3-3 Abenteuer in Funchirasu
Einen Kampf zwischen Magiern zu beschreiben, scheint erstmal gar nicht so einfach. Der Klassiker ist ja, dass sich beide ständig verwandeln, um eine Gestalt zu finden, mit der sie dem anderen beikommen können. Die andere Variante ähnelt jener der Superhelden in den einschlägigen Comics, da wird mit Feuer, Wasser, Sand oder Blitzen aufeinander eingeschlagen, bis die Magier erschöpft sind und die Umgebung völlig verwüstet ist. Sowohl Superhelden als auch Magiern ist es offenbar gleichgültig, wer oder was von ihren Querschlägern getroffen wird. Zudem wird bei einem solchen Kampf immer derjenige gewinnen, dessen magische oder heldische Kraft größer ist - und bis man weiß, wer das ist, ist meist schon jede Menge Unheil angerichtet.
Aber was ist, wenn jemand unmagisch auf eine magische Attacke reagiert? Das könnte den scheinbar Unterlegenen siegen lassen, da der Magier auf ungewohnte Weise abwehren muss. Und damit vermeidet man, dass die aufeinanderprallenden Kräfte Querschläger nach allen Seiten aussenden.
Ich habe in diesem Kapitel Begriffe aus dem Turnen verwendet, da es zu umständlich gewesen wäre, Fenos Bewegungen lang und breit zu erklären. Hier die Aufklärung für Nicht-Turner: Ein Flickflack ist ein Handstandüberschlag, der also vornüber und nicht wie ein Radschlag seitlich ausgeführt wird. Ein Rondat ist ein Radschlag, bei dem der Turner eine halbe Drehung vollführt, also in umgekehrter Position landet in der er gestartet ist. Feno führt ihn aus, um danach auf den Händen stehend seiner Schwester das Gesicht zuzudrehen.
Emm schluckte und sah auf das angebissene Stück in ihrer Hand. "Du meinst - wirklich Mäuse?" Ihr fiel ein, dass sich Füchse ja von Mäusen ernährten und Feno, so menschlich er auch zurzeit aussah, war nun einmal ein Fuchs.
"Klar", Tennao griff ebenfalls ein zweites Mal zu. "Futter nicht alles alleine weg, Fenyro. Ihr müßt wissen, dass Mäuse sein Lieblingsessen sind", wandte er sich an die Mädchen. "Wenn ihr nicht aufpaßt, bleibt für euch nichts mehr übrig."
"Das macht nichts", sagte Emm schwach. "Wenn Feno Mäuse so gerne mag, lasse ich ihm sie gerne." Sie überlegte, was sie nun mit dem Rest in ihrer Hand machen sollte. Die Heinzeljungen waren noch da und jeden Moment konnte Listrona herauskommen; das angebissene Stück wegzulegen, mochte für die Heinzelleute eine Beleidigung sein. Der erste Bissen hatte ja auch gar nicht so schlecht geschmeckt, redete sich Emm selbst zu. Hastig steckte sie sich das Stück in den Mund und versuchte, nicht daran zu denken, worauf sie herumkaute.
"Mäuse", Arniri sah etwas grün aus, folgte aber Emms Beispiel. "Ich habe so etwas noch nie gegessen. Ungewohnt, aber gut", etwas unsicher lächelte sie Listrona zu, die gerade wieder erschien und mühsam etwas hinter sich herzog. Feno sprang rasch hinzu und half ihr, drei grünbraune Umhänge hervorzuholen. Listrona reichte ihm einen, kam dann zu Emm: "Der ist für dich und dieser hier für dich", sie gab Arniri den letzten Umhang in die hinuntergestreckte Hand.
Der Umhang war unglaublich leicht, stellte Emm fest. Er fühlte sich weich an, aber kühl und war offensichtlich nicht aus Fell oder Wolle gewebt worden. Und die Farbe war seltsam, verschiedene Grün- und Brauntöne, auch etwas Rot war dabei, aber ohne erkennbares Muster oder Regelmäßigkeit. So als habe Listrona beim Weben einfach immer wieder nach irgendeiner zufälligen Farbe gegriffen. "Woraus ist der Umhang? Und macht er wirklich unsichtbar? Und warum ist wichtig, wer welchen Umhang bekommt?"
