3-2 Abenteuer in Funchirasu
Es gibt mehr als eine Geschichte, in der Kerzen oder Lampen automatisch an- und ausgehen, wenn sich der Protagonist durch die Räume bewegt. Da habe ich mich beim Lesen oft gefragt, ob die Lampen lebendig sind oder unsichtbare Geister das An- und Auszünden übernehmen. Die japanische Mythologie der Tsukumogami, der beseelten Gebrauchsgegenstände, kam mir da gerade recht. Dem Volksglauben nach erwachen Gegenstände, die mehr als 100 Jahre von Menschen benutzt werden, selbst zum Leben und werden somit zu Yokai, also zu Dämonen - oder einfach nur übernatürlichen Wesen. Ärgern sollte man solche Tsukumogami allerdings nicht, und schon gar ihre treuen Dienste geringschätzen.
"Wo fangen wir an?" fragte Arniri, als sie die Treppe hinuntergingen.
"Ich denke, bei Fenos Liste, nachdem wir eh schon hier sind", schlug Emm vor. Es war ihre Idee gewesen, eine Liste mit nützlichen Dingen anzufertigen. Da sie aber alle drei aus sehr verschiedenen Welten stammten, hatten sie sich nicht einigen können und so hatte jeder für sich eine Liste erstellt. Und die würden sie nun nacheinander abarbeiten.
"Wo tun wir denn alles hin?" fragte Emm plötzlich. "Ich habe ja meinen Rucksack, aber was macht ihr beide?"
"Ich habe auch einen", erklärte Feno. "Wartet mal bitte." Er verschwand durch die Tür, an der sie gerade vorbeigingen und kam in überraschend kurzer Zeit wieder. Nun trug er einen großen, weitgehend leeren Ledersack auf dem Rücken, der an jeder Seite eine Schwertscheide aufwies. Beide waren auch bestückt und Emm dachte sich, dass Feno die Sache mit dem Beschützen wohl ernst nahm.
Während sie weiter treppabwärts liefen, beobachtete Emm die Laternen. Es faszinierte sie, wie die Lichter immer dort brannten, wo sie gerade waren, vor ihnen aufflammten und hinter ihnen verloschen. Schließlich blieb sie stehen und sah sich eine Laterne genauer an.
Die Laterne erwiderte ihren Blick ruhig und zwinkerte plötzlich.
"Hiiiaah!" Emm sprang zurück, stolperte und wäre die Treppe hinuntergekollert, hätte Tennao sie nicht geistesgegenwärtig aufgefangen. "Was ist denn los?"
"Die Laterne - sie hat mich angesehen!"
"Ja, und?" Tennao verstand Emms Aufregung offenbar nicht. Arniri hingegen näherte sich nun ebenfalls der Laterne und schrie entsetzt auf. "Da ist jemand drin!"
"Ja, natürlich! Was dachtest du denn, wie die Laternen von alleine leuchten können? Sie sind von Laternengeistern bewohnt."
Arniri war blaß geworden. "Ihr versklavt Geister, nur damit ihr immer Licht habt?"
"Das ist gemein", rief auch Emm, die ihren ersten Schreck überwunden hatte. "Können die Geister denn gar nicht raus? Und wenn, tun die uns etwas?" Sie schwankte zwischen Furcht und Mitleid; zum einen hatte sie Angst vor Geistern, zum anderen tat ihr jedes eingesperrte Wesen leid.
Feno und Tennao sahen sich einen Moment lang an, dann erklärte Feno sanft: "Das sind Chochin-obake. Sie leben immer in Laternen. Meistens zumindest."
"Darf ich die Sache erhellen?" fragte die Laterne leise. Emm schrak erneut zusammen und war froh, dass Tennao sie noch immer festhielt.
"Ihr müßt wissen", die Laterne wandte sich nun direkt an Emm und Arniri, "dass wir Laternengeister gerne Licht ins Dunkle bringen. Und die Mühe macht uns nichts, wenn wir merken, dass unsere Arbeit geschätzt wird. Die Menschen haben uns oft mißachtet und uns vor unserer Zeit verdunkelt, aber hier im Fuchshügel fühlen wir uns beachtet. Darum spielen wir hier auch keine Streiche und bleiben in unseren Lichthäusern."
"Chochin-obake können bösartig werden, wenn man sie geringschätzt", fügte Feno an. "Aber das haben wir hier noch nicht erlebt."
"Wenn man jemanden schlecht behandelt, ist es auch völlig verständlich, wenn derjenige sauer ist", meinte Emm. "Ob Mensch, Geist oder Fuchs."
