üblich hier. Zumindest Emms Freundin trug Rock und ausgeschnittenes Hemd."
"Ja, Lara ist laut meiner Mutter ein richtiges Mädchen", seufzte Emm. "Und ich mag das nun mal gar nicht, auch nicht das Gerede darum. Lara nervt auch dauernd, ich soll mich weiblicher anziehen, damit man sieht, dass ich eine Frau bin. Ich fühle mich aber eher als Kind und habe gar keine Lust, irgendwelche Jungs anzumachen. Ich würde mir lieber ne coole Lederjacke kaufen als son Mädchenkram!"
"Es geht hier auch darum, dass du dich deinen persönlichen Schrecken stellst", meinte Feno trocken. "Wenn das Röcke und Ausschnitte sind, dann hast du wohl keine große Wahl."
"Aber ich hasse das!"
"Verständlich", sagte Arniri sanft. "Wenn du das eh nicht magst und dann noch stundenlang vermessen wirst, ist das bestimmt nicht schön."
"Vermessen? Das brauchts nicht, ich muss nur anprobieren."
Arniris Augen leuchteten auf. "Habt ihr heute Markt?"
"Markt?" Emm sah sie verdutzt an, dann begriff sie. "Nein, Arniri, wir Menschen haben große Läden eingerichtet. In denen ist sozusagen immer Markt. Die Kleidung wird im Voraus gefertigt, in vielen Größen und man kann sich aussuchen, was man möchte - wenn man das Geld hat."
Arniri strahlte. "Oh, das hört sich wunderbar an! Ich liebe Markt! Und in allen Größen? Das ist großartig, ich hasse es, wenn ich etwas finde, das mir gefällt und dann warten muss, bis der Schneider es für meine Größe gefertigt hat."
Offenbar konnten auch Elben kaufsüchtig sein. "Du mußt aber auch Geld haben", warnte Emm. Sie hatte ihr ganzes Taschengeld zusammengekratzt, aber auch mit dem Zuschuß ihrer Mutter würde es sehr knapp werden. Schließlich ging Frau Brede davon aus, dass Arniri und Feno eigenes Geld hatten, aber wie hätten sie an Geld aus dieser Welt kommen sollen?
"Geld ist kein Problem", versicherte Feno. "Ich habe bei einem unserer Agenten getauscht. Du mußt mir nur eine Geldkatze leihen, ich weiß nicht, wie eure aussehen. Und mit einem Glücksbeutel möchte ich bei euch nicht auffallen."
"Unsere heißen Portemonnaie", Emm warf ihm ein rotes Portemonnaie mit Knax-Motiven zu und sah dann mit großen Augen zu, wie Feno Scheine aus der Hosentasche zog und im Beutel unterbrachte. "Du - das sind ein paar tausend Euro!"
"Reicht das nicht?"
"Doch, garantiert! Wo hast du soviel her?"
"Emm, es gibt interdimensionale Händler, die Währungen und Edelsteine tauschen. Und an Edelsteinen herrscht bei uns kein Mangel."
Fenos letzte Worte gingen in ohrenbetäubenden Lärm unter. Arniri schrie auf und hielt sich die Ohren zu, während die beiden Kitsunen nach dem ersten Zusammenzucken nicht weiter reagierten.
"Arniri", Emm bemerkte, dass der Elbin die Tränen aus den Augen kullerten und nahm sie rasch in den Arm. "Du mußt keine Angst haben, das sind nur die Bohrer." In diesem Moment trat wieder Stille ein.
"Bohrer?" wisperte Arniri verstört. "Was sind das für Monster?"
Emm mußte lachen. "Keine Monster, Werkzeuge. Wir bekommen ein Gangl ums ganze Haus und dazu müssen die Handwerker in die Wände bohren. Das ist laut, aber ungefährlich. Meinem Vater ist es zu riskant, dass wir immer aus den Fenstern springen, jetzt läßt er die Balkonage bauen. Er hat Angst, dass Lis es nachmacht oder wir uns verletzen dabei."
"Was ist ein Gangl?" fragte Tennao verwirrt.
"Oh, so nennen wir in Bayern einen Balkon, der ums ganze Haus herumführt. Die Zimmer im ersten Stock bekommen alle Türen zum Gangl und es werden auch zwei Treppen in den vorderen und hinteren Garten eingebaut."