Feno lachte über ihre Fragen. "Listrona verwebt Moos, das macht den Umhang leicht, wasserdicht, kühl im Sommer und wärmend im Schnee. Und sie hat die Umhänge ganz genau nach unserer Größe ausgesucht. Schau her!" Er legte sich seinen Umhang um die Schultern und zog die Kapuze hoch. Emm bemerkte, dass ihm der Umhang genau bis zu den Füßen reichte, aber nicht lang genug war, um ihn ins Stolpern zu bringen.
Feno ließ sich zusammensacken, wie ein Luftballon, dem die Luft ausging. Emm und Arniri sahen verblüfft auf den Boden - nun, völlig vom Umhang bedeckt, war Feno kaum auszumachen. Er sah aus wie ein moosbedeckter Stein.
"Also so war das mit dem Tarnen gemeint", stellte Arniri fest und hüllte sich in ihren Umhang. Auch ihr reichte er haargenau bis an die Füße und Emm verstand jetzt. Arniri mochte nur zwei oder drei Zentimeter kleiner sein als Emm, aber Listrona hatte selbst diesen winzigen Unterschied berücksichtigt.
"Genau!" Der Stein vor Emms Füßen verwandelte sich wieder in Feno. "In Emms Welt nützt er nicht viel, aber in den meisten anderen Dimensionen." Feno nahm den Umhang ab und verstaute ihn in seinem Rucksack. Emm tat es ihm nach. Arniri nahm ein kleines Ledertäschchen von ihrem Gürtel und stopfte den Umhang dort hinein. Verblüfft sah Emm, dass der Umhang nicht nur Platz fand, sondern die Tasche nachher nicht voller aussah als vorher.
Arniri grinste sie an. "Die Tasche ist innen größer als außen."
"Auch leichter?" fragte Emm sofort und Feno lachte auf. "Du übersiehst wirklich nichts!"
"Also ich finde, dass sie eine ganze Menge übersieht", klang eine höhnische Stimme auf. "Sonst wäre sie nicht mit so einen einschwänzigen Verlierer unterwegs!"
Verblüfft wandten sich Emm und Arniri um und standen einen etwas älteren Mädchen gegenüber, welches vor ihnen in der Luft schwebte. Das rote Haar, das ihr in zwei langen Zöpfen über die Schultern floß und die etwas spitze Nase wiesen sie als Kitsune aus. Emm hatte gleich eine gewisse Vermutung und die wurde auch prompt durch Tennao bestätigt. "Eira, warum kannst du Fenyro nicht in Frieden lassen?"
"Weil ich etwas gegen Versager und Muttersöhnchen habe!" entgegnete das Mädchen heftig. Sie wandte sich an Emm und Arniri. "Seht ihn doch an, nicht nur, dass er nur einen Schwanz hat, jetzt ist er auch noch lächerlich gekürzt. Ein Kitsune, der sich dem Diktat einer Heinzelfrau beugt, weil er nichts anderes zum Tausch zu bieten hat - einfach jämmerlich!"
"Ich finde es sehr tapfer von Feno, dass er sein Haar hergab", erwiderte Emm fest und Arniri nickte. "Das war ein großes Opfer! Nicht jeder wäre dazu imstande."
Feno, der sehr blaß geworden war, sah die Mädchen verblüfft an. Offenbar hatte er nicht damit gerechnet, dass sie ihn verteidigen würden.
"Kitsunen sollen keine Opfer bringen, sondern sich nehmen, was sie brauchen! Wozu sind wir magische Wesen! Aber Fennyli hat nicht ein Fitzelchen Magie!"
Arniri sah Emm erschrocken an, aber die hatte schon ein Gegenargument parat. "Für mich sind Fliegen und Verwandeln schon Magie genug. Ich kann nicht einmal das."
"Du bist ja auch ein Mensch", Eira verzog verächtlich das Gesicht. "Aber Fennyli will ein Kitsune sein. Dabei kann er sich nicht einmal dagegen wehren!" Sie strich sich mit dem Finger kurz über die Nase, hatte plötzlich einen Ball aus Feuer in der Hand und warf ihn direkt auf Feno zu. Der jedoch wich blitzschnell aus - nach oben, wie Emm amüsiert und Arini erschrocken sah - und der Ball jagte in den Baum.