"Danke", hauchte die Lampe. "Die Menschen sehen uns meist als böse an und vergessen, dass sie zuerst uns wehtaten."
"Das liegt daran, dass sie Angst haben", gab Emm zu. "Ich hatte auch erst Angst - ich fürchte mich vor Geistern. Vielleicht, weil ich sie nicht verstehe und nicht kenne. Oder bisher nicht kannte."
"Es gibt viele Arten von Geistern", gab Feno zu bedenken, als sie weitergingen. "Und nicht alle sind gut."
Emm nickte. "Dormin sagte, ob gut oder böse hängt vom Individuum ab. Das sollte ich mir merken."
"Oh, oftmals hängt gut oder böse auch von der Rasse ab", murmelte Arniri finster. "Das haben meine Vorfahren schon erfahren müssen."
Sie bekam keine Antwort, denn in diesem Moment traten sie aus dem Treppenhaus in einen kurzen Flur und dann ins Freie.
Emm drehte sich sofort um, sie wollte wissen, wie der Fuchshügel nun wirklich aussah. Es war in der Tat ein Hügel, bzw. ein Berg, der sich kreisrund, steil und ziemlich unvermittelt aus einer ansonsten flachen Ebene erhob. An der Seite, an der sie standen, war der Hügel bebaut, etwa in der Art eines Stufenhauses. Emm zählte 18 Stockwerke, jedes rundrum von einer breiten, reich bepflanzten Terrasse umgeben, die durch das Dach der darunterliegenden Etage gebildet wurde. Jedes Stockwerk besaß zahlreiche Fenster aus verschiedenfarbenen Kristallen, hauptsächlich bestand das Gebäude jedoch aus graugeflecktem Granit. Wobei Gebäude wohl das falsche Wort war. Das Haus schien eher aus dem Hügel herausgehauen zu sein. Dafür sprach auch, dass die Kreisform des Hügels durch das Haus ergänzt wurde. Ein angebautes Haus hätte eine Delle geben müssen, dachte Emm.
"Wohnt Tenyve im 5. Stock?" fragte Emm. Feno bejahte überrascht. "Woher weißt du das?"
Emm lächelte. "Sie gab als Absender Fuchshügel 5 an. Ich sehe keine weiteren Gebäude, also waren damit wohl die Etagen gemeint."
"Das stimmt. Ansonsten sind die Adressen bei uns aber aufgebaut wie bei euch. Nur ist der Fuchshügel so groß, dass er unterteilt werden mußte."
Dem konnte Emm nur beipflichten. Selbst der sichtbare Teil des Wohnbaus konnte sicher 1000 Bewohner verkraften und sie vermutete, dass der Bau sich noch weit in den Hügel hineinzog.
"Funchirasu ist demnach eure Stadt?" überlegte sie weiter. Feno nickte. "Aber wir hocken nicht so dicht aufeinander wie ihr Menschen."
Das mußte grad jemand sagen, der quasi in einem Mega-Wohnblock zuhause war, dachte Emm, sagte aber nichts und sah sich lieber um.
Der Fuchshügel schien tatsächlich der einzige "Mehrfamilienbau" in Funchirasu zu sein. Dank des flachen Landes konnte Emm sehr weit sehen und sie stellte fest, dass die Stadt vor allem aus weitverstreuten Häusern bestand, die zwischen ausgedehnten Feldern fast verloren wirkten. In größerer Entfernung konnte Emm jedoch mehrere Ansammlungen von Gebäuden ausmachen. Einer davon schien tatsächlich eine Art Stadtkern zu bilden.
Erst auf dem zweiten Blick erkannte Emm, dass Funchirasu wohl doch dichter besiedelt war. Durch die Felder führten Wege zu den Häusern hin. Doch etliche Wege führten zu einzelstehenden, riesigen Bäumen oder kleinen Erdhügeln. Auch in der Nähe der Häuser fanden sich diese Hügel. Andere Gebilde, die Emm zuerst für Heuhaufen gehalten hatte, schienen Holzbauten nach Art der Navajo-Hogans zu sein. Auch in den Wald, der sich links ausbreitete, führten viele einzelne Wege, manche davon so schmal, das sie nur Striche zu sein schienen. Es wurde Emm allmählich klar, dass bei weitem nicht alle Bewohner von Funchirasu in Häusern oder Hütten lebten.