"Praktisch", meinte Feno trocken. "So kommen wir auch unauffällig raus."
Emm mußte lachen. "Daran dachte ich auch, als er mit der Idee kam. Tatsache ist, meine Kusins klettern jetzt auch aus dem Fenster und er fühlt sich verantwortlich für sie, solange sie hier sind. Ich glaube aber, dass ihm das schon länger um Kopf rumspukt. Mam jedenfalls ist begeistert, weil das ein richtig breiter Balkon wird, da kann sie jede Menge Blumen pflanzen."
"Das ist schön, ich mag Blumen auch", meinte Arniri. "Emm, können wir eigentlich so gehen?" Sie trug wieder ihr grünes Kleid und den Spitzenhut. Emm lächelte. "Doch, du wirst zwar ein wenig auffallen, aber groß wundern wird sich keiner. Mittlerweile ist die Mode bei uns sehr offen, man sieht so ziemlich alles." Sie blickte Tennao an. "Bei dir allerdings - hm, darf ich deinen Kittel anmalen?"
"Wenn du willst und ich damit weniger auffalle, ja." Tennao trug wieder Kittel, lose Hose und Sandalen, diesmal alles in weiß. Emm nahm einen Edding, drückte Arniri ihr Taekwondo-Oberteil in die Arme "Halt das mal, da muss ich abgucken!" und zeichnete Tennao Schrift und Logo auf den Rücken. "So, jetzt glaubt man nur, du kommst grad vom Training."
"Sie denkt wirklich sehr praktisch", bemerkte Tennao zu Feno. "Ich verstehe immer besser, warum du sie nicht der Auslöschung unterziehen wolltest."
"Der WAS?"
Die Kitsunen wirkten etwas betreten angesichts Emms heftiger Reaktion. "Nun ja, in so einem Fall wie deinem hätten wir eigentlich dein Gedächtnis löschen sollen", erklärte Feno. "Wir mögen es nicht, wenn Menschen von den Dimensionen wissen und den Möglichkeiten, dorthin zu wechseln. Wenn sie sich allerdings als vertrauenswürdig erweisen, ist das kein Problem. Ist auch besser so, denn die Baku arbeiten nicht immer genau."
Emm schluckte. "Und wenn ich nun diesen Wettbewerb des Grauens nicht bestehe - was dann?" Sie versuchte, ruhig zu bleiben, aber die Vorstellung, dass jemand in ihren Erinnerungen herumkramte und nach Belieben löschte und veränderte, versetzte sie in Panik. Und ihre Erlebnisse in den letzten Tagen wollte sie trotz des Schreckens in Allendun nicht missen.
"Emm, wenn wir dir nicht vertrauen würden, hätten wir dich gar nicht diesem Test ausgesetzt", beruhigte Feno sie. "Das war schon geklärt, bevor du das erste Mal zu uns kamst."
Tennao nickte. "Daran ließ Feno keinen Zweifel und wir vertrauen seinem Instinkt. Auch wenn das einige nicht so anerkennen wollen, er ist einer unserer besten Schnüffler."
"Schnüffler? Sowas wie ein Detektiv?"
"Ein was? Nein, Feno riecht, ob man sich auf jemandem verlassen kann oder nicht. Inari verging früher vor Angst, wenn er wieder Alleingänge unternahm, bis sich herausstellte, dass Feno nie in Gefahr ist, dem Falschen zu vertrauen."
"So wie ich bei Luy", Emm nickte. "Der wäre ich fast in die Fänge gelaufen. Sie sah so nett aus." Ihre Worte wurden von erneut eintretenden Lärm verschluckt. Arniri sah verängstigt aus, geriet diesmal aber nicht in Panik. Emm nahm sie sanft an der Hand und ließ sie zum Fenster hinausschauen, damit Arniri die Arbeiter sehen konnte. "Siehst du, sie machen nur Löcher in die Wand", schrie sie ihr ins Ohr.
"Emm?" Frau Brede, die gerade am Tor ein Paket entgegennahm, hatte die Mädchen am Fenster entdeckt. "Sind deine Freunde schon da? Ich habe sie gar nicht kommen sehen. Warte, ich komme rein!"