"Mein Haus!" rief Listrona entsetzt und Tennao rügte scharf: "Das genügt, Eira! Du weißt, dass wir die Magie nur in Notfällen einsetzen dürfen und das ist ganz gewiß keiner!"
"Pah!" Eira fuhr sich bereits erneut über die Nase. Feno warf sich ihr entgegen, mit einem raschen Rondat, auf den sich sofort ein Flickflack anschloß - in einem solchen Tempo, dass nicht nur Emm, sondern auch Eira nicht folgen konnte. Bevor sie reagieren konnte, war Feno vor ihr. Mit dem linken Fuß schmetterte er seiner Schwester den Feuerball aus den Händen und kickte ihn hoch in die Luft. Sein rechter Fuß traf hart auf ihre Brust und warf sie auf den Boden.
Als Eira schweratmend auf die Erde prallte, war Emm schon bei ihr und riß ihren Arm in einen Polizeigriff. Sie hatte zwar keine Ahnung, ob sie so eine Kitsune halten konnte, aber den Versuch wars immerhin wert.
Der Feuerball explodierte weit hoch über ihnen und tauchte das Land in einen kurzen, grellen Lichtblitz, richtete aber keinen weiteren Schaden an. Schlimmer war der Brand in Listronas Baum. Die Wichtel rannten mit winzigen Wassereimern her und Tennao beschwor eine Wolke, die leichten Regen absonderte, aber das reichte nicht aus. Emm dachte hastig nach. "Arniri, kannst du in deinem Beutel auch Wasser transportieren?" Arniri nickte.
"Komm, Arniri", Feno, der gleich verstanden hatte, worauf Emm hinauswollte, packte die Elbin an der Hand und erhob sich mit ihr in die Luft. Arniri kreischte auf und klammerte sich an seinen Arm. "Ich hab Angst vorm Fliegen!"
"Tut mir leid", murmelte Feno. "Aber das muß jetzt sein." Er flog mit ihr zum Fluß. "Arniri, mach die Augen auf und pack soviel Wasser, wie du kannst, in deinen Beutel."
Die Elbin gehorchte zitternd, schrie dann aber auf, als Feno mit ihr über den Baum flog. "Das ist zu hoch!"
"Ich lasse dich nicht fallen", versprach Feno. "Jetzt lösch das Feuer, bitte! Die Wichtel brauchen sonst Jahre für einen neuen Hausbaum!"
Das wollte auch Arniri nicht. Sie öffnete Augen und Beutel und ließ das Wasser hinunterströmen.
Binnen Sekunden war der Brand gelöscht und Tennao völlig durchnäßt. Die Wichtel jedoch waren trocken geblieben, zumindest ihre Kleidung, stellte Emm verblüfft fest.
Listrona sah ihren Blick. "Wir tragen Mooskleider und Moos saugt Wasser sehr gut auf", erklärte sie lächelnd. "Auch ihr werdet mit den Umhängen trocken bleiben." Sie wandte sich an Feno und Arniri, die gerade auf dem Boden aufsetzten. "Danke für die Rettung unseres Baums." Sie blickte betrübt auf ihr angekokeltes Heim. "Er ist ein wenig beschädigt, aber das wird wieder."
"Eine gute Idee von dir, Emm", lobte Tennao und schüttelte sich wie ein Hund, um das Wasser loszuwerden. "Jetzt müssen wir das Ganze nur noch ihnen erklären." Er wies auf die drei Fuchsfeen, die vom Fuchshügel herüberschwebten.
"Oje, Inari", murmelte Feno und Eira grinste hämisch. "Das gibt wieder Stubenarrest für dich! Du hast mich angegriffen!"
"Lügt die öfter so?" fragte Emm ruhig, als die Kitsunen vor ihnen landeten. "Dann sollte sie sich das für die Momente aufheben, wenn es keine Zeugen gibt!"
"Lass mich los", fauchte Eira sie an.
Eine der Fuchsfeen kam auf sie zu. "Lass sie nur", sie blickte Emm aufmerksam an. "Du bist das also. Hau, Emm, ich bin Inari." Sie streckte zu Emms Überraschung die Hand aus und Emm nahm sie zögernd. "Hal - eh, Hau, Inari." Sie bekam den Laut nicht so bellend hin wie die Kitsune und wünschte sich, sie wäre doch beim hallo geblieben. Bei ihr hörte es sich an, als ob sie Inari aufforderte, ihr eine Ohrfeige zu geben.