Am Fuchshügel vorbei und durch die Felder hindurch schlängelte sich ein Flüßchen. Viele, aber nicht alle Felder wurden durch enge, mit kleinen Wehren bestückte Kanäle mit Wasser versorgt. Das Bewässerungssystem wirkte im ersten Moment primitiv, schien aber sehr genau ausgeklügelt zu sein. Die Einwohner konnten dank des Flüsschens Mais, Rüben und Weizen, aber auch Reis und Tee anbauen.
Emm staunte, wie geschickt die Wesen hier sich den Fluß zu Diensten gemacht hatten, ohne ihn allzusehr zu beeinflussen. Die Felder folgten der natürlichen, mäandernden Form des Flusses und waren entsprechend ihres Wasserbedarfs nahe oder weiter entfernt angelegt. Mehrmals waren kleine Bäche oder Teiche abgezweigt worden, deren Abfluß jedoch wieder in den Fluß mündete. So konnte der Fluß die Stadt mit annähernd gleicher Wasserstärke verlassen, wie er sie betreten hatte.
Direkt neben dem Fuchshügel waren ebenfalls zwei Becken angelegt worden. Emm bemerkte, dass beide aus Stein waren, offenbar war hier die Grasnarbe nur eine flache Schicht über dem Granit. Das rechte Becken war groß und gut zwei Meter tief und offenbar zum Schwimmen gedacht. Das andere war klein und flach und an diesem Becken kniete eine Frau in einem grünen Kleid und schrubbte hingebungsvoll an einem hellblauen Kittel herum. Weitere Kasacks lagen in einem Korb neben ihr, andere hatte sie flach auf dem Gras ausgebreitet.
Arniri folgte unwillkürlich Emms Blick, sah die Frau und schrie auf. "Jahalay! Wir werden sterben! Wie schrecklich!" Sie begann zu weinen.
"Wieso, sie wäscht doch bloß?" fragte Emm verdutzt.
"Das ist eine Banshee! Wer sie sieht oder hört, ist des Todes!" schluchzte Arnini.
Feno legte den Arm um das verstörte Mädchen. "Das ist eine Bean-nighe, Arniri, vor ihr mußt du dich nicht fürchten."
Viel anders hatte sich das auch nicht angehört, dachte Emm. "Was ist der Unterschied?"
"Oh, die Banshees schreien und heulen, um den nahen Tod zu verkünden. Eine Bean-nighe ist zwar auch eine Todesverkünderin, aber sie hat andere Methoden. Bean-nighe heißt Waschfrau an der Furt."
"Und sie will uns jetzt sagen, dass jemand sterben muss?"
"Oh nein, das ist Maire, unsere Waschfrau. Früher hat sie den Schotten ihren nahen Tod angekündigt, indem sie deren blutige Wäsche wusch. Aber ihr Menschen achtet sie nicht mehr und da hat Vater sie als Wäscherin angestellt."
"In eurer Welt ist wirklich alles anders", stellte Emm fest. "Und wer webt eure Kleidung, etwa die Nornen?"
"Komisch, dass du gerade danach fragst ...."
"Sag jetzt nicht, das machen wirklich die Nornen!"
"Nein, natürlich nicht, sondern die Heinzelmännchen."
"Jetzt mach keine Witze!"
"Das ist kein Witz. Zu ihnen wollte ich gerade mit euch, dann kannst du sie ja selbst sehen."
"Aber Heinzelmännchen - Feno, das gibts doch nicht!"
Weder Feno noch Arniri verstanden Emm. "Ich weiß, dass es sie gibt, Emm", versicherte Arniri, während Feno meinte: "Ich dachte, du hast inzwischen verstanden, dass es die Geschöpfe gibt, die du bisher für erfunden hieltest. Was stört dich gerade an den Heinzelmännchen?"
Emm seufzte. "Weil - Heinzelmännchen sind doch - bei uns ist das so eine Redensart, weißt du. Meine Mutter sagt oft, wenn sie gefragt wird, wer was macht: na, die Heinzelmännchen. Damit meint sie dann, es tut keiner für euch, also macht euch an die Arbeit."
"Hm, diese Redensart kenne ich auch, allerdings mit Feen", meinte Arniri. "Vielleicht ist da ein Übersetzungsfehler?"
Feno runzelte die Stirn. "Das wird dann aber schwer zu finden sein."
Emm dachte nach. "Du meinst, ich verstehe Heinzelmännchen, aber ihr sagt in Wirklichkeit ein anderes Wort? Hm, unser Wort besteht aus zwei Teilen. Was versteht ihr, wenn ich Heinzel und Männchen einzeln sage?"