Emm wandte sich an ihre Gäste. "Meine Mam möchte euch kennenlernen, gehen wir runter."
Als sie die Treppe herunterkamen, sauste Lis grad mit einem Karton an ihnen vorbei. "Ich hab ein Geschenk gekriegt von Opa!"
Frau Brede versuchte gerade, einen zweiten Karton aus dem Paket zu zerren, das von Deik gehalten wurde. Jetzt wandte sie sich um und lächelte die Gefährten an. "Hallo, Feno, dich kenn ich ja schon. Und du bist ...?"
"Das ist Arniri", sagte Emm rasch - aber zu spät. Die Elbin hatte bereits die Hände zusammengelegt und führte sie zur Stirn. "Tirili?"
Momentelang herrschte teils betretenes, teils verwirrtes Schweigen, während Arniri heftig errötete. Frau Bredes Blick nach zweifelte sie an Arniris Verstand, während Deik interessiert das zarte Gesicht der Elbin musterte.
Dann begann Emm zu lachen. "Ach, Arniri, du bist geistig immer noch in deinem Stück!" An ihre Mutter gewandt erklärte sie: "Arniri übt gerade mit ihren Kusins ein Theaterstück ein, das wollen sie zum 90. Geburtstag ihrer Urgroßmutter zeigen. Sie spielt eine Waldelfe, die einzelne Vögel mit Tirili begrüßt und die Vögel erzählen ihr dann von sich und singen ihr ihre Lieder vor."
"Ja, meine Urgroßmutter liebt Vögel", stimmte Arniri hastig zu. "Es tut mir leid, Frau Brede, ich wollte Sie nicht verwirren - das kam einfach so ..."
"Automatisch, weil sie das so lange geübt hat", fuhr Emm fort und Frau Brede lächelte Arniri an. "Das sieht man, Arniri. Deine Bewegung war so fließend und natürlich. Das scheint ein schönes Stück zu sein, Emm, meinst du, wir könnten es auch bei Großvater Arndts Feier zeigen?"
Jetzt reagierte Arniri schneller als Emm. "Ich weiß nicht, ob meine Kusine das möchte", wandte sie ein. "Sie hat es selbst geschrieben und extra für unsere Urgroßmutter - und es sind Anspielungen dabei, die nur unsere Familie versteht."
"Ach, schade", Frau Brede wirkte etwas enttäuscht. "Arniri ist übrigens ein hübscher Name, wo kommt der her?"
Die Elbin schien ihre Geistesgegenwart nun wiedergefunden zu haben. "Meine Ahnin hieß so. Es ist ein alter Familienname." Damit wich sie einer genaueren Auskunft aus.
"Es paßt zu dir, klingt irgendwie - ich weiß nicht - so elfenhaft", stellte Frau Brede fest.
"Ja, und du siehst auch aus wie eine Elfe!" platzte Deik heraus. Emm war schon aufgefallen, dass ihr 19jähriger Kusin sehr fasziniert von der hübschen Elbin zu sein schien.
"Danke", Arniri lächelte und nahm diese Wahrheit hin wie ein Kompliment. Emm atmete auf. Die Elbin war nicht so naiv, wie sie zuerst gewirkt hatte.
Frau Brede war es inzwischen gelungen, den Karton zu befreien und zu öffnen. "Nun seht euch das an!" rief sie ärgerlich. "Ich wollte mir etwas Praktisches wünschen und habe eurem Opa gesagt, dass ich einen warmen Mantel brauchen könnte. Aber doch nicht sowas?" Sie zog einen prachtvollen, silbergrau-schwarz gebänderten Pelz aus dem Karton.
Emm, die wie ihre Mutter gegen Pelze war, runzelte die Stirn, Arniri schien an dem Pelz nichts Ungewöhnliches zu sehen. Die beiden Kitsunen jedoch waren blass geworden und Feno würgte heftig und schlug hastig die Hand vor den Mund.
"Dritte Tür rechts", Frau Brede hatte die Anzeichen erkannt und Feno stürzte dankbar davon. Arniri sauste hinterher, Emm folgte etwas zögerlicher.