Inari lächelte. Emm wußte nicht, wie sie sich die Lenkerin der Kitsune vorgestellt hatte, aber sicher nicht so. Inari war klein und noch zierlicher als ihre Töchter. Sie wirkte viel zu zerbrechlich für die Masse dunkelroten Haares, die ihr in acht buschigen Zöpfen fast bis zu den Knien reichte. Emm erschien es unglaubhaft, dass dieses kindlich grazile Geschöpf 29 Kinder geboren - oder geworfen - haben sollte - bis sie ihr ins Gesicht sah.
Große, dunkelgrüne Augen beherrschten ein schmales Gesicht mit fast durchscheinender Haut, kleiner, spitzer Nase und einem breiten, leicht aufgeworfenen Mund. Leichte Fältchen um die Augen wirkten wie feine Risse in Porzellan, dunkle, lange Wimpern gaben einen Rahmen ab, aber Emm sah zunächst nur die forschenden Augen, deren Grün sie an das seltsame Glas in Sitos Raum erinnerte. Inari besaß eine machtvolle Ausstrahlung, die sich in ihren Augen zu bündeln schien.
"Sie sind also Fenos Mutter", sagte Emm langsam und Inari lachte leise. "Ja, für dich bin ich wohl in erster Linie Fenos Mutter und so sollte es auch sein." Sie hob das Gesicht und blickte aufmerksam in Emms Augen. "Sito hat recht, du hast das Auge. Du magst noch unerfahren sein, aber du wirst schnell lernen. Du wirst eine gute Wächterin sein."
Emm stellte fest, dass sie sich klein gegenüber dieser winzigen Frau fühlte, die zu ihr aufsehen mußte. Arniri, zu der Inari nun schwebte, schien es ähnlich zu gehen, sie sank vor Inari auf ein Knie.
"Vor mir mußt du nicht knieen, Kind", Inari lächelte. "Du bist also Arniri. Ja, ich spüre die Macht, die in dir schlummert und die Güte, die verhindert, dass du sie mißbrauchst. Sito und Tennao prüften dich bereits und ich schließe mich ihrem Urteil an. Du bist geeignet als Wanderin."
In Emm formten sich tausend Fragen, aber diesmal hielt sie lieber den Mund, denn Inari wandte sich nun Eira zu. "Warum gabst du das Notsignal?" fragte sie. "Ich erkenne keine Gefahr."
"Das war nicht meine Schuld", trotzte Eira. "Fennychen griff mich an und schleuderte meinen Feuerball in die Luft. Er hat mich körperlich angegriffen, Inari!"
"Und worauf war dein Ball eigentlich gezielt?" fragte Inari gelassen und Emm grinste. Von ihrer Mutter wäre die gleiche Frage gekommen.
"Na, auf ihn", erklärte Eira und zeigte auf Fenyro.
"Soll das heißen, du hast den Ball auf Fenyro geworfen, weil du voraussahst, dass er dich angreifen wird?" Inari zog eine Braue hoch.
"Naja, dem ersten Ball ist er ja ausgewichen, deshalb ist jetzt auch das Wichtelhaus verbrannt."
"Das sehe ich. Wer hat eigentlich den Brand gelöscht?"
"Fennyli hat die arme Arniri trotz ihrer Flugangst durch die Luft zum Bach gezerrt, damit sie in ihrem magischen Beutel Wasser holt. Das war ihre Idee", Eira zeigte auf Emm, die sie fassungslos ansah. Wie schaffte es Eira bloß, so felsenfest von der Schuld aller anderen überzeugt zu sein?
"Hm", Inari blickte zu Listrona. "Ich entschuldige mich im Namen der Kitsunen für den Schaden, der deinem Hausbaum zugefügt wurde. Wir werden uns bemühen, es wieder gutzumachen. Es ist leider nicht so einfach, Kindern den Unterschied zwischen harmlosen Spiel und notwendiger Gewalt beizubringen." Sie seufzte. "Hausarrest, denke ich, für zwei Monate, wäre hier angemessen."
"Ätsch!" Eira streckte Feno die Zunge raus. Manche Gesten und Worte waren offenbar inter-dimensional, dachte Emm belustigt.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top