"Kleines Volk, also Zwerge", stellte Feno fest. "Und Heinzel, ein unbekanntes Wort. Ist das ein Name?"
Arniri nickte, offenbar hatte sie das gleiche verstanden. Tennao verfolgte mit unbewegter Miene die Diskussion, aber Emm war sicher, dass er jedes Wort aufnahm. Sie überlegte. "Ja, Heinzel ist eine Form von Heinz - oder Hinz vielleicht. Das war früher so ein Allerweltsname, dass Hinz und Kunz auch zu einer Redensart wurde."
Feno bemühte sich sichtlich, sich so auszudrücken, dass seine Worte nicht als feststehender Begriff übersetzt wurden. "Wenn du also Heinzelmännchen verstehst, bedeutet das in deiner Sprache sowas wie Allerweltszwerge, gewöhnliche Zwerge. Das trifft es ziemlich gut, finde ich."
"Ja, sie sind so ziemlich überall anzutreffen", steuerte Arniri bei. "Und sie sind nicht wie viele andere Zwerge auf etwas spezialisiert. So falsch sind deine Heinzelmännchen also nicht."
"Wow, dann hat unser komisches Wort für sie ja doch einen Sinn", staunte Emm. "Aber sind sie nicht beleidigt, wenn man sie gewöhnlich nennt?"
"Ganz bestimmt nicht!" Feno lachte. "Sie sind stolz darauf, nichts Besonderes zu sein und nicht aus der Menge herauszuragen. Zwar haben die meisten von ihnen ein individuelles Talent und üben es mit Begeisterung aus, aber niemand bildet sich etwas darauf ein, weil er weiß, dass andere Artgenossen dafür andere Dinge besser können als er."
"Aha und du willst jetzt zu denen, die besser weben können als andere", folgerte Emm. Feno nickte und führte sie einen immer schmaler werdenden Weg entlang bis zu einer gewaltigen Eiche. Unter ihrem ausladenden Blätterdach standen einige große Steine im Halbkreis herum. Feno beugte sich zu den mächtigen Wurzeln hinunter und rief hinein: "Listrona, bist du da?"
Die Antwort konnte Emm nicht verstehen, aber gleich darauf kletterte ein winziges Wesen zwischen den Wurzeln heraus. Die Frau war etwa 35 cm groß, hatte das lange, schwarze Haar zu einen Zopf geflochten und sah sie fröhlich aus großen, tiefblauen Augen an. Emm war sie sofort symphatisch.
"Fenyro, schön, dass du mich mal wieder besuchst", rief sie gleich und sprang auf einen der Steine. Feno kniete sich vor diesen Stein und hatte Listrona so nun in Augenhöhe. "Hau, Listrona, das hier sind Emm und Arniri. Tennao kennst du ja schon."
Listrona blickte die Mädchen neugierig an und verbeugte sich dann vor ihnen, dass ihr der Zipfel ihrer roten Mütze nach vorne fiel. "Willkommen bei mir, ihr Lieben! Was kann ich für euch tun?"
"Hallo, Listrona", sagte Emm freundlich. "Wieso meinst du gleich, dass du etwas tun mußt? Wir könnten doch einfach zu Besuch kommen?"
Listrona lachte. "Wenn Fenyro nicht allein kommt und Rucksack sowie Waffen dabei hat, kommt er sicher nicht zu Besuch!"
"Das stimmt", gab Feno zu. "Ich möchte gerne drei deiner Tarnumhänge haben."
"Drei?" Listrona sah die vier großen Geschöpfe vor sich an. "Ich brauche keinen", erklärte Tennao ihr.
"Hm", die Heinzelfrau musterte nun Feno und die beiden Mädchen sorgfältig. "Ja, ich denke, ich habe eure Größen da", meinte sie dann. "Aber, Fenyro, das wird nicht billig!"
"Das weiß ich", gab der junge Kitsune zu. "Deine Kunst ist sehr viel wert."
Listrona blickte ihn sinnend an. "Auch einen Glücksumhang?" fragte sie.
Feno schrak zusammen und wurde blaß, nickte dann aber. "Ja, Listrona, auch das. Wenn es jemand verdient hat, dann du."
Emm blickte Arniri an, die ratlos die Schultern zuckte. Tennao dagegen wirkte besorgt, griff aber nicht ein.