Im Bad übergab sich Feno heftig, Arniri stützte ihn und sah sich dabei suchend um. Emm drehte sich prompt ebenfalls der Magen um. Sie konnte problemlos Wunden behandeln und Blut stillen, aber wenn jemandem schlecht wurde, konnte sie es nicht vertragen. Sie schluckte, riß sich jedoch zusammen und feuchtete ein Handtuch an, welches sie Arniri mit abgewandten Blick reichte, bevor sie den Raum verließ.
Draußen sah sie sich einem blassen, sichtlich beunruhigten Tennao gegenüber. "Ich - entschuldige, aber - ich kann sowas nicht sehen", stotterte sie.
"Emm, wo kommt das Wasser her?" rief Arniri aus dem Bad. "Feno sollte etwas trinken, glaube ich."
Verflixt, dachte Emm, da kann nur ich helfen. Sie überwand die eigene Übelkeit, kam ins Bad zurück und zeigte Arniri, wie der Hahn funktionierte. Feno schien es besser zu gehen, er wischte sich gerade das Gesicht ab. Emm nahm ein Glas vom Regal, füllte es mit Wasser und reichte es ihm. Der Junge trank hastig und sagte dann leise: "Emm - dieser Pelz - das ist Silberfuchs! Jemand wie ich! Fell mit Haut, nicht abgeschnittenes Haar!"
"Oh nein!" Jetzt verstand Emm. Ihr wäre zweifellos auch beim Anblick eines Mantels aus Menschenhaut schlecht geworden.
"Geht es dir besser?" fragte Frau Brede besorgt, als sie zurückkamen. "Willst du dich etwas hinlegen? Hast du Fieber, oder ist dir schwindelig?"
"Wie - äh - nein! Mir gehts gut, es war nur wegen des Pelzes!"
Frau Brede runzelte verwirrt die Stirn."Bist du allergisch?"
Emm überlegte hastig. Bei einer allergischen Reaktion würde ihre Mutter erst recht darauf bestehen, dass sich Feno erst erholte oder sogar einen Arzt aufsuchte. "Ich denke, es war wegen des Fuchses, den er einmal hatte", sagte sie. "Hast du nicht erzählt, Feno, dass ihr glaubt, er wurde von einem Pelzhändler gestohlen?"
Feno verstand kein Wort, nickte aber mit entsprechend trauriger Miene und hoffte, dass Emm die Geschichte alleine weiterspann.
"Er hat ihn als Baby gefunden und aufgezogen", behauptete Emm. "Wahrscheinlich wurde er als Silberfuchs von seinem Rudel nicht akzeptiert. Aber für Feno war er wie ein Hund, weißt du, er wurde ein echtes Haustier. Und dann kam er eines Tages nicht wieder. Das war in der Woche, in der auch Sophia verschwand und du weißt ja ..." Mehr mußte sie nicht sagen. Katze Sophia war gleichzeitig mit etlichen anderen Katzen aus der Gegend verschwunden und Frau Brede war fest überzeugt, dass illegale Tierfänger die Ursache waren.
"Diese Mistkerle", fauchte Frau Brede. "Aber Feno, wie ich meinen Vater kenne, ist der Pelz aus einer seriösen Zucht. Ich finde das zwar auch nicht besonders gut, aber du kannst sicher sein, dass dein Fuchs nicht darin steckt." Sie hatte den Pelz zum Glück bereits weggehängt, bemerkte Emm, so konnte sich Feno wieder beruhigen. Auch Tennao wirkte noch etwas bleich.
Frau Brede wandte sich an Tennao, da aber in diesem Moment erneut die Bohrer einsetzten, verstand niemand, was sie sagte.
"Meine Güte, bin ich froh, wenn die fertig sind", seufzte Frau Brede. "Macht, dass ihr rauskommt, es reicht, wenn ich mich quälen lassen muss. Deik, vielleicht kannst du mit Lis auf den Spielplatz gehen, da dürftest du mehr Ruhe zum Lernen haben."
"Das mache ich gerne", versicherte Deik. "Wo ist sie denn über ..."