Feno kniete sich mit dem Rücken zu einem der Steine, hob die Hände und löste irgendetwas in seinem Haar. Jetzt fiel es ihm über den Rücken, circa eine Handbreit länger als schulterlang. Listrona war kurz in die Höhle verschwunden, tauchte aber nun mit zwei Jungen auf, die einen - für ihre Größe - gewaltigen Korb trugen. Flink kletterte sie auf den Stein und machte sich daran, mit einer großen Schere Fenos Haar abzusäbeln.
Jetzt begriff Emm. Feno hatte bereits erwähnt, dass Kitsunen-Haar glücksbringend war. Aber gleichzeitig waren die Pferdeschwänze, welche die Fuchsgeister in menschlicher Gestalt trugen, auch ihre Schwänze in Fuchsgestalt und die wiederum standen für ihren Rang. Was würde es für Feno bedeuten, wenn ihm die Heinzelfrau nun das Haar abschnitt? Das war zweifellos für Feno ein persönlicher Schrecken und Emm fand es sehr tapfer von ihm, dass er ihm standhielt und Listrona schneiden ließ.
Als die Heinzelfrau mit ihrer Arbeit fertig war, reichte Feno das Haar gerade noch zum Kinn und der Korb der beiden Jungen war gefüllt mit weichen, glänzenden, schwarzsilbernen Strähnen. Emm hätte mit dem feinen Gespinst nichts anfangen können, aber für die viel kleineren Heinzelleute ergab Fenos Haar eine spinn- und webfähige Wolle. Ein Gedanke kam ihr.
"Spinnt ihr auch die Fesseln, die wir für Ukrien benutzt haben?"
Listrona war bereits in ihrer Höhle verschwunden, aber einer der Jungen antwortete ihr: "Ja, die Kitsunen bringen uns das Haar, welches sie beim Auskämmen verlieren und wir spinnen das Glücksgarn daraus. Für die Arbeit dürfen wir einen Teil behalten oder wir bekommen Wild, welches die Kitsunen erlegt haben. Aber wir bekommen normalerweise nur rotes und braunes Haar, mit einem silber-schwarzem Umhang wird unsere Mutter sehr geachtet werden."
"Eine perfekte Symbiose", murmelte Emm. "Ihr macht das, wozu die Finger der Kitsunen zu groß sind und dafür bekommt ihr Dinge, die ihr bei eurer geringeren Größe nicht selbst beschaffen könnt."
Der Heinzeljunge zuckte die Achseln. "Ja, so ist jeder Handel nun mal."
"Mit dem Unterschied, dass Heinzelleute nur Arbeit gegen Arbeit tauschen", erklärte Arniri. "Für sie hat nur Arbeit einen Wert, darum kennen sie auch keine Währung."
"Arbeit oder Material", mischte sich Feno ein. "Ich hatte nicht viel Arbeit damit, mein Haar wachsen zu lassen. Aber es ist ein Teil von mir und es ist ein gewisses Opfer, darum ist es für sie der passende Gegenwert zu den Umhängen, die ich von ihr möchte." Er stand auf, faßte sein gekürztes Haar hinten zusammen und band es wieder zu einem Zopf, der jetzt allerdings ziemlich kläglich aussah.
"Schade", meinte Arniri. "Es war schön vorher." Feno zuckte die Achseln. "Was solls, es wächst nach. Die Zeit werde ich schon überstehen."
"Und damit ihr die Wartezeit übersteht, schickt euch Mutter dies", der zweite Heinzeljunge tauchte mit einer großen Holzplatte auf, auf der mehrere knusprige, braune Teilchen lagen.
"Oh, danke", Feno nahm sich eines der Teilchen, steckte es in den Mund und kaute eifrig. Tennao griff ebenfalls zu und Emm und Arniri bedienten sich ebenfalls, wenn auch etwas zögernd. Die Teilchen rochen lecker, Emm erinnerten sie ein wenig an die Chicken Nuggets bei McDonalds und das gab ihr den Mut, in das unbekannte Etwas hineinzubeißen.
Es schmeckte süß und scharf zugleich, ungewohnt, aber nicht schlecht, fand sie. Offenbar war hier Fleisch in Honig gebraten worden und dann in gewürzten Teig gebacken. Durch die starken Gewürze konnte Emm die Fleischart nicht ausmachen.
"Was ist das?" fragte Arniri, die anscheinend auch nichts mit dem Geschmack anfangen konnte.
"Honigmäuse", Feno nahm sich noch ein Stück. "Listrona ist nicht nur für ihre Weberei berühmt, sondern auch für ihre Gerichte."
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