"BUH!" Eine übergroße Maus schoß auf sie zu. Alle fuhren zusammen und Feno sprang vor Schreck rückwärts in die Luft. Wortwörtlich, denn er blieb oben, wie Emm erschrocken sah. Hastig überlegte sie, wie sie ihm klarmachen konnte, dass er vergessen hatte, auf den Boden zurückzukommen, ohne die anderen ebenfalls aufmerksam zu machen. Auch Arniri machte ihm verzweifelt Zeichen, wieder auf den Boden zu kommen.
Feno starrte auf die Maus, bemerkte dann offensichtlich, dass es sich um ein Kostüm handelte und entspannte sich. Gerade, als Frau Brede ihn ansah, ließ er sich wieder fallen. Sie schüttelte den Kopf, offenbar war sie nicht sicher, was sie da gesehen hatte.
Lis hatte es jedoch genau mitbekommen. Sie riß sich die Maus-Maske vom Kopf und rannte zu Feno: "Du hast Angst vor mir gehabt! Gell, du hattest Angst, ich hab dich ganz doll erschreckt!"
"Und wie!" Feno lächelte sie an. "Woher hast du denn die tolle Verkleidung?"
"Das hat Opa mir geschenkt! Darf ich das anbehalten, Mom?"
"Wenn es Deik nicht stört, mit einer Maus zum Spielplatz zu gehen, ja."
"Ich darf zum Spielplatz?" Lis sauste weg und kam fast sofort mit ihrem Sandspielset wieder. "Komm Deik, ich back dir auch ganz viele Kuchen! Feno, willst du auch einen, weil ich dich so erschreckt habe?" Sie kicherte.
"Nachher gerne", versicherte ihr Feno. "Ich will mit deiner Schwester noch in die Stadt, wenn wir wiederkommen, kannst du mir ja deine Kuchen zeigen."
"Ja, und du springst wieder in die Luft für mich! Du kannst so hoch springen!"
Frau Brede lächelte Feno an. "Du kannst gut mit ihr umgehen. Hast du selbst eine kleine Schwester?"
"Nein, nur ältere Schwestern, aber einige kleine Kusinen und Nichten", erklärte Feno. Emm atmete auf. Ihre Mutter hatte Fenos Schreck also für gespielt gehalten. Und für Lis war es noch normal, wenn jemand momentelang in der Luft stand.
Emm verstand auch, warum sich Feno so erschreckt hatte. Für Feno waren Mäuse Jagdbeute und Essen und eine übergroße Maus mußte da unheimlich wirken - als wolle sie ihre Artgenossen rächen. Emm hätte auch nicht gerne einem mannsgroßen Huhn gegenüber gestanden.
"Lass uns gehen", sagte sie rasch, bevor einem ihrer Gäste noch irgendein weiterer Lapsus passierte. Es war ein Glück, dass ihre Mutter von den Bauarbeiten so abgelenkt war, sonst hätte sie eigentlich mißtrauisch werden müssen. Deik jedenfalls musterte Emms Freunde aufmerksam, sagte jedoch nichts.
"Wir sollten nicht zu sehr trödeln, sonst verpassen wir die S-Bahn", mahnte Emm darum und sie setzten sich in Bewegung.
Arniri runzelte die Stirn. "Was ist denn eine S-Bahn?" fragte sie, noch bevor ihr Emm auf den Fuß treten konnte. Deik sah sie verblüfft an. "Wo kommst du denn her? Sowas gibts doch überall!"
"Nicht - die Tür! Schließen Sie die Tür!" schrie Frau Brede plötzlich hinter ihnen. Emm fuhr herum und sah gerade noch, wie Kater Max zwischen den Beinen eines verdutzten Arbeiters durchwetzte - pfeilgerade auf Rudi zu, den Lara gerade aus dem Nachbarsgarten auf die Straße führte. Max sehen und lospreschen war für Rudi eins, der überrumpelten Lara wurde die Leine aus der Hand gerissen und schon fielen die Tiere übereinander her.
Emm und Lis schrieen auf. So wild der Kater auch war, gegen den Border Collie konnte er keine Chance haben. Lis begann zu weinen: "Max geht tot, Emm, Max geht ganz tot!" Arniri beugte sich zu ihr und nahm sie in die Arme. Lis klammerte sich an sie und barg ihr Gesichtchen an ihrer Schulter.
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